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lp05 20121121 1147573230 lp06 20121121 2047555577 lp07 20121121 1078367965lp08 20121121 1714904381 

 

Ringsgwandl? Da werden sicher einige denken: Aha, eine bayerische Gaudiband. Weit gefehlt. Dr. Georg Ringsgwandl, ehemaliger Oberarzt und Kardiologe am Garmisch-Partenkirchener Klinikum, ist schon seit Mitte der 80er in der Musikszene aktiv. Zunächst neben seinem Beruf. 1993 hängte er den weißen Kittel an den sprichwörtlichen Nagel und forcierte seine bis dahin schon sehr erfolgreiche musikalische Leidenschaft hauptberuflich weiter. Die musikalische Ausrichtung reicht von Rockmusik über Punk bis zu traditioneller bayerischer Volksmusik,001 20121121 1649903462 die mit den sogenannten "TV-Volksmusikanten" überhaupt nichts zu tun hat. Seine oft skurrilen und hintersinnigen Texte, die meist das Leben untereinander und in der Gesellschaft widerspiegeln und karikieren, sind vom Feinsten. Hier ein Textauszug von "Nix mitnehma", der durchaus aktuelle Bezüge hat:

"Hey, du konnst Ministerpräsident sei von am Staat,
der im Rüstungsgschäft prozentual die Finger hot.
Du konnst Kardinal sei, schee feierlich und fett,
oder frommer Pfarrer, Zölibat und Doppelbett.
Des konnst du net mitnehma ..."

Damit ist natürlich die "ewige Ruhe" gemeint, die alle ohne Ansehen der Person treffen wird und alles an irdischen Gütern zurücklässt. Für diesen Titel erhielt er den "Jahrespreis der Liederbestenliste". Letztes Jahr bekam er den "Bayerischen Kabarettpreis", obwohl er sich selbst nicht als Kabarettist sieht. In seiner Band spielen stets herausragende Instrumentalisten, wie z.B. der Rock 'n' Roll- und Bluesgitarrist Nick Woodland. Dr. Ringsgwandl selbst spielt Gitarre und Zither. In all den Jahren veröffentlichte er 11 CDs, drei DVDs, ein Buch sowie einige Theaterstücke. Regelmäßig tourt er durch Deutschland und die deutschsprachigen Nachbarländer. Obwohl er bayerischen Dialekt spricht, versteht man ihn ohne große Mühe, wenn er zwischen den Songs von oft urkomischen Begebenheiten erzählt. Dr. Ringsgwandl stand der ‚Deutschen Mugge' für ein langes Interview Rede und Antwort und gewährte sehr offene Einblicke in sein künstlerisches Schaffen...

 


Herr Dr. Ringsgwandl, dieses Interview wird u.a. auch von Leuten gelesen, die Sie vielleicht nur dem Namen nach oder noch gar nicht kennen. Darum wäre jetzt eine gute Gelegenheit, sich am Anfang dieses Interviews kurz vorzustellen. Wer ist Dr. Georg Ringsgwandl?
(überlegt ein wenig) Das kann man relativ kurz sagen: Das ist ein milde-verrückter Knecht, der sich von seiner Geburt 1948 in einem Kaff in den bayerischen Alpen bis zum Ende seines Studiums mit 26, 27 Jahren redlich durchgeschlagen und seitdem immer wieder versucht hat, eigene Songs zu schreiben - auf deutsch und auf bayerisch. Das funktionierte am Anfang nicht gescheit und so arbeitete er ein paar Jahre als Arzt. Als er dann endlich den richtigen Dreh gefunden hatte, war er schon Ende 30. Inzwischen hat er einigermaßen herausbekommen, wie es geht, weiss in etwa, wie's funktioniert und hat in etwa gelernt, wie man ein anhörbares Album produziert. Seitdem schreibt er munter Songs, Musiktheaterstücke und brachte letztes Jahr sogar ein kleines Buch zustande: Eine Sammlung von grotesken Kurzgeschichten. Und kaum dass er sich's versah, sind 63 Jahre vergangen.

 

Normalerweise bleibt man bei einem erlernten Beruf. In Ihrem Fall ist das der Kardiologe. Am Garmischer Krankenhaus waren Sie einige Jahre tätig. Was war die Initialzündung, den Beruf aufzugeben und das Fach zu wechseln? Wie und warum ist das passiert?
Es ist ja so, dass ich schon vor dem Medizinstudium Musik gemacht habe. Das waren damals erste Gehversuche mit bluesartigen Liedern in Bayerisch und Deutsch. Eigentlich hätte ich gern beruflich Musik gemacht. Aber ich kam aus sehr bescheidenen, wirklich ärmlichen Verhältnissen. Wenn ich da auch nur angedeutet hätte, dass ich Musik nicht nur als Freizeitbeschäftigung machen möchte, hätte mich mein Vater sofort erschlagen. Der hätte nicht einmal gefragt. Darum studierte ich Medizin. Nach dem Medizinstudium versuchte ich mich zwei Jahre in der Musik. Ich bekam einen Plattenvertrag bei der EMI Elektrola. Die gab's damals noch. Das ist schief gegangen und plötzlich hatte ich einen Haufen Schulden. Ich war mir auch noch nicht sicher, in welche Richtung es musikalisch gehen soll. Die Schulden mussten jedenfalls abgestottert werden und darum fing ich an, als Arzt zu arbeiten. Das lernte ich gescheit, mit einer richtigen Facharztausbildung. Anfangs war ich sogar in der Forschung tätig, genauer gesagt in der pharmakologischen Forschung. Ich habe Ratten getötet und anschließend machte ich meine Facharztausbildung an der Universitätsklinik in München-Großhadern. Als ich den Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie hatte, ging ich dann als Oberarzt nach Garmisch. Zehn Jahre war ich dort tätig. Während dieser Zeit ging ich das mit der Musik noch mal an, dieses Mal mit mehr Ruhe und Entschlossenheit. 1986 nahm ich die erste Platte für Trikont in München auf. Das ist ein kleines Independent-Label, das es immer noch gibt - eines der wenigen verbliebenen Independent-Labels in Deutschland. Die Idee war, eine Platte zu machen, damit die Enkel später einmal wissen, was der Großvater in seiner Jugend alles gemacht hat, und dann wollte ich's wieder gut sein lassen. Als die Platte rauskam, entwickelte das Ganze eine unerwartete Eigendynamik. Das gab dem Ganzen einen gewaltigen Schub. Im März 1987 hatten wir das erste ausverkaufte Konzert. 1989 erschien das zweite Album, das noch erfolgreicher wurde als das erste. Ich dachte, das ist alles eine kurzfristige Modeerscheinung, anschließend ziehe ich mich wieder auf meine Arztstelle zurück. Die Medizin hat mir ja großen Spaß gemacht. 1992 kam die dritte Platte und damit ist das alles irgendwie ausgeufert. Ich schrieb für verschiedene Zeitschriften, bekam plötzlich den Auftrag, für das Schauspielhaus in Köln ein Musiktheaterstück zu schreiben.002 20121121 1751242519 Sowas hatte ich schon lange im Kopf. Das war allerdings nicht mehr in der Freizeit zu machen. Sechs oder sieben Jahre hatte ich die Musik neben meiner Arbeit als Arzt betrieben, aber 1993 war dann klar, dass ich eine Entscheidung treffen muss. Ich dachte mir, "Mach' es g'scheit", und hab' dann schweren Herzens meinen schönen Oberarztposten in Garmisch aufgegeben und ab dem Zeitpunkt machte ich nur noch Musik.

 

Wieviel Arzt steckt denn heute noch in Ringsgwandl?
Ich interessiere mich immer noch sehr für die Vorgänge in der Medizin. Was geforscht wird und wie sich der Beruf entwickelt. Ab und zu lese ich Fachartikel. Ich treffe immer mal wieder Freunde von mir, Ärzte, die in dem Geschäft geblieben sind. Die meisten von ihnen sind heute Chefärzte und von denen erfahre ich immer, was es an neuen Entwicklungen gibt. Wenn irgendwer in meinem Bekanntenkreis krank wird, telefoniere ich ein bisschen herum, um ihn an die richtige Adresse zu manövrieren. Aber wie gesagt, als Beruf habe ich die Medizin vor fast 20 Jahren aufgegeben. Mich interessiert sie nur, weil sie ein hochinteressantes Fach ist. Medizin ist ja, ganz umfassend betrachtet, die Wissenschaft vom Menschen, das ist das schwierige an ihr

 

....das meinte ich nämlich mit der Frage, ob man so was denn auf immer abstellen kann, dieses Interesse daran...
Nein, mich haben die Menschen schon immer interessiert, das war letztlich auch der Grund, warum ich Medizin studierte. Weil ich dachte: "Das ist der Beruf, in dem du deine Interessen und Fähigkeiten am besten nutzen kannst." Es ist das eigentlich Interessante an der Medizin, dass du mit Menschen zu tun hast. Das rein Technische in der Medizin ist auch interessant. Es ist erstaunlich, was es an Technik so gibt, aber wirklich interessant ist die medizinische Technik nur im Zusammenhang mit dem Menschen, dessen Schicksal sie beeinflusst.

 

Auf meine Eingangs-Frage hatten Sie sich schon beschrieben, und der Kollege, der das Interview mit ausgearbeitet hat, hat den Begriff des 'schauspielernden Rockkabarettisten' ins Spiel gebracht. Sehen Sie sich als solcher?
Nee, nee, das klingt zwar ganz gut, Respekt: hat er sich schön formuliert ausgedacht, aber das trifft es nicht, weil ich quasi als Liedermacher mit einer Gitarre anfing und Songs schrieb. Das war's, was ich die ganze Zeit gemacht habe. Als ich endlich meine ersten Bühnenauftritte bekam, was ohnehin schwierig genug war, habe ich einfach angefangen, zwischen den Songs ab und zu irgendwas zu erzählen - 'ne kurze Ansage zu machen, die mir durch den Kopf geschossen ist. Wenn ich in diesem Bühnenrausch bin, fallen mir oft die irrsinnigsten Geschichten ein. Und als ich merkte, dass das den Leuten gefällt, erzählte ich zwischen den Songs Geschichten. Die haben sich im Laufe der Zeit zu eigenen Elementen im Programm entwickelt. Seit ich eine Band habe, anfangs waren wir ein Trio, dachte ich immer: Ich möchte einen Entertainment-Abend machen im klassischen alt-englischen, alt-amerikanischen Music-Hall-Stil, so wie es das am Anfang des letzten Jahrhunderts gegeben hat. Ich meinte, dass so ein Abend sowohl Musik als auch Textbeiträge und irgendwelche Performance-, oder nenn' es choreografische oder szenische Elemente beinhalten müsste... Das käme mir als Zuschauer am interessantesten vor. Ich mag nämlich keiner Rockband zuschauen, die mich zwei Stunden lang zuballert, wo die Typen die Gitarre an den Knien hängen haben und ins Mikrophon rein schreien.003 20121121 1219227533 Da fühle ich mich immer beleidigt, weil ich denke: wie kommt der auf die Idee, dass diese Scheisse jemanden interessieren soll? Es sei denn, du bist Strafgefangener und hast keine andere Abwechslung. Das war die Idee, so hat es sich entwickelt. Die ganze schwarz beeinflusste Musik, aber nicht nur die, auch die bayerische oder österreichische Volksmusik war ja ursprünglich ganz wesentlich Tanzmusik. Bewegungselemente auf der Bühne gehören dazu. Ein Musiker, der sich nicht bewegen und nicht singen kann, ist immer ein verdächtiges Element. Aber auch, wenn ich zwischendurch eine Geschichte erzähle: Ich möchte nicht als politischer Kabarettist auftreten, da würde ich mich absolut schämen. Könnt' ich nur vertreten, wenn die Diktatur vor der Tür stünde. Dann würde ich's mir überlegen, aber nicht als jemand, der im Fernsehen auftritt und so tut, als wäre er schlauer als die Politiker. Da müsste ich mich wirklich im Boden verkriechen vor Scham.

 

Ich habe mir auf Ihrer Internetseite und auch, als ich den Konzertbericht über ihren Auftritt im Bochum bearbeitete, den Tourplan mal angeschaut: Sie sind ja kräftig in ganz Deutschland unterwegs. Soweit ich weiss, ist der Osten des Landes auf Ihrem Spielplan nicht unbedingt zu finden. Letztes Jahr hat es Sie aber mal nach Weimar ins Köstritzer Spiegelzelt verschlagen. Wie war dort der Eindruck? Gab's Verständigungsprobleme?
Ein wichtiger Punkt. Wir haben leider im deutschen Osten nur eine ganz schwache Gemeinde. Es gibt zwei Orte, wo wir eine gewisse Popularität haben: das ist Leipzig und ganz verrückter Weise ist es auch in Weimar immer voll. Beim Köstritzer Spiegelzelt, eine sehr schöne Sache übrigens, ist es komischerweise immer voll - keine Ahnung warum. Aber ansonsten erfahren wir im ehemaligen DDR-Hoheitsgebiet leider kein so großes Interesse. Ich bin kein Marketingspezialist, aber es hat sich da nie so richtig gerührt. Ich war zum Beispiel noch nie in Mecklenburg-Vorpommern. Wenn wir in Hamburg spielen, in Hannover, Braunschweig, Bremen, Bremerhaven, Oldenburg, ist der Laden ausverkauft. Zum Teil in großen Theatern. Berlin auch, aber ich war noch nie in Magdeburg oder in Rostock, keine Ahnung warum.

 

Könnte es vielleicht auch an der Medienlandschaft liegen, dass es auf der einen Seite gut und auf der anderen Seite vielleicht weniger gut läuft?
Ist gut möglich, aber hinter der Medienlandschaft stehen ja Menschen. Die Zeitungen, das Fernsehen, die Radiosendungen werden ja von Menschen und Redakteuren gemacht, die an diesem oder jenem Interesse haben. Es gibt ja durchaus verschiedene Acts, die im Osten ganz gut laufen, Peter Maffay zum Beispiel. Es gibt quasi verschiedene westdeutsche Acts, die im Osten ganz gut laufen. Vielleicht hab' ich mich auch zu wenig darum bemüht. Ich bin nicht so der Typ, der mit seiner Agentur die ganze Zeit da sitzt und sich darüber die Nägel abkaut, wie man den deutschsprachigen Raum noch etwas mehr ausplündern könnte. Ich muss nicht unbedingt den letzten Euro aus jedem Landkreis herausprügeln. Es sind ohnehin schon zu viele unterwegs. Wenn es sich ergibt, ist es schön. Und wenn nicht, denke ich: Ohne Ringsgwandl-Auftritt wird MeckPomm auch nicht versinken

...

Wenn man deutschlandweit unterwegs ist, also nicht nur im Süden, sondern auch im Norden: Stellt man dann Unterschiede beim Publikum fest? Gibt es andere Reaktionen im Norden, Osten und Westen als in der bayerischen Heimat?
Nee, nee. Ich spreche im Norden so, wie jetzt mit Ihnen. Die in Bremen meinen, das ist bayerischer Dialekt. Aber ich habe das Gefühl, dass ich hochdeutsch spreche. Das ist unsere Kommunikationsbasis. Ich denke mir: "Klasse Georg, jetzt hast eine hochdeutsche Vorstellung gemacht und die sagen: 'ist zwar bayerischer Dialekt - aber bisschen was hat man trotzdem verstanden.'" Ich meine, wenn man ein gutes Programm macht, muss das überall funktionieren. Wenn der Humor, die Botschaft und die Ideen, so ausgelegt sind, dass sie nur in der engeren Heimat funktionieren, dann wäre mir das zu engstirnig und zu blöd. Wenn das Lied oder die Geschichte, die ich erzähle, gut sind, müssen die überall funktionieren, auch in Moskau - wenn man sie gut übersetzt hat. Der Mensch in Bremen ist ja kein anderer ist als der in Deggendorf oder Nürnberg, Mainz oder Berlin. Die stehen alle morgens auf, frühstücken, gehen zur Arbeit und am Abend fallen sie fertig alle vor's gleiche Fernsehprogramm. Die leben alle in der gleichen Zivilisation. Ich kann nur sagen: Wenn das Programm stimmt, wenn es richtig gemacht ist, gut, originell und kein Scheiss darin verbraten wird, dann reagieren die Leute in Hamburg genauso drauf wie die in Mainz oder Stuttgart oder sonst irgendwo. Wenn es einen Unterschied gibt, dann den zwischen Stadt und Land. Mir kommt es oft so vor, als würde das Publikum in den Städten etwas schneller reagieren als das auf dem Land, aber selbst da bin ich mir nicht sicher. Es gibt ländliche Gegenden, wo die Leute eher eine ruhige und gelassene Art haben. Aber letzten Endes reagieren sie genau so wie die anderen. Als wir vor kurzem in Hamburg im St. Pauli-Theater spielten, ging's zu wie im Tollhaus. Mit einer Begeisterung mindestens wie in München. Das denken sie eher: "Wir haben sowieso alles. Alles was vernünftig ist, kommt nach München. Und wenn's nicht nach München kommt, kann's nichts Vernünftiges sein." So verwöhnt sind die in München. Wir haben ohnehin zuviel Geld (beginnt zu lachen), aber die im Norden sind lockerer.

 

Seit 1986 haben Sie eine ganze Menge CDs veröffentlicht. Textlich ist es mal köstlich, dann wieder nachdenklich, aber immer gibt es auch einen Blick auf bedenklich kuriose Entwicklungen in Politik und Gesellschaft. Welchen inhaltlichen Schwerpunkt wird denn die neue CD haben?
Wenn ich das wüsste. Die ist ja noch nicht mal geschrieben. Es gibt einen Aktenordner voller Notizen und den werde ich mir mal irgendwann im Laufe des Jahres, wenn ich mich gescheit ausgeschlafen habe, von innen anschauen. Ich bin ein sehr produktiver Schreiber, aber ich beschränke mich dann auf maximal zwölf, lieber zehn Songs, wenn es wirklich zehn gute sind, von denen ich sagen kann: "Perfekt. Wunderbar, nach der CD kannst du sterben" - dann bin ich zufrieden. Dann ist die Platte fertig.

 

Gibt es einen speziellen Rhythmus und eine spezielle Arbeitsweise, wie Ihre Platten entstehen?005 20121121 1391968066
Nö, ich setz' mich hin und irgendwann fliegt mir eine Idee zu. Die schreibe ich auf und hefte sie ab. Wenn ich Zeit habe und wir nicht unterwegs sind oder wenn ich weiß, dass nächstes Jahr eine Platte herauskommen soll, dann schaue ich mal rein in den Ordner und denke: "Das war eine schöne Idee gewesen." Setz' mich hin und fange an zu arbeiten. Dann geht's entweder ganz flott. Manche Sachen sind innerhalb einer Stunde fertig. Aber dann gibt es die anderen, an denen sitzt man drei, vier Wochen, manchmal auch Jahre. Nicht ununterbrochen natürlich, aber immer wieder. Wichtig ist, dass man den Dingen am Schluss nicht anmerkt, ob viel oder wenig Arbeit drin steckt. Am Ende müssen sie ganz leicht sein. Man darf dem Song nicht den Schweiß anmerken. Wenn man hört, dass da jemand schwer dran gearbeitet hat, stimmt etwas nicht, dann ist es schwer und klobig. Es darf nie bedeutungsschwer, geschraubt oder konstruiert wirken. Es muss so klingen, als könnte jeder so ein Lied einfach mit der linken Hand hinrotzen. Als wenn's ganz einfach wär. Aber das ist oft eine Wahnsinnsarbeit. Manche Sachen habe ich so flott hingehauen, ich darf gar nicht sagen, wie schnell das gegangen ist. Dabei sind das oft Songs, die jahrelang das Programm durchtragen, weil sie einfach klasse sind. Und es gibt andere, auch sehr schöne Songs, da darf ich gar nicht daran denken, wie lange wir daran gearbeitet haben. Entweder ich alleine und dann noch mit der Band zusammen. Wir probieren den Groove aus und jenes Arrangement. Und am Schluss haben wir's dann oft und sagen: "Wahnsinn, ist wirklich schön geworden." Vor 'n paar Jahren hab ich so'n alten Schulfreund getroffen, einen Studienrat, der hat gesagt: "Das ist irgendwie Wahnsinn, wie's bei Dir läuft. Du stellst dich einfach hin, rotzt das Zeugs runter und kriegst noch einen Haufen Geld dafür." (lacht) Wenn er wollte, meinte er, könnte er das genau so. Da denke ich dann immer: "Genau, probier's doch mal!" Aber so ist das, so geht's allen, selbst Leuten größeren Kalibers als ich bescheidener Knecht. Die arbeiten letztens auch so. Manche Dinge fliegen einem zu und an manchen arbeitet man ewig lang hin. So lange eben, bis es stimmt.

 

Käme es für Sie in Frage, auch mal eine Fremdkomposition, einen Fremdtext zu verarbeiten?
Ich hab' mich ja immer wieder mal mit anderem Material beschäftigt. Ganz früher mal ein Bob Dylan Song. Dann habe ich mal versucht, ein paar Mike Batt-Songs zu übersetzen...

 

...nee, ich meine, wenn jemand auf Sie zukäme und sagen würde: "Ich habe hier dies und jenes. Könnten Sie damit was anfangen?" So meinte ich das.
Prinzipiell ja. Ich kriege ja immer wieder mal Texte zugeschickt. Meistens sind das Leute, die haben eine Gitarre, schreiben ein Lied und die Freundin sagt: "Wahnsinn - ist ein Spitzensong. Schick ihn doch dem Ringsgwandl." Und dann schickt er mir den Text, schreibt gleich die Kontonummer dazu und meint, dass man sich über die juristischen Geschichten wahrscheinlich schon einig werde. Die haben das Gefühl, gerade "Blowin' in the Wind" geschrieben zu haben oder "Yesterday". Dann schaust du dir den Text an und denkst: "Hat der einen schlechten Psychiater oder was?" Und was soll ich dann sagen? Ich kann ja nicht sagen: "Du bist unbegabt" oder "Du hast zu wenig dran gearbeitet". Das wäre ungerecht. Er hat eine bestimmte Vorstellung, wie das sein soll. Vor kurzem hat mir ein Typ Texte geschickt. Der wohnt mit seiner Freundin in Spanien an der Küste, originale Aussteiger. Die sitzen also in einem netten Häuschen, das sie sich von ihrem Erbe gekauft haben, und führen das gute Leben. Die Texte soll dann jemand auf die Bühne bringen und ihnen das Geld gleich nach Spanien überweisen. Es ist schon legitim, dass sie es probieren... aber mein Problem ist, dass ich ungefähr 70% der Texte wegwerfe, die ich selbst schreibe. Da sind z.T. ganz ordentliche dabei. Warum soll ich mich also mit einem Text herumschlagen, der schlechter ist, als der, den ich selbst wegschmeiße? Die Qualität dessen, was geschrieben wird, ist ja nicht objektiv feststellbar. Angenommen, es ginge um einen Grönemeyer-Text. Grönemeyer schreibt klasse Texte, ein guter Mann. Aber er hat eine andere Mentalität. Texte von ihm würde ich nicht singen, weil es nicht meine Welt ist. Ich sehe die Dinge anders und drücke sie anders aus. Das ist keine Verurteilung, es gibt einfach verschiedene Typen. Und Gott sei Dank ist es ja so. Judith Holofernes von WIR SIND HELDEN ist z.B. eine Schreiberin, bei der ich mir vorstellen könnte, einen ihrer Texte anzufassen. Aber auch da sind verschiedene Mentalitäten am Werk. Es gibt ein paar Leute, zu denen ich einen inneren Kontakt habe. Jan Delay ist so ein Typ, der wirklich pfiffiges Zeugs macht. Aber auch bei Leuten wie ihm ist es so, dass sie selbst produktive Textschreiber sind. Und die haben genügend Zeug in der Kiste. Wenn er wirklich einen geilen Text hat, dann bringt er ihn natürlich selbst. Also, kurz gesagt: Ich lese die Texte schon durch, die jemand schickt. Aber meistens ist es so, dass sie gut gemeint, aber schlecht gemacht sind. Es ist einfach ein Unterschied, ob man sowas jahrelang intensiv betreibt oder sich mal locker so hinsetzt und aus einem angetörnten Augenblick heraus etwas fabriziert....

 

..ob es für den Hausgebrauch oder für die Bühne geeignet ist...
Ja ja. Daher rate ich den Leuten immer: "Nimm deine Gitarre, geh' in irgend eine Kneipe und spiel es den Leuten vor. Wenn's jemanden berührt, hast du Recht gehabt. Wenn du es in zehn Kneipen versucht hast und wieder niemand reagiert darauf, dann solltest du dir überlegen, ob du das Zeug besser machst oder es lieber gut sein lässt." Jeder, der beginnt, Songs zu schreiben, fängt ja eine neue Erzählweise an. Und die einzige Art herauszufinden, ob die Songs was taugen, ist, sie jemandem vorzusingen. Ich rede jetzt nicht von Nachahmern, die kann man gleich vergessen. Aber bei denen, die was Eigenes entwickeln, ist es so. Sie probieren ihre Songs auf irgendeiner Bühne und wenn was dran ist, finden sie irgendwann ihr Publikum. Wen ich zum Beispiel ganz am Anfang seiner Gehversuche kennen lernte, war Rainald Grebe, ein klasse Typ. Den habe ich damals in Leipzig bei der Lachmesse gehört und wir haben uns ein bisschen unterhalten. Ein wirklich schlauer Typ. Die Songs, die er vortrug, hatten von Anfang an eine eigene Erzählweise, einen eigenen Blickwinkel auf die Dinge und eine eigene Poesie. Wenn einer sowas anfängt, kann keiner sagen, wie erfolgreich das sein wird. Wird er irgendwie in seinem Landkreis verrecken? Oder wird das überregional größer? Oder tourt er am Schluss damit durch Deutschland oder sowas. Aber nachdem das Zeug wirklich gut gemacht war, hat es sich inzwischen ganz ordentlich verbreitet. Es wird nie der Chart-Brenner sein, doch es hat schon ein ziemlich großes Publikum. Das heißt, ganz egal welchen Stilweg man beschreitet: Wenn das Zeug eine gewisse Qualität hat, ja, wenn du ein paar menschliche Grunderfahrungen gut schilderst, dann wird es eine gewisse Verbreitung finden. Wie groß weiß man natürlich nicht. Das kann man nur ausprobieren, indem man sich vor's Publikum hinstellt und spielt. In dem Augenblick, wo man auf die Bühne geht, ganz egal ob vor zehn oder zwanzig Leuten, machst du einen Moment der Selbsterkenntnis durch. Dieser ist durch nichts zu ersetzen. Und diesen Moment scheuen natürlich viele Leute. In dem Augenblick, wo du die Bühne mit deiner Gitarre betrittst, ich sage einfach mal in einem Café in Erfurt, lässt du die Hosen komplett runter. Du kannst einen dicken Pelz anhaben, aber in dem Augenblick, wo du auf die Bühne gehst und den Leuten einen Song vorsingst, stülpst du deine Seele nach außen und jeder weiß: so schaut's aus. Dann bist du in einer ganz gnadenlosen Situation. Und der muss man sich aussetzen. Und das geht eben nicht, indem Du einen Text per E-Mail verschickst und hoffst, dass jemand anderes was daraus macht. Das funktioniert nicht. Es sei denn, du heißt Paul Anka, dann ist es natürlich was anderes. Aber wer heißt schon so?

 

Da ist was dran. Mein Kollege Gerd hat mir immer erzählt: "Der Ringsgwandl, wenn ich den höre und sehe, dann denk' ich immer an Karl Valentin." Er hat das immer so verglichen und in der Ausarbeitung des Interviews schrieb er es auch. Hat dieser Karl Valentin Sie in irgendeiner Weise mitgeprägt - bewusst oder unbewusst? Oder anders gefragt: Gab's andere Vorbilder für Sie?
Ich kenne diesen Vergleich. Ich versteh' auch warum dieser Vergleich gezogen wird. Aber es ist ganz ehrlich so, dass der Karl Valentin mich überhaupt nie beeinflusst hat. Etwas näher hab ich ihn erst viel, viel später kennengelernt, als ich schon längst die erste Platte hinter mir hatte. Aber er hat natürlich mit mir - das sehe ich ein - ganz starke Ähnlichkeiten. Ich vermute mehr, dass es so ist, weil ich aus einem ähnlichen gesellschaftlichen und landsmannschaftlichen Milieu komme wie er. Auch aus Bayern, aus einem kleinbürgerlichen Bayern. Ich komme sozusagen aus einem ähnlichen Humus und das hat möglicherweise dazu geführt, dass gewisse Ähnlichkeiten vorhanden sind. Orientiert hab ich mich nie an ihm. Das wäre das Dümmste, was man machen könnte. Wenn ich mir Fotos von mir ansehe oder Filmaufnahmen, verstehe ich die Leute schon. Weil meine Auftritte so was Schräges an sich haben. Ich gehe über die Bühne und die Leute lachen sich einen Ast wegen meiner bizarren Art von Bewegung. Mir ist früher nie aufgefallen, wie schräg das eigentlich ist. Ich habe das erst erkannt, als ich die ersten Fernsehaufnahmen von mir anschaute. Dann dachte ich: "Du lieber Gott, was für ein schräger Typ!" Ich meinte immer, dass es ganz elegant ist, was ich mache. Aber es ist einfach schräg, es ist eine Karikatur von Eleganz, aber auch sehr unterhaltsam.

 

Es ist natürlich auch so, dass man sich, wenn man sonst nur hochdeutsch spricht und der bayerischen Mundart überhaupt nicht mächtig ist, bei manchen Sachen schon fragt: Was ist hier eigentlich los? Und dann gibt's so Album-Titel vom Ringsgwandl wie "Gache Wurzn" und das versteht nicht mal unser Gerd, der Franke ist. Was ist denn das?
Im Norddeutschen würde man sagen "Steiler Zahn". "Gach" ist der süddeutsche Ausdruck für "jäh", das gleiche Wort, eine jähe Steigung; "da geht's gach hinauf" = da geht's jäh hinauf. Wenn's ein scharfer Anstieg ist, dann ist es ein gacher Anstieg. Oder: Ein gacher Typ, also ein krasser Typ. "Gache Wurzn" ist ein im komischen Sinne raffiniertes, rasantes Weibsbild.

 

Wenn man seinem Kind, also seinem Album einen Namen gibt, achtet man 009 20121121 1880730051darauf, dass das möglicherweise Fragezeichen verursacht? Nach welchen Kriterien werden die von Ihnen ausgesucht?
Ich versuche, dass der Titel das Gefühl des Albums, die Atmosphäre in einem Wort ausdrückt, in einem Ausdruck zusammenzieht. Meistens ist es so, dass ich nach einem Album-Titel erst suche, wenn die Platte fertig ist. Dann schaue ich alles durch und überlege: Welcher Begriff könnte das mit einem Wort auf den Punkt bringen? Bei der "Gache Wurzn" war es so. Da gab es einen Song, einen Funkblues, der schilderte, wie es in so einer Absturzkneipe zugeht - im "Schluckspecht". Da macht ein Typ, der besoffen redete, die Nachbarin an: "Hey Frau Nachbarin, bist a gache Wurzn. Bist wirklich a rasantes Weibsbild, wie schaut's aus: Ich lad' Dich auf a Halbe und an Kurzn ein." So könnte man den Ausdruck umschreiben.

 

Wie zuletzt bei uns im Konzertbericht über den Auftritt in Bochum im Januar zu lesen war: Sie sind mit einer völlig neuen Band unterwegs. Gab's für die musikalische Umstellung auf der Bühne einen besonderen Grund?
Leider ist mein Schlagzeuger Manfred Mildenberger, mit dem ich fünf, sechs Jahre zusammenarbeitete und der mit mir die letzten beiden CDs "Der schärfste Gang" und "Untersendling" produzierte, ausgestiegen und macht jetzt ein eigenes Projekt mit Elektronik-Popgeschichten in München. Als Schlagzeuger spielte er gleichzeitig Keyboard. Er schrieb an den Songs mit, editierte sie und war für mich immer ein guter Gesprächspartner. Mit seinem Ausklinken war praktisch die ganze Rhythmussektion tot, weil ich nun einen anderen Bassisten brauchte. Wenn man eine Vier-Mann-Band ist, kann man keinen austauschen, ohne dass sich das ganze Bandgefüge verändert. Eine Band ist eine Wissenschaft für sich, weil sie nur dann gut ist, wenn die Chemie untereinander stimmt. Es müssen gute Leute sein, die das Handwerk komplett beherrschen, zusammen passen und ein gleiches Groove-Verständnis haben. So habe ich Gott sei Dank Typen gefunden, die wirklich exquisit gut zusammenspielen und ähnliche Auffassungen wie ich haben. Nick Woodland, mein Gitarrist, mit dem ich seit 1993 alles Mögliche zusammen gemacht habe, hat noch eine eigene Blues-Rock-Band, die ich ihm damals gemeinsam mit dem Manni Mildenberger zusammen schraubte. In dieser Formation spielen verschiedene Musiker, die im Laufe der Jahre mit mir zusammen spielten. Die geben im Raum München einiges an Konzerten, so dass der Nick diese ganze Tour einfach nicht mehr mitfahren wollte. Ich wollte ja, dass er mit dabei ist, aber die Tourerei ist ihm zu heftig. Ab und zu spielt er noch mit, z.B. bei der Premiere in München...

 

010 20121121 1183193689...ihn kann man also mit Ihnen noch ab und zu zusammen sehen...
Ja, ab und zu mal. Manchmal gelingt es, wenn ich den Burschen aus seiner Wohnung heraushole. Als er aber gesehen hat, was wir vorhaben - das ging von Mitte Oktober bis Ende Januar - hat er dezent abgewunken. Jetzt spielt Daniel Stelter, ein junger Typ, mit. Nick und Daniel verstehen sich sehr gut, weil sie eine sehr ähnliche Art zu musizieren haben. Daniel sieht natürlich nicht so pittoresk auf der Bühne aus wie Nick. Daniel sieht zwar harmlos aus, zählt aber zu den zwei oder drei besten Gitarristen im deutschsprachigen Raum. Ein absoluter Meister! Die Band ist an sich sehr gut eingespielt. Die paar Typen spielen seit vielen Jahren immer wieder in verschiedenen Projekten zusammen - eine Groove-Maschinerie, die wirklich selten gut ist.

 

Die Jungs, die auf der Bühne stehen, sind altersmäßig ein paar Jährchen jünger als der Chef. Wirkt sich so was auch auf Sie als Musiker aus?
Ja, schon. Dass sie jünger sind als ich hat natürlich damit zu tun, dass kein Mensch in meinem Alter, der seine sieben Tassen im Schrank hat, freiwillig so eine Tour macht. Da muss man schon einen besonderen Grad an Verrücktheit haben, um das zu tun. Die meisten in meinem Alter sagen: "Leck' mich am Arsch, ich mach's mir zu Hause gemütlich", was ich auch verstehe. Es ist auch so, dass es in meiner Generation nur ganz wenige der heutzutage absolut hervorragend ausgebildeten jungen Musiker gibt. Meine Generation hat sich das selbst beigebracht und mehr oder weniger gut gelernt. In den beiden jüngeren Jahrgängen gibt es viele Musiker, die eine erstklassige handwerkliche Ausbildung und eine andere Art zu musizieren haben. Sie sind schon mit dem Funk aufgewachsen und haben sich verschiedene Sachen, die wir im Laufe der Jahrzehnte mitbekommen haben, sozusagen im Schnelldurchgang akquiriert. Es gibt viele, die mit den Engländern und Amerikanern handwerklich gut mithalten können. Ja, und dann sucht man sich welche zusammen, die auch miteinander harmonieren.

 

Da baut sich auch gleich die nächste Frage auf: Nun geht man nicht gleich zum Fleischer um die Ecke und läuft einem neuen Bassisten übern Weg. Man wird auch nicht gleich die nächstgelegene Musikschule plündern. Wo holt man sich die neuen Musiker her - und dann so gute?
Das ist zum einen Glückssache, zum anderen ist es so, dass es - heute sagt man "Networking" - am besten über Kontakte geht. Dass heißt, man trifft diesen, redet mit jenem. Der kennt einen, der wieder einen anderen kennt usw... Man sagt: "Fahr mal dort hin, hör Dir den mal an." Ich habe einfach einen großen Bekanntenkreis. Und da kommen dann aus allen möglichen Ecken Anregungen und es spricht sich schnell in den ganzen Szenerien herum, wenn ich zum Beispiel einen neuen Bassisten suche. Manchmal dauert es länger, bis man fündig wird. So funktioniert jedenfalls diese Band. Was nicht geht ist, dass man meint, es gibt bei mir so und so viel Kohle. Dann holen wir den und den und dann hat man eine gute Band. Es ist ganz einfach, wenn man gute Gagen bieten kann. Dann kann man eine Masse von Musikern bekommen. Wenn man aber drei gute Musiker zusammensetzt, heißt es noch lange nicht, dass die Band gut klingt. Es gibt viele abschreckende Beispiele, wenn sich irgendwelche Prominente eine Band aus teuren guten Musikern zusammenstellen. Die gehen danach auf Tour und es klingt so beschissen, dass du weinen könntest. Dann kommt, wie schon vorhin angedeutet, ein anderer Faktor hinzu: Die Musiker müssen menschlich miteinander harmonieren, musikalisch ähnliche Vorstellungen haben und als Charaktere integer sein. Das kann man nicht einfach so einkaufen.

 

012 20121121 1759818957Ja, auch literarisch gibt's was Neues seit dem letzten Jahr: Es ist das Buch "Das Leben und Schlimmeres" mittlerweile - auch als Hörbuch - erschienen. Sind die darin enthaltenen köstlichen Episoden alle autobiografisch oder doch eher frei erfunden? Es werden ja auch immer wieder die Frau und die Tochter erwähnt...
Natürlich sind in all diesen Dingen autobiografische bzw. selbst erlebte Elemente enthalten. Aber es ist nicht autobiografisch im 1:1-Sinne. Jede Geschichte enthält schon persönliche Elemente, sei es, dass ich sie selbst erlebte oder hörte oder dass sie tatsächlich an einem kleinen Zipfel mit mir zu tun haben. Meistens sind es jedoch verschiedene Episoden, die sich in meinem Umfeld ereigneten. Dinge, die ich in meinem Bekannten- und weiteren Freundeskreis erlebte. Das verband ich dann auf eine verzinkte Art als Collage. So ergeben sich diese Geschichten. Meine Frau ist wirklich zu bemitleiden, weil alle Frauentypen, die in den Erzählungen auftauchen, unter meiner Frau subsumiert werden. Das hat mit meiner realen Frau überhaupt nichts zu tun. Es ist sozusagen eine Fake-Frau. Meine tatsächliche Frau leidet nur immer darunter. Sie ist Psychotherapeutin in Garmisch. Zu ihr sagen manchmal Patienten: "Sie sind ja ganz anders als es Ihr Mann immer sagt oder schreibt." Klar, logisch - sonst wär's ja furchtbar.

 

Es gibt verschiedene Theaterprogramme, die auch auf DVD erhältlich waren oder sind. Eine davon ist natürlich das mit dem umstrittenen König Ludwig II. in ringsgwandlischer Manier: Münchner Kammerspiele 1999 - das war damals ein Riesenerfolg. Sie haben das Stück auch geschrieben. Gab es eigentlich Probleme mit den organisierten Königstreuen, den Guglmännern z.B.?
Wirkliche Probleme hat es nicht gegeben. Zwar gab es bei der Premiere und den ersten Vorstellungen vor den Kammerspielen Mahn- oder Protestwachen. Das war auf der Maximilianstraße, der Münchner Prachteinkaufsprotzenmeile. Bei solchen Gelegenheiten kommt natürlich auch gern das Fernsehen hin. Aber man machte uns keine Schwierigkeiten, außer ein paar bösen Briefen, wie man das Andenken des Königs so beschmutzen könne. Doch waren es eher verzweifelte Geschichtsbewahrer oder so ähnlich, und die haben sich auf dieses Gefährt drauf gesetzt und sind einfach öffentlichkeitsmäßig mitgefahren. Auch gab es Leute, die sagten: "So kann man mit dem Stoff nicht umgehen.

 

013 20121121 1683156869"Die DVD - wie gesagt - gibt's leider nicht mehr. Ich weiß ja nicht, ob sie noch mal zeitnah aufgelegt wird. Aber es gibt auch ein länger zurückliegendes Theaterstück "Die Tankstelle der Verdammten" mit dem leider schon verstorbenen Schauspieler Jörg Hube, die endlich auf DVD erschienen ist. Gleichzeitig gab's auch eine CD von dem Stück. Für die, die es noch nicht kennen: Kann man zu dem Theaterstück noch zwei, drei Worte sagen?
"Die Tankstelle der Verdammten" ist das erste Stück, das ich schrieb und zwar für das Schauspiel in Köln. Dort war die Uraufführung und es wurde ein Mordserfolg. Ich spielte da nicht mit. Es war sozusagen nur "Write & Residenz". Die Kammerspiele in München wollten das Stück auch aufführen, und ich schrieb es in eine etwas gestraffte Form um. Es wurde dort ein großer Erfolg. Als der vorgesehene Hauptdarsteller ausfiel, bin ich für diese Rolle eingesprungen. Damit ist es natürlich richtig schräg geworden, weil es heftig und wild ausgesehen hat, total verdreckt das Ganze. Für die "feinen" Kammerspiele war dies ungewöhnlich. Aber wir hatten wahnsinnig gute Darsteller dabei, Jörg Hube zum Beispiel, ein wirklich begnadeter Schauspieler. Er spielte zwei Rollen - die Fee und die Mutter. Als er vor fast drei Jahren starb, schaute ich mir diese alten Archivaufzeichnungen, ein ganz rauer, dokumentarischer Mitschnitt der Kammerspiel-Videoabteilung, noch einmal an. Ich dachte: "Wahnsinn - was für ein irrsinnig schräges Zeug. Schade, wenn das ganze Material einfach verschwinden würde." Man sieht den großartigen Jörg Hube in grandiosen Szenen. Volkskunst im allerbesten Sinne. Dann ließ ich die DVD fertigen. So sehe ich die Produktion auch als kleinen virtuellen Grabstein für Jörg Hube.

 

An dieser Stelle werden wir den Lesern diese DVD auch sehr gerne ans Herz legen. Werden Sie in Zukunft noch mal Theaterstücke schreiben und möglicherweise sogar wieder in eine Theaterrolle schlüpfen?
Letztes Jahr im Sommer habe ich ein lange gehegtes Vorhaben durchgezogen, als ich mal zwei Monate Zeit hatte: Ich wollte schon immer ein bayerisches Bauerntheaterstück schreiben. Seit Jahren machte ich mir dazu Notizen und schrieb passende Songs und Musik dazu. Ich hatte immer die Vorstellung: Im Süden gibt es wahnsinnig viele Dorfbühnen. In jedem Dorf gibt es einen Theaterverein, teilweise sogar zwei. Die spielen alle laienspielmäßige Theaterstücke im kleinen Dorfstadl, kleinen Winztheatern oder in Wirtshaushinterzimmern. Da werden teilweise ganz bescheuerte Bauernstücke gespielt, wo es immer um Erbstreitigkeiten geht. Letztes Jahr schrieb ich dann für fünf Schauspieler "Der verreckte Hof", eine Art Bauern- oder Stubenoper. Die könnte man schon in einem großen Wohnzimmer aufführen, im strengsten Fall einfach nur mit einer Zither und diesen paar Schauspielern. Oder mit einer Gitarre, Harfe oder so etwas. Das ist natürlich keine Rockmusik, sondern einfache, volksmusikalisch gestrickte Musik. Das Stück wird in diesem Jahr in Telfs bei Innsbruck uraufgeführt. Dort gibt es seit vielen Jahren die Tiroler Volksschauspiele. Ein sehr schönes Theaterfestival, das von den großen deutschsprachigen Theatern mit Schauspielern vom Residenztheater München und anderen aus Düsseldorf und Berlin veranstaltet wird. Eben von Theatern, die im Sommer Ferien haben. Das ist eine sehr schöne Sache und vor allem kein Kommerzscheiss, sondern wirklich ernst gemeintes Volkstheater, das auch moderne Stücke anbietet. Uraufgeführt wird im Juli/August.

 

Spannend...
...und schön.

 

Zwei Fragen habe ich noch: die eine ist natürlich, dass, wenn man mit Georg Ringsgwandl spricht, man natürlich auch über sein Paradiesvogelauftreten in seiner Karriere sprechen muss. Diese ganzen wirklich kunterbunten farbenfrohen Kostüme sind in den letzten Jahren ein bisschen in den Hintergrund getreten. Das kommt gar nicht mehr so vor. Ist die Zeit vorbei?
Ich kann jetzt nicht garantieren, dass die Zeit vorbei ist. Die letzten Jahre habe ich das jedenfalls nicht so gemacht. Natürlich gab es bei Konzerten ein paar Stellen, die etwas schräg waren. Aber das bediente ich nicht so exzessiv, weil sich die Zeiten verändert haben. Wir sind jetzt nicht mehr in den 80er Jahren, nicht mehr in den frühen 90ern. Dieses ganz grelle Zeug ist zum Teil später in der Comedy-Szene aufgetaucht. Die Welt hat sich auch verändert, die ganze Modewelt mit ihren Trends, die durch die Bevölkerung rauschen. All das hat sich in den letzten 30 Jahren massiv verändert. Also kann man nicht ungestraft einfach einen Stiefel durchziehen und eine Masche durchreiten. Deshalb zog ich mich von den etwas grellen Geschichten zurück. Das Programm, das wir z.B. in Bochum spielten, ist wirklich sehr gedeckt. Das verlässt sich darauf, dass die Musik, die Songs und die Geschichten gut sind. Da ist es nicht nötig, irgendwelche Verkleidungen heraus zu zerren. Aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob das so bleiben muss. Ich denke darüber nach, ob ich vielleicht beim nächsten Programm eine Möglichkeit finde, etwas anzureichern, ohne dass dies lächerlich wirkt. Ich habe neulich ein paar kleine Einlagen gemacht, wo ich ein paar choreografische Leckerbissen auf die Bühne zaubere, so eine Art Performance-Geschichten. Das Problem dabei ist, dass die ganzen Punk-Stilistiken, die man in Fernsehaufzeichnungen sieht, immer spektakulär ausschauen. Eine Gefahr ist auch, dass man als alter Trottel erscheint. Das ist etwa so, als wenn die Punk-Bands ins Alter kommen, der Typ über 60 ist und sich als wilder Hund aufführt. Dann ist die Lächerlichkeit immer um die nächste Ecke und kann ganz leicht blödsinnig wirken...

 

...wie z.B. bei Robert Smith von The Cure...
The Cure kenne ich zu wenig. Bei anderen Punkfiguren denke ich oft: Du lieber Gott, du glaubst nicht, was du da machst. Oder wie sich Mick Jagger aufführt. Da denkt man oft: Lieber Gott - was ist mit dir los? Das ist schon eine geschmacklich heikle Frage. Aber wenn ich einen Weg finde, wie man etwas künstlerisch so gestalten könnte, dass es nicht lächerlich wirkt, einen gewissen leichten Charme hat, dass es funktioniert, dann könnte man das schon machen. Es ist doch so: Wenn eine Rockband die Bühne betritt, gibt es einmal die Methode Heldenverehrung. Also, du stellst dich rauf und machst das, was modisch ist. Du versuchst z.B. den Bono Vox (U2) zu machen. Du hast ein schlechtes Gewissen, wenn unten 10.000 Leute im Stadion sind, reckst die Faust in den Himmel und schreist heraus, ob sie alle gut drauf sind und so. "Lasst uns den Platz rocken", und so ein Scheiss. Wenn du den Rockhelden spielst und die Bestätigung darin besteht, dass 50.000 Leute - oder 3.000 oder wie auch immer - da laut plärren. Wenn man ganz ehrlich ist, ist das unbefriedigend, weil ein Haufen Leute unten steht, während sich eine Band da oben die Seele aus dem Leib schreit und sich abrackert. Hm, ich denke, das ist unbefriedigend, weil ich immer das Gefühl hätte, damit gelangweilt zu werden. Es interessiert mich nicht, ob ein paar junge oder echte Kerle ihre Gitarre bearbeiten und ins Mikrophon reinbrüllen oder so. Ich denke: "Warum? Was hast denn du für einen Grund? Warum schreist du ins Mikrophon? Ist dir jemand auf den Zeh getreten oder was? Was ist los? Oder ahmst du was nach, was du auf MTV gesehen hast?" Ich meine, die Vorstellung müsste schon unterhaltsamer sein. Ja, so wie die TALKING HEADS zum Beispiel. Es muss etwas Inspirierteres passieren als nur Herumplärren und seine Gitarre bearbeiten. Außer man heißt Bob Dylan und hat einen Schwung Songs auf der Pfanne, die so gut sind, dass du sie vom Start weg von der Bühne runterbringst. Das kann man auch machen. Das hab' ich mal eine Zeit lang gemacht mit dem "Staffabruck".

 

"Staffabruck"... Was war da?
1993 gab es ein Album, das hieß "Staffabruck" und war ganz extrem reduziert. Für dieses Album wurde ich am meisten gelobt. Das ist auch eine Möglichkeit, aber dann müssen die Songs auch so sein, dass sie wirklich den Leuten ans Herz greifen. Am besten an Herz und Hirn.

 

016 20121121 1708679410Damit sind wir schon bei der letzten Frage, die wir vorbereitet haben: Was hört Georg Ringsgwandl, wenn er seinen CD-Player anmacht? Was hören Sie privat?
Ich höre privat mehr oder weniger alles. Von ganz kräftigen, experimentellen Sachen bis zu Hank Williams. Von Norah Jones bis Klassik und ABBA. Alles, was man sich vorstellen kann.

 

 

Da schließt sich dann doch noch eine Frage an: Gibt's deutsche Produktionen, zum Beispiel auch aktuelle, die Sie interessieren?
Natürlich höre ich mir auch deutsche Produktionen an. Mich interessieren die Geschichten, wo jemand etwas Eigenes auf die Beine stellt. Es interessiert mich nicht, wenn eine deutsche Band die SEX PISTOLS nachahmt. Wenn der Grönemeyer jedoch etwas Neues macht, höre ich mir das an, weil er einfach ein kluger und seriöser Typ ist. Der ist von einem anderen Stern, macht eine andere Linie. Die erste Patte von WIR SIND HELDEN hat mir sehr gut gefallen. Neuere Sachen, wie z.B. Rainald Grebe oder Dota Kehr höre ich mir auch gerne an. Mich interessiert also schon, was die so treiben. Es gibt in Bayern/Österreich verschiedene junge Interpreten, die ganz originelle gute Sachen machen. Denen gelingt es immer wieder, eine eigene Erzählweise zu etablieren. Was mich aber nicht interessiert ist, wenn irgendwelche Deutsche versuchen, wie amerikanische Ghetto-Rapper zu klingen. Wenn ein origineller Ansatz vorhanden ist und man eine eigenständige Ausdrucksform findet für unsere Welt, in der wir leben - das interessiert mich immer.

 

Damit sind wir am Ende. Ich danke für die Zeit und für dieses wirklich interessante Interview. Möchten Sie abschließend den Lesern noch etwas mit auf den Weg geben?
Nö, ich habe ohnehin schon viel zu viel gelabert...

 

...das kann man sehen, wie man möchte. Unsere Leser mögen das Ausführliche, und es gibt hier weit längere Interviews...
...bin dankbar, dass mir jemand so lange zugehört hat.

 

Interview: Christian Reder
Ausarbeitung: Gerd Müller, Christian Reder
Fotos: Pressematerial des Künstlers, Hanni Möller, Harald Bischoff
 
 

   
   
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