Was macht eigentlich ...

 

Peter Schimmelpfennig


"Der Mann, der den Ostrock in den Westen holte"

 

 

001 20121218 1975101026Der Name Peter Schimmelpfennig wird nur Insidern ein Begriff sein. Doch er war maßgeblich daran beteiligt, dass Puhdys, City und Karat in der BRD Fans gewinnen und Erfolge feiern konnten. Und wenn man diesen Faden weiter spinnt, hat er den Bands somit auch ermöglicht, dass sie nach der Wende gesamtdeutsch weiter arbeiten konnten, weil diese Namen durch seine Arbeit auf dem Gebiet der ehemaligen BRD bekannt waren. Ok, den Löwenanteil haben die Musiker mit ihrer Musik natürlich selbst, doch Peter Schimmelpfennig war Plattenboss, Manager, Tourmanager und Promoter in einer Person. Und es war nicht einfach, die DDR-Bands westdeutschen Plattenfirmen schmackhaft zu machen. Peter Schimmelpfennig hat seinen eigenen Musikverlag in "Pool" umbenannt und in den 80ern die Platten der eben genannten Bands, aber auch anderer Ostkünstler bei sich veröffentlicht. Schimmelpfennig ging deshalb in der DDR ein und aus wie er wollte. Dank eines Dauervisums war er immer bestens darüber informiert, was in der DDR-Musikszene gerade passierte und erfolgreich war. Doch wie begann das alles? Wer war der erste Act, der von der DDR den Weg in die BRD schaffte? Welche Bands hat er den "Wessis" schmackhaft machen können und mit wem hat er besonders eng zusammen gearbeitet? Schimmelpfennig ist ein Szenekenner, der viele Geschichten erzählen kann. Einge der interessantesten Stories hat er in unserem Interview erzählt. Erstmals erfahrt Ihr, für wieviel Geld die Puhdys vom "Westen" eingekauft wurden, und wie die Verträge aussahen. Na, neugierig? Nehmt Euch die Zeit und reist mit uns zurück in die DDR der 70er und 80er Jahre...
 

 

Wie hat das bei Dir angefangen? Wie bist Du zum Job bei der Plattenindustrie gekommen?
Ich habe zum Schluss eine Privatschule besucht, weil ich der Musik etwas erlegen war. Das ist ja vielen so ergangen. Den Wissensstoff, der zum Erreichen irgendwelcher schulischer Reifen nötig ist, habe ich mir privat erarbeitet (lacht), und bin anschließend sofort zu einer Plattenfirma gegangen.
 
 

Aha... welche war das?
Metronome Records, eine kleine, eigenständische schwedische Firma damals. Die hatten schon das Warner Brothers-Repertoire wie z.B. die Veröffentlichungen der Atlantic-, Volt-Atco-, sowie Prestige- und Concord-Labels, also ganz feine Jazz-Label; hatten aber auch selbst wundervolle eigene Jazz-Produktionen. Im Rock-Bereich waren die damals aber noch nicht so stark besetzt. Bei der Firma habe ich richtig gelernt, wie es sich gehört, bis hin zum Lagerausfegen. Natürlich bin ich dann später auch in de Promotion- und Presseabteilung versetzt worden, was natürlich mehr Spaß gemacht hat, als Kartons zu schleppen. Noch während meiner Lehrzeit wurde in Berlin eine Position frei. West-Berlin war immer ein ganz besonderes Ding. Da hörte jemand auf, und ich bin mutig auf meinen Chef zugegangen und habe gesagt: "Da möchte ich hin, und das möchte ich, wenn, dann ganz anders machen." Damals war ich 19 Jahre alt. Der Chef hat gesagt: "Wenn Sie das können, Herr Schimmelpfennig, dann machen Sie das". Noch während meiner Lehrzeit in Berlin habe ich in Berlin meine erste eigene Wohnung angemietet. Somit war ich in Berlin, fest im Glauben, dass ich dort von der Bundeswehr befreit sei, was aber nicht der Fall war, denn damals musste man mündig sein, also 21 Jahre alt. Erst dann konnte man - so hieß es - einen eigenen Wohnsitz selbst begründen. Also musste ich doch zur Bundeswehr. Ich habe aber doch noch einen Weg gefunden. Früher gingen viele nach Berlin, einfach deshalb, weil sie keinen Bock auf die Bundeswehr hatten. Tatsächlich wollte ich aber wirklich dahin, um meine Karriere anzuschieben. Es gab die Regelung nach § 2 AVAVG, um der Überalterung West-Berlins vorzubeugen. Dieser Paragraph stellte zur Wahl: Entweder Bundeswehr oder "Frontstadt" (lacht). Ich habe den harten Dienst in der Frontstadt vorgezogen (lacht). Ich war also jetzt in Berlin und habe dort für die Metronome gearbeitet. Das war sehr sehr spannend, denn ich musste dort den Vertrieb, Promotion, Marketing… also alles was zum Business gehört, machen. Damals gab es noch den RIAS, den ich mit Platten versorgt habe. Ich bin in Diskotheken rumgelaufen und habe die Sachen von "Atlantic" vorgestellt. Dort war ich ein gern gesehener Gast, denn das Label "Atlantic" hatte die angesagte Musik zu der Zeit. So gesehen kam ich damals schon sehr früh mit interessanter Musik in Berührung, abgesehen davon, dass ich vorher in Hamburg Stammgast im "Top Ten" und im "Starclub" war. Dort hatte ich Fats Domino und Ray Charles als junge Kerle erleben können. Das kannst du nicht oft erleben und ich war froh, dass ich als Hamburger geboren wurde und nicht als Kölner oder Freiburger (lacht). Hamburg war - und ist - die Stadt der Städte. Aber zurück zu meiner Zeit in Berlin. Ich war also dort und habe an meiner Karriere gestrickt. Das ging auch recht gut und es kamen Sachen raus wie z.B. die Filmmusik zu "Alexis Sorbas". Da habe ich tolle Sachen gemacht, ich habe das ganze Europa-Center zum Sirtaki-Tanzen gebracht, und am Ende lief dieser Film in Berlin zwei Jahre lang. Ich war in meiner Arbeit sehr erfolgreich. Wenn Du jung bist, kennst Du kein Wenn und kein Aber. Das ist aber so eine Charaktereigenschaft, die mir bis heute erhalten geblieben ist, also mit Mut neue Sachen anzupacken. Bei Metronome war ich fünf oder sechs Jahre und habe mir während dieser Zeit, weil ich wusste, dass ich es irgendwann brauchen werde, einen eigenen Verlag gekauft. Das geschah auf Empfehlung meines Vaters. Ich wusste, ein Verlag ist wie ein Klavier. Auf ihm musst Du nur das Spielen lernen. Diesen Musikverlag habe ich einem Hamburger Schilderfabrikanten abgekauft, das war der Herr Kilian, und der Verlag hieß "Nordton". Bis dahin hatte ich von einem Musikverlag noch recht romantische Vorstellungen. Ich bin nach Hamburg gefahren und wollte meinen Verlag "übernehmen". Daraufhin ist der ehemalige Besitzer mit mir auf einen staubigen Dachboden gestiegen, zeigte mit dem Finger auf einen staubigen Pappkarton und sagte: "Das ist jetzt Ihr Verlag." In dem Karton klirrte es verdächtig. In dem Karton befanden sich Noten, Drucksachen und Scherben von Druckvorlagen. Aber Scherben sollen bekanntlich ja Glück bringen… in diesem Moment plumpsten meine gesamten Vorstellungen über einen Musikverlag in sich zusammen. Ich trug diesen Pappkarton dann nach Hause, wo ich ein kleines Büro unterhielt. Damals hatte ich schon so eine "Halb-Selbstständigkeit". Wenn man 25 Jahre alt ist, und die Freiheit hat durch die Gegend zu juckeln; mal nach Spanien oder mal eben in die USA. Irgendwie hast Du immer Geld und weißt nicht wie und warum. Man verdiente es durch Apfelsinenpflücken in Spanien oder auf dem Bauernhof. Den Verlag hatte ich immer nebenbei, der führte sein Dasein. Der Verlag war außerordentliches Mitglied bei der GEMA, so dass ich regelmäßig meine Abrechnungen und meine ca. 37,50 DM bekam. Also kein großes Ding. Etwas später folgte in meinem beruflichen Werdegang eine kurze Einzelhandelszeit, auch noch während meiner Zeit in Hamburg. Die war ganz gut für meine berufliche Karriere in der Musik, denn dabei kommst Du mit allem was wichtig ist in Berührung, vor allem mit dem puren Kundengeschmack in Sachen Musik.

 

Also bist Du zwischenzeitlich von Berlin wieder zurück nach Hamburg?
Ja, ich blieb mit einem Bein immer in Hamburg, wohnte dort bei Freunden und hatte dort auch das Häuschen meiner Großeltern auf dem Land, was ich bewohnen konnte. Aber ich war so überall und nirgends… Bei der Gelegenheit hatte ich auch noch schlechten Umgang, den gab es in Hamburg ja auch. Musik hatte oft was mit... ich sage mal "verstärkenden Einflüssen", denen man sich aussetzen kann, zu tun. In der Szene wurde auch darüber nachgedacht, nun endlich einmal Live-Platten zu machen. Wir hatten alle damals schon zahlreiche Festivals besucht (Fehmarn!!!), und Live war sehr angesagt. Dieses Feeling vermisste man auf den sehr schönen, aber oft sterilen Studioaufnahmen, die es in den 60ern ausschließlich nur gab. Damals gab es eine Band, die hieß "Hardin & York", Organist und Schlagzeuger. Die spielten irgendwo draußen in Bramfeld im Jugendheim, die haben wir einfach mitgeschnitten. Das war weiß Gott keine tolle Aufnahme, eben live mit vielen kleinen Fehlern. Aber sie spielten geil und das war entscheidend. Jedenfalls haben wir von dem Mitschnitt eine Platte gemacht und haben die verkauft. Das war schon verrückt, denn man kann sagen, dass das ein lupenreiner Raubdruck war. "Hardin & York" kannte bis dahin keine Sau, sondern die waren eher so eine Art Geheimtipp. Durch diesen Raubdruck wurden die jedenfalls richtig bekannt. Ein "Raubdruck" war später ja auch so eine Art Ritterschlag. Das sehe ich heute natürlich ganz anders (lacht). Unsere Aufnahme haben wir irgendwo pressen lassen, sind dann in der damaligen Bundesrepublik von Flensburg bis München und von Aachen bis Helmstedt durch die Lande gezogen und haben die Platten aus dem Kofferraum meines Autos heraus verkauft. Damals gab es aber diese Urheberrechtsverfahren noch nicht, das war alles noch Zivilrecht, und es war auch etwas völlig Neues und noch so eine Art Kavaliersdelikt, dass da Raubdrucke gemacht wurden. Ich habe das danach auch nie wieder gemacht. Das hier war die erste und einzige, und die hat leider dazu geführt, dass danach tatsächlich der Markt mit grauenhaftem Scheisszeug, was wirklich mit dem Cassettenrecorder aus der letzten Reihe aufgenommen wurde, überflutet wurde. Selbst Raubdrucke von Led Zeppelin, Jimi Hendrix, Pink Floyd und was weiß ich nicht noch alles waren dabei. Da kam sehr viel Mist raus. Das wurde dann aber auch sehr schnell strafrechtlich erfasst, wie die Musikindustrie und die GEMA halt immer irgendwie reagieren. "Hardin & York" waren jedenfalls nicht bereit, gegen uns zivilrechtlich vorzugehen. Für die war das wirklich ein unglaublicher Promotion-Gag, der sich für die Band langfristig ausgezahlt hat, denn bekannter als damals durch diese Platte sind die nie geworden. Nach dieser Geschichte, mit der ich natürlich auch ein bisschen Geld verdient habe, habe ich dann im Einzelhandel weitergemacht. Da bekam ich richtig den Durchblick. Danach war ich in einer Firma tätig, mit der wir Platten importiert haben. Die Welt war ohne Internet und Globalisierung sehr groß und weit. Es gab Schallplatten, an die Du als Fan nicht ohne weiteres rankamst. Die USA war weit weg und dort gab es so viele tolle Sachen, deren Qualität die großen Firmen gar nicht erkannten. Es gab da wundervolle Platten, und die haben wir importiert. Die deutschen Firmen waren immer sehr schwerfällig, was neue Musik betraf, z.B. wenn Außenseiter von kleinen Labels in England oder den USA, die es damals schon gab, zur Nr. 1 wurden, dauerte es furchtbar lange, bis sich hier in Deutschland eine Firma bequemte und die Platte übernahm. Und da spielten wir in Darmstadt eine ganz wichtige Rolle, importierten eben diese Sachen nach Deutschland und verkauften die hier. Das hat gut funktioniert und waren meine ersten Versuche in der Selbstständigkeit. In den USA kam auf "Atlantic" die Band "Blind Faith" mit einem etwas ungewöhnlichen Cover raus. Darauf war ein Teenager mit kleinem Busen abgebildet. Das Cover war sehr gewagt und schon am Rande, also man kann sagen im Grenzbereich. Jedenfalls erschien die Platte in den USA und wir waren uns sicher, dass es bis zum Erscheinen hier in Deutschland noch längere Zeit brauchte. Also haben wir davon ein paar Hundert importiert und ich glaube ein Händler aus Frankfurt hatte uns die komplett abgenommen und hat damit weit vorn gelegen. Das war damals eine Zeit, wo Du Dich als Einzelhändler noch profilieren konntest, in dem Du besondere Stücke im Angebot hattest oder etwas mehr wusstest als Dein Konkurrent. Auch von Hendrix gab es in den England die LP "Electric Ladyland" mit dem Originalcover, auf dem die nackte Weiber drauf abgebildet waren. Das gab es in Deutschland nicht und das haben wir deshalb auch fröhlich importiert. Das war eine etwas außenseitige Rolle, die mir aber auch sehr viel Spaß gemacht hat. Auch die ersten Veröffentlichungen von "Island Records" haben wir importiert. Ich habe die in London in ihrer Anfangszeit besucht. Das war etwas außerhalb in einer Bretterbude, so eine richtige Baracke, und habe denen erzählt was ich vorhabe und welche Stückzahlen ich abnehmen wollte. Bei denen waren die ganzen Progressive Rock-Bands unter Vertrag wie z.B. "Spooky Tooth", "Jethro Tull" und "Fairport Convention". Ich hatte bei denen so zwischen 500 und 1000 Exemplare bestellt, bin da also richtig in die Vollen gegangen. Von "Spooky Tooth" gab es fünf verschiedenfarbige Cover, bei der Platte von "Jethro Tull" konnte man das Cover aufklappen und die Musiker der Band, aus Pappe gemacht, stellten sich beim Aufklappen auf, das war ein sogenanntes Gimmick-Cover. Solche tollen Sachen gab es da. Davon haben wir natürlich 2000 Stück bestellt, per Luftfracht, manchmal aber auch mit dem Auto, nach Deutschland geholt. Mein Freund Heinz Hartmann von Phonogram hat die immer aus Kostengründen per Schiff nach Deutschland geholt. Das war zwar billig, aber es brauchte sechs Wochen, bis die Bestellung hier war (lacht). Wir waren da schneller und per Telefon auch mit der ganzen Schallplatten-Welt verbunden. Wir waren der sprichwörtliche Hecht im Karpfenteich. So haben wir maßgeblich daran Anteil gehabt, dass "Jethro Tull" in Deutschland bekannt wurde. Wenn Du so was machst, entwickelst Du auch ein Gefühl für interessante Musik für den Markt. Außerdem bekommst Du Mut und stehst zu den Dingen, die Du machst. Ich weiß noch, wie ich in London rumgefahren bin. Da gab es Labels wie z.B. "Crab" und "Pama", das waren zwei "Blue Beat", bzw. "Donkey", "Ska" und "Reggae"-Labels, mit richtig schwarzer Musik. Die Welt der Platten war groß und die Welt der Industrie war auch damals schon so ein bisschen langweilig. Die Labels aus dem Ausland, aus England und Amerika, beherrschten die Märkte, auch unsere. Mir ist so ein bisschen am Rande aufgefallen, dass Deutschland im Laufe der Jahre zu einer Art "Zweitverwertungsland" wurde. Wenn man im Heimatland schon richtig abgesahnt hatte, dann verdiente man in Deutschland noch den "Schlag Sahne" obendrauf, d.h. wenn die Sachen in England und den USA ausgereizt waren, wurde das in Deutschland noch mal richtig ausgepresst. Das führte am Ende auch zu dieser "Verkartung" der Musiklandschaft. Gut, hier in Deutschland gab es z.B. die Rattles, aber solche Bands waren wirklich die Ausnahme. Irgendwann später gab's Lindenberg, aber das waren nur so ganz zaghafte Versuche. Später kam die Zeit von Bands wie Amon Düül, die so in Richtung esoterische Musik und Psychedelic gingen. Aber mit deutschen Texten gab es nur ganz wenige Musiker und eine richtige Rock-Szene gab es eigentlich überhaupt nicht. Eben weil wir, ich sag's mal ganz vorsichtig, ein bisschen unterdrückt waren. Auch in den Medien fand diesbezüglich eigentlich nichts statt.

 

blindfaith 20121218 1573309025Und wie ging's dann weiter?
Ich war zu der Zeit schon selbstständig, hatte dann aber wieder so eine Phase, in der ich nichts machte. Mit 30 gab's eine Verbindung zum Schallplattenlabel "Phonogram", die mich dann geholt haben. Dort habe ich für einige Jahre als Promoter gearbeitet, zuerst im Vertrieb dann als Promoter. U.a. machte ich auch Promotion im Norden, also im NDR-Einzugsgebiet und Berlin. Das war eine tolle Erfindung der Phonogram. Die hatten vier regionale Manager, die in ihren Ecken den Markt richtig durchdrangen. Die hätten wahrscheinlich auch "Deutsche Mugge" aufgesucht. Bei der Gelegenheit war ich wieder häufiger in Berlin.

 

Und in dieser Zeit hast Du die Puhdys entdeckt?
Richtig. Auf meinen Fahrten zwischen Hamburg und Berlin habe ich im Autoradio die Songs "Geh zu ihr" und "Wenn ein Mensch lebt" gehört. Die Lieder habe ich nie wieder vergessen. Das sind für mich - bis zum heutigen Tag - zwei faszinierende Nummern und textlich einfach wunderschön. Getextet von Ulrich Plenzdorf. Da hat es bei mir Klick gemacht und ich habe gemerkt, dass die deutsche Sprache gut geeignet ist, auch rockmusikalisch zum Einsatz zu kommen.

 

Welche Zeit war denn das? Udo Lindenberg hatte 1971 auch schon seine erste deutschsprachige LP veröffentlicht...
Ja, ja, das war so. Aber Lindenberg ist auch nicht gleich so ein strahlender Held gewesen. Der hat ja auch eine lange Zeit gebraucht, bis er bekannt wurde. Es war nicht so, dass Lindenberg kam, sah und siegte. Zuerst war er nur ein regionaler Act in Hamburg. Es dauerte dann seine zwei oder drei Jahre bis er bekannter wurde. "Onkel Pö" in Hamburg war ein ganz besonderer Laden, dort verkehrten eine ganze Menge interessanter Leute, und viele Individualisten machten dort ihre Musik. Udo war einer von denen, und der sang auf einmal Deutsch. Von dort bis zur großen Bekanntheit war das ein weiter Weg für ihn. Die Medien waren alle belegt, da war gar kein Platz für deutschsprachige Rockmusik. Das hat sich erst ganz langsam entwickelt, mit Hilfe des NDR natürlich. Die Zeit, über die ich rede, waren die frühen 70er. In meiner Tätigkeit für die Phonogram war ich mit verschiedenen Künstlern unterwegs. Auf Tournee machten wir natürlich auch in Berlin Station. Wenn wir eine neue Platte veröffentlicht haben, machten wir die berühmten Senderreisen, die es damals noch gab. Ich glaube, heute ist das nicht mehr ganz so populär. Man setzte sich ins Auto und fuhr die ganzen Radiostationen ab, wie z.B. Radio Bremen oder den WDR, aber natürlich auch den RIAS und den SFB. Einer von diesen Künstlern war Mike Krüger, mit dem ich damals auch in Berlin war. Der hatte zu der Zeit gerade seinen Riesenhit mit "Mein Gott Walter". Auch in der DDR kannte man ihn schon, die waren sowieso immer besser informiert (lacht). Wenn ich Künstler in Berlin hatte, gehörte bei mir auch immer ein Abstecher nach Ost-Berlin dazu. Ich habe das immer "kultureller" Teil genannt: Bisschen essen, bisschen trinken (lacht). Nur Presse und Radio ist ja nichts, und Künstler sind ja auch denkende Menschen, also habe ich die an die Hand genommen und wir sind nach Ostberlin rüber gefahren. Das fanden die auch immer ganz toll. Mit Mike bin ich im Hotel "Stadt Berlin" am Alexanderplatz gelandet. In dem dortigen Restaurant haben Mike und ich unsere 25 Mark Zwangsumtausch sozusagen verfuttert. Auch Mikes Frau, Brigitte, war dabei, und wir merkten schon, dass an den Nebentischen getuschelt wurde. Mike Krüger war da also schon bekannt und angesagt, die Leute kannten den Mann mit der großen Nase schon. Beim Rausgehen kam ein junger Mensch hinter uns her und wuselte so um uns herum. Er druckste rum und sagte: "Entschuldigen Sie, dass ich Sie anspreche. Mein Name ist Wolfgang Martin und ich bin Redakteur beim Sender ‚Stimme der DDR'. Vielleicht könnte ich mit Ihnen mal ein Interview machen." Wir haben dem zugestimmt und gesagt, dass wir das bei unserem nächsten Besuch in Berlin machen würden. Der nächste Besuch war für sechs Wochen später geplant, und ich habe gesagt: "Lieber Herr Martin, kennen Sie vielleicht die Puhdys?". "Ja", antwortete er, "die kenne ich sehr gut, das sind sogar Freunde von mir." Daraufhin erwiderte ich: "Das wäre natürlich toll, wenn Sie mal einen Termin für mich machen könnten, ich finde die nämlich ganz gut. Vielleicht könnte ich mit denen ja mal reden." Wolfgang Martin, Spitzname "Wölfi", hat tatsächlich einen Termin zwischen Harry Jeske, dem ehemaligen Bassisten, und mir gemacht. Das Treffen fand irgendwann im Januar oder Februar 1976 an gleicher Stelle, im Hotel "Stadt Berlin" statt und Jeske hat mich mit allen möglichen Dingen versorgt. Er hatte so einen schwarzen Aktenkoffer mit Zahlenschloss dabei, da drin war alles mögliche Puhdys-Zubehör, wie z.B. Sticker, Steine, Kugelschreiber, kleine Notizblöcke mit Puhdys drauf und natürlich Platten, die ich brauchte. Ich bekam alles von ihm und war erstmal zufrieden, dass man sich getroffen hatte. Vor meiner Abreise hat er mich erstmal aufgeklärt, wer alles Partner sein würde für den Fall, dass es eine Zusammenarbeit mit den Puhdys und mir kommen würde. Für die Platten war das die "VEB Deutsche Schallplatte" und "Amiga". Und zuständig für diese war damals ein gewisser Herr Hofmann. Für Tourneen war die Künstleragentur der DDR und als Verlag "VEB Lied der Zeit" zuständig. Das waren für mich die drei Anlaufstellen, falls - was er zu dem Zeitpunkt wohl noch nicht so richtig glauben wollte - ich mit ihnen zusammen käme. Ich bekam von ihm die ersten beiden LPs, also die erste, wo sie so im Schilf stehen und die zweite mit dieser grauenhaften "Jodelkuh Lotte" drauf. Ich habe mir das alles angehört und keine Frage: Die Texte haben auf mich die gleiche Faszination ausgeübt, wie sie es schon beim ersten Hören taten. Ich spreche jetzt von den Texten und zunächst mal nicht von der Musik. Aber dieser Umgang mit deutscher Sprache funktionierte. Da war z.B. auch "Von der Liebe ein Lied", getextet von Peter Gotthard, drauf. Das war hoch interessant, denn man musste die Ohren besonders spitzen. Es hat mich genau an der Stelle berührt, wo ich nicht wusste, dass ich berührbar bin. Ich fand das einfach gut und das ist für mich bis heute so geblieben. Was die Puhdys gemacht haben, war gut, glaubhaft und echt, und Maschine war auch ein würdiger und glaubhafter Sänger. Das hört man einfach. Zurück zu Phonogram. Tatsächlich hat jeder seinen Traum und meiner war, eine große Rolle in der A&R-Abteilung einer großen Plattenfirma zu spielen, also im Herzen der Firma. Nun hatte ich die beiden Puhdys-Platten, und habe mich bei Phonogram in Sachen Puhdys groß in Szene gesetzt, aber auch fürchterlich blamiert, denn die Puhdys waren dort schon bekannt. Was ich nicht wusste war, dass die Phonogram und der VEB Deutsche Schallplatten im klassischen Bereich natürlich glänzende Kontakte hatten. Bei der Gelegenheit hatten die Leute vom VEB Deutsche Schallplatte bereits versucht, die Puhdys mit an den Mann zu bringen. Quasi als eine Art Gefälligkeitsveröffentlichung. Da hat man von der Phonogram damals schon gesagt: "Also bitte, wir zahlen Euch lieber zwei Punkte mehr für Eure Klassik, aber verschont uns mit diesen Sachen. Da sehen wir überhaupt keine Chance." Und jetzt kommt einer von der Phonogram höchstpersönlich und sagt plötzlich: "Das ist aber toll. Puhdys? Großartig!" Ich hab mich also bis auf die Knochen blamiert. Danach blieb ich noch ein Vierteljahr bei der Phonogram und hatte verschiedene Optionen. Ich wählte die erste und sagte: "Dann mach ich es eben selbst."

 

Du wolltest die Puhdys selbst veröffentlichen?
Ja, ich habe einen Termin bei VEB Deutsche Schallplatte gemacht und bei diesem vorhin schon erwähnten H.P. Hofmann einen bekommen. Das war einer der älteren Redakteure von Amiga. Ich bin dann rüber gefahren und habe mich mit dem getroffen. Das Treffen fand im Reichskanzlerpalais, was praktisch an den Reichstag angrenzt, statt. Das Gebäude, in dem früher Reichskanzler Hindenburg und noch so'n anderer saßen (lacht). Das war in der DDR der Sitz des VEB Deutsche Schallplatte. Dort gab es ein Eckbüro, in dem ich empfangen wurde. Es war an dem Tag schweineheiß und ich war angemssen gekleidet, nämlich Anzug mit Krawatte. Wir schwitzten da alle, nicht nur wegen der Hitze. Das war für mich eine ganz andere Welt und ich wusste nicht, wie man mit denen sprechen soll und wie man sich richtig verhält. Ich war doch der Klassenfeind und ich hatte den Eindruck, dass sie mir so recht nicht trauen wollten. Die haben lange auf den Puhdys rumgehökert und erfolglos versucht, die zu verkaufen, und jetzt kommt da einer und will die plötzlich freiwillig haben. Da war natürlich höchstes Misstrauen angesagt. Wir haben uns jedenfalls unterhalten und ich habe den Herren gesagt, was ich davon halte und was ich gerne machen möchte, dass ich die Puhdys gerne im Westen veröffentlichen möchte und dass ich ihnen auch eine große Zukunft prophezeihe, wenn die in der Bundesrepublik veröffentlicht würden und dort live spielen könnten. Irgendwann haben wir dann die Jacken ausgezogen und kamen uns etwas näher. Am Ende haben sie gesagt, dass sie darüber nachdenken wollen und ich würde von ihnen hören. Irgendwann bekam ich einen Anruf und die haben ihre Konditionen genannt. Die waren ziemlich heftig! Das waren damals 25.000 DM für die Lizenz der ersten Puhdys-LP. Im ersten Moment habe ich geschluckt und mir letzten Endes das Geld geliehen. Ein bisschen hatte ich selbst, aber wenn es schnell gehen soll und von jetzt auf gleich, hast Du nicht so einfach 25.000 Dinger in der Hosentasche. Ich hatte mich bei der Amiga als Musikverleger vorgestellt, der ich mit eigenem Verlag auch war. Per Auslandstransfer wurden die 25.000 DM überwiesen und ich durfte mir dann irgendwann vom VEB Deutsche Schallplatte ein Band abholen. Ich hatte mein 38er Band in Händen und bin damit stolz wieder nach Hause gereist. Drüben in "meinem Berlin" angekommen habe ich mir erstmal ein paar Sicherheitskopien gemacht, denn ich brauchte ja etwas, um den Leuten auch etwas vorspielen zu können. Anschließend habe ich mir eine Liste gemacht, die ging los bei A wie Ariola und ging über C wie CBS, die es damals noch gab, weiter und beinhaltete alle Plattenfirmen, die es damals gab. Nur bei Phonogram wusste ich, dass ich mir den Weg sparen konnte. Ich habe damals noch gedacht, dass ich jetzt die Welt aufreißen würde aber habe mir der Reihe nach eine Absage nach der anderen eingefahren. Die Leute, denen ich das Album angeboten habe, haben mich wirklich bemitleidet. Ich weiß noch, wie mich der Ehmke von der Ariola anguckte und fragte: "Sie haben doch hoffentlich dafür kein Geld bezahlt?". Das war vielleicht eine Scheiße, denn ich dachte wirklich, dass man mir die Platte aus der Hand reißen würde. Aber weit gefehlt, keine Sau wollte sie haben. Da bekam ich zum ersten Mal so ein bisschen kalte Füße. Ich habe mir überlegt, was man machen könnte und kam auf den Gedanken: Die Band muss her. Wenn Du sie promoten und verkaufen willst, muss sie auch mal zu hören und zu sehen sein. Bis dahin waren die "Puhdys" für die meisten Plattenfirmen sowas wie ein Geist, und dann kamen sie auch noch aus der DDR, so nach dem Motto: "Hahahaha, Rock aus der DDR, wie niedlich." Überall in den Denkblasen meiner Gegenüber stand das Wort "Vollidiot". Die Absagen habe ich heute noch alle hier. Ich will nicht sagen, dass ich an mir gezweifelt habe, aber Du zweifelst dann auch ein bisschen an der Menschheit. In der Folge habe ich mir die Puhdys noch mal live angehört, als sie in Holland gastierten. Die hatten damals eine Tournee, die drei oder vier Tage durch kleine Clubs in Holland ging. In Holland gab es Organisationen, die der DDR sehr verbunden waren, die hatten kleinere Clubs und dort spielten dann auch Bands z.B. aus Polen oder wie hier aus der DDR. DDR-Bands live in Holland ging, aber live in der Bundesrepublik ging überhaupt nicht. Das war so eine Zeit, in der man das - glaube ich - auch nicht wollte. In Holland konnte ich die Puhdys also noch einmal live sehen und das war richtig gut. Auch mit dieser wundervollen Seifenblasenmaschine, die sie mit im Programm hatten. Man muss zu der Band, die man verkaufen will, auch einen persönlichen Draht haben, sie persönlich kennen lernen, quasi Hautkontakt bekommen. Und diese Möglichkeit ergab sich für mich in Holland. Wir haben ein bisschen was zusammen gegessen, getrunken und ein bisschen gequatscht. Übernachtet habe ich auch dort, zusammen mit den Puhdys in so einem kleinen Raum, der 2,50 Meter breit und vielleicht 6 Meter lang war, wo wir mit acht Mann wie die Ölsardinen alle der Reihe nach drin gelegen haben. Ich hatte den besten Platz an der Tür (lacht). Sowas bringt natürlich auch Nähe. Das war wichtig, denn die Musiker wussten schließlich auch nicht, wer ich bin. Bei der Künstleragentur der DDR gab es für die Puhdys einen Betreuer, den ich auch aufsuchen musste. Nachdem ich mir überall einen Wolf gelaufen und vergeblich versucht hatte, die Sachen an den Mann zu bringen, habe ich mir gedacht, dass die Band irgendwie in der Bundesrepublik auch mal auftreten müsste. Sonst würde das Leben für einen wie mich, der die Band ja ganz groß machen und auch managen wollte, wirklich sehr schwer. Irgendwie haben die das verstanden und tatsächlich haben die gesagt: "Machen Sie mal, wir sehen dann weiter." Ich bin dann zu meinem Freund aus Hamburger Zeiten, Horst Dietrich, in die Hamburger "Fabrik" gefahren und habe dem erzählt, was ich vor hatte. Er antwortete: "Eine Band aus der DDR? Das hat schon was. Wenn die kommen, wäre das wunderbar." Als Gage gab's damals - ich habe den Vertrag noch hier - 1000,00 DM. Damit war ich auch ganz zufrieden und wir haben einen Termin festgemacht, nämlich den 09. November 1976 um 20:00 Uhr. Dieser Termin wurde seitens der Künstleragentur auch bestätigt. Ich glaube, die Puhdys hatten vorher noch mal Termine in Holland und auf dem Rückweg sollten sie dann in Hamburg auftreten. Dieser Auftritt war verbunden mit vielen Einschränkungen und Auflagen, so durften z.B. keine Presse, kein Fernsehen, überhaupt keine Medien an die Puhdys rankommen. Die Puhdys selbst durften überhaupt nichts. Die durften nur Musik machen, anschließend von der Bühne runter und abhauen. Das war also auch Bedingung. Nach der Zusage von der Künstleragentur fing ich nun an, das Konzert zu promoten. Ich habe die gesamte Werbung für den Auftritt selbst gemacht. Mir begegnete an fast allen Orten etwas Ungläubigkeit, also bei der BILD, bei der Hamburger Morgenpost, beim Hamburger Abendblatt und was es da nicht alles gab. Aber nun kannten die mich schon und ich bekam auch die Presse die ich wollte. Und in der Nacht vom 08. auf den 09. November saß ich hier morgens um 2:00 Uhr auf dem Hauptbahnhof in Hamburg, als die ersten druckfrischen Zeitungen kamen. Auf der Hauptseite der Hamburger Morgenpost war ein Aufmacher abgedruckt: "Die Pilzköpfe vom Alexanderplatz." Mir war es wurscht, was da stand, Hauptsache es stand dort was über das Konzert und sie hatten den Namen richtig geschrieben. War aber ein netter Artikel, er war spannend und nett aufbereitet. Ich war so aufgeregt, dass ich die Nacht vorher nicht geschlafen habe. Irgendwann bin ich dann in Richtung "Fabrik" gefahren und tatsächlich, ich glaube so gegen 11:00 oder 12:00 Uhr, kamen die Puhdys dann. Sie waren mit so einem W50 LKW angereist, der vor der "Fabrik" stand. "Indianer", so hieß einer, weil er so lange flachsblonde Haare hatte, und Roland, die beiden Techniker, waren da und schon am Ausladen. Ganz offensichtlich sollte das Konzert tatsächlich stattfinden, was es am Ende auch tat. Auch in der Form, dass der Laden rappelvoll war. Ich glaube, das war das beste Geschäft, das die Hamburger "Fabrik" jemals gemacht hat. Mehr Geld haben die an einem Abend vorher und nachher nie eingenommen. Eine Band für 1000,- Mark Gage, der Laden war mit 1500 oder 1600 Leuten komplett voll und der Eintritt kostete so um die 10,- DM. Kein schlechter Deal, oder?

 

Ja, nicht schlecht...
Soviel Geld hat der Horst Dietrich nie wieder verdient. Was er mir im Vertrauen hinterher erzählt hatte war, dass die Ersatzband schon parat stand, weil sowieso keiner damit gerechnet hatte, das eine DDR-Rockband kommt (lacht). Es kamen auch Udo Lindenberg, Ulla Meinecke und die ganze Hamburger Musikszene, um sich die Band anzuschauen. Natürlich war die Bude auch voll mit Medien, z.B. das ZDF mit der "Drehscheibe", die ganze Presse und der NDR. Die armen Puhdys… Es gab damals einen Herrn, der hieß Egon Werther und war Abteilungsleiter der Künstleragentur. Der blieb gerne im Hintergrund und hatte die Funktion eines Betreuers für die Puhdys. Was ich damals nicht wusste war, dass auch er Blut und Wasser geschwitzt hat und auch um seinen Job bangte, weil er im Prinzip nur alles falsch machen konnte. Für ihn war das eine brisante Situation. Ich musste auch versuchen, die Medien sich den Puhdys irgendwie nähern zu lassen. Man konnte ja bei dem Aufgebot nicht einfach "Nein" sagen. Außerdem ist es in der Bundesrepublik geltendes Recht, dass man redaktionell berichten darf, und dass Du Dich dem auch nicht entziehen kannst. Wenn Du öffentlich auftrittst, musst Du Dir schon gefallen lassen, dass man dann über Dich berichtet und Dich filmt. Ich glaube, man hätte 90 Sekunden redaktionell senden können, ohne eine Genehmigung. Später saßen die Puhdys im Restaurant der "Fabrik" und die Medien kamen immer näher. Die Diskussion mit Egon Werther werde ich nie vergessen. Egon, der im Verlaufe der Zusammenarbeit mit der DDR später ein Freund wurde und ein sehr angenehmer Geschäftspartner war, musste nun auch zusehen, wie sich die Medien "seinen" Puhdys näherten. Der schwitzte Blut und Wasser und telefonierte immerzu mit der DDR, was er nun machen könne. Auf jeden Fall guckte er auch mal weg und war dann einfach nicht da und es gelang, den Puhdys drei oder vier Fragen zu stellen. Die Jungs haben das eigentlich ganz gut gewuppt und am Abend des nächsten Tages gab es in der "Drehscheibe" im ZDF einen Bericht über diese "Sensation". Und natürlich war mir als altem Marketingstrategen vorher schon klar, dass die Bude voll sein würde, wenn die Puhdys kommen. Das war dann ja auch der Fall. Für mich war das ein kalkuliertes Risiko, und ein rundum gelungener Abend. Die Puhdys haben dort wie um ihr Leben gespielt und tatsächlich während dieser Mugge die Nummer mit den Seifenblasen gemacht. Das war ein Riesenerfolg. Ich habe es immer bedauert, dass sie diese Showeinlage mit der Seifenblasenmaschine später aus dem Programm genommen haben. Maschine war die Sache immer etwas zu albern. Aber Rockmusik kann durchaus ein bisschen Humor vertragen. Das schließt sich beides ja nicht aus. An diesem Abend war auch die Musikindustrie da und am Ende des Abends hätte ich drei Verträge machen können. Aber das waren blöderweise Firmen, mit denen ich vorher schon gesprochen und die mich so mitleidig angesehen hatten (lacht). Mein Prinzip war: "Abgelehnt ist abgelehnt." Eigentlich hatte ich das Problem, dass ich die Plattenfirmen auch schon alle durch hatte. Nachdem der Abend vorbei war und ich wieder etwas zur Ruhe kam, kam ich auf die Idee, in Berlin die "Hansa" zu kontaktieren. "Hansa" war zwar nicht direkt die "Ariola", aber es war ein Plattenunternehmen und mit denen käme ich vielleicht auch durch den Rückenwind, den ich aus Hamburg durch das Puhdys-Konzert hatte, ins Geschäft. Und tatsächlich: Bei "Hansa" gab es einen jungen Manager namens Robert Winkler und den Geschäftsführer Hans Blume. "Hansa" war auch immer sehr erfolgreich mit deutschem Schlager usw. Robert Winkler waren die Puhdys schon vertraut und er setzte sich für eine Veröffentlichung auf "Hansa" ein. "Hansa" war allerdings auch berühmt für seine beschissenen Deals; die waren immer sehr "hansalastig" und sehr einseitig ausgelegt. Ich habe dann mit Hans Blume einen Deal gemacht, allerdings ohne Vorschuss. Auch von den Konditionen her war das ein Scheißdeal und zwar in der Form, dass ich nur 12% bekam. Das war für so eine große Sache wie die, die sich da in Hamburg abgespielt hatte, nicht die Welt. Damit hatte ich meine 25.000,- DM, die ich für die Rechte bezahlt hatte, immer noch nicht zurück. An dem Konzert in Hamburg habe ich auch kein Geld verdient. Aber nun kam tatsächlich die erste Puhdys-Platte bei "Hansa" raus.

 

Gab es dann noch weitere Kontakte mit den zuständigen Stellen für Musikrechte in der DDR?
Ja! Ich habe von Anfang an auf eine langfristige Zusammenarbeit gehofft. Ich hatte auch das sichere Gefühl, dass daraus ruhig mehr werden könnte, dachte im ersten Moment aber nur an die "Puhdys" und habe den Leuten bei der Deutschen Schallplatte auch erklärt, dass das, was sie da vorhaben, nicht gut war. Der Deal, also der Lizensvertrag, so wie sie ihn geschrieben und mit mir gemacht hatten, war so, dass die 25.000,- DM eine einmalige Zahlung darstellten und dass ich dafür das Recht der Verwertung im kompletten westlichen respektive kapitalistischen Ausland bekam. Sie haben sich so, weil sie es nicht anders kannten und weil es ihnen auch niemand vorher richtig erklärt hatte, von jedem, zumindest theoretischen, späteren Erfolg ihrer Platten abgekoppelt. So wurden früher Frank Schöbel und Nina Hagen mit dem "Farbfilm" verkauft. Das waren die berühmten 1000,- DM, die man ihnen bezahlt hatte und im Westen wurde damit gutes Geld gemacht. Sie hatten davon nichts weiter als den "Spatz in der Hand". Was mich im Verlauf langfristig mit der DDR hat zusammen arbeiten lassen, war der Fakt, dass ich ihnen erklärt habe, dass man verrechenbare Vorschüsse zahlen kann, die nicht rückzahlbar sind, aber die verbunden sind mit einer dauerhaften Lizenz. Das haben wir in spätere Verträge mit reingenommen. Wir haben pro verkaufter LP eine Lizenz festgeschrieben, auch dass sie regelmäßig Abrechnungen bekämen und dass sie ab einer bestimmen Umsatzgröße dann eben auch am Gewinn beteiligt seien. Das haben die anfangs gar nicht so ernst genommen, denn die hätten im Traum nicht daran gedacht, dass die Puhdys außerhalb ihrer DDR, westlich ihrer Landesgrenzen, überhaupt irgendwas lostreten würden. Später, als die Puhdys sich im Western verkaufen ließen, haben sie mit großer Freude anhand der Abrechnungen gemerkt, dass man über die 25.000,- DM hinaus noch etwas verdienen kann.

 

Du sagst also, die hätten weniger an ihren Ost-Acts verdient, wenn Du nichts gesagt hättest?
So ist es! Das ist immer mein Prinzip gewesen. Ich halte "Flat-Fees" für eine sanfte Form von Beschiss! Eine langfristig gute Verbindung und ein Vertrauensverhältnis kannst Du nur haben, wenn Du "wissende" Partner hast. Verträge musst Du so gestalten, dass Du nicht nach zwei oder drei Jahren dafür rot werden musst. Wenn Du aber nur den kurzfristigen Erfolg siehst, dann machst Du solche Verträge. Aber ich habe immer versucht, langfristig zu arbeiten, auch mit Künstlern. Das habe ich eigentlich auch immer hinbekommen. So habe ich meine Deals angelegt. Das war mein Glück! Diese langen Jahre, die wir zusammen gearbeitet haben, waren, und das ist eine ganz wichtige Basis, wirklich geprägt von Vertrauen. Ich war ja der Klassenfeind, nicht in einer linken Partei, sondern ein ganz normaler Bundesbürger. Bestimmt haben die mich auch von allen Seiten abgeklopft, denn ich war denen auch nicht in besonderer Weise verbunden. Wir hatten dann eine höchst angenehme Basis, auch mit der Künstleragentur. Das wurde mit der Zeit richtig vertrauensvoll, auch in der Form, dass man Misserfolge, die es natürlich auch gab, gemeinsam verarbeitete.

 

Ist die erste Platte der Puhdys bei Hansa identisch mit der von Amiga erschienen?
Nein! Die Platte erschien bei Hansa mit einem anderen Cover. Das ursprüngliche Cover mit den Musikern im Schilf fand ich nicht so toll. Heute hätte ich es wahrscheinlich genommen. Wir haben ein neues Cover für die Veröffentlichung bei Hansa entworfen. Das war auch kein Meisterwerk, aber die Puhdys waren drauf.

 

Wie ging es dann weiter?
Die Platte kam dann raus, und ich glaube wir haben vorab mit "Geh zu ihr" auch eine Single veröffentlicht. Die Platte hat sich dann auch ein paar hundert mal verkauft, dann später tausend mal, dann dreitausend mal und so ging das dann laaangsam los. Die zweite Puhdys-LP habe ich nicht in Westdeutschland veröffentlicht, erst wieder die dritte LP, "Sturmvogel". Auch die Rock'n Roll-Scheibe kam hier raus. Auch für diese Platten hab ich wieder jeweils 25.000,- DM rüber geschoben. Von der ersten LP hatten sich in der Zwischenzeit schon einige verkauft. Die Puhdys sind nie sofort losgeschossen, wie z.B. Karat. Sie haben nie diese spektakulären Durch-die-Decke-Geher gehabt, dafür haben sie immer kontinuierlich verkauft, und diese Beständigkeit zeichnet die Puhdys bis heute auch aus. So ging das jedenfalls mit den Puhdys los.

 

Wann ging es denn mit Deinem eigenen Label "Pool" los? Hast Du die "Nordton" irgendwann umbenannt?
Mit der Veröffentlichung der ersten Puhdys-Platte erfolgte die Musikverwertung ab sofort auf Tonträgern. Das war eine Erweiterung meines Verlagsgeschäftes. Von der Natur her ist der Musikverlag, vertreten durch die GEMA, ein Gegner der Industrie. Die Musikindustrie will viel Geld verdienen, und je weniger sie an die Komponisten und Autoren bezahlt, desto mehr Geld können sie einsacken. Verlage haben natürlich das Interesse, ihre Komponisten und Autoren gut zu bedienen und so gesehen ist da bis heute eine völlig absurde Gegnerschaft, die man immer noch nicht ausgeräumt hat. Und um das zu vermeiden und nicht als Industrieverlag zu gelten, habe ich das alles getrennt. Ich habe das Tonträgergeschäft vom Autoren- und Komponistengeschäft getrennt. Deshalb habe ich aus der "Nordton" einen lupenreinen Verlag gemacht, der also wirklich nur Autoren- und Komponistenrechte verwertete, und habe "Pool" als Industrielabel, also als richtiges Tonträger-Label, gegründet. Ich kann gar nicht mehr genau sagen, wann das war.

 

puhdyssingle 20121218 1982276631Welches war denn das erste Album eines DDR-Künstlers, das auf Pool erschienen ist?
Das war CITY mit "Am Fenster".

 

Dann muss das 1978 oder 1979 gewesen sein.
Ja, das kann sein. Das kommt hin. Meine erste veröffentlichte Schallplatte war aber was anderes. Ich weiß nicht, ob du Percewood's Onagram kennst... Wolfgang Michels?

 

Nein, das sagt mir erstmal nichts.
Ich habe einen jungen Mann aus Delmenhorst kennen gelernt, der hieß Wolfgang Michels, der ein Trio hatte, das sich "Percewood's Onagram" nannte. Perthwood ist eine Figur, vergleichbar mit Rübezahl. Es gibt einen bestimmten Artikel, der wird Gramm-weise gehandelt. Und wenn Du "auf einem Gramm" bist, also "onagram", dann bist Du auf Koks oder auf Canabis. Also könnte man den Bandnamen mit "Rübezahl ist auf'm Tripp" übersetzen. So hieß die Gruppe, und so heißt die Band heute noch. Es gibt Platten von denen, die sind wirklich gelungen… bis zum heutigen Tag! Das ist ein unentdecktes Genie. Ich habe davon die erste Platte mit Wolfang Michels gemacht. Sie hatte ein graues Cover mit einem roten Punkt drauf. Den Plattentext hat Alexis Corner gemacht. Und das war die erste Platte beim "Nordton"-Verlag. Er ist bis heute ein "unentdecktes" Talent. Er arbeitet nach wie vor als Musiker, aber der Durchbruch ist ihm bis jetzt nicht gelungen. Und wie das so ist, wenn einem Musiker zunächst mal der Erfolg verwehrt bleibt, muss er irgendwie Geld verdienen. Wolfgang war damals bei der Teldec beschäftigt. In alter Verbundenheit besuchte ich ihn mal bei der Teldec als ich in Hamburg war. Irgendwie kamen wir ins Gespräch und ich spielte ihm "Am Fenster" vor. Er fand den Song auch gut. Wolfgang sagte dann: "Du warte mal, ich geh mal nach hinten zu meinem Vorgesetzten." Er spielte das Lied dann seinem Vorgesetzten, das war damals Robert Hertwig, vor und kam zurück mit den Worten: "Du, das wollen wir haben, das ist wirklich schön." Das war dann mein erster Deal mit Teldec. Dort fühlte ich mich auch sehr wohl, weil das Arbeiten mit der Teldec wesentlich einfacher war als bei Hansa. Inzwischen war ich auch schon etwas bekannter in der DDR, und die Künstleragentur sagte: "Wir haben da noch eine Gruppe, die würden wir Ihnen vielleicht mal ans Herz legen. Schauen Sie sich die Band doch mal an. Sie heißt Karat." Ich glaube, ich hatte zu der Zeit schon ein Dauervisum von der DDR oder zumindest ein zeitlich etwas erweitertes Visum, so dass ich kurzfristig nach Halle fahren und mir die Band anschauen konnte. Irgendwo in Halle hoch auf einem Hügel, ich weiß nicht mehr genau, wie der Laden hieß. Ich kam dort etwas zu spät an und kam in einen Raum, in dem etwa 500 Leute saßen. Karat war schon auf der Bühne, in Seidenhemden und Stulpenstiefel gekleidet. Herbert Dreilich saß am Keyboard und Ed Swillms spielte Cello… das war eine tolle Sache! Aber die hatten einen Sänger dabei, mit dem ich überhaupt nicht klar kam. Wenn Dreilich den "König der Welt" sang, funktionierte das sehr gut. Aber die hatten damals noch Hans-Jürgen "Neumi" Neumann dabei. Der war toll, das ist ja auch ein hochbegabter Mensch gewesen. Ein grandioser Sänger, der nach meinem Dafürhalten überhaupt nicht zu KARAT passte. Ich habe die Band dann auch das erste Mal kennen gelernt. Als ich von Halle zurück fuhr war mir klar, dass, wenn ich die Gruppe nehmen sollte, dann nur ohne Neumann. Das habe ich später auch bei der Künstleragentur vorgetragen. Damals gab es bei der Amiga einen neuen Chef-Redakteur. Das war René Büttner, direkter Nachfolger des H.P. Hofmann, von dem ich vorhin erzählt habe. Dem habe ich das auch gesagt: "Wenn die Gruppe was werden will, dann müssen die sich von ‚Neumi' trennen. Das, was die so machen, mit den ruhigen und von Dreilich gesungenen Nummern, ist wunderschön. Daraus kann man was machen. Aber Neumann bringt die Sache immer wieder in eine völlig falsche Richtung. Der muss raus aus der Band, dann wird das was." Das ist dann zwar für Neumi und zunächst auch für die Band schmerzhaft gewesen, aber es war richtig. Neumi musste dann raus aus der Band. Aber es war, wie wir heute wissen, richtig.

 

Offiziell hieß es aber, dass er wegen seiner Armeezeit aus der Band ausgeschieden ist.
Ja, er musste auch zur Armee, es gab aber trotzdem keinen Grund, ihn in der Band zu halten. Aber bei der Fahne waren sie ja alle. Es konnte ja sein, dass Neumi das Vergnügen noch vor sich hatte und dann zur Armee ging. Später hat er sehr eigenwillige Sachen versucht. Ich hätte mir durchaus auch zugetraut, Neumi zu managen. Aber ich hatte alle Hände voll zu tun mit den drei Bands, die ich jetzt hatte, Karat, City und Puhdys, später dann auch Veronika Fischer. Sie haben mich voll ausgefüllt. Ich konnte nicht allen Bands gerecht werden. Ich konnte ja nicht alle in den Westen holen, denn das wäre dann auch inflationär gewesen. Ich habe mich auf die eben genannten drei Bands beschränkt, von denen ich auch wusste, dass sie interessant waren und jede für sich ihre eigene Farbe hatte.



Du hast praktisch vier Bands bzw. Künstler im Westen sehr intensiv vertreten...

Ja, stimmt genau.

 

Dann stellt sich mir die Frage, warum es andere Bands, die ebenfalls viel Potential hatten, nicht mit dabei waren, den Westen zu erobern, Du Dich ihnen also nicht so intensiv zugewendet hast, wie den genannten Acts. Da gibt es z.B. die Stern-Combo Meißen, die feiern derzeit ihr 45. Jubiläum...
Ja, aber das war mir zu bombastisch und hat mich auch nie so angesprochen.

 

Die Leute aus dem Westen, denen man die Combo so vorspielt, sagen eigentlich alle, dass das zu der Zeit damals hier im Westen abgegangen wäre wie die Feuerwehr. Es wäre erfolgreich geworden, hätte es das hier gegeben.
Kann sein. Aber eine Platte habe ich von denen veröffentlicht. Ich habe auch eine Platte von Magdeburg veröffentlicht. Außerdem habe ich auch zwei Doppel-Alben veröffentlicht, um eben diesen ganzen Gruppen, die da hießen "Prinzip", "Electra" und "Berluc", gerecht zu werden. Von Electra habe ich übrigens auch eine ganze Platte veröffentlicht.

 

Von "WIR" hast Du auch eine in der BRD veröffentlicht...
Ja, das war aber ein Irrtum! Es war eine Gefälligkeits-Veröffentlichung. Dem Ziegler hab ich immer gesagt, dass er nie ein Rocker wird. Das ist ein gutes Beispiel für eine konstruierte Nummer. Da hat sich das Komitee für Unterhaltungskunst vier richtige Saubermänner und noch eine Frau dazu genommen und gesagt: "Nun spielt mal schönen, sauberen Rock." Das musste in die Hose gehen. Ich hab mich vor den Karren spannen lassen und gesagt: "In Gottes Namen, dann veröffentliche ich es eben." Aber mit Ziegler kam ich nie klar. Der konnte nur Schlager singen, was er am Ende auch sehr erfolgreich gemacht hat. Er konnte sich verkleiden wie er wollte, mit Leder und Heavy und was weiß ich, aber ein Rocker war er nie. Das war alles verlogene Getue, und das habe ich auch laut gesagt. Auch das Publikum ließ sich nicht betrügen. WIR ist nie angenommen worden, das war einfach Mist! Hab ich die wirklich veröffentlicht? Das habe ich irgendwie verdrängt...

 

Ja, wie gesagt: Die Platte hat es im Westen gegeben.
Die Musik ist gehobener Schlager, aber mehr ist es auch nicht. Ziegler ist ein Schlagerfuzzi, und das sage ich im allerbesten Sinne. Das macht er sehr gut, hätte das aber schon früher machen sollen. WIR war auf alle Fälle eine konstruierte und zusammengefügte Formation, es war der Wunsch des Komitees. So sauber stellte sich das Komitee für Unterhaltungskunst die DDR-Rockmusik vor. Richtig weichgespült und Persönlichkeiten, die mit dem Kopf genickt haben wenn man ihnen sagte, was sie machen sollten. Furchtbar… Staatlichkeit und Rockmusik schließen einander aus. Das ist wie Feuer und Wasser. Es gab im ZDF damals die erste Rock/Pop-Nacht. Da hatten wir Lindenberg und die Puhdys und WIR musste ich mit rein nehmen, das war Bedingung. Aber nun musste ich noch eine andere Band aus dem deutschsprachigen Ausland finden, damit es einen internationalen Charakter hatte. Ich hatte dann eine österreichische Band und da hieß es, das sei dann ja Großdeutschland, das ginge überhaupt nicht (lacht). Es sollte deutschsprachig sein. Es blieb also nur noch die Schweiz. Dort wurde ich fündig in der Gruppe "Rumpelstielz". Die wussten gar nicht, wie sie zu der Ehre gekommen sind. Jetzt wissen sie's (lacht). Die waren damals bei CBS, eine deutschsprachige Schweizer Band. Und schon war es eine internationale Veranstaltung. Das ging dann: Lindenberg, Puhdys, WIR und Rumpelstielz. Aber zurück zur Frage: Ich habe also zwei Doppel-Alben veröffentlicht, denn mir lag auch selbst sehr viel daran, die Vielfalt, die es in der DDR gab, deutlich zu zeigen. Ich habe mich damit intensiv beschäftigt, die Vielfalt auch im Westen zu zeigen. Darum habe ich z.B. auch Kinderplatten veröffentlicht, z.B. Lakomy mit dem "Traumzauberbaum" oder Gerhard Schöne mit "Kinderland". Die beiden von mir angesprochenen Doppel-Alben hießen "Rock in Deutsch 1" und "Rock in Deutsch 2". Das sind heute wirklich Klassiker, denn die habe ich mit sehr viel Liebe und Sachverstand zusammengestellt. Und da war die Stern-Combo, Electra, Berluc, Prinzip, Bayon, Lift, Pankow, Silly und andere drauf. Natürlich auch Puhdys, Karat und City. Das wurden wirklich zwei tolle Doppel-Alben.

 

Im Verlauf der 80er hatte die Gruppe SILLY aber auch eine Albumveröffentlichung in der BRD. Bist Du daran auch beteiligt gewesen?
Stimmt, ich habe auch von SILLY das erste Album veröffentlicht. Aber die Band selbst wollte nicht mit mir zusammen arbeiten. Ich hatte zwar mit denen gesprochen, aber die wollten lieber mit Jim Rakete arbeiten. Rakete hat's aber leider auch nicht geschafft, die Band durchzusetzen. Ich mochte die Band sehr. Tamara Danz fand ich großartig, aber die konnten sich wohl nicht vorstellen, dass einer, der die Puhdys gut findet, mit ihnen auch noch arbeiten könnte. Das war so der "stille Vorwurf". Ich kannte Matthias Schramm, den ersten Bassisten der Gruppe, der ja inzwischen leider auch schon tot ist. Er war mal nach der Wende kurzzeitig Vertreter bei mir, und mit dem habe ich mich oft unterhalten. Er hat mir auch erzählt, dass ich damals bei SILLY keine Chancen hatte. Ich hätte die gerne gemanagt, denn die Band ist nach wie vor eine tolle Sache.
Die erste Platte hatte ich noch veröffentlicht. Dazu hat Rakete noch ein tolles Foto gemacht, mit der Band und einem Trabbi. Hast Du die Pressung eigentlich?

 

rockndeutsch1 20121218 2007619926Nein, die fehlt mir noch. Allerdings findet man die Westpressung auch so gut wie gar nicht.
Davon habe ich bestimmt noch irgendwo welche. Von der LP habe ich nur eine kleine Auflage gemacht. Ich glaube, es waren 500 Stück. Ich habe in den Jahren eigentlich viele Künstler und Bands veröffentlicht. Auch Uschi Brüning, um die Jazz-Seite mal so ein bisschen zu zeigen.

 

Was für ein Verhältnis hat man zu seinen Künstlern?
Die Puhdys z.B. habe ich veröffentlicht und gemanagt. Und man denkt natürlich auch ans Geldverdienen dabei. Das ist ja auch nichts Unanständiges. Aber Du hast Dein Geld und das Konzept im Hinterkopf, und mit der Zeit entwickelt sich auch ein persönliches Verhältnis zu den Musikern. Maschine z.B. ist ein Rocker. Der hat Rock im Blut. Wäre er in England geboren, könnte er so bekannt wie die Rolling Stones. Da bin ich mir ziemlich sicher. Mit dem Feuer, das der hat, garantiert. Der hätte eine Weltkarriere gemacht. Aber er ist auf dem Boden geblieben. Ich weiß noch, wie mir Maschine die Geschichte erzählt hat, und dafür liebe ich ihn heute noch, wie das damals war, als er seinen Berufsausweis, oder "Pappe", wie das damals hieß, bekommen hat. Damit warst Du dann offiziell Musiker. Vorher ist er einem normalen, "anständigen" Beruf nachgegangen, irgendetwas Handwerkliches. Am Tag nachdem er seine "Pappe" in der Tasche hatte, hat er sich für morgens den Wecker gestellt, auf die Zeit, wo er eigentlich aufgestanden wäre um zur Arbeit zu gehen. Als er professioneller Musiker wurde, musste er das aber nicht mehr und sagte mir: "…da hab ick aus dem Fenster gekiekt, und habe zugekiekt, wie die Leute zur Arbeit gegangen sind. Danach hab ick mir ins Bett gelegt und hab weitergeschlafen." Das hat er so genussvoll, warm und menschlich erzählt, auch von den Freiheiten, die damit verbunden sind, denn Rockmusiker zu sein, heißt ja auch Freiheit, das hat mir gut gefallen und ich hab das bis heute nicht vergessen. Auch Meyer kann wundervoll erzählen. Das ist auch ein verrücktes Huhn bei den Puhdys. Irgendwann habe ich denen in einem Anfall von Größenwahn gesagt, dass wir auch einmal in die USA fahren würden. Dazu ist es dann auch tatsächlich gekommen. Nicht als professionelle Musiker, sondern privat. Aber mein Versprechen, mit den Puhdys in die USA zu fahren, habe ich trotzdem eingelöst. Ich habe sie nach New York, Los Angeles und San Francisco eingeladen. Und das durften wir auch, in die USA reisen und dort einmal links rum und einmal rechts rum reisen und dann über Miami wieder zurück kehren.

 

War das noch zu DDR-Zeiten?
Ja, ja! New York in einer Stretchlimousine mit den Puhdys, das ist schon ulkig gewesen. Maschine hat gesagt, als er am Broadway stand und diesen berühmten Blick auf New York hatte: "Schimmel, alles ziemlich russisch hier." (lacht). Womit er Recht hatte. Diese aufgerissenen Straßen und dieser Dreck. Es ist ja nicht dieser Glitzer und Glimmer, den Du von oben siehst. Wenn Du genau hinguckst, ist New York auch eine unaufgeräumte Hundehütte. Es war damals auch eine ziemlich arme Stadt, wo alles nur notdürftig geflickt war, mit Eisenplatten abgedeckt und dann dampfen die Straßen so. New York war bei mir Liebe auf den zweiten Blick. Dann aber sehr sehr heftig. Das aber nur am Rande... Aber um noch einmal auf die beiden von mir erwähnten Doppel-Alben zurück zu kommen: Damit habe ich versucht, Kultur aus der DDR zu zeigen, und das wurde mir ein persönliches Anliegen. Du kommst aus einem Wegwerf- und Wegschmeiß-Land in ein Land, wo das völlig anders ist und es eine Zweitverwertung gibt. Papier, Glas und Metall wurden gesammelt und wieder aufbereitet. Das kannte ich noch aus meiner Jugend, in der ich Zink und Blei gesammelt und zum Schrotthändler gebracht habe. Die DDR war für mich eine ganz andere Welt. Ich empfand das aber immer als etwas Positives, und das hat mein Leben auch positiv bereichert. Als Westler verlierst Du den Sinn für Werte und schmeißt, was kaputt ist, sofort weg. Du kommst dann in die DDR und bekommst dazu ein völlig neues Verhältnis zu Werten. Da konnte man nicht einfach hergehen und sich einen Manta oder Daimler bestellen und hatte den vier Wochen später. Und manche Dinge gab es eben nicht immer und man musste sich darum kümmern. Das beste Beispiel war für mich Harry Jeske von den Puhdys, der für die ganze Technik zuständig war. Der hat das grandios beherrscht. Er bekam ein bisschen mehr Geld, weil ihm die PA gehörte, aber er musste - egal was passierte - die Technik im Griff haben. Wenn der Vorhang abends um 20:00 Uhr aufging, musste eben alles stehen, funktionieren und in Ordnung sein. Ob das die Technik oder den LKW betraf, völlig egal. Ich werde nie vergessen, wir waren zu einem Konzert in Hof, da ist der W50 in die Knie gegangen. Das war - glaube ich - ein Sonnabendnachmittag und die Puhdys waren ganz entspannt. Eigentlich ist so was eine Katastrophe. Harry hat an diesem Nachmittag mit Ostberlin telefoniert, sich nach der Mugge um 22:30 Uhr in seinen Golf gesetzt und fuhr nach Ostberlin. Am nächsten Tag kam er zurück mit einer neuen Achse für den W50. Jeske habe ich bewundert, was der alles möglich gemacht hat… unglaublich! Ich habe immer gesagt: "Wenn Jeske 100 Jahre früher gelebt hätte, hieße Karstadt heute nicht Karstadt sondern Jeske." (lacht). Er war ein guter Manager. Kein weltberühmter Bassist, sage ich mal ganz vorsichtig, aber wirklich ein erstklassiger Manager. Jeske als Manager, der sich um alles kümmerte, und Meyer als ideologischer Kopf der Gruppe, der auch für Inhalte zuständig war. Dazu noch Maschine und Quaster, die beide Sänger in der Band sind. Wosylus war der Partei-Fritze, das führte auch immer zu Verwerfungen mit Harry Jeske und führte am Ende auch dazu, dass Wosylus die Band verlassen hat und durch Scharfschwerdt ersetzt wurde. Wobei man sagen muss, dass Staatlichkeit, also die Verbindung zum Staat, in jeder Band "stattgefunden" hat.

 

Also kann man abschließend zu dem Thema die Quintessenz ziehen, dass Du alles, was Rang und Namen in der DDR hatte, im Westen gemanagt, oder zumindest auf einem Sampler veröffentlicht hast.
Ja genau, ich habe den Menschen im Westen diese Kunst gezeigt und habe mich mit der Szene bis zum Ende der DDR sehr intensiv beschäftigt. Ich habe sogar nebenbei eine Szene entdeckt… ich weiß nicht, ob Dir der Name Aljoscha Rompe was sagt...

 

Ja, das war der Frontmann der Punkband Feeling B.
Ganz genau! Der ist mir auch sehr ans Herz gewachsen. Ich mochte den Jungen. Ich hatte sogar eine Produktion bei Amiga für die Gruppe durchgesetzt. Wir haben uns dann zur Produktion in der Brunnenstraße getroffen, haben hinten im Hof gegrillt. Wir haben schon einiges zusammen erlebt. Einmal hatte ich einen Termin in Frankreich, und plötzlich steht der da mit seiner Lederhose vor der Tür und sagt: "Da bin ich." (lacht). Dann hab ich ihn mitgenommen und wir sind zusammen durch Frankreich gejuckelt. Aljoscha hat mich damals in der DDR auch in diese Szene eingeführt, von der ich bis dahin nicht wusste, dass es sie gibt. Das war wirklich abenteuerlich. Ich habe dort drei oder vier Läden erlebt, das war wie auf einem anderen Stern. Da gab es Punks und das war so was von verrückt! Und so was in der DDR? Das konnte ich mir gar nicht vorstellen. Ich erinnere mich noch an eine verfallene Kirche, das war nur noch eine Ruine und es fand auch nur an diesem einen Abend dort ein Treffen statt. Da wurde gesoffen und getanzt und dann war das auch schon wieder vorbei. Aljoscha kannte sich dort in der Szene auch wirklich gut aus.

 

Feeling B. hat's aber bis in den Westen nicht geschafft. Kam da die Wende dazwischen?
Ja, so ist es! Es gab dann in meiner Firma auch noch andere Projekte. Was die Musik in der DDR betraf, so fand ich die immer spannend. Die Phase, in der das entstanden war und was uch veröffentlicht hatte und die mich so fasziniert hatte, lag weit zurück. Da entstanden die Sachen, wo man ein bisschen nachgeholfen, und Einfluss genommen hatte. Von alleine waren die Bands da sicher auch nicht drauf gekommen und hätten ohne diesen Einfluss wahrscheinlich auch so eine englische Grütze gemacht, wie es die deutschen Künstler im Westen vorwiegend gemacht haben. Aber diese von der Obrigkeit verordnete Form, Rockmusik mit deutschen Texten zu machen, führte am Ende zu dieser unglaublichen Kreativität. Sowas ist nicht wieder herstellbar, glaube ich… So wie es da war, wird es nie wieder kommen.

 

Die Kunst, Botschaften im Text zu vermitteln, ohne das Kind deutlich beim Namen zu nennen, meinst Du?
Ja, genau, Dinge zwischen den Zeilen geschickt zu verpacken. Es gab auch diese wunderbaren poetischen Werke, die voller Poesie, Zärtlichkeit und Feinsinnigkeit waren. Von einigen Sachen war ich wirklich hingerissen. Es war ein wirkliches Füllhorn an Kreativität, was da über die DDR nieder ging. Ich glaube, dem konnte Amiga auch gar nicht so gerecht werden, denn es gab ja Bands noch und noch. Was dort auch schön war: Sie verdienten ihre Kohle nicht durch Plattenverkäufe und konnten anschließend die Beine hochlegen. Nein, wenn Du in einer Band warst, musstest Du unterwegs sein. Kohle verdienen konntest Du nur durch richtiges Live-Spielen, also durch richtige und ehrliche Arbeit - Handwerk!

 

cityamfenster 20121218 1954138439Naja, eigentlich geht der Trend heute ja wieder in diese Richtung...
Aber das ist doch schön, oder? So gesehen waren die ihrer Zeit weit voraus (lacht). In der DDR gab es festgeschriebene Gagen, die aber nie eingehalten wurden. Es gab immer die Möglichkeit, da noch ein bisschen was drauf zu packen, und das wurde auch fleißig gemacht. Die Musikszene in der DDR war schon eine spannende Zeit. Ich habe die Puhdys auf einer Tour in der DDR auch mal begleitet. Das werde ich nie vergessen. Wir haben Station in Frankfurt/Oder gemacht. Ich war damals mit einem blauen Opel Manta unterwegs mit dem "B" auf dem Nummernschild. In Frankfurt kamen ein paar Leute auf mich zu und sagten: "Du bist doch der Manager von den Puhdys im Westen. Was spielen die Puhdys denn in der Bundesrepublik bei Konzerten?", da habe ich geantwortet: "Das einzige, was sich bei einem Konzert in Braunschweig oder Frankfurt/Oder unterscheidet ist, dass Maschine am Anfang des Konzerts ‚Hallo Braunschweig' statt ‚Hallo Frankfurt' sagt." Das wollte der gar nicht so richtig begreifen, denn er glaubte, die Puhdys würden dort was ganz anderes, was "westliches" machen. Ich sagte dann: "Sei mal ganz beruhigt, die finden drüben genau das gut, was Du auch gut findest." (lacht). Ich glaube, er war darüber ganz glücklich.

 

Mit der Wende ging dann auch ein bisschen die "Pool" unter, oder sehe ich das falsch?
Nein, Pool ist nie untergegangen. Ich habe nur immer das gemacht, was mich interessiert hat. Allerdings hat mich an der Stelle ziemlich wenig interessiert. Ich hatte neben den Sachen aus der DDR auch noch zwei oder drei West-Berliner Bands, die ich sehr mochte. "Bel Ami", um mal eine davon zu nennen, war wirklich "My Cup Of Tea". Die Band wäre richtig groß und gut geworden, aber leider kam mir da was dazwischen. Wir hatten eine Single, die hieß "Berlin bei Nacht". Deshalb gab es etwas Ärger mit einer Gruppe, die hieß "PVC", einer Punkband aus Berlin. Mit denen waren wir eigentlich befreundet, wir hatten im Kant-Kino zusammen mit der Band "Wall City Rock" gemacht, das war so eine Erfindung von uns. Mit dem Programm spielten wir im Kant-Kino am Abend immer vier Stunden und haben dabei eine richtige Mauer aufgebaut. Das lief immer im Wechsel. Mal spielte PVC vorne, ein anderes Mal spielte Bel Ami vorne. Zu PVC hatte ich aber nicht ganz so den Draht. Die haben Punk-Musik gemacht, so kurze Nummern von einer Minute… das war nichts für mich. Und englischsprachig war es auch, das war erst recht nichts für mich. Bel Ami sangen Deutsch, und mit denen verstand ich mich glänzend. Das waren Burkhard Rausch am Schlagzeug, vormals bei der Gruppe "Agitation Free", Lutz Walzberg, der Sänger, Arno Koch am Bass und "Hacki" Werk an der Gitarre. Mit denen haben wir dann eine Platte produziert, also ein Album und eine Single, und beides hieß "Berlin bei Nacht". Und "Berlin bei Nacht" geht zurück auf "Berlin by night" von PVC. Und als wir mit der Single rauskamen, ging der blanke Hass von der Gruppe PVC los, die damals noch keinen Deal hatten. Die behaupteten, dass Bel Ami die Genehmigung hatte, das Stück live auf der Bühne zu spielen, aber nicht um es auf Platte zu veröffentlichen. Dabei hatten wir mit denen einen Handschlagdeal. Dann ging's vor Gericht, wo wir den Prozess verloren haben. Wir mussten die Platte einstampfen. Dabei ging das gerade so richtig los, wir hatten davon schon so ca. 6000 bis 7000 Stück verkauft. Ich produzierte mit der Band eine zweite Platte, die auch ganz ordentlich lief. Jetzt tauchte aber ein Manager auf. Der wusste alles besser. Und tatsächlich ist es ihm gelungen einen Deal mit CBS an Land zu ziehen, mit dem Hintergrund zweier guter Platten, die ich im Vorfeld mit der Band schon produziert hatte. Als erstes tauschte er den Sänger aus, setzte den Jungs komische Mützen auf, zog ihnen irgendwelche Klamotten an, die ihnen überhaupt nicht passten - sie sahen aus wie ein Schwein auf dem Sofa, und so fühlten sie sich auch - und damit ging alles den Bach runter. Diese Platte wurde zu meiner Genugtuung ein grandioser Flop. Die beiden ersten Platten, die ich mit der Band veröffentlicht habe, verkaufe ich heute noch. Der Sänger, Lutz Walzberg, den ich liebe, hat leider eine grauenhafte Krankheit und sitzt heute im Rollstuhl. Das ist furchtbar. Scheiße! Lutz Walzberg trägt dieses Los mit einer Würde und Lebenslust, wie es nur ein Rockmusiker ertragen kann.

 

Und was gab es da noch?
Ich habe auf Pool jedenfalls meine eigenen Sachen veröffentlicht, z.B. George Kranz. Sagt der Dir noch was?

 

Ja, klar! Der Trommeltanz...
Genau! "Din daa daa", den Trommeltanz, habe ich produziert. Das wurde mein größter Erfolg. Damit waren wir sogar in den USA. Das wollte hier in Deutschland auch keine Sau haben. Das wurde in Frankreich und Italien jeweils eine Nummer 1...

 

Auch in den Staaten ging die Platte gut ab, oder?
Ja, da waren wir in den Dance-Charts Nummer 1. Das wurde dann aber auch mein größtes Problem, denn die ausländischen Rechte hatte ich über ein amerikanisches Independent-Label laufen. Ich muss irre gewesen sein, denn wir hätten mit Elektra und Atlantic arbeiten können, denn die wollten das gerne haben und dort veröffentlichen. Meine Philosophie war aber: "Ich bin ein Independent, also arbeite ich mit anderen Independents." Ich habe die Rechte an "Din Daa Daa" an eine kleine Firma in New York gegeben und wir haben siebenstellige Beträge ausgelöst. Der ging aber pleite… Aber gezielt! Ich bekam also kein Geld, hatte aber schon Geld ausgegeben aufgrund der durchaus berechtigten Annahme, dass man mich bezahlen würde. Auf einmal hatte ich eine Million Schulden an der Backe. Das war nicht so schön! Kranz bekam deshalb auch erstmal kein Geld. Er hat sich einen Manager genommen, nämlich Conny Konzack vom Kant-Kino. Und das erste, was Conny machte, war eine Buchprüfung bei mir. Es gibt in der Rockszene auch Sachen, die gehen eigentlich gar nicht. Konzack hatte ich vorher auch noch mit 5000,- DM geholfen als es ihm schlecht ging. Dann wurde er Manager und sagte: "Du musst das verstehen. Ich bin Manager und muss ein bisschen Sturm im Wasserglas machen." Was sich in der Rockmusik auch so tummelt, vom Kopf und vom Herzen kommt da von den wenigsten was. Das meiste kommt da nur vom Arsch. Ich hatte am Anfang Ziele: Ich wollte mal eine Goldene Schallplatte machen, ich wollte einen Erfolg in England haben und das habe ich alles realisiert. Ich bin da ganz entspannt. Ich habe auch Hörbücher gemacht, im Klassikbereich was gemacht und auch im Jazz-Bereich. Ich war schon in Polen und in der Sowjetunion habe ich ein tolles Festival gemacht. Das war das erste Festival in der Sowjetunion mit westlicher Beteiligung überhaupt. Die Welt war prall und voller Abenteuer, die zu erleben waren (lacht). Auch Polen hat mich fasziniert. Ich habe eine Jazz-Serie aufgelegt, die hieß "From Poland with Jazz", auf der ich die ganzen polnischen Klassiker wie z.B. Namyslowski, Komeda und Uranjak hatte. Michael Urbanjak habe ich in New York produziert. Ich habe immer das gemacht, was mir Spaß gemacht hat.

 

Was machst Du heute? "Pool", sagst Du, existiert noch immer...
Ingo Insterburg hat nach der Auflösung von "Insterburg & Co" ein neues Projekt aufgebaut. Dabei habe ich ihm geholfen und seine Platten, die er alleine gemacht hat, aufgelegt. Die laufen auch heute noch wunderbar. Dann habe ich ein paar Hörbücher auf meinem Label. Meine alten Sachen, an denen ich die Rechte habe und die ich selber gemacht habe, die verkaufe ich noch. Außerdem fahre ich im Oktober für 14 Tage nach China. Da gibt es ein paar ganz interessante Sachen. Außerdem habe ich zwei Produktionen vor: Eine ist so gruselig, die mache ich auch nur, weil sie in die Zeit passt. Diese Produktion hat was mit der Unfallhäufigkeit bei jungen Menschen zu tun. Das wird so eine ganz gruselige Autobahn-Nummer, sehr technisch aber mit einem unglaublichen Text und einem sehr guten Sänger. Zuletzt habe ich zwei Jazz-Produktionen gemacht. Rockmusik sehe ich im Moment nicht so auf mich zukommen. Rockmusik im eigentlichen Sinne gibt es auch gar nicht mehr, fürchte ich.

 

Ich muss noch mal auf eine Sache zurückkommen. Du hast mir vorhin erzählt, wie Du mit Mike Krüger in die DDR gefahren bist. Er hat mir in einem Interview im Frühjahr erzählt, er sei in der DDR verboten gewesen. Stimmt das?
Nein, der war nicht verboten. Ich war ja sogar auf Tournee mit ihm in der DDR.

 

Vielleicht hat er da auch nur was durcheinander geworfen. Möglicherweise meinte er, dass er nicht gespielt wurde...
Ja, das stimmt. Er wurde im Radio nicht gespielt. Das hat auch einen ganz einfachen Grund. Man darf das nicht immer nur unter einem idiotischen Verbot sehen. Die DDR verfügte nur über wenigen Devisen. Überleg mal, wenn die alles hätten lizensieren lassen was an ausländischen Musiklizenzen fällig wurde. Das Geld hatten die einfach nicht. So gesehen mussten sie überlegen, was sie spielen, denn das war ja auch überprüfbar. Was nicht überprüfbar war, ich habe z.B. einen Deal mit Mike Krüger beim VEB Deutsche Schallplatte gemacht. Da haben wir ausgemacht, dass da eine Stückzahl von 30.000 Platten gepresst werden durfte. Dass das hinterher 50.000 wurden, konnte keine Sau überprüfen. Aber das war dann geschenkt und man konnte sagen: "Das war dein brüderlicher Beitrag für deine deutschen Brüder und Schwestern." (lacht).

 

In der DDR gab es eine Serie, die "Amiga Quartett" hieß. In dieser Serie wurden auch Westkünstler mit jeweils vier Songs, also quasi eine kleine E.P., veröffentlicht. Hattest Du mit der Vergabe der Rechte auch etwas zu tun?
Nein. Damit nicht. Aber ich war ja auch nicht allein auf der Welt. Ich hatte nebenher auch noch andere Projekte, und die DDR wurde dann später auch von anderen "entdeckt". Entdeckt also in der Form, dass man erkannt hat, dass man da durchaus Honig saugen, sprich mit Lizenzen Geld verdienen konnte. Darum gaben sich später auch die ganzen Firmen die Klinke in die Hand. Die wollten dann auch gerne Karat haben, aber da war die DDR mir sehr lange treu. Irgendwann hat die DDR mich dann rauskaufen lassen. Telefunken/Decca, also Teldec, hatte damals das DMM, "Direct Metal Mastering"-System erfunden. Kurz bevor die CD raus kam.


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Daran kann ich mich noch erinnern. Die Teldec-Scheiben kamen größtenteils in doppelter Ausführung raus. Einmal als normale Pressung und einmal als DMM-Pressung...
Das war wirklich toll. Die Platten haben super geklungen. Vom Klang her hätte man die CD gar nicht gebraucht. Aber wir waren auch im Würgegriff der Hardware-Hersteller. Die Musikindustrie hat immer reagieren müssen. Auch heute wieder mit der Digitalisiererei und Downloaderei. Dieses DMM war eigentlich völlig ok und die CD wollten wir eigentlich gar nicht haben. Das weißt Du, oder?

 

Das habe ich schon mal an anderer Stelle gehört, ja. Aber letztlich war die CD ja nicht aufzuhalten.

Aber warum nicht? Wer hat die CD erfunden? Die Japaner bei SONY. Und die Japaner bekamen keine Lizenzen. Damals hat die Industrie wirklich mal gesagt: "Ihr könnt uns mal. Wir haben Vinyl, wir haben DMM. Das reicht uns, das ist eine tolle Sache." Darauf haben die Japaner gesagt: "Schade, da kann man nichts machen." Was haben die gemacht? Die haben CBS, und damit ihre Lizenzen bzw. Rechte, gekauft. Und schon war die Welt in Ordnung für SONY.

 

Irgendwo habe ich aber gelesen, dass Philips den CD-Player erfunden hat.
Ja, stimmt. Philips hatte auch Rechte an der CD gehabt. Die bekamen für jede hergestellte CD einen bestimmten Betrag. Die waren mit daran beteiligt, das stimmt.

 

Damit kommen wir auch so langsam zum Ende unseres Gesprächs. Wir unterhalten uns jetzt schon über zwei Stunden...
Ach Gott, das hab ich gar nicht mitbekommen (lacht).

 

Ich danke Dir für dieses interessante und sehr ausführliche Gespräch.
Gern geschehen. Ich danke auch.

 

Interview: Christian Reder
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Archive Peter Schimmelpfennig
 
 
 

   
   
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