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Interview vom 18. März 2016



Beim Namen Gläser entsteht in den Augen vieler Musikfreunden im Lande ein Leuchten, verbinden sie ihn doch mit einer Legende des Deutschrock, nämlich CÄSAR. Unter dem Namen sind aber auch seine Söhne als Musiker aktiv, u.a. Robert, der Bassist von SIX. Die Gruppe SIX dient in diesem Moment nur der aktuellen Zuordnung, denn Robert ist schon seit fast 30 Jahren im Musikgeschäft unterwegs. Er spielte in Punk-Bands, in der Band seines Vaters, unterstützte zahlreiche Kollegen bei ihren Solo-Projekten und trat auch als Produzent für andere Künstler in Erscheinung.001 20160322 1366751843 Seit dem vergangenen Jahr ist er außerdem Teil des Projekts APFELTRAUM, das die Lieder seines Vaters CÄSAR wieder auf die Bühnen des Landes bringt. Und so ganz nebenbei hat er sich nun ein Solo-Album aus dem Ärmel geschüttelt. Sein erstes! Sein Besuch bei Deutsche Mugge war längst überfällig und in diesem Monat ist er endlich unser Interview-Gast. Christian traf sich auf einen Plausch mit dem Bassisten, Sänger, Komponisten, Texter und Produzenten ...




Dein Album "Robert Gläser" steht in den Startlöchern. Wenn man so lange schon als Musiker in Bands und für andere Kollegen im Studio gearbeitet hat, wieso veröffentlicht man erst so spät sein erstes Solo-Album?
Das ist mir auch jetzt erst aufgefallen (lacht). Die Zeit vergeht so schnell, die Zeiger der Uhr rasen. Ich habe ja schon vor über zehn Jahren, so Anfang 2000, etwas Solistisches gemacht. Das war ein Projekt, was sich SONNENBRAND & HUBSCHRAUBER genannt hat. Damit haben wir immerhin eine Maxi und zwei Singles gemacht. Was eben damals so möglich war. Zum richtigen Album ist es aber nicht gekommen, weil es schwieriger war als heute, ein Album aufzunehmen. Die Möglichkeiten waren nicht gegeben, dass man so wie ich jetzt z.B. ein komplettes Album ohne Plattenfirma im Hintergrund rausbringen kann. Heute erledigt man vieles selber, was z.B. die Promotion betrifft. Auch kann ich heutzutage selber Videos drehen, um meine Songs bekannt zu machen. Unabhängig davon habe ich in den zurückliegenden Jahren viel für andere geschrieben und produziert. Aber auch mit meiner Band SIX haben wir in den letzten fünf Jahren drei Alben rausgebracht, wo ich maßgeblich an den Songs beteiligt bin. Ich hatte also einfach keine Zeit für mich selber. Zumal man bei den eigenen Sachen auch immer besonders selbstkritisch ist. Ich hatte das Problem, einen roten Faden für mein Album zu finden, da die Titel ja nicht alle erst im letzten Jahr entstanden sind, sondern stellenweise auch schon drei bis vier Jahre alt sind. Deshalb musste ich mir einen Produzenten nehmen, der da Ordnung reingebracht hat. Manchmal steht mir eben meine eigene Vielseitigkeit im Weg. Das sind wohl die Hauptgründe, warum ich erst jetzt ein Soloalbum rausbringe.

In Deiner Studioband spielte mit Stefan Henning ein alter Bekannter von SIX. Als Musiker, Produzent und Komponist tritt er auf Deiner Platte in Erscheinung. Wie kam es zu seiner Mitarbeit und Eurer Zusammenarbeit an dem Album?
Stefan Henning ist der Produzent für meine Platte, den ich brauchte, der mich in Form bringt. 2012 verließ uns bei SIX nach über zwanzig Jahren unser Gitarrist Uwe Fischer. Stefan war dann der erste Gitarrist, der nach Uwe Fischer bei SIX eingestiegen ist und ein Jahr lang bei uns gespielt hat. SIX war auf lange Zeit gesehen aber nichts für ihn.002 20160322 2041013768 Man ist in so einer Band halt sehr eingespannt und kommt kaum dazu, auch mal andere Projekte zu machen, weshalb sich Stefan auf Dauer in seiner Vielseitigkeit zu sehr eingeengt gefühlt hätte. Also stieg er bei SIX aus. Wir haben uns trotzdem weiter gut verstanden. Auf dem letzten Alben schrieben wir ja noch drei Songs zusammen. So kam es zustande, dass ich ihn fragte, ob er nicht Lust hätte, mein Soloalbum zu produzieren. Er hat es dann einfach gemacht.

An den Drums hat Felix Lehrmann, einer der richtig guten Schlagzeuger in unserem Land, gesessen. Ich weiß, die Musikwelt ist klein, aber wie bist Du auf ihn gekommen?
Felix kenne ich nun auch schon seit zehn Jahren. Ich kaufte ihn schon ein, als Felix noch als "der Geheimtipp von Berlin" galt. Es ging damals um eine Produktion für Valentine, meine Ziehtochter. 2004/2005 habe ich mit Valentine ein Album aufgenommen, 2006 gleich das zweite hinterher. Und schon da fragte ich Felix, ob er Lust hätte, das Album mit einzutrommeln. Wir haben uns sofort gut verstanden. Er ist wie ich Linkshänder, das verbindet. Als Stefan Henning mich fragte, wen ich mir für mein Album als Drummer vorstellen könnte, fiel mir natürlich sofort wieder Felix ein. Der war begeistert und sagte ohne zu zögern zu.

Gastmusiker gab es auch, u.a. Ferry Grott. Ebenfalls ein Spezialist auf seinem Gebiet ...
Es gibt auf dem Album ja nur eine Nummer, wo eine Trompete dabei ist, das ist "In dieser Nacht". Als wir auf die Idee kamen, Bläser einzubinden, dachte ich mir, die Trompete kann eigentlich nur Ferry spielen. Wir haben das dann ganz unkompliziert online erledigt, wie man das eben heutzutage so macht. Man schickt dem Musiker per Mail eine Aufnahme zu und fragt ihn, ob er das spielen möchte. Er spielt dann einfach da drauf, schickt uns seine Spur zurück und wir setzen sie in den Song ein.

Wie sind die Songs zum Album entstanden? Ich habe gelesen, dass neben Dir noch andere Komponisten und Texter mitgewirkt haben. Im Booklet steht z.B. auch der Name von Stefan Henning, dem Produzenten der Platte.
Das ist ja heute ein richtiger Prozess. Wenn ich z.B. eine Grundidee für den Text oder eine bestimmte Melodie habe, ist es nicht mehr wie früher, dass es dann gleich heißt, ich habe jetzt diesen Song geschrieben. Heute geht das Songwriting praktisch Hand in Hand mit der Produktion. Treffe ich mich beispielsweise mit jemandem, um an einem Song zu arbeiten, dann wollen wir diesen Song auch gleich richtig ausproduzieren. Es ist nicht mehr so wie früher, dass man sich trifft und an der Akustikgitarre oder dem Klavier an einer Nummer schraubt und rumprobiert, danach mit der ganzen Band den Song probt und erst dann ins Studio zur Aufnahme geht.003 20160322 1026339364 Dazu kommt, wenn ich einen Song schreibe und jemand anderes den produziert, dann teilt man sich eben heutzutage auch gleich das Urheberrecht an dem Lied. Das ist manchmal auch eine finanzielle Maßnahme. Man sagt: "Pass auf, du produzierst mir den Song und ich bezahle Dich mit dem eventuellen Erfolg der Nummer, indem ich Dir etwas von meinen Tantiemen abgebe". So kann man das wohl am besten beschreiben. Auf die Art gebe ich halt immer an verschiedene Leute einen Teil des Urheberrechtes ab, wenn sie Ideen zum Lied beisteuern.

Passiert das mit Kompositionen und Texten gleichermaßen?
Die Texte sind ja immer schon da. Da ich selber nicht so firm bin im Texte schreiben, arbeite ich gern mit gelernten Textern zusammen. Man muss das ja auch können, denn ein Musiker ist eben ein Musiker und ein Texter ist ein Texter. Bei mir ist es so, dass ich entweder eine Idee habe und jemand anderes arbeitet diese Idee dann richtig aus und bringt sie in Form. Oder ich habe einen Text vorliegen, vertone den und baue immer noch ein bisschen daran rum. So entsteht dann eben auch eine textliche Zusammenarbeit.

Du hast gerade erzählt, Ferry Grott hat seinen Part über das Internet eingespielt. Der Stamm dieser Studioband, also Stefan, Felix und Du, habt Ihr die Platte althergebracht mit allen Musikern gleichzeitig im Studio aufgenommen oder wie ist sie entstanden?
Es geht immer mit dem Songwriting los. Aber bereits in dieser Phase beginnt man praktisch mit der eigentlichen Produktion. Alles, was man spielt, wird meistens gleich aufgenommen und irgendwie verwendet. Stefan hat also angefangen, eine Art Vorproduktion zu machen. Früher hätte man Demoversion dazu gesagt. Er fing an, die Songs zu arrangieren und alles so einzuspielen, wie er sich das vorstellt. Das Schlagzeug wurde vorprogrammiert, der Bass und die Gitarren wurden eingespielt, ich steuerte schon mal die Vocals bei. Mit dieser Vorproduktion, aus der man den Titel schon deutlich heraushört, geht man dann ins Studio und nimmt zunächst das vorprogrammierte Schlagzeug wieder raus. Felix spielt nun auf den Song die echten Schlagzeugparts ein. Anschließend spiele ich auf die Drums meinen Bass ein. Weiter geht es mit den Gitarren, wo man manchmal auch schon voreingespielte Teile übernehmen kann, weil die einfach gut sind. Bei der heutigen Aufnahmequalität ist ja durchaus auch eine vorproduzierte Aufnahme noch verwertbar. Die restlichen Gitarren werden von Stefan eingespielt, der sich anschließend noch um den Gesamtsound kümmert und hier und da noch ein wenig rumexperimentiert. Nun folgen meine Vocalparts. Ist das erledigt, überlegen wir gemeinsam, was könnten wir noch brauchen, was fehlt noch? Zum Beispiel kleine Zutaten, wie Ferrys Trompete, die wir unbedingt als echte Trompete haben wollten. Ist das alles erledigt, geht es auch schon an den Mix des Ganzen.

Wie lange habt Ihr gebraucht, um die Songs einzuspielen und das Album fertigzustellen?
Das kann man nicht so genau sagen, weil allein schon das Songwriting immer sehr lange dauert. Die reine Produktionszeit mit allem Drum und Dran war etwa drei Monate.

Nun kennt man von dem Album bereits einen Song, den Du als Video online gestellt hast. Wie würdest Du die Platte aus Deiner Sicht beschreiben, was für Musik können wir erwarten und um welche Themen geht es?
Ich sagte ja bereits vorhin, dass sich ein roter Faden durch das Album zieht. Trotzdem bin ich kein Typ, der sich vorher festlegt und sagt, ich mache nur Rock, ich mache nur Pop oder nur dieses und jenes. Mir gefällt vieles, deshalb findet man auf der Platte auch einen sehr gelungenen Querschnitt an musikalischen Ideen, die ich gut finde. Es gibt ruhige Stücke, lustige Stücke, straffere Stücke, nachdenkliche Stücke wie z.B. "Gestrandet". Alles in allem ist es ein guter Querschnitt und ein super Rock-Pop-Album geworden. Nicht zu hart, aber auch nicht zu soft, sondern von allem etwas. Das betrifft übrigens auch die Inhalte. Es geht von Party über lustig bis traurig, romantisch - es ist alles dabei.

Du bist also breit aufgestellt?
Ja klar, wie man es auch als Mensch ist. Je älter man wird, umso mehr öffnet man sich auch inhaltlichen Sachen, sowohl textlich als auch musikalisch. Ich habe mit "Himmelsgruß" eine Nummer auf dem Album, bei dem die Leute mich immer wieder fragen, für wen ich das geschrieben habe. Da kann ich nur sagen, es ist für meinen verstorbenen Vater, aber auch für meine Oma und für all die Leute, die nicht mehr unter uns sind. Dieses Thema, also das Thema Tod, hätte ich vor zehn Jahren noch gar nicht angerissen.004 20160322 1630077818 Dafür benötigt man eine gewisse Reife, um darüber zu singen und sich damit auseinandersetzen zu können. Der Tod ist ja vor allem seit Anfang des Jahres vor allem in Musikerkreisen sehr in Mode gekommen. Ich weiß immer nicht, liegt es an meinem fortschreitenden Alter, dass ich mehr darauf reagiere? Früher habe ich diese Dinge nämlich nicht so wahrgenommen. Man sagt ja, es liegt daran, dass man in einem Alter ist, wo Leute sterben, die einen das ganze Leben lang begleitet haben. Junge Leute wissen vielleicht gar nicht, wer Guido Westerwelle war, der ja heute gestorben ist. Registrieren die das? Ich glaube es nicht. Aber zurück zur Frage. Es ist eben wirklich so, dass ich nicht sage, ich mache nur noch diese und keine andere Mugge mehr. Oder ich will ab heute nur noch Punk sein oder nur noch Rock spielen. Deshalb finden sich so viele verschieden Einflüsse auf der Platte wieder.

Die CD ist ja schon fertig und erscheint am 25. März. Bist Du mit dem Endergebnis rundum zufrieden oder würdest Du noch etwas ändern wollen, wenn es jetzt noch die Möglichkeit dazu gäbe?
Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis. Natürlich stellt man hinterher immer einiges in Frage. Ich habe viele schöne Momente damit gehabt, gerade in der Entstehungsphase des Albums. Bei mir ist es so, dass ich nicht mehr den nötigen Abstand habe, wenn etwas fertig und abgeschlossen ist. Deshalb kann ich es nicht neutral genug bewerten. Klar würde ich heute noch etwas anders oder nochmal besser machen. Dafür sind dann die Produzenten oder meinetwegen auch Außenstehende da, die mir in solchen Momenten sagen: "Jetzt ist es genug, schließe mal ab damit. Sei zufrieden und gucke, wie die Leute darauf reagieren". Es ist dabei für mich immer wieder verblüffend, dass die Leute oft ganz anders auf bestimmte Sachen reagieren, als man es selber erwartet hätte. Sie finden Details oder ganze Songs gut, die man selber gar nicht so toll findet. Und umgekehrt. Aber als Musiker und Künstler ist man eigentlich nie zufrieden. Das ist ein natürlicher Prozess. Man denkt immer schon wieder an die nächsten Aufgaben und versucht das einzubauen, was man aus dem aktuellen Prozess gelernt hat.

Zuletzt wurdest Du ja mit dem Song "Nööö" auffällig. Der Clip dazu hat sich ganz gut über das Internet verbreitet. Der Song fehlt wiederum auf dem Album. Warum?
Es haben mich auch andere Leute danach gefragt. "Nööö" habe ich ja nun bereits vor zwei Jahren digital veröffentlicht. Es war eine einzelne Nummer und sollte es auch bleiben. Außerdem habe ich "Nööö" in erster Linie über SIX bekannt gemacht. Der Song hätte irgendwie nicht auf das Album gepasst, hätte der Platte vielleicht so einen ungewünschten "Best of"-Touch verpasst, weil man ihn ja schon länger kennt. Stattdessen habe ich lieber Titel genommen, die man noch nicht so kennt. Außer vielleicht bei "Am Abend". Das Lied habe ich bereits 2001 mit SONNENBRAND & HUBSCHRAUBER veröffentlicht. Allerdings gefiel mir die damalige Version nicht wirklich und den Titel nahm damals auch keiner so richtig wahr. Also habe ich ihn nochmal neu aufgenommen. Aber "Nööö" hätte tatsächlich inhaltlich nicht gepasst.

Im April wird es ein Record Release Konzert geben. Wann genau und wo?
Das wird am 8. April in Berlin im "Club Gretchen" stattfinden. Einer der angesagtesten Clubs derzeit.

005 20160322 1432253948Wirst Du mit Deinem Album auf Tour gehen oder ist in die Richtung nichts geplant?
Das mache ich davon abhängig, wie es weitergeht. Ich bin immer offen für alles, aber natürlich muss das auch funktionieren. Ich brauche also die Nachfrage der Leute, ehe ich mich daran mache, eine Tour zu planen und eine Band zusammenzustellen. Ich muss das Gefühl haben, dass die Menschen meine Konzerte besuchen. Das würde ich aber dann erst gegen Ende des Jahres machen. Natürlich habe ich mir schon ein paar Gedanken gemacht, mich auch als Support bei größeren Bands beworben. Vielleicht geht da ja was. Genaueres kann ich noch nicht sagen, weil es noch nicht spruchreif ist.

Ich nehme an, beim Record Release Konzert wird die Studioband auf der Bühne stehen?
Genau. Nur Felix Lehrmann kann nicht kommen, weil der gerade mit SARAH CONNOR auf Tour ist. Sehr schade.

Lassen wir die Platte mal ruhen und kommen zu Dir und Deiner Vergangenheit. Dein Nachname verrät es schon, dass Du einen berühmten Vater hast, nämlich Cäsar Peter Gläser. Wie viel Einfluss hatte Dein Vater auf den ganz jungen Robert in Bezug auf seine Berufswahl? War er Vorbild für Dich?
Im Prinzip schon. Ich bin ja mit Musik und dem ganzen Drumherum groß geworden. Bei uns zuhause gingen die Musiker ein und aus. Zum Beispiel hat auch die berühmte Punkband WUTANFALL schon 1982 in unserem Keller geprobt. Ich hatte also eigentlich gar keine Chance etwas anderes zu machen oder wenigstens darüber nachzudenken. Aber ich wollte es ja auch selber. Musikalisch war es so, meine Eltern waren Hippies, während ich eher aus dem Punk komme. Als ganz junger Kerl fand ich das natürlich toll, aber als ich dann so nach und nach meinen eigenen Geschmack entwickelte, war das alles irgendwie doof, was mein Vater machte. Damals war er ja noch bei KARUSSELL. Das hat mir musikalisch nicht gefallen. Jetzt habe ich natürlich begriffen, worum es damals ging und wie geil das alles war. Aber meine eigene Richtung ging eben zuerst zum Punk und dann war NDW angesagt. Natürlich musste ich dann sowas wie KARUSSELL oder RENFT blöd finden. Aber da sind wir wieder bei der vorhin angesprochenen musikalischen Reife. Die kommt halt erst mit wachsendem Alter. Das hat übrigens nicht nur mit Reife, sondern auch mit Wissen zu tun, dass man erst spät die Qualität mancher Dinge erkennt. Als junger Mensch findet man eben nur das geil, was gerade den Zeitgeist ausmacht.

Du bist 12 Jahre alt und gründest Deine erste Band HEXENSCHUSS. Wir reden über die 80er ... welches Jahr genau?
Das muss so um 1983/1984 gewesen sein.

Du hast dort am Schlagzeug gesessen. Wie kam es dazu, dass Du Schlagzeugspielen gelernt hast und warum hast Du auf Gitarre und Bass "umgeschult"?
Zuerst lernte ich Gitarre spielen. Das war dann übrigens auch bei HEXENSCHUSS mein Instrument. Das Schlagzeug hat ein anderer gespielt. Die Schlagzeugvariante kam erst später durch meinen Onkel. Es gab da einen gewissen Detlev "Delle" Kriese, der spielte damals bei PASSION. Und diese Band namens PASSION hatte mein Vater seinerzeit komplett als Zweitbesetzung von CÄSARS ROCKBAND übernommen. Die erste Besetzung von CÄSARS ROCKBAND war von großartigen Musikern wie Wolfram Dix, Bernd Herchenbach und Erwin Stache durchsetzt. Das waren alles ganz tolle Künstler an ihren Instrumenten, weshalb das auch nicht so richtig funktioniert hat. Das hielt auch nur ein Jahr, dann brach die Band auseinander. Und weil Lutz Salzwedel, der damalige Sänger von PASSION, als Nachfolger meines Vaters als Sänger zu KARUSSELL ging, stand PASSION nun plötzlich ohne Sänger da. Mein Vater übernahm dann kurzerhand die komplette Band PASSION.006 20160322 1203078205 Dort spielte wie gesagt Delle Kriese Schlagzeug und hat mich damit irgendwie angezündet. Man ist ja immer noch auf der Suche als junger Mensch, also fing ich dann mit dem Schlagzeugspielen an. Ich hatte glücklicherweise auch dafür Talent. Kurze Zeit später sprachen mich auch gleich die Kollegen von WUTANFALL an, die sich später in L'ATTENTAT umbenannten, ob ich nicht bei ihnen die Drums übernehmen wolle. Das war ja dann auch immer eine Art Markenzeichen von L'ATTENTAT, dass sie mit einem zwölfjährigen Schlagzeuger auftraten, der nebenbei auch noch der Sohn von CÄSAR war. Das galt damals schon als kleine Sensation.

Eine Punkband in den 80er Jahren in der DDR ... Wo habt Ihr denn gespielt?
Wir haben meistens in Kirchen gespielt. In den Kirchen gab es öfter sogenannte Friedensmessen. Dagegen konnten die Behörden schlecht was machen, wenn ein Pfarrer eine Friedensmesse durchführte. Und manchmal spielte dort dann eben auch eine Punkband. Es gab da die kuriosesten Veranstaltungen. Zum Beispiel traten da mal DIE TOTEN HOSEN auf, die getarnt dahin fuhren und dann einfach drauf los spielten. Wir haben also viel in Kirchen oder Kirchenkellern gespielt. In der Regel kamen ca. zweihundert bis dreihundert Punks, die haben ordentlich gepogt zu unserer Musik. Es ist auch nie etwas passiert. Eigenartig im Nachhinein war, dass der damalige Leipziger Oberpunk Imad Abdul-Majid bezahlter Mitarbeiter der STASI war. Das muss man sich mal vorstellen: der anerkannte Oberpunk aus Leipzig und Gründer von L'ATTENTAT wurde von der STASI bezahlt! Es ist wirklich seltsam, wenn ich heute darüber nachdenke. Wir spielten ja auch viel auf illegalen und verbotenen Veranstaltungen und der Typ war immer dabei. Das war schon pervers. Man fragt sich natürlich, warum haben die uns spielen lassen, warum haben die bestimmte Dinge zugelassen, was war der tiefere Sinn? Wir selber hatten natürlich immer Angst, dass wir irgendwann mal in die Fänge der Polizei geraten und weggefangen werden. Aber obwohl vieles eben verboten und illegal war, ist nie etwas passiert. Wahrscheinlich deshalb, weil solche Leute wie Imad Abdul-Majid mit dabei waren. Aber wieso und warum er unser Bandchef war und gleichzeitig bei der STASI war, ist mir immer noch ein Rätsel. Dasselbe gilt ja für Sascha Anderson. Das war auch so ein Typ, der seinerzeit überall präsent war. Der war für alle so eine Art Guru, der half und unterstützte die Szene nach Kräften, war aber bezahlter STASI-Mitarbeiter, wie sich später herausstellte. Warum? Ich finde das sehr merkwürdig. Wir werden es nicht mehr herausfinden, aber das Thema finde ich sehr spannend und interessant.

Dann kamen CÄSAR & DIE SPIELER. Du spielst Bass und bist der jüngste Musiker in der Band. Wie bist Du mit gerade mal dreizehn Jahren in die Band Deines Vaters gekommen und an was erinnerst Du Dich besonders gern, wenn Du an die Zeit zurück denkst?
Ich hatte ja eigentlich noch meine Punk-Kiste am Laufen. Aber andererseits wollte ich auch irgendwie berühmt werden. Ich merkte natürlich, mit dem Punk komme ich nicht so recht weiter und es war auch alles mehr oder weniger illegal. Es ging eben mehr um die politische Sache und die Inhalte dahinter, aber weniger um richtige Musik. Mit dem System zu stänkern war nicht so mein Ding. Ich wollte einfach nur gute Musik machen. 1987 stieg ich in eine Band namens REININGHAUS ein, wo wir auch schon vorsichtig mit eigenen Nummern anfingen. Das ging in Richtung THE CURE mit englischen Texten. Ich merkte aber schnell, dass es in der DDR durchaus Sinn macht, deutsche Texte zu benutzen. ROCKHAUS oder PANKOW fand ich zum Beispiel cool. Also gründete ich kurz darauf eine neue Band namens DIE SPIELER.007 20160322 2069927977 Die Idee dazu holte ich mir bei Tino Eisbrenner und dessen Band JESSICA, die einen Song "Der Spieler" hatten. Das Lied gefiel mir total gut, weshalb ich meine Band danach benannte. Unsere ersten Auftritte waren nicht so gut und ich merkte, das stagniert irgendwie. Nun kommt mein Vater ins Spiel. Der hatte ja bereits 1985 einen Ausreiseantrag gestellt und hatte mit CÄSARS ROCKBAND aufgehört. Er hing zuhause rum, komponierte hier und da noch einige Songs, spielte aber nicht mehr live. Also fragte ich ihn einfach mal, ob er nicht Lust hätte, in meiner Band Gitarre zu spielen. Es war einfach nur ein Versuch, der mit einem "Ja klar, lass uns das mal machen" beantwortet wurde. In meiner Biografie steht ja zu lesen, dass er meiner Mutter gesagt hatte: "Wenn ich noch mal in einer Band spiele, muss Robert dort unbedingt Bassist sein". Nun konnte ich schon auf einem ziemlich hohen Level Bass spielen und so ergab es sich dann, dass wir anfingen, gemeinsam unsere Songs zu proben. Irgendwann fragte ich dann, ob wir nicht auch mal Lieder von ihm spielen wollen. Mein Vater hatte richtig Bock und Lust darauf und irgendwie war die logische Folge, dass er die Band übernahm. Um die richtige Aufmerksamkeit zu bekommen und alles besser vermarkten zu können, nannten wir uns dann CÄSAR & DIE SPIELER. Das hielt bis Anfang 1989. CÄSAR fing dann allerdings an, mit unseren Texten rum zu stänkern. Wir spielten jetzt nämlich wieder verstärkt in echten Blueslocations, was CÄSAR wohl dazu brachte, textlich etwas verändern zu wollen. Das gefiel aber den Kulturfunktionären wiederum nicht, denn wir fingen nun an, punktgenaue systemkritische Texte zu singen. Wir spielten auch die ersten RENFT-Nummern nach, zum Beispiel die "Rockballade vom kleinen Otto", die ja der Grund für das Verbot von RENFT war. Wir spielten das live und bekamen von staatlicher Seite eine ganz schnelle Reaktion darauf, die so aussah, dass wir im März 1989 innerhalb von 24 Stunden das Land verlassen mussten. Es gibt aus dieser Phase übrigens eine CD namens "Ich möcht' mich nicht erinnern". Ein Zeitdokument, heimlich aufgenommen im damaligen Klub des Chemieanlagenbau Leipzig.

Es folgte der Umzug der ganzen Familie nach West-Berlin. Für einen jungen Mann wie Dich damals sicher ein herber Einschnitt. Wie hast Du diese Übersiedlung selbst erlebt und wie ging es in der "neuen Heimat" weiter?
Es war dort alles ganz anders. Wir waren froh, dass wir in Ostdeutschland spielen konnten und an jedem Wochenende Muggen hatten. Im Westen kannte uns natürlich niemand, auch CÄSAR war da gänzlich unbekannt. Außerdem gab es dort so etwas wie professionelle Musiker, wie wir es aus der DDR kannten, gar nicht. Keine Ahnung, warum das so war, aber in Westberlin gab es zur damaligen Zeit tatsächlich keine Bands oder Musiker, die von der Musik gelebt haben. Man sagte uns, wir müssten uns zunächst auf dem Arbeitsamt registrieren lassen. Dort meinte man zu mir, der 17 Jahre alt war und gerade mit der Schule fertig war, dass ich nicht einfach Musik machen könnte, sondern vorher müsste ich erst eine Ausbildung machen. Bei meinem Vater war es ähnlich, der hat ja gleich einen Taxischein gemacht. Was sollte er auch machen? Das Leben, was er im Osten geführt hat, hätte im Westen so nicht funktioniert. Deshalb machte er seinen Taxischein und ich entschied mich für so eine komische Erzieherausbildung. Es war eben anders als in der DDR. Da hätte man einen vorläufigen Berufsausweis bekommen und konnte muggen. Nebenbei musste man halt auf die Musikschule gehen und hätte dann Profimusiker werden können. Im Westen gibt es diesen Weg nicht. Dort hast Du entweder Erfolg und die Leute kaufen Deine Platten oder Du kannst leider nicht davon leben. Na gut, Du könntest immer noch Musikschullehrer werden (lacht). Ich begann also meine Ausbildung und dann kam die Wende ...

008 20160322 2089719642Genau. Die Leute, die Euch aus dem Land geschmissen haben, sind kurze Zeit später vor die Wand gelaufen. Wo warst Du am 9. November 1989, als sich die Welt veränderte?
Ich war natürlich in Westberlin und war einer der Wenigen, die an der Bornholmer Straße in die andere Richtung über die Grenze gelaufen sind. Normalerweise konnte man ohne weiteres als Westberliner mit seinem Ausweis nach Ostberlin. Bei mir ging das nicht. Ich hatte es versucht, aber die Grenzposten registrierten natürlich sofort, dass wir so eine Art Landesverräter waren, weshalb wir nicht mehr in den Osten durften. Umso schöner war es für mich, als wir ein halbes Jahr später, genau am 9. November, dann doch wieder nach Ostberlin fahren konnten. Ich wollte als erstes meine Tante besuchen, aber die war leider nicht zuhause.

In Deiner Vita stehen für die Zeit nach der Wende einige Stationen. U.a. hast Du bei André Herzberg mitgespielt und warst an einem meiner Lieblingsalben, nämlich "Tohuwabohu", als Musiker beteiligt. Wie bist Du damals zu Herzberg gekommen und welche Erinnerungen hast Du noch an diese Zeit?
Ich hatte zur Wendezeit noch ein Projekt mit einer Band namens KASHMIR am Laufen. Ende 1990 haben wir sogar ein Album gemacht, welches dann aber nie erschien. Wie es genau zustande kam, weiß ich nicht mehr, aber eines Tages fragte mich Pjotr von RENFT, ob ich nicht Bock hätte, bei RENFT den Bass zu spielen. Die hatten 1990 eine Liveplatte aufgenommen und wollten jetzt ein neues Studioalbum in Angriff nehmen. Einen Plattenvertrag mit Noise Records gab es bereits, aber sie wollten die Platte nicht mit Klaus Jentzsch aufnehmen, denn Klaus galt ja als eher schlechter Bassist. Das kann ich übrigens nicht bestätigen, denn ich fand, er spielte prima. Die Band meinte jedoch, er sei für die Arbeit im Studio nicht genug, man wollte mal einen anderen Bassisten ausprobieren. Also fragte man mich. Mein Vater war bei der Reunion Band übrigens nicht dabei. Außer mir spielte Pjotr mit, Monster hat gesungen, Robert "Gohlis" Hoffmann spielte Keyboard. Jochen Hohl sollte eigentlich das Schlagzeug übernehmen, aber der wollte nicht mehr, woraufhin ich Jürgen Schötz in die Band holte, den ich von KASHMIR her kannte. Wir fuhren nach Ostrava, nahmen dort die Platte auf, die aber auch nie veröffentlicht wurde, weil wir uns im Studio mit Monster überworfen hatten. Irgendwie waren wir alle zu jung und zu wild und sind nicht richtig zusammengekommen. Was wir wollten, wollte Monster nicht und umgekehrt genauso. Wir waren acht Wochen in Ostrava, um die Platte aufzunehmen, aber die Platte ist bis heute nicht erschienen. Diese Besetzung hat sich dann also auch zerschlagen und Monster machte mit RENFT weiter, in verschiedenen Besetzungen. 1991 kam das Angebot für eine Tour mit bekannten Ostbands unter dem Titel "Es muss nicht immer Cocker sein". Da machten CITY mit, DIE ZÖLLNER, Hansi Biebl, CÄSAR & DIE SPIELER, Anett Kölpin und André Herzberg mit seiner ersten Soloplatte. Wir machten also zusammen eine Tournee durch die neuen Bundesländer, allerdings mit eher mäßigem Erfolg. Die Zeit war noch nicht reif dafür. Jedenfalls lernte ich bei dieser Gelegenheit auch André Herzberg kennen, der mich und einen Freund, mit dem ich damals bei KAMPANELLA IS DEAD gespielt hatte, fragte, ob wir Lust hätten, mit ihm die neue Platte einzuspielen. Tino Standhaft war übrigens auch dabei, mit dem ich ja auch noch eine Band hatte, zu der auch Delle Kriese gehörte. Ich hatte damals so viele Projekte gleichzeitig am Start ... Wir machten also mit André das "Tohuwabu"-Album. Für mich war das damals wie ein Ritterschlag. Ich war ja immer noch traurig, dass man im Westen nicht einfach mal so Musik machen kann. Plötzlich konnten wir stattdessen im Osten wieder muggen wie eh und je. Und ich durfte bei Herzberg den Bass spielen - das war der blanke Wahnsinn!

Da hake ich nochmal nach. Wann genau war diese Tour mit den vielen Ostbands?
Das war 1991. Es ging aber wirklich nur für diese eine Tour mit vielleicht zehn Terminen. Um Dir mal die Größenordnungen zu verdeutlichen: in Berlin spielten wir auf der Freilichtbühne Weißensee, in Leipzig im Clara-Zetkin-Park. Also immer so etwa Tausender-Locations. Trotzdem war das Ganze nicht sonderlich erfolgreich. CITY bestand zu der Zeit nur aus Fritz Puppel und Toni Krahl. Deren große Zeit ging ja auch erst wieder 1993 los. Maximal DIE ZÖLLNER durften 1991 vielleicht ein paar Erfolge verbuchen.

Wenn ich mal aus Deiner Vita zitieren darf: "arbeitet erfolgreich als Gastmusiker, Produzent, Arrangeur und Songschreiber für so unterschiedliche Künstler wie Dirk Zöllner, Big Joe Stolle, CITY, Thomas Anders ..." - da harke ich gleich nach: Thomas Anders???
Ja, mit Thomas Anders habe ich schon in Moskau, Budapest und Leningrad gespielt. Nick Scharfschwerdt, der Sohn von Klaus Scharfschwerdt, ist ja Drummer bei Thomas Anders. Nick mag mein Bassspiel und wollte schon immer mal mit mir in einer Band auftreten. Wie der Zufall es manchmal will, hat Thomas Anders gerade einen Bassisten gesucht. Ich habe die Chance genutzt, konnte mich aber nicht entscheiden, dort fest einzusteigen. Also machte ich einfach ein paar Muggen mit, was auch sehr spannend war. So wie wir mit SIX eben an den Wochenenden in Brandenburg, Sachsen oder im Erzgebirge unterwegs sind, touren die eben weltweit. Vorrangig natürlich bei den Russen und den anderen Ostblockländern, aber Thomas Anders spielt auch durchaus mal in Chicago, wenn irgendwelche reichen Russen mal schnell den Sänger von MODERN TALKING für eine Party buchen wollen. Hätte ich bei Thomas Anders unterschrieben, wäre keine Zeit mehr geblieben für die Arbeit bei SIX, bei denen ich ja nun schon etliche Jahre dabei bin. Ich wäre irgendwo in der Welt mit Thomas Anders unterwegs gewesen, aber dadurch wäre meine Personality verloren gegangen. Ich wäre nur noch ein x-beliebiger Begleitmusiker gewesen, womit ich mich nun überhaupt nicht anfreunden konnte.

Du wärst eine Art Angestellter gewesen und hättest Dienst nach Vorschrift machen müssen?
Genau. Thomas selber war nach unserer ersten Mugge total begeistert und sagte mir das auch, was mich natürlich freute. Es war im Ganzen gesehen schon eine andere Baustelle. So mit 5-Sterne-Hotels und kreischenden Fans. Das kann man sich nicht vorstellen. Der zieht wirklich Tausende Leute und es geht auf den Konzerten richtig ab. Die singen die MODERN TALKING-Songs, als wären die erst gestern geschrieben worden. Ja, das hat schon echt Spaß gemacht. Aber als wir uns zur zweiten Mugge in Tegel trafen ... Zum ersten Konzert bin ich separat geflogen, doch diesmal hieß es, Thomas und ich treffen uns und fliegen zusammen. Wir begrüßten uns und quatschen in der Lobby ganz entspannt. Irgendwann checkten wir ein, stiegen in den Flieger und Thomas blieb vorne in der ersten Klasse sitzen. Ich guckte auf mein Ticket, stutzte und dachte: "Oh ... ja gut ... alles klar ... Na dann bis später ...". Mit mir saß noch ein Techniker im Flugzeug, mit dem ich mich ganz nett unterhalten habe. Beim Aussteigen fuhr dann ein VIP-Shuttle vor und gleich hinterher kam der übliche Bus, wo die "normalen" Leute einsteigen. Thomas lief zielsicher nach rechts zum VIP-Shuttle, ich kam etwas später und wollte auch in die Richtung. Aber der Techniker hielt mich an der Schulter fest, schüttelte den Kopf und meinte: "Wir steigen links ein ...". Also in den normalen Bus. Thomas Anders war dadurch eine gefühlte Stunde eher im Hotel und auch am Auftrittsort. Da habe ich mir dann gedacht, darauf hast Du echt keinen Bock! Na klar ist er der Star, aber nee ... Ich hätte dafür auch zu viel aufgeben müssen. Und außerdem ist es kein Rock'n'Roll! Es hätte sicher für einige Zeit mal Spaß gemacht. Aber das konnte ich nicht bringen, weil mir mit SIX eben noch richtig klassisch muggen, bis der Arzt kommt. Um zu überleben und Geld zu verdienen. Da kann ich nicht einfach sagen, ich mache mal ein halbes Jahr Pause, sucht Euch so lange einen anderen. Das geht nicht.

CITY steht ebenfalls auf Deiner Liste. Ich nehme an, damit ist die Arbeit am Album "Rauchzeichen" 1997 gemeint, oder?
Nein, das war die Arbeit an "Yeah Yeah Yeah". Müsste 2010 gewesen sein. Da habe ich drei oder vier Nummern eingespielt.

Nicht unerwähnt sollte die Gründung von DE BUFFDICKS bleiben. Eine Band, die Du zusammen mit Buzz Dee Baur von KNORKATOR betrieben hast. Kannst Du kurz erzählen, wie die Band entstanden ist und welche Idee Ihr damals dabei hattet?
Die Band wurde durch mich gegründet. Die Idee dahinter war, Crossover mit deutschen Texten zu machen. Das war die Art Mugge, die mich angezeckt hatte. Wir waren so was wie H-BLOCX, nur eben mit deutschen Texten. Gleich mit unseren ersten Demosongs bekamen wir einen Deal mit "K&P Music", was ja das Label von Krahl und Puppel war. Das wiederum war ein Sublabel von BMG, womit wir also gleich zu Beginn einen kleinen Major-Deal hatten. Dadurch konnten wir eine Platte aufnehmen, die jedoch sehr experimentell wurde, weil wir wohl in dieser Zeit einfach zu viele Drogen genommen hatten. Toni und Fritz haben uns auch einfach machen lassen und sich hinterher gewundert, was wir da fabriziert hatten. Trotzdem erschien die Platte, aber logischerweise mit ganz mäßigem Erfolg. Ich würde sagen, wir waren mit der Musik durchaus der Zeit ein Stück voraus. Die Leute, die es heute zum ersten Mal hören, sind meistens ganz angetan davon. Und die Platte ist immerhin schon von 1997. Da war Buzz Dee Baur aber schon nicht mehr dabei. Zu dieser Zeit fing es auch an, dass wir nach und nach unseren Fokus verloren und unsere eigene Idee, unseren Weg verlassen haben. Es war eine Mischung aus Größenwahn und Verzettelung. Ich spielte z.B. die kompletten Gitarren allein, war auf einem seltsamen Ego-Trip. Damals war Buzz Dee richtig sauer auf uns, weil wir uns von ihm getrennt hatten. Letztlich war es aber für ihn wiederum eine glückliche Fügung, da ihn Alf Ator kurz darauf zu KNORKATOR holte. KNORKATOR gibt es heute noch, die haben große Erfolge zu verzeichnen, während sich DE BUFFDICKS nach der Produktion der Platte aufgelöst haben.

Dafür bist Du dann bei SIX eingestiegen. War es nun 1997 oder 1998, als Du zur Band gestoßen bist?
1997 war die Veröffentlichung des DE BUFFDICKS-Albums. Danach passierte nichts mehr. 1998 hatte ich noch die Band NADA BRAHMA, die zwischenzeitlich auch mal ganz gut rausgeguckt hat. Aber auch das funktionierte nicht so wirklich. In diese Zeit fiel die Geburt meiner Tochter, was mir dann plötzlich nicht nur Vatergefühle, sondern auch ein ganz neues Verantwortungsbewusstsein bescherte. Ich begriff, ich kann zukünftig nicht mehr nur machen, was ich will und was mir Spaß macht, sondern ich muss auch mal ein bisschen Geld verdienen und Verantwortung übernehmen. Zufälligerweise suchte SIX Ende 1998 gerade einen Bassisten. Ich hörte, dass es bei denen pro Auftritt 300 DM gibt und dass die jedes Wochenende Auftritte haben. Jetzt kannst Du Dir ausrechnen, ob das für mich eine gute Sache war und wirst verstehen, dass mir die Zusage leichtfiel. Allerdings fand ich es bitter, dass die bei allen Erfolgen eben nur als Coverband agierten. Zum Beispiel spielten die damals gerade "Rescue me" von BELL BOOK & CANDLE nach. Das war schon komisch. Zumal wir mit DE BUFFDICKS seinerzeit über diesen Song gelacht haben. "Das klingt ja wie THE CRANBERRIES für Arme" und so was in der Art ... Und plötzlich sind BELL BOOK & CANDLE damit europaweit auf Platz 1! Als Krönung stehe ich dann mit SIX auf einer Bühne in Thüringen und spiele "Rescue me" nach. Das war schon hart (lacht).

Hatte SIX zum damaligen Zeitpunkt noch keine eigenen Titel?
Doch, es gab schon eigene Songs, aber die Nachfrage hielt sich bei den Fans in Grenzen. Okay, das Stück "Keine Wunder" ist aus der frühen Zeit von SIX, das spielen wir auch heute noch. Aber ansonsten interessierte sich niemand für unsere eigenen Songs, wir haben nur gecovert und Party gemacht.

Dennoch sich hat Euer Konzept, sowohl zu covern als auch Eigenes zu spielen, sehr gut bewährt. Ihr habt daraus ein abendfüllendes Programm entstehen lassen. War das von Anfang an der Plan, weg von der Coverband hin zu eigenen Titeln? Oder entstand das eher durch Zufall?
Das entstand wirklich eher durch Zufall und einige Besetzungswechsel. Wir hatten zum Beispiel mit Stefan und Jochen eine Zeitlang zwei Sänger. Stefan war für die härteren Nummern zuständig, Jochen eher für die moderaten, softeren Songs. Es gab sogar eine Sängerin, die hörte sich an wie Alanis Morisette. Und ich war eher der schräge Typ. Irgendwie waren wir wie ein bunter Zirkus. Eines Tages stieg die Sängerin aus, weil sie schwanger war. Unser zweiter Sänger Jochen konnte irgendwann auch nicht mehr alle Lieder singen, was für eine Coverband natürlich doof ist. Da musst Du ständig die aktuellen Sachen bringen, was vor allem vom Sänger einiges an Können verlangt. Der war sehr auf Westernhagen geeicht, was aber in den Endneunzigern auch nicht mehr so gefragt war. Also ich hatte den Eindruck, unser ganzes Konzept passte nicht mehr, wir waren nicht mehr up to date. Irgendwann wären wir tot gewesen. Trotzdem hatten wir schon zwei Alben eingespielt, auf denen wir alle irgendwas gemacht und beigesteuert hatten. Aber so richtig glücklich waren wir nicht damit. Wir zogen Tausende von Leuten auf unsere Konzerte, doch wenn man sich die Alben anhörte, wusste niemand, was wir eigentlich wollten, wofür wir standen. Was ist das für eine Band, wer ist der Sänger usw. Wir mussten irgendwie Klarheit schaffen. Zuerst konzentrierten wir dann alles auf unsere Sängerin Nadine und nahmen mit ihr auch zwei relativ erfolgreiche Singles auf, aber auch sie verabschiedete sich bald. Wieder war das Konzept im Eimer. Stefan kam dann auf die Idee, dass er ab sofort singt und wir auf etwas härteren Deutschrock umsatteln. Mit Texten, die jeder versteht. Also genauso, wie wir heute sind. Quasi eine Mischung aus RAMMSTEIN und Matthias Reim. Unser erstes Album in dieser Konstellation hieß "Gefallene Engel" und kam gut an bei den Leuten. Unser neues, klares Konzept mit Stefan als Sänger und dem Schwerpunkt auf deutschsprachigen, eingängigen Rock gefiel auch Universal Music. Von nun an ging es Schlag auf Schlag. Wir hatten in der Zeit auch den Hit "Geiler isses hier", der in Zusammenarbeit mit Anja Krabbe entstanden ist. Wir setzten natürlich alles auf diese Single, aber leider haben die Jungs von Universal nicht so richtig gut dafür gearbeitet und man ließ uns danach schnell wieder fallen. Aber das war egal, denn wir hatten das Album am Start und die Leute haben gut darauf reagiert. Ganz bewusst haben wir in den Konzerten immer und immer wieder diese Songs gespielt, damit sie haften bleiben. Anschließend machten wir noch ein zweites Album, bekamen sogar einen Deal mit Sony Music. Und obwohl es nur wenig Werbung für dieses zweite Album gab, schoss das Ding plötzlich in die Charts. Es gab viele, die es nicht so gut fanden, dass wir jetzt eigene Lieder spielten, aber noch viel mehr Leuten gefielen unsere Songs. Das dritte Album "Gebrannte Kinder" kam ebenfalls sehr gut an, jetzt arbeiten wir an Album Nummer 4. Seitdem ziehen wir das wirklich ganz krass durch und spielen zu sechzig Prozent eigene Titel auf den Konzerten. Die restlichen vierzig Prozent sind nach wie vor Coversongs. Aber wir bringen nicht mehr die neuesten Chart-Nummern auf die Bühne, sondern spielen nur noch echte Klassiker. Sachen, die uns gefallen und die zu uns passen. Unser Konzept gibt uns natürlich ein echtes Alleinstellungsmerkmal, denn keine andere Coverband in Deutschland hat es geschafft, mit eigenen Songs solche Erfolge zu feiern.011 20160322 1581189113 Trotzdem können wir auch nach wie vor auf einem Stadtfest spielen, wo uns niemand kennt und dennoch werden die Leute gut von uns unterhalten und nehmen am Ende des Tages unsere CD mit nach Hause. Es gibt sogar jede Menge Stimmen, die meinen, wir sollten nur noch eigene Sachen spielen und aufhören zu Covern, denn das würde unsere eigenen Qualitäten verwässern und schmälern. Aber wir müssen halt auch überleben. Deshalb bleibt uns derzeit nichts weiter übrig, als noch zwei, drei Jahre auf diese Art weiterzumachen, noch zwei neue Alben zu produzieren und dann können wir eines Tages wirklich Konzerte ausschließlich mit eigenen Nummern spielen. Das ist heutzutage wirklich nicht einfach. Wenn Du nur Eigenes bringst, aber keinen wirklichen Hit dabei hast, kriegst Du eben auch weniger Muggen angeboten, kannst nicht mehr auf jedem Stadtfest auftreten.

Ihr seid jetzt also da, wo Eure Eltern früher mal angefangen haben. Die haben auch viel auf Tanzveranstaltungen gespielt, viel gecovert und nach und nach eigene Titel ins Programm reingemischt. Kann man das so sehen?
Ja, das kann man so sehen. Nur müssen wir das sehr behutsam angehen, weil wir medial nicht präsent sind, sondern uns das Publikum wirklich Stück für Stück erspielen müssen. Wir sind also tatsächlich so was wie eine Dorfband, was uns aber keinesfalls stört. Dann gibt es auch solche Abende wie letztens in Berlin in der Freiheit 15. Die Hütte war rappelvoll und die Stimmung bei unseren eigenen Nummern war deutlich besser als bei den Covernummern.

Du nennst Euch Dorfband. Da entgegne ich Dir, Ihr seid eine Dorfband, zu der schon mal bis zehntausend Leute pilgern. Die kommen wegen Euch! Was in Sachsen-Anhalt und Brandenburg super funktioniert, klappt anderenorts nicht so ... Trotz vieler Fans, eben erwähnten Konzerten vor Tausenden von Leuten und geilen Produktionen wie "Narben und Souvenirs" oder "Gefallene Engel" blieb der Erfolg gesamtdeutsch gesehen aber eher im überschaubaren Rahmen und auch die Plattenfirma hat Euch wieder fallengelassen. Warum klappt SIX z.B. in Niedersachsen, Bayern oder Nordrhein-Westfalen nicht so gut wie in Mitteldeutschland. Woran - glaubst Du - liegt das?
Das kann ich nicht sagen. Vielleicht liegt es daran, dass immer noch nicht richtig klar ist, was wir eigentlich machen. Auch im Westen gibt es Leute, die uns fragen, warum wir da nicht funktionieren. Wir haben vor kurzem zum Beispiel mit Thomas Godoj in Frankfurt/Main gespielt und es hat richtig geknackt, die Leute waren total aus dem Häuschen. Vielleicht haftet uns tatsächlich dieses Coverband-Image an, weshalb viele uns nicht richtig ernst nehmen. Oder es fehlt dann doch das Marketing einer Plattenfirma, die das alles steuert. Oder es fehlt schlicht und einfach DER Hit, der sich wie ein Lauffeuer verbreitet und uns nach oben schießt. Wir wissen es nicht. Wir können also nur weitermachen und dürfen uns nicht die Hirne zermartern. Uns wurde z.B. auch niemals die Chance gegeben, beim Bundesvision Song Contest für Brandenburg dabei zu sein. Da könnte man mit einem eigenen Song auftreten und bekommt vielleicht etwas Aufmerksamkeit. Uns fehlt eben die mediale Präsenz, die man heutzutage braucht.

012 20160322 1808971791Und dann gibt es da noch ein ganz besonderes Projekt, das seit letztem Jahr auf der Bühne zu erleben ist, nämlich das APFELTRAUM-Projekt. Wer hatte die Idee dazu und wie ist diese Band entstanden?
Die Idee kam von einem Veranstalter aus Tanna. Dort findet immer über Ostern ein dreitägiges Bluesfestival statt. Dort trat ich mal mit meinem Freund Big Joe Stolle auf. Dieser Veranstalter meinte zu uns: "Könnt Ihr nicht auch mal ein paar CÄSAR-Songs spielen? Zumal der Robert ja auch dabei ist ...". Big Joe sprach mit mir darüber und wir entschieden uns, neben "Whisky" und "Mein Bruder Blues", die wir ohnehin im Programm haben, noch drei bis vier weitere Titel von CÄSAR ins Programm einzubauen. Meine Idee ging dann dahin, wenn wir so etwas schon anfangen, warum machen wir nicht gleich ein komplettes CÄSAR-Programm daraus? So kam es dazu. Mein Bruder Moritz macht noch mit, der spielt Gitarre und singt, Jürgen Schötz sitzt am Schlagzeug, Big Joe übernimmt die Mundharmonika und singt und ich schnalle mir den Bass um. Jetzt stand noch die Frage im Raum, wie wir das nennen wollen. Im Raum stand so was wie "Cäsar Reloaded" ... Ich kam dann plötzlich auf den "Apfeltraum". Inspiriert wurde ich zugegebenermaßen dabei durch den CLUB DER TOTEN DICHTER. Wir haben dann noch den Supergitarristen Mauro Pandolfino aus der Band von Big Joe Stolle dazu geholt, weil gerade viele KARUSSELL-Nummern zweistimmig gespielt werden. Die Proben machten richtig viel Spaß. Das Besondere ist, dass wir uns ganz bewusst streng an die Originale gehalten haben und die Nummern wirklich so spielen, wie sie mal klangen. Das erste Konzert lief hervorragend. Die Leute, die dabei waren, verstanden stellenweise die Welt nicht mehr, die fühlten sich total in die damalige Zeit zurückversetzt. Die Stimmen gingen von "authentisch" über "unglaubliche Energie" bis "so frisch gespielt", was vielleicht auch daran liegt, dass wir eben die originalen Arrangements verwenden. Die Leute fahren darauf ab, finden das geil, also machen wir das weiter. Jetzt nimmt das Ganze natürlich eine etwas größere Form an, so dass wir uns noch einen Booker besorgt haben. Und ich muss sagen, das läuft richtig gut.

Es hat bisher schon einige Konzerte gegeben, weitere werden folgen. Wie sind die Pläne für das Projekt? Wo soll es hingehen und was kommt als nächstes?
Erstmal wollen wir das Programm viel live präsentieren. Wir wollen spielen, besser werden, vielleicht im Laufe der Zeit auch mal ein paar Songs austauschen. Der Fundus ist groß, das wird machbar sein. Wenn wir dann eingespielt sind und die Leute uns immer noch sehen wollen, spukt schon der Plan in unseren Köpfen rum, vielleicht mal eine DVD mit unseren Versionen zu machen. Ansonsten soll das ein Projekt sein, was zukünftig immer da sein wird und den Leuten Spaß bringen soll.

Du trägst damit den musikalischen Nachlass Deines Vaters weiter in die Welt. Du hast es gerade gesagt, die Leute stehen vor der Bühne und sind baff. Was ist das für ein Gefühl zu sehen, bei wie vielen Menschen Dein Vater noch in den Köpfen ist und er ihnen fehlt?
Das ist schon Wahnsinn und geht manchmal direkt bis zum Kloß im Hals. Wenn man die Nummern singt, kommen schon mal einige Emotionen hoch. Das ist so eine Mischung aus Freude und Traurigkeit. Es macht mir einfach einen Riesenspaß, diese Nummern heute mit der nötigen Reife, der nötigen Tiefe und dem nötigen Respekt zu spielen.013 20160322 1554942249 Bei solchen Themen bin ich immer sehr nah am Wasser gebaut, deshalb sind gerade live immer ganz viele Emotionen und Gänsehaut bei mir vorhanden, wenn ich sehe, wie die Leute auf die Lieder reagieren. Wie sie abgehen, wie sie mitsingen. Es ist halt ein großes musikalisches Erbe. CÄSAR war nun mal ein Typ, den die Menschen geliebt und verehrt haben und dem sie bis heute treu sind.

Wir sprachen ja eingangs schon davon, dass Du als Teenager in seiner Band gespielt hast. Hat Dein Vater Dir damals Tipps für den Beruf als Musiker mit auf den Weg gegeben oder hat er Dich Deine eigenen Erfahrungen machen lassen?
Gerade als wir bei CÄSAR & DIE SPIELER zusammen auf der Bühne standen, hat er mich sehr gefordert, auch herausgefordert. Aber er hatte auch großes Vertrauen in mich, denn es war schon Wahnsinn, dass ich plötzlich in seiner Band den Bass spiele. Ich durfte die Basslinien der berühmten Kollegen spielen, ob das nun Klaus Jentzsch war oder Claus Winter ... Anfang der Neunziger kam dann die Phase, wo ich mich abgenabelt habe, um mein eigenes Ding zu machen. Da spielte ich meinem Vater plötzlich Sachen vor, zu denen er mit der Zunge schnalzte. Irgendwann drehte sich alles wieder um, weil ich irgendwann begriff, was er eigentlich für ein großartiger Musiker war und ist. Sein Gitarrenspiel, sein Flötenspiel, sein Gesang, seine Songs ... Es war nicht alles toll, was er gemacht hat, aber das meiste schon. Und dann ist er 2008 leider gestorben. Ganz schnell und plötzlich. Wenn man so etwas vorher wüsste, würde man wahrscheinlich auch ganz anders miteinander umgehen. Heute könnte ich ihm sagen, wie geil ich ihn finde. In den Neunzigern konnte ich das nicht. Da fand ich nur mich selber geil. Ich war halt damals auf so einem Selbstfindungstrip, hatte unglaublich viel Energie. In solchen Phasen ist man auch mal etwas respektlos den Älteren gegenüber. Auch das begreift man aber erst später, vielleicht mit Anfang Dreißig oder Vierzig.

Glaub mir, Dein Vater hat genauso getickt, der wusste damit umzugehen.
Das mag sein. Aber eigentlich war er immer so ein Bescheidener, niemals ein Aufschneider oder Aufdreher. Diese Tendenz hatte ich schon eher. Er war dafür beliebt, dass er immer freundlich war, mit jedem gut umging, sich mit allen Leuten unterhielt. Starallüren kannte er nicht. Bei mir waren diese Starallüren in den Neunzigern durchaus mal vorhanden. Ich spielte als blutjunger Kerl mit André Herzberg und Tino Standhaft, mit KAMPANELLA IS DEAD und gleich danach kamen DE BUFFDICKS, es folgte ein Plattenvertrag, ich konnte machen was ich wollte, ich dachte, jetzt kann ich Gitarre spielen, ich kann singen, ich kann eigentlich alles! Ich bin ein Halbgott! Spätestens als ich dann mit SIX "Rescue me" spielen musste, erwachte ich langsam und dachte mir: Du musst cooler werden. Es ist nämlich doch nicht alles so, wie Du dachtest.

014 20160322 1014964505Damit schließt sich der Kreis und wir landen wieder im Hier und Heute und bei Deiner CD. Was wünscht Du Dir persönlich für die CD? Du spekulierst sicher nicht auf den großen Charterfolg.
Ich hoffe, dass es den Leuten gefällt. Den ersten Testlauf mit "Gestrandet" habe ich ja bereits gestartet und nur positive Reaktionen erhalten. Wenn ein Mann wie FALKENBERG mir schreibt, dass er sich über den Song freut und ihn richtig gut findet, oder Uwe Hassbecker reagiert und mir sagt, er findet es geil, was ich da mache, dann ist das nicht nur die halbe Miete, sondern schon fast ein Ritterschlag. Es gibt auch schon eine Menge CD-Vorbestellungen. Ich bemerke eben auch, so blöde es klingen mag, dass ich mir in den letzten zwanzig Jahren scheinbar eine erhebliche Fangemeinde erspielt haben muss, die mich unterstützt. Da bin ich stellenweise wirklich echt überrascht. Ich freue mich riesig über die ersten Reaktionen und gucke mal in Ruhe, was weiter passiert. Vielleicht passiert ja doch noch irgendein Wunder. BUENA VISTA SOCIAL CLUB haben auch nicht damit gerechnet, dass sie mit 70 nochmal so groß rauskommen. Insofern ist also Hoffnung da. Vor allem kann ich ganz locker bleiben, denn ich habe überhaupt keinen Druck jemanden gefallen zu müssen oder die Erwartungen einer Plattenfirma nicht zu erfüllen. Jetzt freue ich mich auf die Record Release Party und schaue, wie es weitergeht.

Letzte Frage: Bleibt der Rauschebart dran?
Natürlich kommt der wieder ab. Meine Freundin nervt auch schon deswegen. Aber ich habe noch einen Videodreh vor, über den ich aber noch nicht reden will und kann. Für diesen Dreh will ich den Bart noch dran lassen, weil ich den auch bei "Gestrandet" schon hatte. Spätestens zur Record Release Party sehe ich dann wieder zehn Jahre jünger aus.
 
 
Weitere Infos zu Robert und der neuen Platte gibt es auf seiner Homepage: www.robertglaeser.de




Interview: Christian Reder
Bearbeitung: tormey, cr
Fotos: Lutz Müller Bohlen, Tom Biermann, Dietmar Meixner, Archiv Robert Gläser, Archiv Deutsche Mugge






Videoclips:

 
"Gestrandet"


"Ich fliege"




   
   
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