Roland Bless (ex PUR)


"Musik ist bei mir reine Leidenschaft,

sie kommt aus dem Herzen..."

 

 

001 1 20130104 1683638475PUR - viel geliebt, doch auch gehasst. Letzteres in zunehmdendem Maße und das hat seine Gründe. Bei PUR wird man seit einigen Jahren das Gefühl nicht los, die Band wiederholt sich selbst, es fehlt an frischen Ideen und auch der Abstand zwischen Fans und Band wächst. Dinge, die mit der Musik nicht wirklich zu tun haben, wurden plötzlich mediale Hauptthemen (Beziehungen des Sängers, seine Krankheit etc.) und die Musik trat in den Hintergrund. Die große Zeit von "Abenteuerland" und "Seiltänzertraum" scheint vorbei. Anlaß genug für Schlagzeuger und Bandgründer Roland Bless, die Gruppe im Frühsommer 2010 zu verlassen. Aber nicht der einzige...Mit Bless' Ausstieg ging der Band - zusätzlich zu den oben erwähnten Problemen - ein großes Stück Identifikation und Seele verloren. Ein unwiederbringlicher Verlust, der nur schwer zu kompensieren ist. Roland Bless hatte nach seinem Aus bei PUR die Möglichkeit, entweder in "Frührente" zu gehen, von den Erlebnissen von einst zu zehren und sich gemütlich in den Schaukelstuhl zu setzen, oder nochmal anzugreifen und das zu machen, worauf er Bock hat. Aus beiden Möglichkeiten hat er die richtige gewählt: Er kommt zurück! Er scheint vor Kreativität überzusprudeln und auch seine Spielfreude steht in voller Blüte. Über Jahre schon sammelte er Ideen, schrieb Songs und überlegte sich, wie man die mit Leben füllen könnte. Das hat er im letzten Sommer getan und seit dem 11. März steht das Ergebnis in CD-Form in den Plattenläden. Die Scheibe heißt "Zurück zu Euch", und dazu gibt's logischerweise einige offene Fragen...

 


 
Hallo Roland... die Frage, die die Leser sicher am meisten interessieren wird, mal vorweg gestellt: Wieso bist Du im letzten Jahr nach so vielen Jahren bei PUR ausgestiegen?
Es hat in den letzten Jahren menschlich wie musikalisch einfach nicht mehr zusammen gepasst. Ich durfte meine Musik bei PUR nicht unterbringen, durfte auf der anderen Seite aber auch keine Solo-CD machen. Das war für mich das musikalische Aus. Dadurch gab es logischerweise Spannungen. Nur als Statist da oben auf der Bühne, das war mir einfach zu wenig. Ich habe die Hoffnung bis zum Schluss nie aufgegeben, dass sich da noch etwas ändern würde. Deshalb habe ich mich auf der Bühne auch lange Jahre ein bisschen gequält - das hat man mir, glaube ich, auch angesehen. Letzten Endes war das im letzten Jahr für mich der Befreiungsschlag. Seitdem bin ich kreativ, voller Power, beflügelt... Ich bin das Thema zusammen mit einem alten Weggefährten angegangen, unserem damaligen Produzenten Dieter Falk, der auch die PUR-Alben "Seiltänzertraum" und "Abenteuerland" produziert hat, und der toll kooperiert, auch menschlich. Jetzt ist - so denke ich - ein ganz ganz tolles Album entstanden: "Zurück zu Euch", das authentisch meine zehn bis fünfzehn letzten Jahre Lebensgeschichte erzählt. Musik und Text aus einer Hand, nämlich von mir, Roland Bless.

 

002 20130104 1571328183Du sagtest gerade, es wurde Dir nicht erlaubt, ein eigenes Album zu machen. Das klingt ja nicht gerade sehr demokratisch. Es ist schließlich nicht unbedingt etwas Ungewöhnliches, wenn einzelne Musiker einer Band sich auf Solopfade begeben. Wieso war Dir das nicht möglich?
Andere Bandmitglieder durften ihre Solo-CDs veröffentlichen, bei mir war das eben nicht möglich. Das hing zum einen mit vertragsrechtlichen Gründen zusammen. Zum anderen waren es Dinge innerhalb der Band, die das unmöglich machten. Es waren menschliche Entwicklungen, die man so vorher nicht gesehen hat. Wir sind anfangs mit dem Traum gestartet, in einer Bandgemeinschaft und einem Gemeinschaftsgefühl Musik zu machen. Das Ganze hat sich dann letzten Endes so entwickelt, dass man es innerhalb dieser Gemeinschaft doch mit einem Chef zu tun hatte. Das war zum Schluss für mich persönlich nicht mehr so toll.

 

Und nun, ein Jahr nach dem Weggang, folgt Deine erste Solo-Platte. Wie lange hast Du an dem Material gearbeitet und wie lange hat es gedauert, bis das Album komplett im Kasten war?
Das ist eine sehr gute Frage! Die Songs schlummerten ja schon seit vielen Jahren in Schubladen. Aktiv an den Songs habe ich schon seit ca. fünf bis sieben Jahren gearbeitet. Das Album war letztlich ein absoluter Schnellschuss. Ich habe im Juni 2010 angefangen, Dieter Falk die Songs vorzuspielen, und die ganze CD war bereits Ende August 2010 fertig.

 

Welche Musiker hast Du mit ins Studio genommen, und nach welchen Kriterien hast Du sie ausgesucht?
Das waren in Deutschland bekannte Studiomusiker. Es war mir sehr wichtig, mit frischem Elan auch mal eine andere Coleur mit reinzubringen. Zu den Musikern gehörte z.B. Ossi Schaller aus München, einer von Deutschlands besten Studio-Gitarristen, und Florian Bungertz am Schlagzeug. Im Studio hatte ich also alles Musiker, die in der Szene sehr bekannt sind. Die Besonderheit an dem Album ist, dass Dieter Falk zu mir sagte: "Roland, lass uns das Album gemeinsam in einem großen Tonstudio einspielen. Du wirst sehen, die Atmosphäre wird gut sein und von den Songs wird ein richtiger Druck rüberkommen." Wir haben das dann gemeinsam eingespielt, und Dieter hat Recht behalten. Ich finde, das Album klingt handmade und sehr bodenständig. Das ist heute absolut nicht mehr üblich. Manchmal ist es dann doch so, dass man sich die MP3-Files von Hamburg nach München zuschickt, der nächste dann seinen Part dazu gibt und per MP3 nach Stuttgart sendet und das dann hinterher zusammengesetzt wird. In diesem Falle ist alles aus einem Guss.

 

cd 20130104 1819856700Ich habe bei der Scheibe festgestellt, dass Du für meinen Geschmack der bessere Sänger aus dem Hause PUR bist. Wieso bist Du nicht schon früher mal ans Mikro getreten und hast Songs selbst gesungen?
Ich habe ja mal als Sänger in der Band angefangen. Ich war der Sänger hinter dem Schlagzeuger, denn wir hatten am Anfang keinen Frontmann. Die Leute haben sich immer gewundert: "Wer singt denn da in der Band?" Es lag irgendwann einfach nahe, einen Sänger zu engagieren, und der kam 1976 mit Hartmut Engler. Er hat das Band-Bild dann auch geprägt. Abgesehen davon war ich auch nie der Typ, der sich nach vorne drängen musste. Da gab es andere in der Band, die diesen "Job" übernommen haben. Von daher hat man mir nicht die Möglichkeit gegeben und mich auch gar nicht erst animiert, es zu versuchen. Diese Frage hat sich bei PUR eigentlich nie gestellt.

 

Der Albumtitel spricht ja eine deutliche Sprache und dürfte wohl in Richtung PUR-Fans gerichtet sein. Hoffst oder weißt Du, dass Dir viele der PUR-Fans folgen werden?
Ich weiß es! Es gibt da draußen bereits ganz tolle Reaktionen auf das Album. Ich möchte mit meiner Musik an die Zeit anknüpfen, wo es mit PUR am schönsten war - für mich und auch für die Fans. Das war die Zeit Anfang der 90er Jahre, diese "Sturm- und Drangzeit", die Zeit vom "Abenteuerland", vom "Seiltänzertraum"... da gab es noch die Fan-Nähe, dass man nach den Konzerten noch Autogramme schrieb und für die Fans einfach da war, nahbar und authentisch. Beim Blick zurück nach den vielen Jahren, mit den vielen Erfolgen, mit Höhenflügen, riesengroßen Stadien und großen Hallen, war für mich persönlich die schönste Zeit die, die auch am meisten Spuren hinterlassen hat, nämlich die, in der der nahe Kontakt zu den Fans noch da war. Dahin möchte ich auch zurück. Nicht nur "Zurück zu Euch'", also zu den Menschen, sondern auch ein Stück weit zurück zu mir selbst. Dass es einfach ein Stückchen mehr Lebensqualität zurück gibt.

 

003 20130104 1321474415Welche Hoffnungen und Ansprüche hast Du an Dein Album gestellt? Wo willst Du damit hin, was möchtest Du erreichen?
Ich habe für mich nur den Anspruch gehabt, ich selbst zu sein. Ich habe meinen Beruf quasi wieder zum Hobby gemacht. Musik ist bei mir reine Leidenschaft, sie kommt aus dem Herzen. Ich schiele dabei auf keine Kommerzialität und muss mir auch selbst verkrampfterweise nichts mehr beweisen. Ich wollte für mich einfach die Musik machen, die schon so lange in mir drin steckt und schlummert. Das war das einzige Ziel und der einzige Anspruch, den ich hatte. Und, dann kommt noch dazu, dass ich die Fans nicht im Stich lassen wollte. Die Trennung, die von beiden Seiten aus sein musste und auch forciert wurde, hat natürlich auch einen Graben hinterlassen. Ich wollte den Fans jedenfalls nicht das Gefühl geben, ich hätte sie im Stich gelassen und mich einfach so vom Acker gemacht. Das Gegenteil war der Fall: Ich habe mich jahrelang gequält und dabei die Hoffnung nie aufgegeben, dass Bandgemeinschaft und Außendarstellung vielleicht nochmal besser werden. Das war nicht der Fall und von daher auch meine persönliche Verpflichtung den Fans zu zeigen, was jetzt eigentlich in dem Roland drin steckt.

 

Bei all dem Lob über das neue Album gibt es aber auch einen Kritikpunkt: Mir fiel auf, dass Du und Dein Team bei der Single-Auskopplung "Verliebt in Deine Augen" produktionstechnisch und musikalisch auf Nummer Sicher gegangen seid. Ein Song ohne Ecken und Kanten - radiotauglich mit eingebauter Garantie, gespielt zu werden. Muss man solche Zugeständnisse heute machen, wenn man sein Werk gut platzieren möchte?
Ja und nein... Ich bin da natürlich beraten worden. Es ist ein Stück, das mir auch sehr am Herzen liegt. Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass auf dem Album z.B. mit "Wir" ein Stück enthalten ist, bei dem ich mich lange selbst gefragt habe: "Darf so ein Stück überhaupt mit auf das Album?" Ich habe das Lied mutigerweise live schon gespielt, und es ist gut, dass es mit auf's Album gekommen ist. Es musste drauf sein, es ist gesellschaftskritisch, es ist teilweise auch ein Anspruch und ein Wachrütteln. Ich muss zu Deiner Frage aber auch sagen, dass man ohne die Medien heute die schönste Musik machen kann, so wie man sie machen möchte, es bleibt dann aber hinter verschlossenen Türen. Man muss schon davon reden, dass man die Auswahl der Songs, die letzten Endes als Single genommen werden, von Beratung abhängig macht und diese auch von Beratern tragen lässt.

 

004 20130104 1960977640Mein persönlicher Favorit auf der Platte ist der Song "Stern vom Himmel"...
Ja, meiner auch!

 

Gibt es auf der CD songtechnisch - abgesehen jetzt von dem Titel - einen persönlichen Favoriten von Dir? Liegt Dir da einer ganz besonders am Herzen?
Für mich persönlich das albumprägendste und stärkste Stück - und mein Lieblingslied noch dazu - ist das Lied Nummer 2: "Jemand der Dich liebt". Es ist generell nicht nur ein Liebeslied, sondern es rückt den Menschen in den Mittelpunkt. Die Botschaft lautet: Lasst den Menschen doch so bestehen wie er ist, gerade in Beziehungen oder seiner gesellschaftlichen Funktion, und versucht nicht, ihn zu verbiegen, zu verändern und so zu machen, wie man ihn gerne hätte. Das ist mir auch sehr sehr wichtig.

 

Bei einem Blick auf Deine Homepage findet man schon Termine für eine ans Album gekoppelte Tour. Wie weit sind die Vorbereitungen dafür und worauf darf sich der Fan freuen, wenn er eins Deiner Konzerte besuchen kommt?
Das ist zweigeteilt... Was die Club- und die Hallen-Tournee betrifft, bin ich sehr froh, dass ich ganz nach dem Motto "Zurück zu Euch" sogenannte "Ganz nah dran-Tickets" anbieten kann. Die bekommt man nur über den Inside-Bereich meiner Homepage www.rolandbless.de. Menschen, die darauf Lust haben, dürfen mit diesem Ticket bereits zum Soundcheck kommen. Ich möchte Gleichwertigkeit haben, d.h. diese Konzertgäste werden persönlich begrüßt und bekommen so auch gleich einen Blick hinter die Kulissen, wie alles funktioniert... Ich möchte als Musiker nichts Extravagantes und nicht unnahbar sein. Ich möchte zeigen, dass vielleicht der Beruf etwas ganz besonderes ist, weil man damit Menschen erreicht und ihnen mit seiner Musik Freude machen kann, es der Musiker als Mensch aber nicht ist. Er ist er selbst, nicht besser als andere oder gar etwas Außergewöhnliches. Ich möchte so zeigen, dass der Beruf Musiker eben nur ein Beruf wie jeder andere auch ist. Die Tickets für diese Club- und Hallentournee werden sich auf jeden Fall auf einem Preisbereich deutlich unter 30,00 Euro abspielen. Ich bin gegen diese Preistreiberei und möchte auch Familien die Möglichkeit bieten, dass sie in ein Konzert kommen und es sich auch leisten können. Von der Licht-Show und von der ganzen Performance her können die Leute jetzt schon gespannt sein. Ich habe ein gläsernes Schlagzeug, ich werde Video-Projektionen haben... Gerade im Kleinkunst- bzw. Club-Bereich kann man ganz tolle Sachen machen, auch ohne großen bzw. hohen Ticketpreis. Dazu gibt es noch eine zweite Möglichkeit, den Roland Bless live zu sehen, und das ist auch für mich jetzt ganz wichtig, um den Namen Roland Bless auch bekannter zu machen, das sind im Sommer viele Open Air-Veranstaltungen, z.B. mit Unheilig, Scorpions, Ich+Ich, James Blunt, etc. Das ist genauso notwendig, denn der Name PUR ist bekannt, aber Roland Bless sagt vielleicht nicht jedem etwas. Diese Festivals sind gute Möglichkeiten, diese Verbindung auch nach außen zu tragen.

 

Wenn man mit Dir oder über Dich spricht, wird auch in Zukunft PUR immer wieder ein Thema sein. Du selbst bist Gründer von PUR, wenn ich das richtig gelesen habe...
Ja, das stimmt.

 

Die Band hieß damals, als Du sie gegründet hast, noch "Crusade". Seit wann machst Du Musik und wie kam es dazu, dass Du Profi-Musiker geworden bist?
Ich habe schon immer sehr gerne Musik gemacht. Schlagzeug spiele ich z.B. seit ich 12 Jahre alt war. Ich hatte vor "Crusade" bereits eine andere Band, die sich aber später aufgelöst hat. Damals war ich - glaube ich - 13 oder 14 Jahre alt. Ich wollte nach der Trennung aber auf jeden Fall weiter Musik machen und habe dann aus meiner Klasse den Ingo (Ingo Reidl, ebenfalls Gründer von PUR) gefragt, ob er nicht Lust hätte, in unserer Band Klavier zu spielen. Dazu kam noch unser damaliger Gitarrist, und so haben wir dann die Gruppe "Cursade" gegründet, die damals eine reine Schülerband war und bei der ich - wie ich vorhin erzählte - auch der Sänger hinter'm Schlagzeug war. Zwei oder drei Jahre später haben wir dann Hartmut eingeladen, bei uns vorzusingen. Das ist auch eine ganz witzige Geschichte: Wir haben Hartmut bei einem Auftritt in einem kleinen Jugendhaus bei Stuttgart kennengelernt. Wir waren damals alle so um die 15 und unsere Eltern fuhren uns noch zu den Konzerten. Wir hatten für dieses Konzert im Jugendhaus gerade die Anlage aufgebaut als mir auffiel, dass ich das Kissen zum Dämpfen meiner Basstrommel vergessen hatte. Ohne dieses Kissen klang das nicht so gut. Ich bin daraufhin von der Bühne runter und habe im Publikum herumgefragt, ob jemand von den anwesenden Gästen mir aushelfen könnte. Ich fragte: "Hat jemand von Euch eine Jacke, die er mir leihen könnte und die ich für meine Basstrommel verwenden könnte? Er bekommt sie nach dem Konzert auch garantiert wieder zurück." Ein Typ stand auf, gab mir mit zitternder Hand seinen Parka und sagte: "Ich leih Dir gerne meine Jacke, denn ich bin - glaube ich - Euer größter Fan und fahre wegen Euch mit meinem Mofa überall hin." Ich sagte: "Das ist ja super! Wie heißt Du denn?", und er sagte dann ganz schüchtern: "Hartmut." (lacht) Das war unsere erste Begegnung mit Hartmut Engler. Er bekam dann später Klavierunterricht von Ingo. Dabei hat Ingo gemerkt, dass Hartmut Songs von Cat Stevens und den Beatles, die er da geübt hat, ganz gut singen kann. Irgendwann durfte er deshalb dann auch bei uns im Proberaum mit den üblichen Eierkartons an der Wand vorsingen. So kam Hartmut zu uns.

 

Was war "Crusade" für eine Band, was habt Ihr für Musik gemacht? Habt Ihr nur nachgespielt oder auch schon eigene Songs im Programm gehabt, und wie hat sich das musikalisch bei Euch dann entwickelt?
Nein, wir hatten damals schon eigene Stücke mit deutschen Texten. Das hat uns eigentlich schon immer besonders gemacht. Wir haben es dann später in den 80ern, als wir schon "Opus" hießen, nicht leicht gehabt gegen, die Neue Deutsche Welle anzutreten. Wir haben Musik gemacht, die vom Publikum zwar geliebt aber von einigen Veranstaltern als "Gymnasiasten-Rock" abgetan wurde. Auch die Medien hatten kein großes Interesse an uns. Trotzdem blieben wir unserer Linie treu und haben es durchgezogen. Das war auch gut so, denn schon 1986 haben wir z.B. den Bundesrockpreis gewonnen und die Plattenfirma Intercord wurde auf uns aufmerksam. Das war unser erster Schritt ins "große Business". Aber der richtige Erfolg kam dann erst Anfang der 90er Jahre, mit Songs wie z.B. "Lena" und dem Deutschen Schallplattenpreis.

 

Wird diese Zeit unter den Namen "Cursade" und "Opus", wie die Band später ja auch mal hieß, bei PUR mit angerechnet, wenn's um die Jahre des Bestehens der Band geht, oder zählt man erst ab 1985, als man den Namen PUR annahm?
Das wird schon noch mit angerechnet. Die letzte Band-Konstellation hat sich im Jahre 1980/81 formiert. Daher auch der Titel "30 Jahre eine Band". Schon komisch... das klingt sehr seltsam, jetzt wo ich nicht mehr dabei bin. Ich habe dabei irgendwie ein ganz komisches Gefühl (lacht).

 

Ich allerdings auch. Man scheucht zuerst mehr oder weniger den Bandgründer vom Hof und stellt das Jubiläum dann unter so ein Motto. Schon bemerkenswert...
Naja, das ist leider so. Innerhalb der Band gab's eben diese unterschiedlichen Entwicklungen. Die einen sind bodenständig geblieben, die anderen haben sich anders entwickelt. Sowas kann man auch nicht vorhersagen. Wir sind jedenfalls vor 30 Jahren mit ganz anderen Zielen gestartet. Wir wollten abseits vom damaligen Trott, von dem von uns so empfundenen Spießertum, als pubertierende Jugendliche etwas gemeinsam machen. Das Ding sozusagen "hoch rocken". Leider entwickelte sich das im Laufe der vielen Jahre in eine andere Richtung.

 

Du hast es gerade angesprochen: Der richtig große Erfolg für die Band kam erst in den 90ern. Woran glaubst Du lag es, dass das erst so spät und dann auch noch so plötzlich passierte? Kann es sein, dass die Band auch dahin gehend Glück hatte, dass sie als eine der ganz wenigen noch in dieser Richtung Musik machte und Dank der Überflutung mit Techno, Dance-Music und Crossover-Experimenten all die genervten Fans auffangen konnte, die andere Musik hören wollten?
Ich sag's mal so: Das fing schon in den 80ern an. Die Leute hatten irgendwann von dieser coolen Neuen Deutschen Welle die Nase voll. Da musste irgendwann halt etwas anderes kommen. Parallel dazu war die Musik mit Inhalten schon immer da. Bei uns passten Musik und Texte gut zusammen und das haben die Leute dann entdeckt. Man kann aber sagen, dass wir uns unser Publikum über Jahre hinweg erspielt haben. Es wurden immer mehr und mehr Menschen, die kamen. Der Veranstalter Karsten Jahnke aus Hamburg hat mal gesagt: "PUR ist eine Band, die an jeder Steckdose spielt." Da hatte er gar nicht so Unrecht, das haben wir tatsächlich so gemacht. Wir hatten damals eine unglaubliche Spielfreude, und das hat uns letztlich - so glaube ich - auch bekannt gemacht. Letzten Endes waren es aber ebenso die Industrie und die Medien, die dazu den Rest beigetragen und uns damit den ganz großen Erfolg beschert haben. Mit dem Album "Seiltänzertraum", das schon sehr eigenständig und erfolgreich war, hatten wir - vielleicht auch durch mein Verhandlungsgeschick - die Möglichkeit, bei den "Rock over Germany"-Konzerten zu spielen. Wir spielten in dem Sommer als Vorband u.a. für Tina Turner und Rod Stewart vor 500.000 Leuten. Das war ein toller Aufschlag. Ich denke, dass diese Sache in Verbindung mit der Qualität des Albums "Seiltänzertraum", mit der authentischen Gebung der ganzen Sache und der Unterstützung der Medien, für uns wie ein Sechser im Lotto war. Sowas kann man nicht kalkulieren oder planen, sowas passiert einfach. Für uns war das im Prinzip ein Geschenk des Himmels.

 

Du hast vorhin gesagt, dass die schönste Zeit bei PUR Anfang der 90er war. Wenn Du an Deine gesamte Zeit mit PUR zurückdenkst, was fällt Dir als erstes ein? Was ist das schönste Erlebnis, das Du mit der Gruppe hattest?
Das war 1990 als Vorband von Tina Turner, Prince und einigen anderen Acts. Wir spielten auf dem Hockenheim-Ring vor über 100.000 Menschen und waren da ganz stolz drauf. Ich erinnere mich noch, dass ich für diesen Tag drei Konzerte organisiert habe. Wir hatten zwei Bühnenanlagen. Wir spielten um 14:00 Uhr in Hockenheim. In der Zeit wurde bereits in Bochum die zweite Bühne aufgebaut. Wir sind nach dem Konzert dann um 15:00 Uhr mit dem Hubschrauber nach Bochum geflogen und haben anschließend dort gespielt. In der Zwischenzeit wurde die erste Anlage in Hockenheim abgebaut und von dort nach Pirmasens gefahren und wieder aufgebaut. Nach dem Auftritt in Bochum sind wir dann wieder in den Hubschrauber gestiegen und nach Pirmasens geflogen. Nach dem Auftritt in Pirmasens waren wir fix und fertig, aber total glücklich! Auf dem großen Festival haben wir von Peter Maffay noch eine persönliche Einladung bekommen. Wir sollten einen Tag später, am Sonntag, zu ihm kommen und waren dort incl. Treffen im Backstagebereich eingeladen. Wir haben uns an dem Sonntag so gegen 11:00 Uhr gegenseitig angerufen und gefragt: "Sag mal, hast Du Lust da jetzt noch hinzugehen? Bist Du nicht auch völlig platt?" Daraufhin hat jeder von sich aus gesagt, dass er völlig müde und erschöpft sei. Was wir den Tag zuvor erlebt hatten, war ein Traum - DER Traum eines jeden Musikers. Dadurch waren wir sonntags alle so platt, dass jeder von uns am Ende schön gemütlich zu Hause geblieben ist, und keiner zu Maffay ging (lacht). Das war für mich persönlich der absolut schönste Tag in all den Jahren PUR. Da ging es einfach nur darum, Einsatz zu zeigen, dabei zusammen schöne Erlebnisse zu haben und den ganz ganz großen Traum zu leben und zu erleben. Das alles mit Gemeinschaftsgefühl und dem Ziel vor Augen: "Wir packen das, wir schaffen das und das Publikum mag uns." Das war schon toll!

 

005 20130104 2007190070Wenn's ein so schönes Erlebnis gegeben hat, gab es sicher auch ein absolut negatives, oder?
Zu den negativsten Erlebnissen zählt so manche menschliche Enttäuschung innerhalb der Band. Das jetzt hier in der Öffentlichkeit auszubreiten, ist nicht ganz so mein Ding. Es hat aber auch etwas damit zu tun, dass man die Zugehörigkeit in so einer Band verliert und dass sich Menschen in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Das betrifft ja nicht nur einen oder zwei, sondern mehrere Menschen. Einen Erfolg aufzubauen ist toll, man hat ein Ziel vor Augen und möchte den Erfolg verwalten und auch leben. Dabei erweist sich dann, wie verankert man in seinem Privatleben ist oder wie verantwortlich man sich gegenüber seiner Heimat noch fühlt. Und da gibt's dann halt schonmal Entgleisungen. Da waren ein paar negative Erlebnisse dabei, die mir heute noch sauer aufstoßen.

 

Du sprichst "Heimat" an: Die Musiker von PUR kommen aus Bietigheim-Bissingen in Baden-Württemberg...
Meine Geburtsstadt, ja...

 

Später kam eine weitere große Kapelle daher, nämlich Camouflage. Kanntet Ihr Euch?
Das waren im Prinzip unsere jüngeren Fans. Wir hatten damals mit 17 oder 18 Jahren Auftritte bei uns in Bietigheim-Bissingen. Die Jungs von Camouflage waren ein paar Jahre jünger als wir, saßen vor der Bühne auf ihren Jacken und haben andächtig gelauscht. Sie hatten kurze Zeit später ja selbst die Gelegenheit, mit ihrer tollen Musik bekannt und erfolgreich zu werden. Damals hatte man untereinander noch wenig Berührung, aber später traf man sich dann bei dem einen oder anderen gemeinsamen Fernseh-Auftritt. Camouflage ist eine tolle Band, das sind gute Jungs!

 

007 20130104 1036772910Welche Ziele hast Du heute noch? Was möchtest Du in Deiner Karriere noch erreichen und wie sehen die Pläne für die nahe Zukunft für Dich als Solist aus?
Da ist wieder das Stichwort "Lebensqualität". Das Leben ist kurz genug. Ich möchte jedenfalls weiter auf der Bühne stehen und lange gesund bleiben. Es ist einfach ein tolles Gefühl, seine Lebensgeschichte musikalisch auszudrücken und mit deutschen Texten das Publikum zu erreichen. Die Menschen somit halt teilhaben zu lassen. Was wiederum ein Geschenk des Himmels ist, dass die Menschen das gut finden. Deshalb möchte ich noch viele Jahre einfach für die Menschen da sein. Ich fühle mich auf der Bühne zu Hause. Das ist für mich auch ein Stück Heimat. Ich möchte das unverkrampft machen, so, wie sich mir die Möglichkeiten bieten. Musik ist eine wunderschöne Sache, die mich - glaube ich - mein ganzes Leben lang nicht wieder loslässt. Musik heißt Leben und menschliche Verbindungen, und das noch möglichst lange machen zu dürfen und zu können, das wünsche ich mir.

 

Danke für das Gespräch. Möchtest Du noch ein paar Worte an unsere Leser richten?
Ja, ich bedanke mich herzlich und bin happy, dass ich mich über dieses Interview ausdrücken und meine Statements machen durfte. Gerade in der heutigen Zeit mit DSDS und "Popstars" ist es nicht mehr ganz so einfach, sich und seine Musik zu präsentieren. Ich lege sehr viel Wert auf handgemachte Musik und finde es klasse, dass es noch Interesse gibt, so eine tolle Seite zu lesen und kann alle Leser nur dazu beglückwünschen. Ich würde mich freuen, den einen oder anderen vielleicht im Konzert zu sehen.

 

Interview: Christian Reder
Bearbeitung: kf, cr
Fotos Archiv Roland Bless, Plattenfirma
 

   
   
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