Manchmal nennt man ihn nur den Herrn Petereit. Aber auch ohne Vornamen weiß jeder, von wem die Rede ist. Bekannt wurde er als Gitarrist und Mitbegründer der Gruppe ROCKHAUS, die es - mit kurzen Unterbrechungen - seit Ende der 70er gibt und die gerade im vergangenen Jahr noch ein neues Album vorgelegt und damit auf Tournee war. In den letzten Jahren ist er außerdem neben Uwe Hassbecker der zweite Gitarrist bei der Gruppe SILLY und verleiht dem Sound mit seinem Gitarrenspiel mehr Tiefe. Trotzdem man Herrn Petereit gut zu kennen glaubt, weiß man doch eigentlich nicht sehr viel von ihm. Wie kam er überhaupt zur Musik? War das von Anfang an sein Berufswunsch? Wie entstand die Gruppe ROCKHAUS und wie kam er zu SILLY? Wir hatten einige Fragen an den Musiker aus Berlin, auf die er uns in einem Gespräch gleich zu Beginn des neuen Jahres Antworten gab ...
Werfen wir zunächst einen Blick zurück ins letzte Jahr. Im November habt Ihr mit ROCKHAUS in Berlin Eure Tournee beendet. Wie fällt das Fazit aus? Wart Ihr zufrieden mit dem Zuspruch des Publikums? Wie ist die Tour insgesamt gelaufen?
Wir waren sehr zufrieden. Wenn ich das mal über die Jahre vergleiche, ist es immer mehr geworden. Diesmal hatten wir drei ausverkaufte Konzerte, was uns sehr gefreut hat.
Dabei wäre es fast nicht dazu gekommen, denn es war zu hören, dass die Band im letzten Jahr eigentlich schon aufgelöst war. Stimmt das?
Ja, das stimmt. Wir wollten nicht mehr als ROCKHAUS auftreten, doch unser Manager meinte, da wären noch Konzerte gebucht, die müssten wir noch spielen. Seine Idee war, dafür ein neues Foto zu schießen und danach eine Art "Best of"-Tour zu machen. Aus diesem Foto wurde dann tatsächlich ein neues Album.
Dieses Foto stammt von Carsten Klick. Kann denn ein einziges Foto wirklich dafür sorgen, dass sich Musiker wieder zusammenraufen und an neuem Material arbeiten?
Es sieht ganz so aus. Okay, es hört sich komisch an, fast wie ausgedacht. Aber das war für uns wirklich der Startschuss, wieder etwas Neues zu machen. Mike rief mich irgendwann an und fragte aufgeregt: "Hast Du das Foto gesehen?" Ich sagte: "Ja klar, das ist toll." Darauf Mike: "Dieses Foto sieht doch aus wie das von einer Band, die ein neues Album am Start hat. Wir müssen etwas machen!" Ich musste das auch erst mal einen Tag lang sacken lassen, aber dann begannen wir tatsächlich wieder mit unserem Produzenten Rainer Oleak an neuem Material zu arbeiten.
Das Ergebnis ist das Album "Therapie". Im Großen und Ganzen kam das Werk bei den Fans gut an. Doch es gab auch Stimmen, die meinten, das sei kein ROCKHAUS-Album geworden. Wie siehst Du das selbst? Mit welchen Intentionen seid Ihr damals an die Aufnahmen gegangen?
Es stimmt, "Therapie" ist ein anderes Album, anders als alle Alben, die wir vorher gemacht haben. Ich finde trotzdem, dass es nach ROCKHAUS klingt. Aber natürlich kenne ich diese Stimmen, die sagen: "Ach nee, ROCKHAUS muss sich anders anhören …". Die hören eben lieber die "I.L.D." oder "Treibstoff"-Phase. Wir hatten ja diesmal nicht so richtig viel Zeit, denn durch unseren Entschluss, nichts mehr zusammen machen zu wollen, ging schon eine Menge Zeit verloren. Deshalb ging es nicht anders, als Rainer Oleak diesmal viel Kompetenz zu übertragen, was dazu führte, dass er das neue Album quasi komplett selber arrangiert hat. Das ist meines Erachtens der Hauptgrund, weshalb es klingt, wie es jetzt eben klingt. Aber wir wollten das so und stehen auch voll dahinter.
Gerade gestern habe ich bei facebook gelesen, dass sich jemand über die Texte beschwerte. Die wären nicht so gut, wie man es von ROCKHAUS gewohnt ist. Betraf die Zeitnot also auch das Schreiben der Texte?
Die Texte liegen immer sehr lange da und am Ende ist dann ein sehr komplexes Gebilde, bis Musik und Text zusammenkommen und sich finden. Klar, auch hier fehlte etwas die Zeit, aber es war diesmal eben so. Das nächste Album würde wahrscheinlich wieder völlig anders klingen. "Treibstoff" war eher ein bisschen politisch angehaucht. Da waren auch mehr Texte von mir dabei, als auf dem neuen Album. Dadurch ist es eine andere Mischung, ich kann die Leute schon verstehen. Aber jedes Album ist anders.
Wolltet Ihr bewusst alles anders machen, so dass sich die Musik vom "Treibstoff"-Album unterscheidet oder war es eher Zufall, dass es so gekommen ist?
Nein, eigentlich nicht. Wie ich eben schon sagte, war es einerseits das Zeitproblem, aber andererseits war es auch der Zeitgeist des Momentes, den wir einfließen lassen wollten. Wir hatten es vorher nicht geplant, aber Rainer Oleak hatte durchaus einen Plan. Der Plan hieß, dass es am Ende so klingt, wie es letztlich geworden ist. Er hatte uns das vorher skizziert und wir wollten diesen Weg unbedingt mitgehen.
Ich nehme an, die Band geht jetzt erst mal wieder in eine Pause, oder?
Nein, wir spielen dieses Jahr noch einige Konzerte. Da ist einiges in Planung, das wird aber eher im Herbst sein. Wir ziehen also mit dem Album noch ein bisschen weiter durchs Land.
Wie groß ist denn derzeit die Gefahr, dass ein solcher Moment wie letztes Jahr wiederkehrt und alle sagen: "So, das war's jetzt mit ROCKHAUS"?
Die Gefahr besteht immer, wenn fünf Leute eng zusammenarbeiten, dass man irgendwann sagt, das funktioniert jetzt nicht mehr. Ich persönlich würde es albern finden, mit ROCKHAUS aufzuhören. Man kann stattdessen natürlich mal eine Auszeit einlegen, aber grundsätzlich sehe ich es so, dass wir ROCKHAUS weiterführen sollten. Zu lange darf die Pause allerdings auch nicht dauern, weil man dann aus dem Fokus des Publikums verschwindet und nicht mehr richtig wahrgenommen wird. Wir haben uns den Zuspruch über die letzten Jahre hart erarbeitet, haben auch einen ganz tollen Fanclub, über den wir richtig froh sind. Von daher wäre es Quatsch, das alles jetzt aufzugeben und aufzuhören.
Zumal das ja auch ein Stück weit Dein Baby ist, denn Du bist Mitbegründer der Band ROCKHAUS.
Wie gesagt, für mich käme das ohnehin nicht in Frage. Ich mache weiter, bis ich irgendwann mal umkippe. Es müsste mich schon unglaublich nerven, bis ich sage, ich habe jetzt keine Lust mehr.
Du warst also bei der Geburtsstunde von ROCKHAUS im Jahr 1978 dabei. Aber woher kommt Reinhard Petereit überhaupt? Gab es vor ROCKHAUS schon Bands, in denen Du gespielt hast?
Ja, es gab eine Band namens SQUIRE. Das war zusammen mit Ingo Griese, so hieß er damals noch, heute will er Ingo York genannt werden. Mit ihm begann ich damals, Musik zu machen. Der Name SQUIRE hatte allerdings nur kurzzeitig Bestand, denn ein englischer Name ging ja in der DDR nicht. Da kam ich dann auf die Idee mit ROCKHAUS. Die anderen hatten auch Ideen für einen Bandnamen, aber da wäre irgendwas ganz Schreckliches herausgekommen. Ich war froh, dass ich mit meiner Idee gewonnen hatte.
Es ist also praktisch so, dass aus SQUIRE dann ROCKHAUS geworden ist und Du vorher in keiner anderen Band aktiv warst. Wie sah denn Deine Jugendzeit aus? Wie bist Du zur Gitarre gekommen?
Das war ein ziemlich komischer Weg. Meine Mutter meinte, ich sollte in der 4. Klasse mal beginnen, Gitarre zu lernen. Allerdings habe ich das strikt abgelehnt. Ich guckte die Gitarre überhaupt nicht an, das hat mich in keinster Weise interessiert. Nun muss man wissen, ich war ein Bastelfreak, der alles Mögliche zusammengebastelt hat, auch elektrische Sachen. Dadurch kam ich mit 14 Jahren auf die Idee, ich könnte mir ja mal eine E-Gitarre basteln, wobei mich aber wirklich nur die Bastelei an dem Teil interessiert hatte. Auf die Art baute ich mir eine komplette E-Gitarre zusammen, auf der man auch richtig gut spielen konnte. Das war für mich der Startschuss. Ich hörte seinerzeit selber schon viel Musik und dachte mir bei so manchem Stück, das müsste man doch auch selber spielen können. Bei der Gelegenheit baute ich mir gleich noch einen Verzerrer, denn so etwas gab es ja im Osten nicht. Das klang wirklich cool, vor allem aber besser als bei den anderen, denn die hatten ja keinen eigenen Verzerrer. Schnell konnte ich dann auch "Smoke on the water" und BLACK SABBATH spielen. So ging es für mich los. Ich brachte mir also auch selber das Gitarre spielen bei, einen Lehrer hatte ich nie. Auf Konzerten habe ich versucht, mir die Kniffe und Griffe der Gitarristen auf der Bühne abzugucken und einzuprägen und zu Hause versuchte ich, das dann genauso nachzuspielen.
Gibt es die Gitarre noch?
Nein, die wurde in der Waschküche zerkloppt. Wir wollten unbedingt mal Ritchie Blackmore oder Pete Townsend nachmachen.
Hast Du nach der Schulzeit eigentlich einen bürgerlichen Beruf erlernt?
Ja, das nannte sich damals Facharbeiter für Nachrichtentechnik. Meine Mutter bestand nämlich darauf, dass ich zuerst einen ordentlichen Beruf lerne. Das Dumme ist nur, dass all das, was ich seinerzeit gelernt habe, nicht mehr existiert. Es ging da um Telefontechnik, um Relais usw. Aber wie gesagt, es ist alles weg.
Wir haben es vorhin schon mal angerissen: SQUIRE wurde zu ROCKHAUS. Wer hat diese Band überhaupt ins Leben gerufen, wer gehörte zur Gründungsbesetzung dazu?
Wie gesagt, SQUIRE war ja für Ingo und mich schon "unsere Band". Dazu gehörte noch Mathias Wachter am Schlagzeug, der dann aber wegen starker Rückenprobleme aufhören musste. Wir hatten auch noch einen Sänger - das waren die Anfänge. Später mussten wir den Schlagzeuger ersetzen, für den Michael Haberstroh in die Band kam. Unser Sänger bekam irgendwann Knötchen in der Stimme und konnte das nicht mehr ordentlich machen, so dass wir auf der Suche nach einem neuen Sänger waren. Das war ungefähr 1980/81.
Dazu kommen wir gleich. Wie viel Zeit lag zwischen Gründung der Band und Eurer Einstufung, die man ja in der DDR auch erst ablegen musste?
Letzteres ging ziemlich schnell, das dauerte nur ein Jahr.
Kannst Du Dich noch erinnern, was Ihr zur Einstufung für Songs gespielt habt und wie dieser Tag überhaupt für Euch lief?
Das lief sehr gut für uns. Wir bekamen die so genannte "Oberstufe". Das war schon recht gut, denn es gab nur noch eine Stufe, die darüber lag und besser war. Normalerweise bekam man die "Oberstufe" nicht gleich zum Anfang. Das hieß also im Umkehrschluss, wir müssen irgendwie Eindruck hinterlassen haben. Wir spielten eine halbe Stunde. Das meiste waren natürlich eigene Songs und ich glaube, es waren auch ein oder zwei Coversongs dabei. Aber die fallen mir nicht mehr ein.
Wie war die Anfangszeit bei und mit ROCKHAUS? Wie kann man sich die Arbeit in der Band vorstellen? Wann hattet Ihr Euer erstes Konzert?
Das kann man so genau nicht sagen, da wir schon vor der Einstufung live gespielt hatten. Hauptsächlich in der Schule, in meiner Schule und in der eines Freundes. Abends war dort oft Disco, wo wir dann immer eine halbe Stunde gespielt hatten. Es ging am Anfang vor allem darum, sich eine Anlage zusammenzubauen, denn so etwas konnte man im Osten nicht mieten. Jede Band hatte früher ihre eigene Anlage. Weiterhin ging es darum, sich einen Transporter zu besorgen, Geld zu beschaffen und vieles mehr. Es war schon sehr mühsam. Aber gearbeitet haben wir immer. Wir hatten einen Probenraum, das war ein alter und feuchter Keller. Da trafen wir uns zweimal pro Woche und spielten sowohl eigene Sachen als auch nachgespielte Songs.
Das kann sich die Jugend von heute wohl gar nicht mehr vorstellen, wie Ihr seinerzeit improvisieren und ackern musstet ...
Das geht ja heute auch alles nicht mehr. Allein schon das Selbstbauen der Instrumente … Klar, Geld braucht man heute auch, denn es ist ja alles teuer. Aber dennoch hat das heute alles eine ganz andere Qualität.
Du hast es angesprochen, bereits 1979 kam es zu einer ersten personellen Veränderung. Mathias Wachter verließ die Band und Michael Haberstroh kam. Wie fand Michael den Weg zu Euch? Kannte man sich vorher schon?
Ja, wir kannten ihn. Michael spielte in einer Band namens ROSTFREI. Die waren zwar nicht unsere unmittelbaren Konkurrenten, aber man beobachtete sich schon gegenseitig, um zu sehen, was die anderen Bands so machen. Die fanden uns Scheiße, wir fanden die Scheiße, aber ihren Schlagzeuger fanden wir gut und wollten ihn unbedingt haben. Wir begannen also, an ihm zu baggern und luden ihn irgendwann mal ein. Unser damaliger Sänger Wolfgang Kaiser hat sich die Seele aus dem Leib geschrien, ich glaube, wir spielten da gerade eine SCORPIONS-Nummer. Das fand Michael auch gut, denn in seiner Band wurde sozusagen nur "ordentlich" gespielt, während bei uns auch mal Rock'n'Roll angesagt war. Wir waren halt eher locker in unserer Auffassung von Musik. Bei uns ging es mehr um Krach und Energie, während bei der anderen Band alles gezügelter ablief, die Gitarren abgewischt wurden, man in allem sehr penibel vorging. Bei uns dagegen stand der pure Rock'n'Roll im Vordergrund.
Kann man es so formulieren: Seine alte Band war Pop, Ihr wart Punk?
Genau so könnte man es übersetzen.
Mike Kilian kam 1981 für Wolfgang Kaiser in die Band. Auch hier wieder die Frage, wie Ihr aufeinander aufmerksam geworden seid.
Das war ein Tipp von Peter Pabst, dem Bluesgitarristen, bekannt von der JONATHAN BLUES BAND. Der kannte Mike, empfahl ihn uns und sorgte dafür, dass wir uns mal treffen konnten. Mike stand dann eines Tages bei uns im Probenraum mit einer roten Aktentasche in der Hand, weil er gerade von der Arbeit kam. Wir sagten zu ihm, dass wir jetzt drauf los spielen würden und er einfach seinen Part beisteuern sollte. Und Mike begann loszuschreien. Er hat ja nun mal einen wahnsinnigen Stimmumfang. Wir waren jedenfalls echt von den Socken. Natürlich blieben wir zunächst cool und meinten, wir überlegen uns das ein paar Tage, obwohl wir genau wussten, dass wir ihn nehmen würden. Aber schon am nächsten Tag gaben wir ihm das Okay und von da an war Mike unser Sänger.
In einem Interview sagte Mike einmal, dass zum Zeitpunkt seines Einstiegs bei Euch überwiegend gecovert wurde. Wann gab es denn die ersten eigenen Songs und Rundfunkproduktionen?
Eigene Titel hatten wir schon immer. Die erste Produktion beim Rundfunk war "Ich muss darüber quatschen", das war 1981 und schon mit Mike.
Wie war denn für Euch diese erste Rundfunkproduktion? Das muss für alle Beteiligten ja etwas ganz Besonderes gewesen sein.
Klar war das aufregend. Man kannte das ja alles nur aus dem Fernsehen und plötzlich steht man selber in einem Studio und soll was aufnehmen. Man ist nervös, will alles gut und richtig machen. Und man muss sich erst einmal mit den Gegebenheiten arrangieren, zum Beispiel dass es nicht live ist, sondern dass man seine Sachen einspielt, die man sich hinterher noch mal anhört. Das war schon aufregend.
Lief das für Euch alles reibungslos ab, also konntet Ihr machen, was Ihr wolltet und spielen, wie Ihr wolltet oder gab es für Euch irgendwelche Auflagen? Man hat ja oft gehört, dass sich da der Produzent oder jemand vom Lektorat eingemischt hat.
Natürlich hatten wir einen Aufpasser vom Lektorat dabei. Wir hatten aber das Glück, Luise Mirsch bekommen zu haben. Sie hat sich wenig eingemischt. Unsere Songs mussten wir ohnehin schon vorher abgeben, damit die einer groben Prüfung unterzogen werden konnten. Bei der eigentlichen Produktion hielt Luise Mirsch sich dann weitestgehend zurück und überließ es uns und den Technikern, wie wir die Sachen aufnehmen.
1983 erschien die erste ROCKHAUS-Platte. Es war eine Single mit dem Titel "Disco in der U-Bahn". Noch im gleichen Jahr wurde Euer Debütalbum "Bonbons und Schokolade" veröffentlicht. Das war ein Privileg, welches nicht vielen DDR-Rockbands zuteil wurde. Wie und wann habt Ihr erfahren, dass AMIGA mit Euch eine ganze LP machen will?
Wie die Zufälle manchmal so spielen … Wir hatten ja vorher den markigen Spruch geprägt, dass wir mal die PUHDYS ablösen wollen. In diesem Jahr haben wir es ja nun auch endlich geschafft. Dadurch hatten wir jedenfalls die Aufmerksamkeit auf unserer Seite, jeder wollte wissen, was das für eine Band ist, die so einen Quatsch erzählt. Irgendwie klappte es dann tatsächlich mal, dass wir vor den PUHDYS spielten. Das war in Suhl. Wir waren wirklich genau vor den PUHDYS dran, was damals einigermaßen brenzlig war, da die PUHDYS-Fans uns wegen dieses Spruches natürlich nicht besonders mochten. Wir haben trotzdem einfach unseren Rock'n'Roll gespielt. Auf dieser Veranstaltung waren dann auch AMIGA-Leute anwesend, die anschließend wahrscheinlich gesagt haben: Da ist eine tolle neue Band, die sehen anders aus, die machen andere Musik, mit denen können wir auch mal was Neues präsentieren. Und schon am nächsten Tag bekam ich den Anruf, dass man mit ROCKHAUS eine Platte aufnehmen will, ob wir Interesse hätten. Ja, das war wirklich außergewöhnlich. Normalerweise wartete man Jahre auf eine solche Chance.
Heute würde man sagen, ROCKHAUS war von Beginn an bis zum Ende der 80er Jahre eine Art Teenieband. Stimmst Du mir da zu?
Ja, total.
Hattet Ihr damals auch diese Belagerungszustände bei Konzerten, wo vorwiegend weibliche Fans die Ein- und Ausgänge der Locations belegt und auf Euch gewartet haben?
Klar, so etwas gab es. Das gipfelte manchmal schon in einer Art Hysterie. Es war wirklich so, wie man es von Boybands her kennt.
Ihr hattet - kometenhaft will ich nicht sagen - ziemlich schnellen Erfolg und lagt gut im Rennen, bis Ihr dann plötzlich und mittendrin Eure Einberufung zur Armee erhalten habt. Betraf das die ganze Band oder nur einzelne Musiker?
Wir mussten wirklich alle einrücken. Aber wir hatten das große Glück, dass der ehemalige PUHDYS-Schlagzeuger Gunther Wosylus das so für uns organisieren konnte, dass wir alle gleichzeitig einberufen wurden und auch noch am gleichen Ort stationiert waren. Einen solchen Fall gab es meines Wissens vorher noch nicht. Normalerweise gehen die Bands dann auseinander, wenn ein oder zwei Leute weg sind, denn dadurch wird ja der Schaffensprozess einer Band unterbrochen. Wir hatten also wirklich Glück im Unglück, dass wir diese Zeit gemeinsam und sogar auf einem Zimmer verbringen konnten. Es war zwar ein Zwölf-Mann-Zimmer, aber immerhin waren wir zusammen. Wir konnten zwar dort keine Konzerte geben, aber wir konnten wenigstens proben.
Diese glücklichen Umstände waren also der Grund dafür, dass man die Band über diese lange Zeit am Leben erhalten konnte?
Das stimmt. Ich würde es sogar "organisiertes Glück" nennen. Wie Gunther Wosylus das geschafft oder gemacht hat, weiß ich nicht, aber letztlich ging so etwas nur über die STASI. Letztlich scheinen da im Hintergrund Leute die Fäden gezogen zu haben, die nicht wollten, dass ROCKHAUS auseinanderbricht und aufhört. Anders kann ich mir das nicht erklären. Dennoch bedeutete diese Zeit einen großen Bruch. Wir hatten zwar unsere zweite LP noch vor der Armeezeit aufgenommen, da wir wussten, jetzt geht erst mal lange Zeit nichts mehr. Die Platte erschien auch, doch wir konnten überhaupt nichts dafür machen. Keine Konzerte, keine Fernsehauftritte, keine Promotion. Und so ging die Platte vielleicht auch ein bisschen unter, zumal es ohnehin ein typisches zweites Album war, welches nicht ganz so gut wie das erste war.
Trotzdem habt Ihr nach der Armeezeit einen großen Schritt nach vorne gemacht, musikalisch wie auch vom Auftreten her. 1988 erschien nämlich das Album "I.L.D.", welches zu Eurem größten Erfolg wurde. Was habt Ihr beim Songwriting und bei den Aufnahmen zu dieser Platte anders gemacht, als bei den beiden Alben davor?
Wir haben uns schlicht und einfach weiterentwickelt. Die Armeezeit hinterließ Spuren, wir wurden dadurch erwachsener, weil man dort bestimmte Sachen einfach mal aushalten musste. Es gibt natürlich auch Leute, die daran zerbrochen sind, aber wir wurden eher stärker. Wir haben ja während der Armeezeit den Großteil der Songs von "I.L.D." dort schon geprobt und gespielt, was vielleicht auch von Vorteil war. Wir hörten zu der Zeit auch andere Musik, diese ganze tanzbare Diskomusik interessierte uns nicht mehr. Wir wollten endlich richtigen Rock'n'Roll machen. Wobei Ansätze davon in manchen alten Songs auch schon vorhanden waren.
Jürgen Ehle von PANKOW, Uwe Hassbecker und Ritchie Barton von SILLY waren bei den Aufnahmen zu "I.L.D." dabei, aufgenommen wurde die Platte teilweise im Studio von Sieghart Schubert in Quadenschönfeld. Wie kam es zu diesen Gastauftritten und vor allem zu den Aufnahmen auf dem Farmlandhof von Katrin Lindner und Sieghart Schubert?
Wie wir nach Quadenschönfeld gekommen sind bzw. wie das alles zustande kam, weiß ich nicht mehr. PANKOW fanden wir alle unglaublich gut und wir wollten, dass Jürgen Ehle der Produzent der Platte wird. Und was die anderen betraf … Es war ja gerade die Zeit der GITARREROS, da haben wir sie alle kennengelernt. Im Osten war es bis dahin jedenfalls überhaupt nicht üblich, dass Musiker bei anderen Bands mitspielten. Wir hatten aber gelesen, dass es bei den Amis gang und gäbe war, dass man dort auch mal bei anderen auftrat, oder dass die Freunde in der Band auftraten. Das fanden wir gut und wollten es unbedingt auch mal versuchen. So kam es dazu.
Auf dem Farmlandhof herrschte ja damals wie heute eine ganz besondere Atmosphäre. Das war mit Sicherheit ein totaler Kontrast zu den Studios in Berlin. Wie habt Ihr das seinerzeit erlebt?
Es war großartig, es war gemütlich, man war weit weg von allen störenden Einflüssen, man konnte sich konzentrieren. Man war auch nicht in familiäre Dinge eingebunden. Auch die Arbeit mit den anderen Musikern war toll. Wir konnten richtig ungestört und fleißig arbeiten, haben manchen Tag zwölf bis vierzehn Stunden am Stück aufgenommen, bis Jürgen Ehle dann "Stop!" sagte, weil es eh keinen Sinn mehr gehabt hätte, weiterzumachen.
Du sprachst die GITARREROS an. Das muss die Zeit gewesen sein, als Ihr gerade von der Armee zurückgekommen seid. Mike Kilian machte bei den GITARREROS mit. Soviel ich weiß, warst Du auch dabei, oder?
Ich habe einmal Gisbert "Pitti" Piatkowski und einmal Uwe Hassbecker ersetzt, als die nicht konnten. Einmal haben wir sogar zu fünft auf der Bühne gestanden, da war ich quasi der fünfte GITARRERO.
Du sagtest vorhin, es gab eigentlich vorher diese Gastspiele der Musiker untereinander nicht. Da scheinen ja die GITARREROS die Fronten aufgeweicht zu haben.
Das stimmt. Vorher waren wir mehr Konkurrenten. Durch dieses Zusammenspiel lernten wir uns plötzlich besser kennen und fanden es aufregend, wie der eine oder andere spielt. Es war wirklich eine schöne und aufregende Zeit. Von den Emotionen her würde ich es fast mit der Flower-Power-Zeit vergleichen, die der Westen hatte, aber wir im Osten nicht. Weniger wegen der Drogengeschichten, sondern mehr wegen der freigesetzten Emotionen, die man gegenüber vorher Fremden entwickelte. Das fand ich schon außergewöhnlich.
Zurück zur "I.L.D"-Platte. Der Titelsong wurde zur Nummer 1 der DDR-Hitparade und ROCKHAUS wurde zur "Band des Jahres" gewählt. Dazu kam, dass das Westlabel TELDEC das Album ebenfalls veröffentlichte. Hat AMIGA das still und leise für sich entschieden und geregelt oder wart Ihr als Musiker irgendwie daran beteiligt?
Na ja, eigentlich haben wir uns darum gekümmert. AMIGA hat es letztlich genehmigt und unterschrieben, aber dass es überhaupt dazu kam, war unser Verdienst. Wir waren befreundet mit Bernward Büker, einem westberliner Sänger. Den hatten wir genervt mit der Bitte, uns einen Plattenvertrag und eine dazugehörige Plattenfirma zu besorgen. Außerdem wollten wir schon lange mal im Westen spielen. Alles das kriegte Bernward Büker dann auch hin.
Ihr habt also 1988 erstmals im Westen gespielt. Wo genau war das?
Das war im "Quartier Latin" in Westberlin.
Durfte ROCKHAUS zum Bewerben oder Promoten, wie man es heute nennt, auch schon in die BRD reisen?
Ja, wir haben eine große Tour durch die gesamte BRD gemacht, gaben Interviews, also das komplette Paket.
Es gibt ja so einige Erzählungen darüber, zum Beispiel von Tamara Danz, wie man sich bei seinen ersten Auftritten im Westen gefühlt hat. Wie erging es Euch, was waren das für Gefühle? Wie hat das Publikum auf Euch reagiert, wie liefen die Konzerte ab?
Eigentlich liefen die Gigs genauso ab, wie bei uns, nur dass natürlich weniger Leute kamen, weil uns ja keiner kannte. Die Leute waren aber sehr neugierig auf uns, was ich prima fand. Und vor allem kamen wir plötzlich in die kleinen Clubs, was ich als sehr angenehm empfand. Mal weg von den großen Bühnen, das war schon fein. Der Kontakt zum Publikum ist viel intensiver, als wenn man auf einer großen Bühne steht und drei Meter entfernt ist von der ersten Reihe. Die Menschen in der BRD nahmen unsere Songs aber genauso gut auf, wie die in der DDR, die Reaktionen waren auch die gleichen.
Kannten die West-Fans bei den Konzerten Eure Texte?
Ich glaube nicht. Da hat auch keiner mitgesungen, also denke ich, dass niemand unsere Lieder und Texte vorher kannte.
Als nächstes kam das Album "Gnadenlose Träume". Veröffentlicht wurde es zuerst in der BRD. Wer hatte das entschieden? Waren Eure Fans im Osten nicht sauer darüber, dass sie plötzlich nur noch Zweitverwerter waren?
Wir wollten endlich von AMIGA weg, weil die uns ja auch oftmals ziemlich stark rein redeten. Deshalb waren wir froh über die Chance, die Platte in Hamburg aufnehmen zu können. Natürlich war es nicht unser Ziel, die Platte nur im Westen erscheinen zu lassen, sondern es sollte schon überall zeitgleich auf dem Markt kommen. Deshalb war unsere Enttäuschung riesengroß, als das eben nicht passierte. Wir sagten dann: "Unsere Fans sitzen doch im Osten, die können wir doch nicht einfach weglassen und ausklammern! Wir verzichten sogar auf irgendwelche Lizenzen, wollen gar nichts daran verdienen, aber die Platte muss in jedem Falle im Osten erscheinen!" Darauf sagte die Plattenfirma glashart: "Wir brauchen kein Ostgeld, die Platte erscheint nur bei uns in der BRD". Damit hatten wir uns dann also selber ins Knie geschossen. Dadurch ging das Album natürlich auch sang- und klanglos unter und interessierte keinen.
Nun bekamen ja in der Wendezeit viele Ostkapellen kein Bein mehr auf die Erde. Wie lief das bei ROCKHAUS ab? Wie habt Ihr diese Zeit der Veränderungen erlebt?
Das lief bei uns genauso ab. Es kamen keine Leute mehr in unsere Konzerte, wir spielten nur noch in kleinen Clubs und guckten mit großen Augen auf das, was da passiert. Immerhin wurde uns gerade der Boden unter den Füßen weggezogen. Unsere Anlage und die LKW's waren insgesamt etwa eine Million wert. Das haben wir alles verschrottet. Alles, was wir uns über die Jahre aufgebaut hatten, war somit weg. Schrott. Wir hatten alles verloren.
Was heißt Schrott?
Schrott heißt Schrott. Die LKW's wurden tatsächlich verschrottet, die waren nichts mehr wert! Die Technik hatten wir ja zum Großteil selber zusammengebastelt, der LKW war ein Mercedes aus dem Jahr 1952. Im Moment des Beitritts der DDR zum Westen war das wirklich nichts mehr wert. Niemand wollte das haben, niemand brauchte das Zeug, niemand wollte es sich irgendwo hinstellen. Plötzlich konnte man doch alles neu kaufen, es gab doch alles! Also blieb uns nichts anderes übrig, als alles zu vernichten. Einige kleine Sachen, wie ein paar Lautsprecher oder Boxen konnten wir noch an eine Disco verkaufen, aber die wirklich teuren Dinge waren jetzt wertlos. Wir steckten ja seinerzeit den überwiegenden Teil des Geldes, was wir verdienten, in unsere Anlage.
Wie konntet Ihr unter diesen Umständen denn überhaupt weiter machen?
Erst mal haben wir gar nicht mehr weiter gemacht, sondern wir beschlossen, das tun wir uns nicht mehr an. Also machten wir zunächst eine Pause.
Wie und wann seid Ihr dann wieder zusammengekommen? Denn es gab ja etwas später wieder ein neues Album mit dem Titel "Wunderbar".
Genau, mit diesem Album ging es für uns weiter. Nur hatten wir diesmal alles selber gemacht. AMIGA gab es nicht mehr, andere Plattenfirmen wollten uns nicht, deshalb dachten wir uns, dann versuchen wir es eben auf eigene Faust. Das war 1994.
Das war ja in etwa die Zeit, als die DDR-Musik plötzlich so eine Art Revival erlebte. Die Leute hatten sich inzwischen wahrscheinlich ihre Sehnsüchte erfüllt und sich die großen Bands und Namen angeguckt und kehrten nun zu der Musik ihrer Jugend zurück.
Stimmt, dieser Effekt trat ein. Man wollte wieder die Musik hören, die man kannte. Das war natürlich auch für uns gut. Heutzutage passiert zwar alles nur noch auf regionaler Ebene, das heißt, wir spielen also nur noch im Osten, aber das ist okay. Klar möchten wir auch gerne im Westen des Landes auftreten, aber das lohnt sich finanziell nicht. Wir müssten selber Geld hinlegen, damit sich diese Auftritte tragen, aber das macht für uns wenig Sinn.
Wann habt Ihr denn festgestellt, dass das Interesse an Euch wieder da ist und dass es sich lohnt, ROCKHAUS wiederzubeleben?
Ich tippe mal auf 1992 bis 1993. Wir bekamen mit, es geht langsam wieder los, auch andere Bands rauften sich wieder zusammen. Es normalisierte sich schleichend, aber man merkte, es machte wieder Sinn.
Ihr habt dann das Album "Wunderbar" aufgenommen, die Platte erschien und Mike Kilian geht, verlässt die Band ...
Genau. Mike ist aber eigentlich schon vorher gegangen. Er hat die Platte eingesungen, den Rest habe ich dann mit Beathoven zu Ende gebracht. Während der Aufnahmen, während des Mixens und der Promotion für die Platte war schon klar, dass Mike aussteigen wird.
Das ist natürlich für viele Bands ein Todesurteil, wenn der Mann, der das Album einsingt, danach verschwindet. Zumal Mike Kilian ja nicht nur die Stimme, sondern auch das Gesicht der Band war. Damit habt Ihr nach der Geschichte mit der Wendezeit und dem verschrotteten Equipment zum zweiten Mal einen echten Schlag in die Magengegend gekriegt. Wo nimmt man nach solchen Ereignissen überhaupt noch die Motivation her, weiterzumachen?
Man will einfach nur Musik machen. Da ist natürlich das Naheliegendste, die eigene Musik weiterzumachen. In dieser Musik steckt alles drin, da stecke ich selber mit drin mit meinen Texten, meiner Musik. Das gibt man nicht so leicht auf.
Bei Dir verstehe ich das, denn Du warst seinerzeit ein Gründungsmitglied und hängst deshalb besonders an der Band. Aber die anderen hätten ja spätestens jetzt sagen können, dass sie dann eben auch etwas anderes machen wollen.
Man kann natürlich etwas Neues machen, ohne dabei gleich das Eigene wegzuschmeißen. Jeder hat das für sich und auf seine Art gelöst.
Ihr habt Euch dann kurzerhand einen neuen Sänger gesucht und mit dem Westberliner Acki Noack auch einen gefunden. Wie habt Ihr ihn gefunden?
Das war auch ein Tipp, ich glaube sogar, der Tipp kam von Bernward Büker. Der meinte, es gibt da einen Sänger, der sei ROCKHAUS-Fan, der singt aus Spaß viele Eurer Songs, probiert den doch einfach mal aus. Daraufhin traf sich Maxs Repke mit Acki. Als er zurückkam, fragten wir natürlich, wie es gelaufen war. Maxs druckste etwas rum und sagte dann, er wäre ein bisschen dick. Heinz hakte nach: "Wie dick?" Und Maxs sagte: "Richtig dick". Na gut, wir vereinbarten dennoch eine gemeinsame Probe, wo Acki dann auch richtig gut sang. Ich war zu dem Zeitpunkt der Meinung, dass wir uns umbenennen sollten, denn für mich wurden wir mit einer anderen Stimme, einem anderen Frontmann plötzlich zu einer Art ROCKHAUS-Coverband. Ich wurde aber überstimmt. Es gibt dazu aber noch eine interessante Geschichte. Es sang nämlich noch jemand bei uns vor: Gero "Stumpen" Ivers, der heutige Sänger von KNORKATOR. Der stand auch mächtig auf ROCKHAUS. Stumpen machte eine Probe mit uns, Maxs Repke und mir gefiel das auch richtig gut, aber Heinz und Beathoven fanden es total Scheiße, die kamen damit nicht zurecht. Also wurde es am Ende Acki Noack.
Mit ihm habt Ihr dann vier Jahre lang zusammengearbeitet, aber in dieser langen Zeit nur eine Single veröffentlicht, die dann auch noch eine Coverversion war, nämlich die vom "Farbfilm". Gab es keine neuen Songs, fehlten die Ideen?
Doch, es gab einige Songs aus dieser Zeit, aber hat es nicht richtig funktioniert, irgendwie fehlte die Kreativität. Wir waren alle mit dem, was wir gemacht haben, nicht recht zufrieden, was man jetzt aber keinesfalls auf unseren neuen Sänger beziehen sollte. In dieser Besetzung funktionierte es rundherum nicht.
Das war sicher auch der Grund, dass 1998 die Band aufgelöst wurde.
Nein, das stimmt nicht, denn 1997 machten wir ja noch mal eine Tour und da stand Mike Kilian wieder am Mikrofon.
Ach, das ist mir neu ...
Doch, wir machten noch mal eine Tournee zu viert, ohne Keyboards. Am Ende der Tour sagte ich dann aber endgültig, jetzt reicht es, ich hatte keine Lust mehr. Wie sich herausstellte, rannte ich damit bei den anderen offene Türen ein. Maxs wollte nämlich auch nicht mehr. Es war auch keinesfalls so, wie ich es mal von Mike in seinem Buch gelesen habe, dass er die Band aufgelöst hätte. Das hat er sich nur so zurecht gebogen. Es war einfach an der Zeit, aufzuhören.
Das finde ich interessant. Wie kam es denn dazu, dass Mike Kilian 1997 plötzlich wieder zurückkam? Und was war mit Acki Noack?
Acki haben wir gesagt, dass es einfach nicht funktioniert. Und dann kam irgendwer auf die Idee, Mike zu fragen, ob er nicht Lust hätte, wieder bei ROCKHAUS mitzumachen. Ich erinnere mich, dass wir mit Mike dann auch wieder ein paar neue Songs aufgenommen haben.
Gibt es diese Songs noch?
Ja, die habe ich in meinem Tresor.
Das wäre doch mal was für eine Raritäten-CD ...
Oder wir machen eine Maxi-Single daraus. Für Leute, die uns mögen, wäre das sicher eine interessante Idee.
Wie ging es nach dem Ende von ROCKHAUS mit Dir weiter? Hast Du der Musik den Rücken gekehrt?
Nein, das ist bei mir absolut unmöglich, denn das würde mich todunglücklich machen. Ich habe zunächst einige Sachen mit Dirk Zöllner gemacht, aber bei Zöllner ist es ja so, dass er sich nach zwei Jahren neue Musiker sucht. Also bin ich weitergezogen und habe mit André Herzberg zwei Alben produziert und sogar eine oder zwei Touren mit ihm gemacht. Und ich habe Theatermusiken geschrieben.
Theatermusik ist ja nun auch etwas ganz Spezielles. Wie kommt man denn dazu?
Das ist auch wieder so ein Glücksfall. Ich kannte einen Bühnenbildner namens Peter Schubert, der mich in diese Szene einführte und mit Armin Petras bekanntmachte, der damals als junges Regietalent galt. An der Schauspielschule Hamburg ergab sich dann die Gelegenheit, etwas zusammen zu machen. Ich fand das gut, mir gefiel das. Dann bekam ich sogar einige Nebenrollen mit Text, was ich ja total scharf fand. Ich scheine eine Art Naturtalent zu sein, denn sowie ich auf einer Bühne stehe, passiert etwas. Und die Theatermusiken, die ich geschrieben habe, hatten für mich vom Gefühl her die Wertigkeit von Filmmusik. So habe ich sie dann auch gespielt. Ich rede hier natürlich von Livemusik, nicht von Konservenmusik.
Das Comeback von ROCKHAUS gab es dann im Jahr 2005. Die Geschichte dahinter, dass Eure Fans den PRINZEN Euren Wiederbeginn zu verdanken haben, wurde hier bei Deutsche Mugge schon ausführlich besprochen. Wie hast Du die Wiedervereinigung von ROCKHAUS empfunden?
Die Kollegen waren sich einig, dass sie es noch mal versuchen wollten. Sie kamen dann zu mir, erzählten von dem Angebot der PRINZEN und dass wir im Sommer wieder große Konzerte spielen könnten. Ich gab mein Okay, knüpfte es aber an die Bedingung, dass ich dafür nichts tun möchte, sondern einfach nur Musik machen will. Früher hatte ich ja fast alles mit organisiert, das wollte ich jetzt nicht mehr. Und so ging es mit ROCKHAUS wieder los.
Wie sind Band und Mike Kilian wieder aufeinander zugegangen?
Das haben die Kollegen untereinander geklärt, dazu kann ich nichts sagen. Ich denke aber, das ist Heinz, der da im Hintergrund die Fäden zieht.
Es folgte eine gut besuchte Tournee durch die fünf östlichen Bundesländer, die für Euch ziemlich erfolgreich lief. Ist Dir irgendetwas davon in besonderer Erinnerung geblieben? Das war ja doch ein ziemlich markanter Punkt in der Bandgeschichte.
Für mich war wirklich erstaunlich, wie viel Leute ROCKHAUS immer noch kannten und jetzt sogar ihre Kinder mit ins Konzert brachten. Diese Mischung im Publikum fand ich sehr beeindruckend. Das hat Spuren bei mir hinterlassen. Wir müssen also für die Leute als ROCKHAUS eine gewisse Rolle gespielt haben und immer noch spielen, sonst wären die kaum wieder zu uns gekommen.
Aber dieses Phänomen kann man bei Euch auch heute noch beobachten, dass jede Menge junges Volk ins Konzert kommt.
Darüber bin ich auch richtig froh. Wenn ich da manch andere Band sehe ... Das tut mir manchmal echt leid.
Kurz darauf bist Du als neuer zweiter Gitarrist bei SILLY eingestiegen. Wie kam es dazu, dass Du die Nachfolge von Thomas Fritzsching angetreten hast?
SILLY spielte ja bereits mit Joachim Witt zusammen. Und die Leute von Joachim Witt fragten mich, ob ich bei ihnen mitmachen möchte. Das habe ich dann auch zwei Jahre lang gemacht. Daraufhin kam irgendwann der Anruf von Uwe Hassbecker mit dem Angebot, bei SILLY die zweite Gitarre zu spielen. Das war für mich nicht nur ein Hammer, sondern auch eine riesengroße Ehre. Das ist es auch immer noch. Beim Spielen denke ich dann sehr oft an Tamara, vor allem, wenn wir die alten Songs spielen.
Kanntest Du Tamara persönlich?
Ja, sehr gut sogar.
Mit SILLY hast Du in den letzten Jahren viel erlebt. SILLY stieg mit Anna Loos zur erfolgreichen Chartband auf, die beiden bisher veröffentlichten Alben landeten beide in den Top Ten. Ihre Konzerte waren teilweise ausverkauft und es entstand ein enormer Fanhype. Wie hast Du diese letzten zehn Jahre erlebt? Das ist ja doch noch mal eine ganz andere Dimension, oder?
Richtig, das erreicht ein ganz anderes Level. Zunächst war es sehr schön, mal wieder im Westen Deutschlands zu spielen. Dann dieser ganze Rummel drum herum, das ist schon enorm. Natürlich ruht der Fokus immer auf den vier SILLY-Leuten, während wir Gastmusiker immer ein bisschen im Hintergrund stehen, aber das ist nicht schlimm. Ganz im Gegenteil, es ist schon interessant, so nah an einer Band zu sein, die in den Charts zu Hause ist. Mitzuerleben und mitzunehmen, wie das Leben auf einer so großen Tour funktioniert, der Tourbus, die riesigen Bühnen, das Licht, die Technik, das macht unheimlichen Spaß. Es sind ja auch unglaublich viele Leute, die da unterwegs sind und dazu gehören. Ja, das ist schon toll, das erleben zu dürfen. Natürlich hätte ich diese Dinge auch gerne mit ROCKHAUS gehabt und erlebt, aber dazu ist es bisher leider noch nicht gekommen.
Kann man diesen Hype nicht nutzen? Du hast gerade erzählt, Ihr müsstet bei Auftritten im Westen draufzahlen. Könntet Ihr nicht damit pfunden, wenn Ihr sagt, hier bei ROCKHAUS spielt der Gitarrist von SILLY mit, oder Maxs Repke, bekannt vom CLUB DER TOTEN DICHTER, den man ja auch deutschlandweit kennt. Warum baut Ihr sowas nicht in Eure Werbung mit ein?
Ich weiß nicht ... Ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass das funktioniert.
Das neue SILLY-Album "Wutfänger" steht in den Startlöchern. Hast Du die neuen Songs im Studio mit eingespielt?
Nein, das macht Hasbe alles allein. Ich muss mir meine Anteile später raushören. Hasbe und ich treffen uns irgendwann und sprechen dann alles Nötige ab. Er arrangiert ja die Gitarrenparts alle selber und legt die schon während der Aufnahmen so an, dass von vornherein klar ist, was ich spielen werde. Uwe Hassbecker hat nun mal großen Einfluss auf den SILLY-Sound und er gehört für mich ohne Zweifel zu den besten Gitarristen Deutschlands.
Ist das, was Du dann auf der Bühne ablieferst, reines Nachspielen von Hasbes Arrangements oder darfst Du auch eigene Ideen mit einbringen?
Nein, es ist reines Nachspielen. Du musst wissen, das ist alles ganz genau angelegt, da kommt es wirklich auf jede Feinheit an. Das hat Hasbe sich genau so überlegt und ausgedacht, also will er es auch so und nicht anders hören.
Aber auch mit ROCKHAUS ging es zwischendurch immer weiter. Seit der Reunion habt Ihr mit "Treibstoff", "Positiv" und "Therapie" drei Alben veröffentlicht und wart damit auch immer auf Tournee. Seitdem ist Rainer Oleak, bei dem Ihr die Platten aufgenommen habt, ein fester Partner für Euch geworden. Kann man das so sagen?
Das kann man so sagen, ja. Ich hoffe auch, dass das in Zukunft so bleibt, denn er hat einen sehr positiven Einfluss auf die Band. Dazu kommt, dass Rainer ein ganz tolles Studio besitzt, in dem man alle Möglichkeiten hat, seine Ideen zu verwirklichen. Es ist sozusagen ein Schlaraffenland für uns Musiker, wo man aus dem Vollen schöpfen kann.
Mal abgesehen von der Technik in dem Studio interessiert mich, was die Zusammenarbeit mit Rainer Oleak so besonders macht. Wie habt Ihr Euch überhaupt gefunden?
Wir haben einmal bei "Ostrock in Klassik" mitgemacht. Und Rainer Oleak hat die ganzen Songs damals arrangiert. Wir fanden es beeindruckend, wie das alles angelegt war. Unser Manager meinte dann, wir sollten Rainer fragen, ob er uns nicht auch mal produzieren möchte. Auf diesem Wege haben wir uns bei der Arbeit zum "Treibstoff"-Album kennen- und schätzengelernt. Rainer ist unheimlich intelligent, dazu ein ganz toller Musiker, der alles Mögliche spielen kann. Er hat einen wunderbaren Musikgeschmack, ist immer am Zeitgeist dran, spielt uns die Sachen vor, wie er sie sieht und hört. Wenn er etwas macht, hat das auch immer einen bestimmten Hintergrund. Er sagt also nicht nur: "Spielt das mal so, wie ich das will", sondern er kann Dir genau erklären, wieso und weshalb das genauso funktionieren wird, wie er es sich vorstellt. Man nimmt ihm das auch wirklich ab, weil er weiß, wovon er redet.
Du bist bei ROCKHAUS ja nicht nur als Gitarrist, sondern auch als Komponist und Texter aktiv. Wie bist Du zum Texten und Komponieren gekommen? Weißt Du noch, welches Dein erster selbstgeschriebener Song war?
(überlegt) Das kann ich Dir gar nicht sagen, daran erinnere ich mich nicht mehr. Das muss um 1978 gewesen sein, aber davon spielen wir ja heute nichts mehr. Auf jeden Fall habe ich das schon immer gemacht. Man sitzt an der Gitarre, denkt sich irgendetwas aus, spielt es den anderen vor, die dann wiederum ihre Ideen dazu geben. So entstehen bei ROCKHAUS die Songs. Mit dem Texten habe ich während meiner Armeezeit begonnen. Also 1984/1985. "Gefühle" zum Beispiel ist dort entstanden. Es fing ganz langsam an und wurde nach und nach immer mehr.
Lässt Du Dich beim Texten und Komponieren durch irgendwen oder von irgendetwas inspirieren oder kommen die Ideen aus dem Bauch?
Bei der Musik ist es so, dass ich oft etwas höre, was mich anzündet. Da kann ich mich dann herrlich verlieren in meiner Gitarre, wenn ich versuche, aus dem gehörten etwas Eigenes zu machen. Um Texte zu schreiben, setze ich mich gern in ein Café, gucke auf die Straße und die vorbeigehenden Leute und schon kommen irgendwelche Inspirationen.
Wie entstehen Songs bei Dir, bis sie ein Ganzes sind? Wartest Du auf einen besonderen Anlass oder sammelst Du Themen und legst dann los?
Ich sammle tatsächlich Themen. Immer, wenn mir was einfällt, nehme ich es schnell auf. Nach einer Weile höre ich mir dann an, ob es immer noch so interessant wie am Anfang klingt. Wenn es so ist, versuche ich daraus etwas Größeres zu entwickeln. Aber zunächst sind es nur Fragmente.
Und das spinnt Ihr dann als Band im Studio weiter?
So machen wir das normalerweise. Bei der letzten Platte allerdings nicht, da war die Zeit einfach nicht vorhanden. Da sind wir einzeln ins Studio gegangen, haben Rainer Oleaks Arrangements gespielt und hinterher hat jeder einzeln darüber diskutiert, was man anders machen könnte. Ich zum Beispiel habe gefragt, ob die Gitarre so und so klingen muss, stattdessen hätte ich diese und jene Idee. Also wurden danach noch bestimmte Dinge nachträglich eingearbeitet, die von den Kollegen vorgeschlagen wurden. Diesen Weg sind wir zum ersten Mal gegangen. Ansonsten wird wirklich so lange im Probenraum gesessen und an den Songs gearbeitet, bis es jedem von uns gefällt. Das ist unser Stil. Wenn jemand nicht ganz glücklich ist mit einem Song, dann lassen wir ihn lieber weg, als dass wir einen von uns unzufrieden zurück lassen.
Dann habt Ihr ja sicher eine Menge Lieder, die wegfallen und gar nicht erst aufgenommen werden, oder?
Das stimmt, dadurch geht einiges verloren. Manches taucht nach ein paar Jahren auch wieder auf, aber in der Regel hat jeder von uns genügend neue Ideen, dass es für drei Bands reichen würde.
Als Musiker ist man ja meistens auch Anhänger oder gar Fan anderer Musik. Wer sind Deine Favoriten in der nationalen und internationalen Musikwelt?
Oh, das ist schwer, weil ich ganz viele verschiedene Sachen höre. Im Moment höre ich ganz gerne richtig harte Sachen, aber ansonsten gibt es da jede Menge Abwechslung. CITY AND COLOUR wäre z. B. etwas Weiches. BON IVER ist noch weicher, diese Fistelstimme finde ich großartig. Von den ganz harten Sachen gefällt mir z. B. SEETHER. Die spielen tief gestimmte Gitarren, das finde ich herrlich!
Fragen wir mal anders: Was war die letzte CD oder Schallplatte, die Du Dir gekauft hast?
Das war die vorletzte Platte von COLDPLAY, allerdings brauchte ich da eine ganze Weile, bis ich die gut fand. Dann von BRING ME THE HORIZON "That's spirit" und ein Album von THREE DAYS GRACE, einer kanadischen Grunge-Band. Das waren die Sachen, die ich mir zuletzt runtergeladen habe.
Runtergeladen? Wie stehst Du als kreativer Kopf und Musikschaffender zum Thema Streaming?
Wir kriegen das volle Geld, weil bei uns keine Plattenfirma dazwischen hängt. Grundsätzlich finde ich gut, dass es die technischen Möglichkeiten dafür heutzutage gibt, aber der Künstler verdient einfach zu wenig dabei. Irgendwer hat mal ausgerechnet, was die Musiker bekommen, wenn der Song so und so viel Millionen Mal angeklickt wird, das ist einfach lächerlich, was da übrig bleibt. Man muss auch mal überlegen, welchen Aufwand man im Studio in die Produktion einer Platte steckt. Und hinterher hört man sich dieselbe Musik als mp3 an, was ja nur noch ein komprimierter Rest der ursprünglichen Musik ist. Das finde ich schon äußerst schade und bedenklich. Aber so ist eben die Entwicklung. Die Kids hören heute ja sogar ihre Musik nur noch über die Lautsprecher ihrer Handys. Da braucht man eigentlich gar nicht mehr ins Studio gehen. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
Auf der anderen Seite hat die Schallplatte ein glänzendes Comeback hingelegt ...
Stimmt. Wir hatten auch ernsthaft überlegt, ob wir unser Album auch als LP rausbringen, aber das ist ganz schwer zu realisieren.
Als nächstes steht in Deinem Terminkalender sicher die Arbeit mit SILLY. Gibt es bei Dir schon Pläne abseits von SILLY?
Nein, derzeit nicht. Ich habe zwar viele Ideen, aber noch keine passende Lösung.
Du bist einer der wenigen guten Instrumentalisten, die noch kein eigenes Soloalbum haben. Hast Du darüber vielleicht schon mal nachgedacht?
Ja, des Öfteren. Vielleicht wird es auch in diese Richtung mal etwas geben. Aber das ist alles noch nicht zu Ende gedacht. Das muss dann auch etwas völlig anderes sein, als das, was ich bisher gemacht habe. Auf keinen Fall darf es Gitarrengedudel sein, sondern eher etwas Atmosphärisches. Wir werden sehen.
Ich danke Dir für das Gespräch und Deine Zeit. Möchtest Du abschließend noch ein paar Worte an unsere Leser richten?
Gerne. Herzlichen Dank an alle, die bisher in unsere Konzerte gekommen sind und ich hoffe, Ihr kommt auch weiter fleißig zu ROCKHAUS. Es macht Spaß mit Euch.
Wir waren sehr zufrieden. Wenn ich das mal über die Jahre vergleiche, ist es immer mehr geworden. Diesmal hatten wir drei ausverkaufte Konzerte, was uns sehr gefreut hat.
Dabei wäre es fast nicht dazu gekommen, denn es war zu hören, dass die Band im letzten Jahr eigentlich schon aufgelöst war. Stimmt das?
Ja, das stimmt. Wir wollten nicht mehr als ROCKHAUS auftreten, doch unser Manager meinte, da wären noch Konzerte gebucht, die müssten wir noch spielen. Seine Idee war, dafür ein neues Foto zu schießen und danach eine Art "Best of"-Tour zu machen. Aus diesem Foto wurde dann tatsächlich ein neues Album.
Dieses Foto stammt von Carsten Klick. Kann denn ein einziges Foto wirklich dafür sorgen, dass sich Musiker wieder zusammenraufen und an neuem Material arbeiten?
Es sieht ganz so aus. Okay, es hört sich komisch an, fast wie ausgedacht. Aber das war für uns wirklich der Startschuss, wieder etwas Neues zu machen. Mike rief mich irgendwann an und fragte aufgeregt: "Hast Du das Foto gesehen?" Ich sagte: "Ja klar, das ist toll." Darauf Mike: "Dieses Foto sieht doch aus wie das von einer Band, die ein neues Album am Start hat. Wir müssen etwas machen!" Ich musste das auch erst mal einen Tag lang sacken lassen, aber dann begannen wir tatsächlich wieder mit unserem Produzenten Rainer Oleak an neuem Material zu arbeiten.
Das Ergebnis ist das Album "Therapie". Im Großen und Ganzen kam das Werk bei den Fans gut an. Doch es gab auch Stimmen, die meinten, das sei kein ROCKHAUS-Album geworden. Wie siehst Du das selbst? Mit welchen Intentionen seid Ihr damals an die Aufnahmen gegangen?
Es stimmt, "Therapie" ist ein anderes Album, anders als alle Alben, die wir vorher gemacht haben. Ich finde trotzdem, dass es nach ROCKHAUS klingt. Aber natürlich kenne ich diese Stimmen, die sagen: "Ach nee, ROCKHAUS muss sich anders anhören …". Die hören eben lieber die "I.L.D." oder "Treibstoff"-Phase. Wir hatten ja diesmal nicht so richtig viel Zeit, denn durch unseren Entschluss, nichts mehr zusammen machen zu wollen, ging schon eine Menge Zeit verloren. Deshalb ging es nicht anders, als Rainer Oleak diesmal viel Kompetenz zu übertragen, was dazu führte, dass er das neue Album quasi komplett selber arrangiert hat. Das ist meines Erachtens der Hauptgrund, weshalb es klingt, wie es jetzt eben klingt. Aber wir wollten das so und stehen auch voll dahinter.
Gerade gestern habe ich bei facebook gelesen, dass sich jemand über die Texte beschwerte. Die wären nicht so gut, wie man es von ROCKHAUS gewohnt ist. Betraf die Zeitnot also auch das Schreiben der Texte?
Die Texte liegen immer sehr lange da und am Ende ist dann ein sehr komplexes Gebilde, bis Musik und Text zusammenkommen und sich finden. Klar, auch hier fehlte etwas die Zeit, aber es war diesmal eben so. Das nächste Album würde wahrscheinlich wieder völlig anders klingen. "Treibstoff" war eher ein bisschen politisch angehaucht. Da waren auch mehr Texte von mir dabei, als auf dem neuen Album. Dadurch ist es eine andere Mischung, ich kann die Leute schon verstehen. Aber jedes Album ist anders.
Wolltet Ihr bewusst alles anders machen, so dass sich die Musik vom "Treibstoff"-Album unterscheidet oder war es eher Zufall, dass es so gekommen ist?
Nein, eigentlich nicht. Wie ich eben schon sagte, war es einerseits das Zeitproblem, aber andererseits war es auch der Zeitgeist des Momentes, den wir einfließen lassen wollten. Wir hatten es vorher nicht geplant, aber Rainer Oleak hatte durchaus einen Plan. Der Plan hieß, dass es am Ende so klingt, wie es letztlich geworden ist. Er hatte uns das vorher skizziert und wir wollten diesen Weg unbedingt mitgehen.
Ich nehme an, die Band geht jetzt erst mal wieder in eine Pause, oder?
Nein, wir spielen dieses Jahr noch einige Konzerte. Da ist einiges in Planung, das wird aber eher im Herbst sein. Wir ziehen also mit dem Album noch ein bisschen weiter durchs Land.
Wie groß ist denn derzeit die Gefahr, dass ein solcher Moment wie letztes Jahr wiederkehrt und alle sagen: "So, das war's jetzt mit ROCKHAUS"?
Die Gefahr besteht immer, wenn fünf Leute eng zusammenarbeiten, dass man irgendwann sagt, das funktioniert jetzt nicht mehr. Ich persönlich würde es albern finden, mit ROCKHAUS aufzuhören. Man kann stattdessen natürlich mal eine Auszeit einlegen, aber grundsätzlich sehe ich es so, dass wir ROCKHAUS weiterführen sollten. Zu lange darf die Pause allerdings auch nicht dauern, weil man dann aus dem Fokus des Publikums verschwindet und nicht mehr richtig wahrgenommen wird. Wir haben uns den Zuspruch über die letzten Jahre hart erarbeitet, haben auch einen ganz tollen Fanclub, über den wir richtig froh sind. Von daher wäre es Quatsch, das alles jetzt aufzugeben und aufzuhören.
Zumal das ja auch ein Stück weit Dein Baby ist, denn Du bist Mitbegründer der Band ROCKHAUS.
Wie gesagt, für mich käme das ohnehin nicht in Frage. Ich mache weiter, bis ich irgendwann mal umkippe. Es müsste mich schon unglaublich nerven, bis ich sage, ich habe jetzt keine Lust mehr.
Du warst also bei der Geburtsstunde von ROCKHAUS im Jahr 1978 dabei. Aber woher kommt Reinhard Petereit überhaupt? Gab es vor ROCKHAUS schon Bands, in denen Du gespielt hast?
Ja, es gab eine Band namens SQUIRE. Das war zusammen mit Ingo Griese, so hieß er damals noch, heute will er Ingo York genannt werden. Mit ihm begann ich damals, Musik zu machen. Der Name SQUIRE hatte allerdings nur kurzzeitig Bestand, denn ein englischer Name ging ja in der DDR nicht. Da kam ich dann auf die Idee mit ROCKHAUS. Die anderen hatten auch Ideen für einen Bandnamen, aber da wäre irgendwas ganz Schreckliches herausgekommen. Ich war froh, dass ich mit meiner Idee gewonnen hatte.
Es ist also praktisch so, dass aus SQUIRE dann ROCKHAUS geworden ist und Du vorher in keiner anderen Band aktiv warst. Wie sah denn Deine Jugendzeit aus? Wie bist Du zur Gitarre gekommen?
Das war ein ziemlich komischer Weg. Meine Mutter meinte, ich sollte in der 4. Klasse mal beginnen, Gitarre zu lernen. Allerdings habe ich das strikt abgelehnt. Ich guckte die Gitarre überhaupt nicht an, das hat mich in keinster Weise interessiert. Nun muss man wissen, ich war ein Bastelfreak, der alles Mögliche zusammengebastelt hat, auch elektrische Sachen. Dadurch kam ich mit 14 Jahren auf die Idee, ich könnte mir ja mal eine E-Gitarre basteln, wobei mich aber wirklich nur die Bastelei an dem Teil interessiert hatte. Auf die Art baute ich mir eine komplette E-Gitarre zusammen, auf der man auch richtig gut spielen konnte. Das war für mich der Startschuss. Ich hörte seinerzeit selber schon viel Musik und dachte mir bei so manchem Stück, das müsste man doch auch selber spielen können. Bei der Gelegenheit baute ich mir gleich noch einen Verzerrer, denn so etwas gab es ja im Osten nicht. Das klang wirklich cool, vor allem aber besser als bei den anderen, denn die hatten ja keinen eigenen Verzerrer. Schnell konnte ich dann auch "Smoke on the water" und BLACK SABBATH spielen. So ging es für mich los. Ich brachte mir also auch selber das Gitarre spielen bei, einen Lehrer hatte ich nie. Auf Konzerten habe ich versucht, mir die Kniffe und Griffe der Gitarristen auf der Bühne abzugucken und einzuprägen und zu Hause versuchte ich, das dann genauso nachzuspielen.
Gibt es die Gitarre noch?
Nein, die wurde in der Waschküche zerkloppt. Wir wollten unbedingt mal Ritchie Blackmore oder Pete Townsend nachmachen.
Hast Du nach der Schulzeit eigentlich einen bürgerlichen Beruf erlernt?
Ja, das nannte sich damals Facharbeiter für Nachrichtentechnik. Meine Mutter bestand nämlich darauf, dass ich zuerst einen ordentlichen Beruf lerne. Das Dumme ist nur, dass all das, was ich seinerzeit gelernt habe, nicht mehr existiert. Es ging da um Telefontechnik, um Relais usw. Aber wie gesagt, es ist alles weg.
Wir haben es vorhin schon mal angerissen: SQUIRE wurde zu ROCKHAUS. Wer hat diese Band überhaupt ins Leben gerufen, wer gehörte zur Gründungsbesetzung dazu?
Wie gesagt, SQUIRE war ja für Ingo und mich schon "unsere Band". Dazu gehörte noch Mathias Wachter am Schlagzeug, der dann aber wegen starker Rückenprobleme aufhören musste. Wir hatten auch noch einen Sänger - das waren die Anfänge. Später mussten wir den Schlagzeuger ersetzen, für den Michael Haberstroh in die Band kam. Unser Sänger bekam irgendwann Knötchen in der Stimme und konnte das nicht mehr ordentlich machen, so dass wir auf der Suche nach einem neuen Sänger waren. Das war ungefähr 1980/81.
Dazu kommen wir gleich. Wie viel Zeit lag zwischen Gründung der Band und Eurer Einstufung, die man ja in der DDR auch erst ablegen musste?
Letzteres ging ziemlich schnell, das dauerte nur ein Jahr.
Kannst Du Dich noch erinnern, was Ihr zur Einstufung für Songs gespielt habt und wie dieser Tag überhaupt für Euch lief?
Das lief sehr gut für uns. Wir bekamen die so genannte "Oberstufe". Das war schon recht gut, denn es gab nur noch eine Stufe, die darüber lag und besser war. Normalerweise bekam man die "Oberstufe" nicht gleich zum Anfang. Das hieß also im Umkehrschluss, wir müssen irgendwie Eindruck hinterlassen haben. Wir spielten eine halbe Stunde. Das meiste waren natürlich eigene Songs und ich glaube, es waren auch ein oder zwei Coversongs dabei. Aber die fallen mir nicht mehr ein.
Wie war die Anfangszeit bei und mit ROCKHAUS? Wie kann man sich die Arbeit in der Band vorstellen? Wann hattet Ihr Euer erstes Konzert?
Das kann man so genau nicht sagen, da wir schon vor der Einstufung live gespielt hatten. Hauptsächlich in der Schule, in meiner Schule und in der eines Freundes. Abends war dort oft Disco, wo wir dann immer eine halbe Stunde gespielt hatten. Es ging am Anfang vor allem darum, sich eine Anlage zusammenzubauen, denn so etwas konnte man im Osten nicht mieten. Jede Band hatte früher ihre eigene Anlage. Weiterhin ging es darum, sich einen Transporter zu besorgen, Geld zu beschaffen und vieles mehr. Es war schon sehr mühsam. Aber gearbeitet haben wir immer. Wir hatten einen Probenraum, das war ein alter und feuchter Keller. Da trafen wir uns zweimal pro Woche und spielten sowohl eigene Sachen als auch nachgespielte Songs.
Das kann sich die Jugend von heute wohl gar nicht mehr vorstellen, wie Ihr seinerzeit improvisieren und ackern musstet ...
Das geht ja heute auch alles nicht mehr. Allein schon das Selbstbauen der Instrumente … Klar, Geld braucht man heute auch, denn es ist ja alles teuer. Aber dennoch hat das heute alles eine ganz andere Qualität.
Du hast es angesprochen, bereits 1979 kam es zu einer ersten personellen Veränderung. Mathias Wachter verließ die Band und Michael Haberstroh kam. Wie fand Michael den Weg zu Euch? Kannte man sich vorher schon?
Ja, wir kannten ihn. Michael spielte in einer Band namens ROSTFREI. Die waren zwar nicht unsere unmittelbaren Konkurrenten, aber man beobachtete sich schon gegenseitig, um zu sehen, was die anderen Bands so machen. Die fanden uns Scheiße, wir fanden die Scheiße, aber ihren Schlagzeuger fanden wir gut und wollten ihn unbedingt haben. Wir begannen also, an ihm zu baggern und luden ihn irgendwann mal ein. Unser damaliger Sänger Wolfgang Kaiser hat sich die Seele aus dem Leib geschrien, ich glaube, wir spielten da gerade eine SCORPIONS-Nummer. Das fand Michael auch gut, denn in seiner Band wurde sozusagen nur "ordentlich" gespielt, während bei uns auch mal Rock'n'Roll angesagt war. Wir waren halt eher locker in unserer Auffassung von Musik. Bei uns ging es mehr um Krach und Energie, während bei der anderen Band alles gezügelter ablief, die Gitarren abgewischt wurden, man in allem sehr penibel vorging. Bei uns dagegen stand der pure Rock'n'Roll im Vordergrund.
Kann man es so formulieren: Seine alte Band war Pop, Ihr wart Punk?
Genau so könnte man es übersetzen.
Mike Kilian kam 1981 für Wolfgang Kaiser in die Band. Auch hier wieder die Frage, wie Ihr aufeinander aufmerksam geworden seid.
Das war ein Tipp von Peter Pabst, dem Bluesgitarristen, bekannt von der JONATHAN BLUES BAND. Der kannte Mike, empfahl ihn uns und sorgte dafür, dass wir uns mal treffen konnten. Mike stand dann eines Tages bei uns im Probenraum mit einer roten Aktentasche in der Hand, weil er gerade von der Arbeit kam. Wir sagten zu ihm, dass wir jetzt drauf los spielen würden und er einfach seinen Part beisteuern sollte. Und Mike begann loszuschreien. Er hat ja nun mal einen wahnsinnigen Stimmumfang. Wir waren jedenfalls echt von den Socken. Natürlich blieben wir zunächst cool und meinten, wir überlegen uns das ein paar Tage, obwohl wir genau wussten, dass wir ihn nehmen würden. Aber schon am nächsten Tag gaben wir ihm das Okay und von da an war Mike unser Sänger.
In einem Interview sagte Mike einmal, dass zum Zeitpunkt seines Einstiegs bei Euch überwiegend gecovert wurde. Wann gab es denn die ersten eigenen Songs und Rundfunkproduktionen?
Eigene Titel hatten wir schon immer. Die erste Produktion beim Rundfunk war "Ich muss darüber quatschen", das war 1981 und schon mit Mike.
Wie war denn für Euch diese erste Rundfunkproduktion? Das muss für alle Beteiligten ja etwas ganz Besonderes gewesen sein.
Klar war das aufregend. Man kannte das ja alles nur aus dem Fernsehen und plötzlich steht man selber in einem Studio und soll was aufnehmen. Man ist nervös, will alles gut und richtig machen. Und man muss sich erst einmal mit den Gegebenheiten arrangieren, zum Beispiel dass es nicht live ist, sondern dass man seine Sachen einspielt, die man sich hinterher noch mal anhört. Das war schon aufregend.
Lief das für Euch alles reibungslos ab, also konntet Ihr machen, was Ihr wolltet und spielen, wie Ihr wolltet oder gab es für Euch irgendwelche Auflagen? Man hat ja oft gehört, dass sich da der Produzent oder jemand vom Lektorat eingemischt hat.
Natürlich hatten wir einen Aufpasser vom Lektorat dabei. Wir hatten aber das Glück, Luise Mirsch bekommen zu haben. Sie hat sich wenig eingemischt. Unsere Songs mussten wir ohnehin schon vorher abgeben, damit die einer groben Prüfung unterzogen werden konnten. Bei der eigentlichen Produktion hielt Luise Mirsch sich dann weitestgehend zurück und überließ es uns und den Technikern, wie wir die Sachen aufnehmen.
1983 erschien die erste ROCKHAUS-Platte. Es war eine Single mit dem Titel "Disco in der U-Bahn". Noch im gleichen Jahr wurde Euer Debütalbum "Bonbons und Schokolade" veröffentlicht. Das war ein Privileg, welches nicht vielen DDR-Rockbands zuteil wurde. Wie und wann habt Ihr erfahren, dass AMIGA mit Euch eine ganze LP machen will?
Wie die Zufälle manchmal so spielen … Wir hatten ja vorher den markigen Spruch geprägt, dass wir mal die PUHDYS ablösen wollen. In diesem Jahr haben wir es ja nun auch endlich geschafft. Dadurch hatten wir jedenfalls die Aufmerksamkeit auf unserer Seite, jeder wollte wissen, was das für eine Band ist, die so einen Quatsch erzählt. Irgendwie klappte es dann tatsächlich mal, dass wir vor den PUHDYS spielten. Das war in Suhl. Wir waren wirklich genau vor den PUHDYS dran, was damals einigermaßen brenzlig war, da die PUHDYS-Fans uns wegen dieses Spruches natürlich nicht besonders mochten. Wir haben trotzdem einfach unseren Rock'n'Roll gespielt. Auf dieser Veranstaltung waren dann auch AMIGA-Leute anwesend, die anschließend wahrscheinlich gesagt haben: Da ist eine tolle neue Band, die sehen anders aus, die machen andere Musik, mit denen können wir auch mal was Neues präsentieren. Und schon am nächsten Tag bekam ich den Anruf, dass man mit ROCKHAUS eine Platte aufnehmen will, ob wir Interesse hätten. Ja, das war wirklich außergewöhnlich. Normalerweise wartete man Jahre auf eine solche Chance.
Heute würde man sagen, ROCKHAUS war von Beginn an bis zum Ende der 80er Jahre eine Art Teenieband. Stimmst Du mir da zu?
Ja, total.
Hattet Ihr damals auch diese Belagerungszustände bei Konzerten, wo vorwiegend weibliche Fans die Ein- und Ausgänge der Locations belegt und auf Euch gewartet haben?
Klar, so etwas gab es. Das gipfelte manchmal schon in einer Art Hysterie. Es war wirklich so, wie man es von Boybands her kennt.
Ihr hattet - kometenhaft will ich nicht sagen - ziemlich schnellen Erfolg und lagt gut im Rennen, bis Ihr dann plötzlich und mittendrin Eure Einberufung zur Armee erhalten habt. Betraf das die ganze Band oder nur einzelne Musiker?
Wir mussten wirklich alle einrücken. Aber wir hatten das große Glück, dass der ehemalige PUHDYS-Schlagzeuger Gunther Wosylus das so für uns organisieren konnte, dass wir alle gleichzeitig einberufen wurden und auch noch am gleichen Ort stationiert waren. Einen solchen Fall gab es meines Wissens vorher noch nicht. Normalerweise gehen die Bands dann auseinander, wenn ein oder zwei Leute weg sind, denn dadurch wird ja der Schaffensprozess einer Band unterbrochen. Wir hatten also wirklich Glück im Unglück, dass wir diese Zeit gemeinsam und sogar auf einem Zimmer verbringen konnten. Es war zwar ein Zwölf-Mann-Zimmer, aber immerhin waren wir zusammen. Wir konnten zwar dort keine Konzerte geben, aber wir konnten wenigstens proben.
Diese glücklichen Umstände waren also der Grund dafür, dass man die Band über diese lange Zeit am Leben erhalten konnte?
Das stimmt. Ich würde es sogar "organisiertes Glück" nennen. Wie Gunther Wosylus das geschafft oder gemacht hat, weiß ich nicht, aber letztlich ging so etwas nur über die STASI. Letztlich scheinen da im Hintergrund Leute die Fäden gezogen zu haben, die nicht wollten, dass ROCKHAUS auseinanderbricht und aufhört. Anders kann ich mir das nicht erklären. Dennoch bedeutete diese Zeit einen großen Bruch. Wir hatten zwar unsere zweite LP noch vor der Armeezeit aufgenommen, da wir wussten, jetzt geht erst mal lange Zeit nichts mehr. Die Platte erschien auch, doch wir konnten überhaupt nichts dafür machen. Keine Konzerte, keine Fernsehauftritte, keine Promotion. Und so ging die Platte vielleicht auch ein bisschen unter, zumal es ohnehin ein typisches zweites Album war, welches nicht ganz so gut wie das erste war.
Trotzdem habt Ihr nach der Armeezeit einen großen Schritt nach vorne gemacht, musikalisch wie auch vom Auftreten her. 1988 erschien nämlich das Album "I.L.D.", welches zu Eurem größten Erfolg wurde. Was habt Ihr beim Songwriting und bei den Aufnahmen zu dieser Platte anders gemacht, als bei den beiden Alben davor?
Wir haben uns schlicht und einfach weiterentwickelt. Die Armeezeit hinterließ Spuren, wir wurden dadurch erwachsener, weil man dort bestimmte Sachen einfach mal aushalten musste. Es gibt natürlich auch Leute, die daran zerbrochen sind, aber wir wurden eher stärker. Wir haben ja während der Armeezeit den Großteil der Songs von "I.L.D." dort schon geprobt und gespielt, was vielleicht auch von Vorteil war. Wir hörten zu der Zeit auch andere Musik, diese ganze tanzbare Diskomusik interessierte uns nicht mehr. Wir wollten endlich richtigen Rock'n'Roll machen. Wobei Ansätze davon in manchen alten Songs auch schon vorhanden waren.
Jürgen Ehle von PANKOW, Uwe Hassbecker und Ritchie Barton von SILLY waren bei den Aufnahmen zu "I.L.D." dabei, aufgenommen wurde die Platte teilweise im Studio von Sieghart Schubert in Quadenschönfeld. Wie kam es zu diesen Gastauftritten und vor allem zu den Aufnahmen auf dem Farmlandhof von Katrin Lindner und Sieghart Schubert?
Wie wir nach Quadenschönfeld gekommen sind bzw. wie das alles zustande kam, weiß ich nicht mehr. PANKOW fanden wir alle unglaublich gut und wir wollten, dass Jürgen Ehle der Produzent der Platte wird. Und was die anderen betraf … Es war ja gerade die Zeit der GITARREROS, da haben wir sie alle kennengelernt. Im Osten war es bis dahin jedenfalls überhaupt nicht üblich, dass Musiker bei anderen Bands mitspielten. Wir hatten aber gelesen, dass es bei den Amis gang und gäbe war, dass man dort auch mal bei anderen auftrat, oder dass die Freunde in der Band auftraten. Das fanden wir gut und wollten es unbedingt auch mal versuchen. So kam es dazu.
Auf dem Farmlandhof herrschte ja damals wie heute eine ganz besondere Atmosphäre. Das war mit Sicherheit ein totaler Kontrast zu den Studios in Berlin. Wie habt Ihr das seinerzeit erlebt?
Es war großartig, es war gemütlich, man war weit weg von allen störenden Einflüssen, man konnte sich konzentrieren. Man war auch nicht in familiäre Dinge eingebunden. Auch die Arbeit mit den anderen Musikern war toll. Wir konnten richtig ungestört und fleißig arbeiten, haben manchen Tag zwölf bis vierzehn Stunden am Stück aufgenommen, bis Jürgen Ehle dann "Stop!" sagte, weil es eh keinen Sinn mehr gehabt hätte, weiterzumachen.
Du sprachst die GITARREROS an. Das muss die Zeit gewesen sein, als Ihr gerade von der Armee zurückgekommen seid. Mike Kilian machte bei den GITARREROS mit. Soviel ich weiß, warst Du auch dabei, oder?
Ich habe einmal Gisbert "Pitti" Piatkowski und einmal Uwe Hassbecker ersetzt, als die nicht konnten. Einmal haben wir sogar zu fünft auf der Bühne gestanden, da war ich quasi der fünfte GITARRERO.
Du sagtest vorhin, es gab eigentlich vorher diese Gastspiele der Musiker untereinander nicht. Da scheinen ja die GITARREROS die Fronten aufgeweicht zu haben.
Das stimmt. Vorher waren wir mehr Konkurrenten. Durch dieses Zusammenspiel lernten wir uns plötzlich besser kennen und fanden es aufregend, wie der eine oder andere spielt. Es war wirklich eine schöne und aufregende Zeit. Von den Emotionen her würde ich es fast mit der Flower-Power-Zeit vergleichen, die der Westen hatte, aber wir im Osten nicht. Weniger wegen der Drogengeschichten, sondern mehr wegen der freigesetzten Emotionen, die man gegenüber vorher Fremden entwickelte. Das fand ich schon außergewöhnlich.
Zurück zur "I.L.D"-Platte. Der Titelsong wurde zur Nummer 1 der DDR-Hitparade und ROCKHAUS wurde zur "Band des Jahres" gewählt. Dazu kam, dass das Westlabel TELDEC das Album ebenfalls veröffentlichte. Hat AMIGA das still und leise für sich entschieden und geregelt oder wart Ihr als Musiker irgendwie daran beteiligt?
Na ja, eigentlich haben wir uns darum gekümmert. AMIGA hat es letztlich genehmigt und unterschrieben, aber dass es überhaupt dazu kam, war unser Verdienst. Wir waren befreundet mit Bernward Büker, einem westberliner Sänger. Den hatten wir genervt mit der Bitte, uns einen Plattenvertrag und eine dazugehörige Plattenfirma zu besorgen. Außerdem wollten wir schon lange mal im Westen spielen. Alles das kriegte Bernward Büker dann auch hin.
Ihr habt also 1988 erstmals im Westen gespielt. Wo genau war das?
Das war im "Quartier Latin" in Westberlin.
Durfte ROCKHAUS zum Bewerben oder Promoten, wie man es heute nennt, auch schon in die BRD reisen?
Ja, wir haben eine große Tour durch die gesamte BRD gemacht, gaben Interviews, also das komplette Paket.
Es gibt ja so einige Erzählungen darüber, zum Beispiel von Tamara Danz, wie man sich bei seinen ersten Auftritten im Westen gefühlt hat. Wie erging es Euch, was waren das für Gefühle? Wie hat das Publikum auf Euch reagiert, wie liefen die Konzerte ab?
Eigentlich liefen die Gigs genauso ab, wie bei uns, nur dass natürlich weniger Leute kamen, weil uns ja keiner kannte. Die Leute waren aber sehr neugierig auf uns, was ich prima fand. Und vor allem kamen wir plötzlich in die kleinen Clubs, was ich als sehr angenehm empfand. Mal weg von den großen Bühnen, das war schon fein. Der Kontakt zum Publikum ist viel intensiver, als wenn man auf einer großen Bühne steht und drei Meter entfernt ist von der ersten Reihe. Die Menschen in der BRD nahmen unsere Songs aber genauso gut auf, wie die in der DDR, die Reaktionen waren auch die gleichen.
Kannten die West-Fans bei den Konzerten Eure Texte?
Ich glaube nicht. Da hat auch keiner mitgesungen, also denke ich, dass niemand unsere Lieder und Texte vorher kannte.
Als nächstes kam das Album "Gnadenlose Träume". Veröffentlicht wurde es zuerst in der BRD. Wer hatte das entschieden? Waren Eure Fans im Osten nicht sauer darüber, dass sie plötzlich nur noch Zweitverwerter waren?
Wir wollten endlich von AMIGA weg, weil die uns ja auch oftmals ziemlich stark rein redeten. Deshalb waren wir froh über die Chance, die Platte in Hamburg aufnehmen zu können. Natürlich war es nicht unser Ziel, die Platte nur im Westen erscheinen zu lassen, sondern es sollte schon überall zeitgleich auf dem Markt kommen. Deshalb war unsere Enttäuschung riesengroß, als das eben nicht passierte. Wir sagten dann: "Unsere Fans sitzen doch im Osten, die können wir doch nicht einfach weglassen und ausklammern! Wir verzichten sogar auf irgendwelche Lizenzen, wollen gar nichts daran verdienen, aber die Platte muss in jedem Falle im Osten erscheinen!" Darauf sagte die Plattenfirma glashart: "Wir brauchen kein Ostgeld, die Platte erscheint nur bei uns in der BRD". Damit hatten wir uns dann also selber ins Knie geschossen. Dadurch ging das Album natürlich auch sang- und klanglos unter und interessierte keinen.
Nun bekamen ja in der Wendezeit viele Ostkapellen kein Bein mehr auf die Erde. Wie lief das bei ROCKHAUS ab? Wie habt Ihr diese Zeit der Veränderungen erlebt?
Das lief bei uns genauso ab. Es kamen keine Leute mehr in unsere Konzerte, wir spielten nur noch in kleinen Clubs und guckten mit großen Augen auf das, was da passiert. Immerhin wurde uns gerade der Boden unter den Füßen weggezogen. Unsere Anlage und die LKW's waren insgesamt etwa eine Million wert. Das haben wir alles verschrottet. Alles, was wir uns über die Jahre aufgebaut hatten, war somit weg. Schrott. Wir hatten alles verloren.
Was heißt Schrott?
Schrott heißt Schrott. Die LKW's wurden tatsächlich verschrottet, die waren nichts mehr wert! Die Technik hatten wir ja zum Großteil selber zusammengebastelt, der LKW war ein Mercedes aus dem Jahr 1952. Im Moment des Beitritts der DDR zum Westen war das wirklich nichts mehr wert. Niemand wollte das haben, niemand brauchte das Zeug, niemand wollte es sich irgendwo hinstellen. Plötzlich konnte man doch alles neu kaufen, es gab doch alles! Also blieb uns nichts anderes übrig, als alles zu vernichten. Einige kleine Sachen, wie ein paar Lautsprecher oder Boxen konnten wir noch an eine Disco verkaufen, aber die wirklich teuren Dinge waren jetzt wertlos. Wir steckten ja seinerzeit den überwiegenden Teil des Geldes, was wir verdienten, in unsere Anlage.
Wie konntet Ihr unter diesen Umständen denn überhaupt weiter machen?
Erst mal haben wir gar nicht mehr weiter gemacht, sondern wir beschlossen, das tun wir uns nicht mehr an. Also machten wir zunächst eine Pause.
Wie und wann seid Ihr dann wieder zusammengekommen? Denn es gab ja etwas später wieder ein neues Album mit dem Titel "Wunderbar".
Genau, mit diesem Album ging es für uns weiter. Nur hatten wir diesmal alles selber gemacht. AMIGA gab es nicht mehr, andere Plattenfirmen wollten uns nicht, deshalb dachten wir uns, dann versuchen wir es eben auf eigene Faust. Das war 1994.
Das war ja in etwa die Zeit, als die DDR-Musik plötzlich so eine Art Revival erlebte. Die Leute hatten sich inzwischen wahrscheinlich ihre Sehnsüchte erfüllt und sich die großen Bands und Namen angeguckt und kehrten nun zu der Musik ihrer Jugend zurück.
Stimmt, dieser Effekt trat ein. Man wollte wieder die Musik hören, die man kannte. Das war natürlich auch für uns gut. Heutzutage passiert zwar alles nur noch auf regionaler Ebene, das heißt, wir spielen also nur noch im Osten, aber das ist okay. Klar möchten wir auch gerne im Westen des Landes auftreten, aber das lohnt sich finanziell nicht. Wir müssten selber Geld hinlegen, damit sich diese Auftritte tragen, aber das macht für uns wenig Sinn.
Wann habt Ihr denn festgestellt, dass das Interesse an Euch wieder da ist und dass es sich lohnt, ROCKHAUS wiederzubeleben?
Ich tippe mal auf 1992 bis 1993. Wir bekamen mit, es geht langsam wieder los, auch andere Bands rauften sich wieder zusammen. Es normalisierte sich schleichend, aber man merkte, es machte wieder Sinn.
Ihr habt dann das Album "Wunderbar" aufgenommen, die Platte erschien und Mike Kilian geht, verlässt die Band ...
Genau. Mike ist aber eigentlich schon vorher gegangen. Er hat die Platte eingesungen, den Rest habe ich dann mit Beathoven zu Ende gebracht. Während der Aufnahmen, während des Mixens und der Promotion für die Platte war schon klar, dass Mike aussteigen wird.
Das ist natürlich für viele Bands ein Todesurteil, wenn der Mann, der das Album einsingt, danach verschwindet. Zumal Mike Kilian ja nicht nur die Stimme, sondern auch das Gesicht der Band war. Damit habt Ihr nach der Geschichte mit der Wendezeit und dem verschrotteten Equipment zum zweiten Mal einen echten Schlag in die Magengegend gekriegt. Wo nimmt man nach solchen Ereignissen überhaupt noch die Motivation her, weiterzumachen?
Man will einfach nur Musik machen. Da ist natürlich das Naheliegendste, die eigene Musik weiterzumachen. In dieser Musik steckt alles drin, da stecke ich selber mit drin mit meinen Texten, meiner Musik. Das gibt man nicht so leicht auf.
Bei Dir verstehe ich das, denn Du warst seinerzeit ein Gründungsmitglied und hängst deshalb besonders an der Band. Aber die anderen hätten ja spätestens jetzt sagen können, dass sie dann eben auch etwas anderes machen wollen.
Man kann natürlich etwas Neues machen, ohne dabei gleich das Eigene wegzuschmeißen. Jeder hat das für sich und auf seine Art gelöst.
Ihr habt Euch dann kurzerhand einen neuen Sänger gesucht und mit dem Westberliner Acki Noack auch einen gefunden. Wie habt Ihr ihn gefunden?
Das war auch ein Tipp, ich glaube sogar, der Tipp kam von Bernward Büker. Der meinte, es gibt da einen Sänger, der sei ROCKHAUS-Fan, der singt aus Spaß viele Eurer Songs, probiert den doch einfach mal aus. Daraufhin traf sich Maxs Repke mit Acki. Als er zurückkam, fragten wir natürlich, wie es gelaufen war. Maxs druckste etwas rum und sagte dann, er wäre ein bisschen dick. Heinz hakte nach: "Wie dick?" Und Maxs sagte: "Richtig dick". Na gut, wir vereinbarten dennoch eine gemeinsame Probe, wo Acki dann auch richtig gut sang. Ich war zu dem Zeitpunkt der Meinung, dass wir uns umbenennen sollten, denn für mich wurden wir mit einer anderen Stimme, einem anderen Frontmann plötzlich zu einer Art ROCKHAUS-Coverband. Ich wurde aber überstimmt. Es gibt dazu aber noch eine interessante Geschichte. Es sang nämlich noch jemand bei uns vor: Gero "Stumpen" Ivers, der heutige Sänger von KNORKATOR. Der stand auch mächtig auf ROCKHAUS. Stumpen machte eine Probe mit uns, Maxs Repke und mir gefiel das auch richtig gut, aber Heinz und Beathoven fanden es total Scheiße, die kamen damit nicht zurecht. Also wurde es am Ende Acki Noack.
Mit ihm habt Ihr dann vier Jahre lang zusammengearbeitet, aber in dieser langen Zeit nur eine Single veröffentlicht, die dann auch noch eine Coverversion war, nämlich die vom "Farbfilm". Gab es keine neuen Songs, fehlten die Ideen?
Doch, es gab einige Songs aus dieser Zeit, aber hat es nicht richtig funktioniert, irgendwie fehlte die Kreativität. Wir waren alle mit dem, was wir gemacht haben, nicht recht zufrieden, was man jetzt aber keinesfalls auf unseren neuen Sänger beziehen sollte. In dieser Besetzung funktionierte es rundherum nicht.
Das war sicher auch der Grund, dass 1998 die Band aufgelöst wurde.
Nein, das stimmt nicht, denn 1997 machten wir ja noch mal eine Tour und da stand Mike Kilian wieder am Mikrofon.
Ach, das ist mir neu ...
Doch, wir machten noch mal eine Tournee zu viert, ohne Keyboards. Am Ende der Tour sagte ich dann aber endgültig, jetzt reicht es, ich hatte keine Lust mehr. Wie sich herausstellte, rannte ich damit bei den anderen offene Türen ein. Maxs wollte nämlich auch nicht mehr. Es war auch keinesfalls so, wie ich es mal von Mike in seinem Buch gelesen habe, dass er die Band aufgelöst hätte. Das hat er sich nur so zurecht gebogen. Es war einfach an der Zeit, aufzuhören.
Das finde ich interessant. Wie kam es denn dazu, dass Mike Kilian 1997 plötzlich wieder zurückkam? Und was war mit Acki Noack?
Acki haben wir gesagt, dass es einfach nicht funktioniert. Und dann kam irgendwer auf die Idee, Mike zu fragen, ob er nicht Lust hätte, wieder bei ROCKHAUS mitzumachen. Ich erinnere mich, dass wir mit Mike dann auch wieder ein paar neue Songs aufgenommen haben.
Gibt es diese Songs noch?
Ja, die habe ich in meinem Tresor.
Das wäre doch mal was für eine Raritäten-CD ...
Oder wir machen eine Maxi-Single daraus. Für Leute, die uns mögen, wäre das sicher eine interessante Idee.
Wie ging es nach dem Ende von ROCKHAUS mit Dir weiter? Hast Du der Musik den Rücken gekehrt?
Nein, das ist bei mir absolut unmöglich, denn das würde mich todunglücklich machen. Ich habe zunächst einige Sachen mit Dirk Zöllner gemacht, aber bei Zöllner ist es ja so, dass er sich nach zwei Jahren neue Musiker sucht. Also bin ich weitergezogen und habe mit André Herzberg zwei Alben produziert und sogar eine oder zwei Touren mit ihm gemacht. Und ich habe Theatermusiken geschrieben.
Theatermusik ist ja nun auch etwas ganz Spezielles. Wie kommt man denn dazu?
Das ist auch wieder so ein Glücksfall. Ich kannte einen Bühnenbildner namens Peter Schubert, der mich in diese Szene einführte und mit Armin Petras bekanntmachte, der damals als junges Regietalent galt. An der Schauspielschule Hamburg ergab sich dann die Gelegenheit, etwas zusammen zu machen. Ich fand das gut, mir gefiel das. Dann bekam ich sogar einige Nebenrollen mit Text, was ich ja total scharf fand. Ich scheine eine Art Naturtalent zu sein, denn sowie ich auf einer Bühne stehe, passiert etwas. Und die Theatermusiken, die ich geschrieben habe, hatten für mich vom Gefühl her die Wertigkeit von Filmmusik. So habe ich sie dann auch gespielt. Ich rede hier natürlich von Livemusik, nicht von Konservenmusik.
Das Comeback von ROCKHAUS gab es dann im Jahr 2005. Die Geschichte dahinter, dass Eure Fans den PRINZEN Euren Wiederbeginn zu verdanken haben, wurde hier bei Deutsche Mugge schon ausführlich besprochen. Wie hast Du die Wiedervereinigung von ROCKHAUS empfunden?
Die Kollegen waren sich einig, dass sie es noch mal versuchen wollten. Sie kamen dann zu mir, erzählten von dem Angebot der PRINZEN und dass wir im Sommer wieder große Konzerte spielen könnten. Ich gab mein Okay, knüpfte es aber an die Bedingung, dass ich dafür nichts tun möchte, sondern einfach nur Musik machen will. Früher hatte ich ja fast alles mit organisiert, das wollte ich jetzt nicht mehr. Und so ging es mit ROCKHAUS wieder los.
Wie sind Band und Mike Kilian wieder aufeinander zugegangen?
Das haben die Kollegen untereinander geklärt, dazu kann ich nichts sagen. Ich denke aber, das ist Heinz, der da im Hintergrund die Fäden zieht.
Es folgte eine gut besuchte Tournee durch die fünf östlichen Bundesländer, die für Euch ziemlich erfolgreich lief. Ist Dir irgendetwas davon in besonderer Erinnerung geblieben? Das war ja doch ein ziemlich markanter Punkt in der Bandgeschichte.
Für mich war wirklich erstaunlich, wie viel Leute ROCKHAUS immer noch kannten und jetzt sogar ihre Kinder mit ins Konzert brachten. Diese Mischung im Publikum fand ich sehr beeindruckend. Das hat Spuren bei mir hinterlassen. Wir müssen also für die Leute als ROCKHAUS eine gewisse Rolle gespielt haben und immer noch spielen, sonst wären die kaum wieder zu uns gekommen.
Aber dieses Phänomen kann man bei Euch auch heute noch beobachten, dass jede Menge junges Volk ins Konzert kommt.
Darüber bin ich auch richtig froh. Wenn ich da manch andere Band sehe ... Das tut mir manchmal echt leid.
Kurz darauf bist Du als neuer zweiter Gitarrist bei SILLY eingestiegen. Wie kam es dazu, dass Du die Nachfolge von Thomas Fritzsching angetreten hast?
SILLY spielte ja bereits mit Joachim Witt zusammen. Und die Leute von Joachim Witt fragten mich, ob ich bei ihnen mitmachen möchte. Das habe ich dann auch zwei Jahre lang gemacht. Daraufhin kam irgendwann der Anruf von Uwe Hassbecker mit dem Angebot, bei SILLY die zweite Gitarre zu spielen. Das war für mich nicht nur ein Hammer, sondern auch eine riesengroße Ehre. Das ist es auch immer noch. Beim Spielen denke ich dann sehr oft an Tamara, vor allem, wenn wir die alten Songs spielen.
Kanntest Du Tamara persönlich?
Ja, sehr gut sogar.
Mit SILLY hast Du in den letzten Jahren viel erlebt. SILLY stieg mit Anna Loos zur erfolgreichen Chartband auf, die beiden bisher veröffentlichten Alben landeten beide in den Top Ten. Ihre Konzerte waren teilweise ausverkauft und es entstand ein enormer Fanhype. Wie hast Du diese letzten zehn Jahre erlebt? Das ist ja doch noch mal eine ganz andere Dimension, oder?
Richtig, das erreicht ein ganz anderes Level. Zunächst war es sehr schön, mal wieder im Westen Deutschlands zu spielen. Dann dieser ganze Rummel drum herum, das ist schon enorm. Natürlich ruht der Fokus immer auf den vier SILLY-Leuten, während wir Gastmusiker immer ein bisschen im Hintergrund stehen, aber das ist nicht schlimm. Ganz im Gegenteil, es ist schon interessant, so nah an einer Band zu sein, die in den Charts zu Hause ist. Mitzuerleben und mitzunehmen, wie das Leben auf einer so großen Tour funktioniert, der Tourbus, die riesigen Bühnen, das Licht, die Technik, das macht unheimlichen Spaß. Es sind ja auch unglaublich viele Leute, die da unterwegs sind und dazu gehören. Ja, das ist schon toll, das erleben zu dürfen. Natürlich hätte ich diese Dinge auch gerne mit ROCKHAUS gehabt und erlebt, aber dazu ist es bisher leider noch nicht gekommen.
Kann man diesen Hype nicht nutzen? Du hast gerade erzählt, Ihr müsstet bei Auftritten im Westen draufzahlen. Könntet Ihr nicht damit pfunden, wenn Ihr sagt, hier bei ROCKHAUS spielt der Gitarrist von SILLY mit, oder Maxs Repke, bekannt vom CLUB DER TOTEN DICHTER, den man ja auch deutschlandweit kennt. Warum baut Ihr sowas nicht in Eure Werbung mit ein?
Ich weiß nicht ... Ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass das funktioniert.
Das neue SILLY-Album "Wutfänger" steht in den Startlöchern. Hast Du die neuen Songs im Studio mit eingespielt?
Nein, das macht Hasbe alles allein. Ich muss mir meine Anteile später raushören. Hasbe und ich treffen uns irgendwann und sprechen dann alles Nötige ab. Er arrangiert ja die Gitarrenparts alle selber und legt die schon während der Aufnahmen so an, dass von vornherein klar ist, was ich spielen werde. Uwe Hassbecker hat nun mal großen Einfluss auf den SILLY-Sound und er gehört für mich ohne Zweifel zu den besten Gitarristen Deutschlands.
Ist das, was Du dann auf der Bühne ablieferst, reines Nachspielen von Hasbes Arrangements oder darfst Du auch eigene Ideen mit einbringen?
Nein, es ist reines Nachspielen. Du musst wissen, das ist alles ganz genau angelegt, da kommt es wirklich auf jede Feinheit an. Das hat Hasbe sich genau so überlegt und ausgedacht, also will er es auch so und nicht anders hören.
Aber auch mit ROCKHAUS ging es zwischendurch immer weiter. Seit der Reunion habt Ihr mit "Treibstoff", "Positiv" und "Therapie" drei Alben veröffentlicht und wart damit auch immer auf Tournee. Seitdem ist Rainer Oleak, bei dem Ihr die Platten aufgenommen habt, ein fester Partner für Euch geworden. Kann man das so sagen?
Das kann man so sagen, ja. Ich hoffe auch, dass das in Zukunft so bleibt, denn er hat einen sehr positiven Einfluss auf die Band. Dazu kommt, dass Rainer ein ganz tolles Studio besitzt, in dem man alle Möglichkeiten hat, seine Ideen zu verwirklichen. Es ist sozusagen ein Schlaraffenland für uns Musiker, wo man aus dem Vollen schöpfen kann.
Mal abgesehen von der Technik in dem Studio interessiert mich, was die Zusammenarbeit mit Rainer Oleak so besonders macht. Wie habt Ihr Euch überhaupt gefunden?
Wir haben einmal bei "Ostrock in Klassik" mitgemacht. Und Rainer Oleak hat die ganzen Songs damals arrangiert. Wir fanden es beeindruckend, wie das alles angelegt war. Unser Manager meinte dann, wir sollten Rainer fragen, ob er uns nicht auch mal produzieren möchte. Auf diesem Wege haben wir uns bei der Arbeit zum "Treibstoff"-Album kennen- und schätzengelernt. Rainer ist unheimlich intelligent, dazu ein ganz toller Musiker, der alles Mögliche spielen kann. Er hat einen wunderbaren Musikgeschmack, ist immer am Zeitgeist dran, spielt uns die Sachen vor, wie er sie sieht und hört. Wenn er etwas macht, hat das auch immer einen bestimmten Hintergrund. Er sagt also nicht nur: "Spielt das mal so, wie ich das will", sondern er kann Dir genau erklären, wieso und weshalb das genauso funktionieren wird, wie er es sich vorstellt. Man nimmt ihm das auch wirklich ab, weil er weiß, wovon er redet.
Du bist bei ROCKHAUS ja nicht nur als Gitarrist, sondern auch als Komponist und Texter aktiv. Wie bist Du zum Texten und Komponieren gekommen? Weißt Du noch, welches Dein erster selbstgeschriebener Song war?
(überlegt) Das kann ich Dir gar nicht sagen, daran erinnere ich mich nicht mehr. Das muss um 1978 gewesen sein, aber davon spielen wir ja heute nichts mehr. Auf jeden Fall habe ich das schon immer gemacht. Man sitzt an der Gitarre, denkt sich irgendetwas aus, spielt es den anderen vor, die dann wiederum ihre Ideen dazu geben. So entstehen bei ROCKHAUS die Songs. Mit dem Texten habe ich während meiner Armeezeit begonnen. Also 1984/1985. "Gefühle" zum Beispiel ist dort entstanden. Es fing ganz langsam an und wurde nach und nach immer mehr.
Lässt Du Dich beim Texten und Komponieren durch irgendwen oder von irgendetwas inspirieren oder kommen die Ideen aus dem Bauch?
Bei der Musik ist es so, dass ich oft etwas höre, was mich anzündet. Da kann ich mich dann herrlich verlieren in meiner Gitarre, wenn ich versuche, aus dem gehörten etwas Eigenes zu machen. Um Texte zu schreiben, setze ich mich gern in ein Café, gucke auf die Straße und die vorbeigehenden Leute und schon kommen irgendwelche Inspirationen.
Wie entstehen Songs bei Dir, bis sie ein Ganzes sind? Wartest Du auf einen besonderen Anlass oder sammelst Du Themen und legst dann los?
Ich sammle tatsächlich Themen. Immer, wenn mir was einfällt, nehme ich es schnell auf. Nach einer Weile höre ich mir dann an, ob es immer noch so interessant wie am Anfang klingt. Wenn es so ist, versuche ich daraus etwas Größeres zu entwickeln. Aber zunächst sind es nur Fragmente.
Und das spinnt Ihr dann als Band im Studio weiter?
So machen wir das normalerweise. Bei der letzten Platte allerdings nicht, da war die Zeit einfach nicht vorhanden. Da sind wir einzeln ins Studio gegangen, haben Rainer Oleaks Arrangements gespielt und hinterher hat jeder einzeln darüber diskutiert, was man anders machen könnte. Ich zum Beispiel habe gefragt, ob die Gitarre so und so klingen muss, stattdessen hätte ich diese und jene Idee. Also wurden danach noch bestimmte Dinge nachträglich eingearbeitet, die von den Kollegen vorgeschlagen wurden. Diesen Weg sind wir zum ersten Mal gegangen. Ansonsten wird wirklich so lange im Probenraum gesessen und an den Songs gearbeitet, bis es jedem von uns gefällt. Das ist unser Stil. Wenn jemand nicht ganz glücklich ist mit einem Song, dann lassen wir ihn lieber weg, als dass wir einen von uns unzufrieden zurück lassen.
Dann habt Ihr ja sicher eine Menge Lieder, die wegfallen und gar nicht erst aufgenommen werden, oder?
Das stimmt, dadurch geht einiges verloren. Manches taucht nach ein paar Jahren auch wieder auf, aber in der Regel hat jeder von uns genügend neue Ideen, dass es für drei Bands reichen würde.
Als Musiker ist man ja meistens auch Anhänger oder gar Fan anderer Musik. Wer sind Deine Favoriten in der nationalen und internationalen Musikwelt?
Oh, das ist schwer, weil ich ganz viele verschiedene Sachen höre. Im Moment höre ich ganz gerne richtig harte Sachen, aber ansonsten gibt es da jede Menge Abwechslung. CITY AND COLOUR wäre z. B. etwas Weiches. BON IVER ist noch weicher, diese Fistelstimme finde ich großartig. Von den ganz harten Sachen gefällt mir z. B. SEETHER. Die spielen tief gestimmte Gitarren, das finde ich herrlich!
Fragen wir mal anders: Was war die letzte CD oder Schallplatte, die Du Dir gekauft hast?
Das war die vorletzte Platte von COLDPLAY, allerdings brauchte ich da eine ganze Weile, bis ich die gut fand. Dann von BRING ME THE HORIZON "That's spirit" und ein Album von THREE DAYS GRACE, einer kanadischen Grunge-Band. Das waren die Sachen, die ich mir zuletzt runtergeladen habe.
Runtergeladen? Wie stehst Du als kreativer Kopf und Musikschaffender zum Thema Streaming?
Wir kriegen das volle Geld, weil bei uns keine Plattenfirma dazwischen hängt. Grundsätzlich finde ich gut, dass es die technischen Möglichkeiten dafür heutzutage gibt, aber der Künstler verdient einfach zu wenig dabei. Irgendwer hat mal ausgerechnet, was die Musiker bekommen, wenn der Song so und so viel Millionen Mal angeklickt wird, das ist einfach lächerlich, was da übrig bleibt. Man muss auch mal überlegen, welchen Aufwand man im Studio in die Produktion einer Platte steckt. Und hinterher hört man sich dieselbe Musik als mp3 an, was ja nur noch ein komprimierter Rest der ursprünglichen Musik ist. Das finde ich schon äußerst schade und bedenklich. Aber so ist eben die Entwicklung. Die Kids hören heute ja sogar ihre Musik nur noch über die Lautsprecher ihrer Handys. Da braucht man eigentlich gar nicht mehr ins Studio gehen. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
Auf der anderen Seite hat die Schallplatte ein glänzendes Comeback hingelegt ...
Stimmt. Wir hatten auch ernsthaft überlegt, ob wir unser Album auch als LP rausbringen, aber das ist ganz schwer zu realisieren.
Als nächstes steht in Deinem Terminkalender sicher die Arbeit mit SILLY. Gibt es bei Dir schon Pläne abseits von SILLY?
Nein, derzeit nicht. Ich habe zwar viele Ideen, aber noch keine passende Lösung.
Du bist einer der wenigen guten Instrumentalisten, die noch kein eigenes Soloalbum haben. Hast Du darüber vielleicht schon mal nachgedacht?
Ja, des Öfteren. Vielleicht wird es auch in diese Richtung mal etwas geben. Aber das ist alles noch nicht zu Ende gedacht. Das muss dann auch etwas völlig anderes sein, als das, was ich bisher gemacht habe. Auf keinen Fall darf es Gitarrengedudel sein, sondern eher etwas Atmosphärisches. Wir werden sehen.
Ich danke Dir für das Gespräch und Deine Zeit. Möchtest Du abschließend noch ein paar Worte an unsere Leser richten?
Gerne. Herzlichen Dank an alle, die bisher in unsere Konzerte gekommen sind und ich hoffe, Ihr kommt auch weiter fleißig zu ROCKHAUS. Es macht Spaß mit Euch.
Interview: Christian Reder
Bearbeitung: cr, tormey, mb
Fotos: Archive Reinhard Petereit und Deutsche Mugge
Bearbeitung: cr, tormey, mb
Fotos: Archive Reinhard Petereit und Deutsche Mugge