Herwig Mitteregger
Interview aus Juli 2009 zum Album "Fandango"
Es ist gefühlte acht Wochen her, dass wir die CD "Insolito" hier vorgestellt haben und sich der Künstler selbst für ein Interview bei uns Zeit genommen hat. Und doch ist das schon über ein Jahr her. Seit Anfang Juni steht jetzt die nächste Platte von Herwig Mitteregger in den Läden. Die CD heißt "Fandango" und fällt gleich mit lauten, geilen Gitarrenriffs angenehm auf. Überhaupt ist die zweite Scheibe innerhalb von einem Jahr etwas schneller und auch direkter. Zusammen mit der im letzten Jahr erschienenen CD ist Herwig weiter auf Wiedergutmachungs-Tour, denn seine Fans haben 11 lange Jahre auf neue Töne des Meisters warten müssen. Nach dem Interview mit Herwig im letzten Jahr kamen viele weitere Fragen mit der Bitte, sie ihm zu stellen, wenn er das nächste Mal kommen würde. Nun war er da, und wir haben die Chance wahrgenommen. Neben Fanfragen interessierten aber natürlich auch Infos zur neuen CD, zur geplanten Tour sowie zu Zukunftsplänen aus erster Hand ...
Das zweite Album in zwei Jahren, damit auch das 2. Interview für unser Magazin. Treffen wir uns jetzt jedes Jahr zu einem neuen Interview wieder?
(lacht) Glaub' ich nicht. Das Tempo halte ich wohl nicht durch. "Fandango" ist eine schnelle Reaktion auf die Reaktion auf die CD "Insolito" aus dem letzten Jahr. Im Grunde gehören die beiden Platten zusammen, es ist wie wenn man auf einen Punkt an die Wand schaut und sich abwechselnd das eine Auge, und dann das andere zu hält. Man sieht die gleiche Sache, aber aus zwei Perspektiven. "Fandango" ist hauptsächlich aus der Reaktion meiner Fans entstanden. Die hat mich wirklich positiv überrascht. Ich habe nicht damit gerechnet, dass so viele gute Nachrichten über meine Webseite kommen würden. Das kam so überraschend bei mir an, und darauf musste ein Output folgen. Ich war noch auf der Senderreise für "Insolito", da kamen schon die ersten Texte und Songfragmente, die ich sofort aufgenommen habe. Ich kam wieder zurück und hatte einen Haufen Songskizzen. Dann ging's ab in die Sommerferien, und als die zu Ende waren, hatte ich die meisten Songs schon klar, was selten ist. Denn ich tu' mich immer schwer mit der Form eines Songs, und arbeite meist nicht weiter bevor nicht die Struktur klar ist. Es gibt immer haufenweise Fragmente aber ein Song wird es erst, wenn die Form klar ist. Danach ist alles leichter.
Du hast es mit "Fandango" betitelt. Wer hat das Cover entworfen, und ist die Schreibweise mit dem großen D in der Mitte richtig?
Da ist mir wohl das Blatt weg gerutscht, so dass das D etwas größer ausgefallen ist, als es sein sollte. Eigentlich ist es ein Wort mit drei Silben. Ich hatte wenig Ideen, was ich als Cover machen wollte, saß abends irgendwann am Tisch und fing an Wörter zu kritzeln. Einfach so. Ich weiß nicht, warum mir immer "Fandango" im Kopf herumgeisterte. Es muss auf der Baustelle an meinem Haus in Spanien gewesen sein, lange her, als einer der Jungs Ärger mit einem anderen bekam und meinte: "Jetzt mach mal hier nicht so'n Terz." Und für "Terz" benutzte er "Fandango". Das bedeutet umgangssprachlich tatsächlich soviel wie Aufruhr, Krawall, Hektik. Beim fünften Kritzel-Versuch kam mir das gar nicht so schlecht vor, es passte zur Grundstimmung, aus der ich die Songs entwickelt hatte. Ich hab meinem Freund Max, der die CD-Hüllen gestaltet, die Skizze schnell eingescannt, hingeschickt und er hat dann sofort losgelegt. Meine eigene Handschrift als Titel auf der eigenen Scheibe. Wieviel besser kann es noch werden?! (lacht)
Wenn man die Scheibe durchhört, stellt man fest, dass sie im Vergleich zum Vorjahreswerk "Insolito" sehr rockig geworden ist. Wie kommt's, dass im Jahre 2009 wieder die lauteren Töne im Vordergrund stehen?
Ehrlich gesagt weiß ich das gar nicht. Ich denke da nicht drüber nach, das passiert einfach. Wer mich kennt weiß, dass ich schon immer ein Faible für härtere Musik hatte. Die Spliff-Riffs meiner Songs waren ja auch keine fremde Erfindung sondern alllesamt von mir. Vermutlich musste nach "Insolito" mal wieder etwas mehr Krach gemacht werden. Das gehört zu mir wie die Farbe schwarz zum Raben. "Fandango" ist der laute Gegenpart zu "Insolito".
Du bist mit Deinen Texten wieder mal voll im Zeitgeschehen. U.a. ist da ein Song drauf, den Du mit "HHH" betitelt hast. Die drei H's stehen für Handy, Homepage und Hit im Radio. Dinge, die eine weibliche Schönheit gerne hätte, und der Typ im Song ihr auch bereit ist zu geben. Du bist glücklich verheiratet… Diese Erfahrung mit Abzocker-Bräuten kannst Du also nicht gemacht haben: Woher kommt diese Idee, bzw. diese Geschichte in dem Song?
Naja, ich bin jetzt 20 Jahre mit meiner Frau zusammen, ups... sogar länger! Aber es gab ja auch ein Leben davor… ich will damit nicht sagen, dass ich alles selbst erlebt hätte. Da ist nichts autobiografisch und schon gar nicht aus der "Jetztzeit" geholt. Aber man hat ja so seine Erfahrungen gemacht, und ich würde sagen, ich war da näher dran, als mir im Nachhinein lieb ist. Auch bei manchen Musikerkollegen lässt sich das Gleiche beobachten; wir haben eben alle unsere schwachen Stellen. Ich hatte mit dem Song aber eigentlich diese ganzen blöden Casting-Shows im TV auf dem Kieker. Wie sich die Teenies da von irgendwelchen Koryphäen abservieren lassen, die ellenlange Gedankenpausen in ihre Sätze einbauen, dass man sich fragt, ob die sich den Scheiss nicht hinterher mal selber anschauen möchten um fest zu stellen: Mein Gott, ist das belämmert was ich da mache! Aber naja, ich sehe das nicht verbissen ernst. Überhaupt sollte man die Platte nicht so superernst nehmen, wie manche das momentan machen. Das ist immer noch in der Hauptsache Musik, und mit einem Augenzwinkern erzählt. Kein Mensch würde glauben, dass ich ernsthaft daran denke, nach Alaska zu ziehen oder auf einen Zeltplatz ohne Strom im Harz (Herwig zitiert den Songtext aus "Alaska", Anm. d. Verf.). Das steht für einen gewissen Überdruss, süffisant erzählt. Auf der anderen Seite: Wenn Du einmal bei einem Festival im Matsch gestanden hast, und um dich herum grölt es, und alle haben reichlich intus und "genießen" das Wochenende, dann weiß ich auch nicht, ob das noch meine Art von Veranstaltung ist. Wenn ich das Publikum im Schlamm waten sehe und zwischen den Songs das Geseire von Besoffenen höre will ich eigentlich nur eins: weg!
Ich habe zu "Insolito" im letzten Jahr nur gute Kritiken gelesen. Gleiches gilt für "FanDango", für das es bis jetzt auch nur großes Lob gibt...
Na..?!
Nicht?
Bei "Insolito" gab's auch schlechtere. Also ich habe da schon ein paar gelesen. So ist das nicht.
Wie wichtig sind Dir "Kritikermeinungen" noch? Achtest Du darauf oder gehst Du schnurgerade Deinen Weg?
Das ist schwer zu sagen… als Label muss ich zusehen, dass ich eine gewisse Öffentlichkeit herstelle. Insofern bin ich froh, dass überhaupt jemand was schreibt, und wenn der dann meinen Namen richtig buchstabiert, bin ich schon zufrieden. Jeder soll das schreiben, was er schreiben muss, und sich selber damit die Maske vom Gesicht reißen. Es ist ja eine Wechselwirkung: Den Kritiker verfolgt seine Schreiberei zwar nicht so lange wie den Künstler sein eigenes Werk verfolgt, trotzdem wird ein Kritiker, wenn er sich denn namentlich zu erkennen gibt, an dem gemessen was er schreibt. Ein Kritiker hat Verantwortung, und ob er vom Publikum für sein Tun geschätzt wird, hängt davon ab wieviel oder wie wenig Mist er geschrieben hat. Ich bin immer froh, wenn sich die Leute vorher Informationen holen anstatt drauf los zu schreiben und zu denken, sie hätten das alles schon begriffen. OK, es stimmt schon, dass die große Mehrheit der Kritiken positiv ist, aber ich weiß nicht ob das immer so gut ist. Der alte Spruch heißt ja: "Kritiken verkaufen keine Platten." Ob nun positiv oder negativ. Umstritten zu sein ist gar nicht so schlecht. Wenn man zugeschüttet wird mit Lob freut einen das zwar auf der einen Seite, aber ich bin da sehr vorsichtig. Ich lass mir nicht Honig ums Maul schmieren und schon gar nicht lasse ich mich einseifen. Eine negative Meinung haut mich nicht um, obwohl man manchmal länger damit zu tun hat als einem lieb ist, weil man ja doch eitel ist und wahnsinnig von sich eingenommen...(lacht)
"Fandango" ist wieder ein Album, bei dem Du alles alleine gemacht hast. Man wird den Eindruck nicht los, dass Du diese Arbeitsweise auch bevorzugst, liege ich da richtig?
Ja, absolut! Das macht Spaß und ist einfach eine Herausforderung. Ich frage mich immer, ob ich es schaffe fertig zu werden, oder ob das Ding es schafft, mich fertig zu machen. Bis jetzt ist es aber immer gut gegangen. Ich bin nicht auf dem Kurs, so weiter zu arbeiten, aber bis jetzt macht das in der Form richtig Spaß. Es ist im Grunde die gleiche Arbeitsweise wie bei der Arbeit mit anderen Musikern auch. Ich nehme mir vor, auf einem bestimmten Instrument oder bei einer bestimmten Arrangement-Abteilung etwas fertig zu stellen, und dabei stelle ich an mich die gleichen Anforderungen wie an einen fremden Musiker. Bei einem fremden Musiker kenne ich seine Kapazitäten und Grenzen, und meine kenne ich auch. Ich versuche immer an meine Grenzen zu gehen. Wenn man das Album "Kein Mut - kein Mädchen" von 1983, das auch völlig allein entstanden ist, mit der Platte jetzt vergleicht, die 26 Jahre danach entstanden ist, merkt man schon, dass ich in der Zeit ein bisschen besser geworden bin (lacht).
Was hat sich ansonsten in der Arbeitsweise zwischen dem Debüt-Album "Kein Mut - kein Mädchen" und der aktuellen Platte geändert? Oder arbeitest Du immer noch wie eh und je ...?
Die Arbeitsweise ist dieselbe. Die Technik hat sich verändert. Es gibt weniger, dafür effizientere Knöpfe, an denen man drehen kann. Damals war es ein großes Studio, das Spliff-Studio, in das ich mich in dem heißen Sommer eingeschlossen hatte. Es war noch gar nicht fertig, es war immer noch eine Baustelle… es gab z.B. keine Klimaanlage. Und jetzt habe ich gleich zwei Studios, die aber beide nicht so groß sind, wie das Studio damals in Berlin. Das eine ist ein kleines Homestudio, das andere ist ein bisschen größer, weil dort das Schlagzeug und die Hammond-Orgel, also alles was Krach macht, stehen. Ich pendle zwischen den beiden Orten hin und her und muss, wie wir früher immer gesagt haben, den "Shit immer zusammen haben". Man kann nicht einfach mit einem Laptop unter'm Arm durch die Gegend geistern und hat das, was man zum Weiterarbeiten im anderen Studio braucht, auf dem Ding gar nicht drauf. Man muss gut logistisch unterwegs sein, bevor man loslegt. Das finde ich Klasse, denn ich bin ganz gerne ein Planer. Ich arbeite nicht ins "Blaue" hinein und veranstalte keine Sessions mit der Unendlichkeit.
Auch auf "FanDango" ist wieder ein Spliff-Klassiker in neuem Klanggewand zu hören. Nach "Glaspalast" folgte jetzt "Notausgang". Wie bist Du auf die Idee gekommen, Remakes Deiner Kompositionen aus den 80ern neu aufzunehmen, und warum gerade diese beiden?
Ach, ich finde das eigentlich eine ganz gute Angelegenheit, zumal die beiden Titel ja extrem produziert worden sind. Bei "Notausgang" fehlte damals der Bass, absichtlich natürlich. Das war eine sehr rudimentäre Angelegenheit. Das Arrangement haben wir damals von meinem Demo übernommen, und dabei ist es dann größstenteils geblieben. Ein paar Jahre später hat man dann das Gefühl, dass man den Titel auch noch mal etwas anders klingen lassen könnte. Und das gleiche war vor einem Jahr mit "Glaspalast" der Fall. Der Song war ja ein groß arrangiertes Werk, schon auf dem Demo. Damals fand ich das Klasse. Ich will mit den neuen Versionen gar nichts beweisen, etwa wie vielseitig ich wäre oder so. Es ist einfach die Lust das Stück anders klingen zu lassen. Aber ich glaube, mehr von meinen alten Spliff-Songs bieten sich dazu nicht an. Ich hätte keine Lust, "Deja Vu" oder "Radio" noch mal zu machen. Aber diese Nischen-Songs, die nicht so bekannt geworden sind, wollte ich noch mal in einer anderen Version zeigen.
Mit großer Freude habe ich gelesen, dass Du nach dem musikalischen Comeback jetzt auch das Comeback für die Bühne planst. Weißt Du schon, wer Dich auf den Bühnen verstärken wird? Wie wird das von Dir im letzten Jahr zitierte "große Besteck" aussehen?
Tommy Baldu und Jörg Dudys sind bestimmt dabei, wenn uns nicht bis dahin der Himmel auf den Kopf fällt. Bei den anderen, Keys und Bass, weiß ich es noch nicht. Ich habe da ein Problem mit dem Gesang. Eigentlich müssten alle Mitglieder der Band singen, denn es gibt viele Chöre in den Songs. Ich kann mir schlecht zusätzlich drei Sängerinnen mit auf Tour nehmen, das würde dann den finanziellen Rahmen endgültig sprengen.
Das würd' auch irgendwie nicht passen mit weiblichen Backgroundsängerinnen...
Ach, ich glaube schon. Doch, doch… Ich könnte mir auch `ne Bigband vorstellen (lacht). Noch besser vorstellen könnte ich mir einen Gospel-Chor. Da bin ich grenzenlos. Es ist alles eine Frage der Kohle und wann es passieren kann. Es ist sowieso die Frage, wie man das Ganze auf die Bühne bekommt. Der Anspruch mit dem "großen Besteck", also mit fünf Leuten, Keyboards, Gitarrenanlage und Schlagzeug dabei immer doppelt, damit ich das auch bedienen kann… dafür müssen genug Leute zu den Konzerten kommen. Das ist die Frage: Kann man das riskieren oder nicht? Bis jetzt habe ich noch keinen gefunden der da sagt: "Das machen wir auf jeden Fall." Ich brauche aber jemanden, der dieses Risiko mitgeht.
Also sind die Planungen für diese Live-Geschichte noch gar nicht soweit fortgeschritten...?
Doch, wir arbeiten da ziemlich hart dran. Ich sage zum Stand aber lieber noch nichts, sonst ist hinterher das Geschrei groß, dass ich irgendwas versprochen hätte. Ich komme dann mit Daten raus, wenn ich sie habe.
Bist Du schon bei der Songauswahl? Weißt Du schon, was Du live spielen möchtest?
Größtenteils das was neu ist und natürlich auch ein paar Spliff-Songs, das ist klar.
Wenn ich einen Wunsch äußern dürfte, wäre das "Regen" von Deinem 1992er Album "Wie im Leben". Es war zwar keine Auskopplung, aber ein rattenscharfer Song, den ich heute noch rauf und runter hören könnte. Wäre das was für die Bühne?
Ich weiß nicht... das ist ein sehr langes Stück, ein Opus. Von dieser Sorte habe ich ja eine ganze Menge. Ich finde momentan "Schiff" vom "Insolito"-Album stärker, aber mal gucken. Eigentlich tendiere ich mehr dazu, die neueren Songs als die aus den 90er Jahren zu spielen, weil sich doch eine Menge geändert hat. Ich bin da inzwischen anders drauf. Es ist zum Teil direkter geworden, denn ich mag dieses "durch die Blume", diese vieldeutigen Texte nicht mehr so, die sind mehr in den Hintergrund geraten...
Das macht auch kaum noch einer...
Vielleicht sollte ich das mal wieder mehr in den Vordergrund bringen (lacht).
Du bist 12 Jahre nicht mehr live unterwegs gewesen. Das letzte Mal war - glaube ich - 1997, oder?
Ja!
Hast Du schon Einblicke, was sich in der Live-Szene im Land geändert hat und auf was man besonders achtgeben muss?
Nein, ich habe auch gar keine Lust, da grosse Einblicke zu kriegen. Das überlasse ich vollständig dem Konzertveranstalter.
Einige Fans haben Fragen geschickt, und eine dürfte in diesem Zusammenhang wohl vorhersehbar sein: Wird es eine Live-CD und/oder DVD geben?
Ich bin kein Live-CD/DVD-Fan. Denn da muss alles stimmen und damit alles stimmt, muss man gut eingespielt sein, man sollte also schon längere Zeit zusammen gespielt haben. Und das haben wir erstmal ja nicht. Wenn die Band aber so gut ist, dass man das riskieren kann, dann machen wir das. Ganz klar! Aber von vornherein sagen: "Wir machen jetzt eine Live-DVD" stellt die Sache auf den Kopf! Ich mache nur dann eine Live-DVD wenn ich das Gefühl habe, die Band ist so stark, dass man sie verewigen muss.
Ist das auch der Grund, warum es von Spliff, und von Dir bisher auch noch nicht, bisher noch nichts live auf CD, Video oder DVD gibt?
Wir waren da immer sehr kritisch. Es gibt Live-TV-Auftritte von der Band, die nicht so gut gelaufen sind, als dass ich sie immer und andauernd auf YouTube sehen möchte. Mich nervt auch, dass da ständig Sachen von mir gestreamt werden, die nur dafür gedacht waren einmal im Radio gesendet zu werden. Wenn ich einen Permanent-Auftritt im Internet gewollt hätte, wären diese Aufnahmen anders produziert worden.
Diese Bootlegerei und Mitschneiderei auf Konzerten meinst Du?
Wer auf einem Konzert mitschneidet, hat damit in der Regel nichts Legales vor. Nein, ich meine Radiomitschnitte. Es tut mir jedesmal weh, wenn ich das Zeug höre. Es war im Grunde für diese eine Radiosendung freigegeben, nicht aber für die permanente Verwendung im Internet. Ich weiß gar nicht, ob sich die Leute, die das dort rein stellen, darüber im Klaren sind, dass sie einem damit einen so großen Gefallen gar nicht tun. Aber darüber denken die nicht nach, denn die befriedigen erstmal ihre eigenen Gelüste, und man ist da mehr oder weniger Objekt der Begierde. Wirkliche Fans fragen vorher.
Ja, wir kennen da auch so einen Experten. Das ist ja auch pauschal dieses Problem mit dem Filesharing und In-Umlauf-Bringen von Live-Mitschnitten auf welche Art auch immer. Darum bin ich auch kein Fan von MP3 und Musikladerei...
Die Musikindustrie war in den 90ern so im Rausch und in sich selbst verliebt. Aber du siehst in Frankreich, was da jetzt passiert. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Und auch dass sie in England Google an den Hals gehen, finde ich völlig richtig. Trittbrettfahrerei im kleinen wie im großen Stil ist mies. Wer das nicht kapiert ist kein Musikfan sondern Totengräber. Ausgerechnet in Deutschland ist die Politik was musikalische Urheber-Rechte angeht ängstlich wie das Karnickel vor der Schlange.
Ich erinnere mich an ein sehr geiles Duett mit Ulla Meinecke, "Feuer unter'm Eis", das ich letzte Woche noch aufliegen hatte. Das war… ach was, das IST ein fantastischer Titel. Käme es heute für Dich noch mal in Frage, ein Duett mit einer Gesangspartnerin oder einem -partner einzuspielen?
Klar - nichts gegen eine super Marketing-Hochzeit (lacht). The Marketing makes people sing. Ich weiss nur nicht mehr mit wem das gehen sollte. Ausserdem: Ich bin jetzt mehr als genug im Gespräch und total zufrieden mit dem, was ich in den letzten zwei Jahren, in denen ich intensiv an der Geschichte arbeite, erreicht habe. Ich habe alles alleine hinbekommen, habe eine Entwicklung und spüre mich selber. Das ist mehr als ich jemals erwartet habe.
Ja, dadurch, dass Du Dein eigener Chef bist, hast Du außer Dir selbst auch keinen, auf den Du böse sein kannst, wenn etwas nicht so läuft...
So ist es, ich muss das alles mit mir selber ausmachen. Ich lebe sozusagen in höchster Verantwortung für mich selbst und mit mir selbst. Das kann ich nur jedem empfehlen. Nicht immer alles auf die anderen schieben, nach dem Motto "die anderen sind Schuld". Wenn bei mir was schief läuft, muss ich mir meine eigene Nase im Spiegel angucken und sagen: "Da steht er! Der war´s!" (lacht).
Wir haben schon mal über die äußerst bescheidene Situation im deutschen Radio gesprochen. Wie wurde denn "Insolito" von den Radiostationen angenommen? Hast Du da einen Überblick, ob und wie oft Du dabei warst?
Ja, gar nicht!
Gar nicht????
(lacht) Mehr oder weniger gar nicht! Ich durfte die CD ein paar Mal vorstellen. Bei Interviews haben sie die Platte gespielt, dann nicht mehr. Ich hab allerdings auch nicht die Industrie-Politik gemacht, dass ich aus der CD einen Song ausgekoppelt habe, der dann als Single fungieren sollte. Das habe ich auch diesmal nicht gemacht. Ich finde auch nicht, dass das Singles oder Radiosongs sind, die ich mache. Insofern kann ich denen auch gar keinen Vorwurf machen. Die hätten allerdings so Songs wie "Schiff" oder "Kleiner Campeon" auch ruhig mal im Nachtprogamm einsetzen können. Aber das ist selten passiert. Das öffentlich-rechtliche Radio, die Privaten ja sowieso, sind ja durchformatierte Stationen. Wenn Du da nicht ins Format passt, und das tue ich nicht, wirst Du da halt gnadenlos nicht gespielt. Für meine Musik gibt's kein Format. Meine Amygdala findet genau diesen Zustand unwahrscheinlich sexy und ist in höchster Erregung. Aber irgendwann muss ich mit meiner Amygdala darüber mal ein ernstes Wort haben... Es ist wie es ist: Der Promoter sagt, lass das mit der Singleauskopplung, für diese Musik gibt es kein Format.
Deswegen wird auch nur der größte Scheiß erfolgreich, weil der eben gespielt wird. Songs mit Hand und Fuß, womöglich mit Hintergrund, haben pauschal keine Chance...
Ja, es wird nur das bedient, was es schon gibt. Die Crossover-Sachen müssen sich mühsam durchsetzen. Ich weiß gar nicht, wie das dann gehen soll… Natürlich könnte man als Musiker auf Tour gehen, sich den Arsch abspielen und sich eine Fangemeinde erspielen. Auf Kosten der Familie. Für mich induskutabel.
Es gibt auch Künstler, die tingeln das ganze Jahr durchs Land und spielen live. Sie verdienen mit Plattenverkäufen kein Geld mehr, sondern nur über das Live-Spielen...
Halte ich für eine glatte Lüge und das berühmte Klagen auf hohem Niveau. Die Umsätze sind zurückgegangen, aber dass sie mit CD-Verkäufen gar nichts mehr verdienen ist doch Blödsinn.
Einige Fans haben die Frage gestellt, ob Du in all den Jahren eigentlich die musikalische Arbeit Deiner Kollegen von Spliff verfolgt hast?
Nicht wirklich. Ich habe irgendwann mal, vor 10 oder 13 Jahren, eine fast fertige Produktion von Reinhold Heil und Nina Hagen bekommen, wo es mich schwer gewundert hat, dass er mit ihr noch mal zusammen gearbeitet hat. Obwohl - er war eigentlich der Einzige, der am Ende noch ganz gut mit ihr konnte. Er hat jedenfalls noch diese Platte mit ihr in den 90ern gemacht. Die wurde dann aber nix, glaube ich, dafür war sie dann sauer auf ihn. Ich hab' aufgehört, das zu verfolgen. Dann gab's da ja noch dieses "Bockx auf Spliff"- Ding, den dilettantischsten Hype, der mir je unter gekommen ist. Aber sonst rappelt es da nirgends im Karton. Ich glaube, ich bin der Einzige von den Herrschaften, der noch Songs schreibt.
Ein Fan fragte, ob Du vielleicht die Möglichkeit siehst, Deine ersten Alben auf Dein Label rüber zu holen, und neu zu veröffentlichen. Wäre das für Dich eine Überlegung oder lässt Du das weiter in den Händen der SONY?
Ich habe mich bisher noch nicht darum gekümmert weil ich davor zurückschrecke wieder einen Rechtsanwalt zu beauftragen und wieder den ganzen Hick-Hack zu haben, von dem ich froh bin, ihn los zu sein. Ich möchte mit der Industrie nur noch so wenig wie möglich zu tun haben. Die gehen mir so richtig auf die Nerven. Du kannst Dir nicht vorstellen, WIE die mir auf die Nerven gehen. Das ist so wie mit Tante Erna, die früher jeden Sonntagnachmittag vorbei gekommen ist und Dir alles erzählt hat, was Du nicht hören wolltest. Über ihren Mann, den Krieg und das ganze Gedöns, die Langhaarigen und wieso aus denen nix werden kann, und so weiter… Wenn die auf einmal nicht mehr kommt, so ungefähr fühle ich gerade. Das ist schon eine unwahrscheinliche Erleichterung. Und in diesem Falle müsste ich Tante Erna wieder anrufen und sie um etwas bitten, und dann fängt der Zirkus wieder von vorne an. Dass die mir "Immer mehr" zurückgeben halte ich sowieso für ausgeschlossen.
Damit werden die möglicherweise selbst noch was anstellen. Die Veröffentlichung jährt sich dieses Jahr zum 25. Mal. Da würde es mich nicht wundern, wenn die mit Bonustracks neu aufgelegt würde...
Soll ich dir den Satz dazu sagen?
Ja...
Dazu sind die zu blöd! Andererseits können die veröffentlichen was und wann sie wollen. Die Verträge sind so... leider!
Nach dem letzten Interview fragte mich einer unserer Leser, ob an dem Gerücht, Herwig Mitteregger hätte in den 80ern Kontakt zu den Puhdys gehabt und wollte sogar was mit denen zusammen machen, etwas dran sei. Ich habe dem Leser versprochen, diese Frage zu stellen: Gab es Kontakt zu Dieter Birr, Peter Meyer und Co, und wenn ja, was hattet Ihr verabredet?
Maschine hat irgendwann mal gefragt, ob ich mit ihm was zusammen machen würde. Das war zu der Zeit, als "Immer mehr" rauskam. Da hatten wir in Kassel einen gemeinsamen TV-Auftritt. Er hat mich ein paar Tage später in Berlin angerufen. Die Zeit war aber zu knapp und die ganze Geschichte hat sich dann zerlaufen.
Es gab noch weitere Fanfragen, die ich Dir jetzt mal stellen werde:
Hat Dir in den letzten 20 Jahren auf musikalischer Ebene nicht das zähe Ringen um Ideen und die Interaktion mit anderen Musikern beim Schreiben und Arrangieren von Songs gefehlt?
Zähes Ringen? Das gab's eher immer mit Plattenfirma und Verlag. Wir Musiker haben uns da vergleichsweise spielend verständigt, denn die Songs hat ein jeder zu Hause geschrieben und die Demos waren meistens schon sehr weit entwickelt. Also mussten wir nur für die Schwachstellen Alternativen suchen, was uns nicht schwerfiel. In endlosen Bandsessions das Zeug zu erarbeiten haben wir spätestens mit Fertigstellung des Spliff-Studios aufgegeben, weil dabei eigentlich selten was Gutes herauskam. Irgendwann wussten wir einfach was der Andere so drauf hat, auch ohne dass er es einem ständig vorgespielt hat.
Könntest Du Dir vorstellen, als Abwechslung zur Frontmannrolle für andere Künstler auf Platte oder Tour als Drummer in Erscheinung zu treten?
Muss ich mal meinen Anwalt fragen :-)
Wie viele "Credits" bringt Dir Deine frühere Karriere bei der Vermarktung Deiner aktuellen Sachen?
Mein Gott! Wer will denn sowas wissen? Als ob es dafür ein Messgerät gäbe. Die Medienleute wissen alle wer ich bin, und kennen meine Vergangenheit. Manche winken deshalb ab, manche laden mich ein. Eine Strichliste führe ich darüber nicht. Meine Vergangenheit ist immer dabei, ich verstecke sie nicht. Ich lasse mich allerdings nicht gerne auf sie reduzieren.
Welche musikalischen Wünsche willst Du Dir noch erfüllen?
Ich wünsche mir ein neues Drum-Set. Eines was sich selber aufbaut, selber stimmt und immer gute Laune hat.
Gibt es einen lebenden, noch aktiven (!) Musiker, bei dem Du im Vorprogramm auftreten würdest? Umgekehrt, wen hätte er für ein eigenes Konzert gern als Opener?
Als Opener tauge ich nicht viel, da ich als Rampensau jedem die Show stehle, umgekehrt hätte ich Angst, dass mir Gleiches widerfährt. Das würde mir extrem den Tag versauen.
Das waren erstmal alle Fanfragen. Ich hab dann auch noch eine… Du hast mir im letzten Jahr das nächste Album bereits angekündigt, womit für mich eigentlich klar wurde, dass Du für einen längeren Zeitraum bereits Pläne hattest. Welche musikalischen Ziele hast Du, was möchtest Du erreichen, und welchen Wunsch möchtest Du Dir noch erfüllen? Gibt es da auch schon Gedanken oder Planungen?
Also erstmal möchte ich unbedingt auf die Bühne zurück! Das ist klar! Und ein Herzenswunsch sowieso, obwohl auch ein Kraftakt. Und wenn ich das auf die eine Art nicht hinbekomme, dann muss ich es auf die andere Art probieren. Mein Problem dabei ist, dass ich nicht mit Bongos und Wanderklampfe auf die Bühne gehen kann. Das ist ja das, was man mir jetzt so vorschlägt. Also auch Fans, die sagen: "Mach doch eine Akustik-Tour." Aber Herrschaften bitte… Was soll Mitteregger ohne Schlagzeug auf der Bühne? Das bringt's doch nicht. Und wenn ich schon ein Schlagzeug dabei habe, dann sollte auch ein zweiter Drummer-Kollege mit eigenem Set dabei sein, sonst gibt es keine Drum-Battle. Und ohne Drum-Battle ist es doch eigentlich auch langweilig. Und schon sind wir wieder bei einer größeren Bühne. Ich muss diesen Gordischen Knoten irgendwie durchschlagen, ich weiß momentan nur noch nicht wie. Das ist die Nummer Eins. Nummer Zwei ist die Frage wie es weiter geht. Es ist jetzt eine weiße Fläche vor mir nach diesen beiden Platten, und ich muss sehen, wo der Horizont beginnt. Ich probiere bereits wieder herum. Ich mag Instrumentalmusik, ich habe ein faible für moderne, zeitgenössische Musik, und empfinde nach wie vor die Songschreiberei als Herausforderung. Irgendwo in dieser Zone heftiger Turbulenzen entsteht das Neue...vielleicht ja eine Kinderplatte!
Aha, ganz bestimmt...
Ne, ne... keine Kinderplatte. Die macht Nena (lacht).
Herwig, ich Danke Dir für dieses Interview. Möchtest Du an dieser Stelle noch ein paar Worte an unsere Leser richten?
Ich freue mich, dass es so viele Hörer und Leser von Deutsche Mugge gibt und hoffe, dass Ihr dabei bleibt, weil ich es toll fände, wenn sich deutsche Popmusik besser verkaufen würde, und die Fangemeinde noch grösser werden würde. AHOI!
(lacht) Glaub' ich nicht. Das Tempo halte ich wohl nicht durch. "Fandango" ist eine schnelle Reaktion auf die Reaktion auf die CD "Insolito" aus dem letzten Jahr. Im Grunde gehören die beiden Platten zusammen, es ist wie wenn man auf einen Punkt an die Wand schaut und sich abwechselnd das eine Auge, und dann das andere zu hält. Man sieht die gleiche Sache, aber aus zwei Perspektiven. "Fandango" ist hauptsächlich aus der Reaktion meiner Fans entstanden. Die hat mich wirklich positiv überrascht. Ich habe nicht damit gerechnet, dass so viele gute Nachrichten über meine Webseite kommen würden. Das kam so überraschend bei mir an, und darauf musste ein Output folgen. Ich war noch auf der Senderreise für "Insolito", da kamen schon die ersten Texte und Songfragmente, die ich sofort aufgenommen habe. Ich kam wieder zurück und hatte einen Haufen Songskizzen. Dann ging's ab in die Sommerferien, und als die zu Ende waren, hatte ich die meisten Songs schon klar, was selten ist. Denn ich tu' mich immer schwer mit der Form eines Songs, und arbeite meist nicht weiter bevor nicht die Struktur klar ist. Es gibt immer haufenweise Fragmente aber ein Song wird es erst, wenn die Form klar ist. Danach ist alles leichter.
Du hast es mit "Fandango" betitelt. Wer hat das Cover entworfen, und ist die Schreibweise mit dem großen D in der Mitte richtig?
Da ist mir wohl das Blatt weg gerutscht, so dass das D etwas größer ausgefallen ist, als es sein sollte. Eigentlich ist es ein Wort mit drei Silben. Ich hatte wenig Ideen, was ich als Cover machen wollte, saß abends irgendwann am Tisch und fing an Wörter zu kritzeln. Einfach so. Ich weiß nicht, warum mir immer "Fandango" im Kopf herumgeisterte. Es muss auf der Baustelle an meinem Haus in Spanien gewesen sein, lange her, als einer der Jungs Ärger mit einem anderen bekam und meinte: "Jetzt mach mal hier nicht so'n Terz." Und für "Terz" benutzte er "Fandango". Das bedeutet umgangssprachlich tatsächlich soviel wie Aufruhr, Krawall, Hektik. Beim fünften Kritzel-Versuch kam mir das gar nicht so schlecht vor, es passte zur Grundstimmung, aus der ich die Songs entwickelt hatte. Ich hab meinem Freund Max, der die CD-Hüllen gestaltet, die Skizze schnell eingescannt, hingeschickt und er hat dann sofort losgelegt. Meine eigene Handschrift als Titel auf der eigenen Scheibe. Wieviel besser kann es noch werden?! (lacht)
Wenn man die Scheibe durchhört, stellt man fest, dass sie im Vergleich zum Vorjahreswerk "Insolito" sehr rockig geworden ist. Wie kommt's, dass im Jahre 2009 wieder die lauteren Töne im Vordergrund stehen?
Ehrlich gesagt weiß ich das gar nicht. Ich denke da nicht drüber nach, das passiert einfach. Wer mich kennt weiß, dass ich schon immer ein Faible für härtere Musik hatte. Die Spliff-Riffs meiner Songs waren ja auch keine fremde Erfindung sondern alllesamt von mir. Vermutlich musste nach "Insolito" mal wieder etwas mehr Krach gemacht werden. Das gehört zu mir wie die Farbe schwarz zum Raben. "Fandango" ist der laute Gegenpart zu "Insolito".
Du bist mit Deinen Texten wieder mal voll im Zeitgeschehen. U.a. ist da ein Song drauf, den Du mit "HHH" betitelt hast. Die drei H's stehen für Handy, Homepage und Hit im Radio. Dinge, die eine weibliche Schönheit gerne hätte, und der Typ im Song ihr auch bereit ist zu geben. Du bist glücklich verheiratet… Diese Erfahrung mit Abzocker-Bräuten kannst Du also nicht gemacht haben: Woher kommt diese Idee, bzw. diese Geschichte in dem Song?
Naja, ich bin jetzt 20 Jahre mit meiner Frau zusammen, ups... sogar länger! Aber es gab ja auch ein Leben davor… ich will damit nicht sagen, dass ich alles selbst erlebt hätte. Da ist nichts autobiografisch und schon gar nicht aus der "Jetztzeit" geholt. Aber man hat ja so seine Erfahrungen gemacht, und ich würde sagen, ich war da näher dran, als mir im Nachhinein lieb ist. Auch bei manchen Musikerkollegen lässt sich das Gleiche beobachten; wir haben eben alle unsere schwachen Stellen. Ich hatte mit dem Song aber eigentlich diese ganzen blöden Casting-Shows im TV auf dem Kieker. Wie sich die Teenies da von irgendwelchen Koryphäen abservieren lassen, die ellenlange Gedankenpausen in ihre Sätze einbauen, dass man sich fragt, ob die sich den Scheiss nicht hinterher mal selber anschauen möchten um fest zu stellen: Mein Gott, ist das belämmert was ich da mache! Aber naja, ich sehe das nicht verbissen ernst. Überhaupt sollte man die Platte nicht so superernst nehmen, wie manche das momentan machen. Das ist immer noch in der Hauptsache Musik, und mit einem Augenzwinkern erzählt. Kein Mensch würde glauben, dass ich ernsthaft daran denke, nach Alaska zu ziehen oder auf einen Zeltplatz ohne Strom im Harz (Herwig zitiert den Songtext aus "Alaska", Anm. d. Verf.). Das steht für einen gewissen Überdruss, süffisant erzählt. Auf der anderen Seite: Wenn Du einmal bei einem Festival im Matsch gestanden hast, und um dich herum grölt es, und alle haben reichlich intus und "genießen" das Wochenende, dann weiß ich auch nicht, ob das noch meine Art von Veranstaltung ist. Wenn ich das Publikum im Schlamm waten sehe und zwischen den Songs das Geseire von Besoffenen höre will ich eigentlich nur eins: weg!
Ich habe zu "Insolito" im letzten Jahr nur gute Kritiken gelesen. Gleiches gilt für "FanDango", für das es bis jetzt auch nur großes Lob gibt...
Na..?!
Nicht?
Bei "Insolito" gab's auch schlechtere. Also ich habe da schon ein paar gelesen. So ist das nicht.
Wie wichtig sind Dir "Kritikermeinungen" noch? Achtest Du darauf oder gehst Du schnurgerade Deinen Weg?
Das ist schwer zu sagen… als Label muss ich zusehen, dass ich eine gewisse Öffentlichkeit herstelle. Insofern bin ich froh, dass überhaupt jemand was schreibt, und wenn der dann meinen Namen richtig buchstabiert, bin ich schon zufrieden. Jeder soll das schreiben, was er schreiben muss, und sich selber damit die Maske vom Gesicht reißen. Es ist ja eine Wechselwirkung: Den Kritiker verfolgt seine Schreiberei zwar nicht so lange wie den Künstler sein eigenes Werk verfolgt, trotzdem wird ein Kritiker, wenn er sich denn namentlich zu erkennen gibt, an dem gemessen was er schreibt. Ein Kritiker hat Verantwortung, und ob er vom Publikum für sein Tun geschätzt wird, hängt davon ab wieviel oder wie wenig Mist er geschrieben hat. Ich bin immer froh, wenn sich die Leute vorher Informationen holen anstatt drauf los zu schreiben und zu denken, sie hätten das alles schon begriffen. OK, es stimmt schon, dass die große Mehrheit der Kritiken positiv ist, aber ich weiß nicht ob das immer so gut ist. Der alte Spruch heißt ja: "Kritiken verkaufen keine Platten." Ob nun positiv oder negativ. Umstritten zu sein ist gar nicht so schlecht. Wenn man zugeschüttet wird mit Lob freut einen das zwar auf der einen Seite, aber ich bin da sehr vorsichtig. Ich lass mir nicht Honig ums Maul schmieren und schon gar nicht lasse ich mich einseifen. Eine negative Meinung haut mich nicht um, obwohl man manchmal länger damit zu tun hat als einem lieb ist, weil man ja doch eitel ist und wahnsinnig von sich eingenommen...(lacht)
"Fandango" ist wieder ein Album, bei dem Du alles alleine gemacht hast. Man wird den Eindruck nicht los, dass Du diese Arbeitsweise auch bevorzugst, liege ich da richtig?
Ja, absolut! Das macht Spaß und ist einfach eine Herausforderung. Ich frage mich immer, ob ich es schaffe fertig zu werden, oder ob das Ding es schafft, mich fertig zu machen. Bis jetzt ist es aber immer gut gegangen. Ich bin nicht auf dem Kurs, so weiter zu arbeiten, aber bis jetzt macht das in der Form richtig Spaß. Es ist im Grunde die gleiche Arbeitsweise wie bei der Arbeit mit anderen Musikern auch. Ich nehme mir vor, auf einem bestimmten Instrument oder bei einer bestimmten Arrangement-Abteilung etwas fertig zu stellen, und dabei stelle ich an mich die gleichen Anforderungen wie an einen fremden Musiker. Bei einem fremden Musiker kenne ich seine Kapazitäten und Grenzen, und meine kenne ich auch. Ich versuche immer an meine Grenzen zu gehen. Wenn man das Album "Kein Mut - kein Mädchen" von 1983, das auch völlig allein entstanden ist, mit der Platte jetzt vergleicht, die 26 Jahre danach entstanden ist, merkt man schon, dass ich in der Zeit ein bisschen besser geworden bin (lacht).
Was hat sich ansonsten in der Arbeitsweise zwischen dem Debüt-Album "Kein Mut - kein Mädchen" und der aktuellen Platte geändert? Oder arbeitest Du immer noch wie eh und je ...?
Die Arbeitsweise ist dieselbe. Die Technik hat sich verändert. Es gibt weniger, dafür effizientere Knöpfe, an denen man drehen kann. Damals war es ein großes Studio, das Spliff-Studio, in das ich mich in dem heißen Sommer eingeschlossen hatte. Es war noch gar nicht fertig, es war immer noch eine Baustelle… es gab z.B. keine Klimaanlage. Und jetzt habe ich gleich zwei Studios, die aber beide nicht so groß sind, wie das Studio damals in Berlin. Das eine ist ein kleines Homestudio, das andere ist ein bisschen größer, weil dort das Schlagzeug und die Hammond-Orgel, also alles was Krach macht, stehen. Ich pendle zwischen den beiden Orten hin und her und muss, wie wir früher immer gesagt haben, den "Shit immer zusammen haben". Man kann nicht einfach mit einem Laptop unter'm Arm durch die Gegend geistern und hat das, was man zum Weiterarbeiten im anderen Studio braucht, auf dem Ding gar nicht drauf. Man muss gut logistisch unterwegs sein, bevor man loslegt. Das finde ich Klasse, denn ich bin ganz gerne ein Planer. Ich arbeite nicht ins "Blaue" hinein und veranstalte keine Sessions mit der Unendlichkeit.
Auch auf "FanDango" ist wieder ein Spliff-Klassiker in neuem Klanggewand zu hören. Nach "Glaspalast" folgte jetzt "Notausgang". Wie bist Du auf die Idee gekommen, Remakes Deiner Kompositionen aus den 80ern neu aufzunehmen, und warum gerade diese beiden?
Ach, ich finde das eigentlich eine ganz gute Angelegenheit, zumal die beiden Titel ja extrem produziert worden sind. Bei "Notausgang" fehlte damals der Bass, absichtlich natürlich. Das war eine sehr rudimentäre Angelegenheit. Das Arrangement haben wir damals von meinem Demo übernommen, und dabei ist es dann größstenteils geblieben. Ein paar Jahre später hat man dann das Gefühl, dass man den Titel auch noch mal etwas anders klingen lassen könnte. Und das gleiche war vor einem Jahr mit "Glaspalast" der Fall. Der Song war ja ein groß arrangiertes Werk, schon auf dem Demo. Damals fand ich das Klasse. Ich will mit den neuen Versionen gar nichts beweisen, etwa wie vielseitig ich wäre oder so. Es ist einfach die Lust das Stück anders klingen zu lassen. Aber ich glaube, mehr von meinen alten Spliff-Songs bieten sich dazu nicht an. Ich hätte keine Lust, "Deja Vu" oder "Radio" noch mal zu machen. Aber diese Nischen-Songs, die nicht so bekannt geworden sind, wollte ich noch mal in einer anderen Version zeigen.
Mit großer Freude habe ich gelesen, dass Du nach dem musikalischen Comeback jetzt auch das Comeback für die Bühne planst. Weißt Du schon, wer Dich auf den Bühnen verstärken wird? Wie wird das von Dir im letzten Jahr zitierte "große Besteck" aussehen?
Tommy Baldu und Jörg Dudys sind bestimmt dabei, wenn uns nicht bis dahin der Himmel auf den Kopf fällt. Bei den anderen, Keys und Bass, weiß ich es noch nicht. Ich habe da ein Problem mit dem Gesang. Eigentlich müssten alle Mitglieder der Band singen, denn es gibt viele Chöre in den Songs. Ich kann mir schlecht zusätzlich drei Sängerinnen mit auf Tour nehmen, das würde dann den finanziellen Rahmen endgültig sprengen.
Das würd' auch irgendwie nicht passen mit weiblichen Backgroundsängerinnen...
Ach, ich glaube schon. Doch, doch… Ich könnte mir auch `ne Bigband vorstellen (lacht). Noch besser vorstellen könnte ich mir einen Gospel-Chor. Da bin ich grenzenlos. Es ist alles eine Frage der Kohle und wann es passieren kann. Es ist sowieso die Frage, wie man das Ganze auf die Bühne bekommt. Der Anspruch mit dem "großen Besteck", also mit fünf Leuten, Keyboards, Gitarrenanlage und Schlagzeug dabei immer doppelt, damit ich das auch bedienen kann… dafür müssen genug Leute zu den Konzerten kommen. Das ist die Frage: Kann man das riskieren oder nicht? Bis jetzt habe ich noch keinen gefunden der da sagt: "Das machen wir auf jeden Fall." Ich brauche aber jemanden, der dieses Risiko mitgeht.
Also sind die Planungen für diese Live-Geschichte noch gar nicht soweit fortgeschritten...?
Doch, wir arbeiten da ziemlich hart dran. Ich sage zum Stand aber lieber noch nichts, sonst ist hinterher das Geschrei groß, dass ich irgendwas versprochen hätte. Ich komme dann mit Daten raus, wenn ich sie habe.
Bist Du schon bei der Songauswahl? Weißt Du schon, was Du live spielen möchtest?
Größtenteils das was neu ist und natürlich auch ein paar Spliff-Songs, das ist klar.
Wenn ich einen Wunsch äußern dürfte, wäre das "Regen" von Deinem 1992er Album "Wie im Leben". Es war zwar keine Auskopplung, aber ein rattenscharfer Song, den ich heute noch rauf und runter hören könnte. Wäre das was für die Bühne?
Ich weiß nicht... das ist ein sehr langes Stück, ein Opus. Von dieser Sorte habe ich ja eine ganze Menge. Ich finde momentan "Schiff" vom "Insolito"-Album stärker, aber mal gucken. Eigentlich tendiere ich mehr dazu, die neueren Songs als die aus den 90er Jahren zu spielen, weil sich doch eine Menge geändert hat. Ich bin da inzwischen anders drauf. Es ist zum Teil direkter geworden, denn ich mag dieses "durch die Blume", diese vieldeutigen Texte nicht mehr so, die sind mehr in den Hintergrund geraten...
Das macht auch kaum noch einer...
Vielleicht sollte ich das mal wieder mehr in den Vordergrund bringen (lacht).
Du bist 12 Jahre nicht mehr live unterwegs gewesen. Das letzte Mal war - glaube ich - 1997, oder?
Ja!
Hast Du schon Einblicke, was sich in der Live-Szene im Land geändert hat und auf was man besonders achtgeben muss?
Nein, ich habe auch gar keine Lust, da grosse Einblicke zu kriegen. Das überlasse ich vollständig dem Konzertveranstalter.
Einige Fans haben Fragen geschickt, und eine dürfte in diesem Zusammenhang wohl vorhersehbar sein: Wird es eine Live-CD und/oder DVD geben?
Ich bin kein Live-CD/DVD-Fan. Denn da muss alles stimmen und damit alles stimmt, muss man gut eingespielt sein, man sollte also schon längere Zeit zusammen gespielt haben. Und das haben wir erstmal ja nicht. Wenn die Band aber so gut ist, dass man das riskieren kann, dann machen wir das. Ganz klar! Aber von vornherein sagen: "Wir machen jetzt eine Live-DVD" stellt die Sache auf den Kopf! Ich mache nur dann eine Live-DVD wenn ich das Gefühl habe, die Band ist so stark, dass man sie verewigen muss.
Ist das auch der Grund, warum es von Spliff, und von Dir bisher auch noch nicht, bisher noch nichts live auf CD, Video oder DVD gibt?
Wir waren da immer sehr kritisch. Es gibt Live-TV-Auftritte von der Band, die nicht so gut gelaufen sind, als dass ich sie immer und andauernd auf YouTube sehen möchte. Mich nervt auch, dass da ständig Sachen von mir gestreamt werden, die nur dafür gedacht waren einmal im Radio gesendet zu werden. Wenn ich einen Permanent-Auftritt im Internet gewollt hätte, wären diese Aufnahmen anders produziert worden.
Diese Bootlegerei und Mitschneiderei auf Konzerten meinst Du?
Wer auf einem Konzert mitschneidet, hat damit in der Regel nichts Legales vor. Nein, ich meine Radiomitschnitte. Es tut mir jedesmal weh, wenn ich das Zeug höre. Es war im Grunde für diese eine Radiosendung freigegeben, nicht aber für die permanente Verwendung im Internet. Ich weiß gar nicht, ob sich die Leute, die das dort rein stellen, darüber im Klaren sind, dass sie einem damit einen so großen Gefallen gar nicht tun. Aber darüber denken die nicht nach, denn die befriedigen erstmal ihre eigenen Gelüste, und man ist da mehr oder weniger Objekt der Begierde. Wirkliche Fans fragen vorher.
Ja, wir kennen da auch so einen Experten. Das ist ja auch pauschal dieses Problem mit dem Filesharing und In-Umlauf-Bringen von Live-Mitschnitten auf welche Art auch immer. Darum bin ich auch kein Fan von MP3 und Musikladerei...
Die Musikindustrie war in den 90ern so im Rausch und in sich selbst verliebt. Aber du siehst in Frankreich, was da jetzt passiert. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Und auch dass sie in England Google an den Hals gehen, finde ich völlig richtig. Trittbrettfahrerei im kleinen wie im großen Stil ist mies. Wer das nicht kapiert ist kein Musikfan sondern Totengräber. Ausgerechnet in Deutschland ist die Politik was musikalische Urheber-Rechte angeht ängstlich wie das Karnickel vor der Schlange.
Ich erinnere mich an ein sehr geiles Duett mit Ulla Meinecke, "Feuer unter'm Eis", das ich letzte Woche noch aufliegen hatte. Das war… ach was, das IST ein fantastischer Titel. Käme es heute für Dich noch mal in Frage, ein Duett mit einer Gesangspartnerin oder einem -partner einzuspielen?
Klar - nichts gegen eine super Marketing-Hochzeit (lacht). The Marketing makes people sing. Ich weiss nur nicht mehr mit wem das gehen sollte. Ausserdem: Ich bin jetzt mehr als genug im Gespräch und total zufrieden mit dem, was ich in den letzten zwei Jahren, in denen ich intensiv an der Geschichte arbeite, erreicht habe. Ich habe alles alleine hinbekommen, habe eine Entwicklung und spüre mich selber. Das ist mehr als ich jemals erwartet habe.
Ja, dadurch, dass Du Dein eigener Chef bist, hast Du außer Dir selbst auch keinen, auf den Du böse sein kannst, wenn etwas nicht so läuft...
So ist es, ich muss das alles mit mir selber ausmachen. Ich lebe sozusagen in höchster Verantwortung für mich selbst und mit mir selbst. Das kann ich nur jedem empfehlen. Nicht immer alles auf die anderen schieben, nach dem Motto "die anderen sind Schuld". Wenn bei mir was schief läuft, muss ich mir meine eigene Nase im Spiegel angucken und sagen: "Da steht er! Der war´s!" (lacht).
Wir haben schon mal über die äußerst bescheidene Situation im deutschen Radio gesprochen. Wie wurde denn "Insolito" von den Radiostationen angenommen? Hast Du da einen Überblick, ob und wie oft Du dabei warst?
Ja, gar nicht!
Gar nicht????
(lacht) Mehr oder weniger gar nicht! Ich durfte die CD ein paar Mal vorstellen. Bei Interviews haben sie die Platte gespielt, dann nicht mehr. Ich hab allerdings auch nicht die Industrie-Politik gemacht, dass ich aus der CD einen Song ausgekoppelt habe, der dann als Single fungieren sollte. Das habe ich auch diesmal nicht gemacht. Ich finde auch nicht, dass das Singles oder Radiosongs sind, die ich mache. Insofern kann ich denen auch gar keinen Vorwurf machen. Die hätten allerdings so Songs wie "Schiff" oder "Kleiner Campeon" auch ruhig mal im Nachtprogamm einsetzen können. Aber das ist selten passiert. Das öffentlich-rechtliche Radio, die Privaten ja sowieso, sind ja durchformatierte Stationen. Wenn Du da nicht ins Format passt, und das tue ich nicht, wirst Du da halt gnadenlos nicht gespielt. Für meine Musik gibt's kein Format. Meine Amygdala findet genau diesen Zustand unwahrscheinlich sexy und ist in höchster Erregung. Aber irgendwann muss ich mit meiner Amygdala darüber mal ein ernstes Wort haben... Es ist wie es ist: Der Promoter sagt, lass das mit der Singleauskopplung, für diese Musik gibt es kein Format.
Deswegen wird auch nur der größte Scheiß erfolgreich, weil der eben gespielt wird. Songs mit Hand und Fuß, womöglich mit Hintergrund, haben pauschal keine Chance...
Ja, es wird nur das bedient, was es schon gibt. Die Crossover-Sachen müssen sich mühsam durchsetzen. Ich weiß gar nicht, wie das dann gehen soll… Natürlich könnte man als Musiker auf Tour gehen, sich den Arsch abspielen und sich eine Fangemeinde erspielen. Auf Kosten der Familie. Für mich induskutabel.
Es gibt auch Künstler, die tingeln das ganze Jahr durchs Land und spielen live. Sie verdienen mit Plattenverkäufen kein Geld mehr, sondern nur über das Live-Spielen...
Halte ich für eine glatte Lüge und das berühmte Klagen auf hohem Niveau. Die Umsätze sind zurückgegangen, aber dass sie mit CD-Verkäufen gar nichts mehr verdienen ist doch Blödsinn.
Einige Fans haben die Frage gestellt, ob Du in all den Jahren eigentlich die musikalische Arbeit Deiner Kollegen von Spliff verfolgt hast?
Nicht wirklich. Ich habe irgendwann mal, vor 10 oder 13 Jahren, eine fast fertige Produktion von Reinhold Heil und Nina Hagen bekommen, wo es mich schwer gewundert hat, dass er mit ihr noch mal zusammen gearbeitet hat. Obwohl - er war eigentlich der Einzige, der am Ende noch ganz gut mit ihr konnte. Er hat jedenfalls noch diese Platte mit ihr in den 90ern gemacht. Die wurde dann aber nix, glaube ich, dafür war sie dann sauer auf ihn. Ich hab' aufgehört, das zu verfolgen. Dann gab's da ja noch dieses "Bockx auf Spliff"- Ding, den dilettantischsten Hype, der mir je unter gekommen ist. Aber sonst rappelt es da nirgends im Karton. Ich glaube, ich bin der Einzige von den Herrschaften, der noch Songs schreibt.
Ein Fan fragte, ob Du vielleicht die Möglichkeit siehst, Deine ersten Alben auf Dein Label rüber zu holen, und neu zu veröffentlichen. Wäre das für Dich eine Überlegung oder lässt Du das weiter in den Händen der SONY?
Ich habe mich bisher noch nicht darum gekümmert weil ich davor zurückschrecke wieder einen Rechtsanwalt zu beauftragen und wieder den ganzen Hick-Hack zu haben, von dem ich froh bin, ihn los zu sein. Ich möchte mit der Industrie nur noch so wenig wie möglich zu tun haben. Die gehen mir so richtig auf die Nerven. Du kannst Dir nicht vorstellen, WIE die mir auf die Nerven gehen. Das ist so wie mit Tante Erna, die früher jeden Sonntagnachmittag vorbei gekommen ist und Dir alles erzählt hat, was Du nicht hören wolltest. Über ihren Mann, den Krieg und das ganze Gedöns, die Langhaarigen und wieso aus denen nix werden kann, und so weiter… Wenn die auf einmal nicht mehr kommt, so ungefähr fühle ich gerade. Das ist schon eine unwahrscheinliche Erleichterung. Und in diesem Falle müsste ich Tante Erna wieder anrufen und sie um etwas bitten, und dann fängt der Zirkus wieder von vorne an. Dass die mir "Immer mehr" zurückgeben halte ich sowieso für ausgeschlossen.
Damit werden die möglicherweise selbst noch was anstellen. Die Veröffentlichung jährt sich dieses Jahr zum 25. Mal. Da würde es mich nicht wundern, wenn die mit Bonustracks neu aufgelegt würde...
Soll ich dir den Satz dazu sagen?
Ja...
Dazu sind die zu blöd! Andererseits können die veröffentlichen was und wann sie wollen. Die Verträge sind so... leider!
Nach dem letzten Interview fragte mich einer unserer Leser, ob an dem Gerücht, Herwig Mitteregger hätte in den 80ern Kontakt zu den Puhdys gehabt und wollte sogar was mit denen zusammen machen, etwas dran sei. Ich habe dem Leser versprochen, diese Frage zu stellen: Gab es Kontakt zu Dieter Birr, Peter Meyer und Co, und wenn ja, was hattet Ihr verabredet?
Maschine hat irgendwann mal gefragt, ob ich mit ihm was zusammen machen würde. Das war zu der Zeit, als "Immer mehr" rauskam. Da hatten wir in Kassel einen gemeinsamen TV-Auftritt. Er hat mich ein paar Tage später in Berlin angerufen. Die Zeit war aber zu knapp und die ganze Geschichte hat sich dann zerlaufen.
Es gab noch weitere Fanfragen, die ich Dir jetzt mal stellen werde:
Hat Dir in den letzten 20 Jahren auf musikalischer Ebene nicht das zähe Ringen um Ideen und die Interaktion mit anderen Musikern beim Schreiben und Arrangieren von Songs gefehlt?
Zähes Ringen? Das gab's eher immer mit Plattenfirma und Verlag. Wir Musiker haben uns da vergleichsweise spielend verständigt, denn die Songs hat ein jeder zu Hause geschrieben und die Demos waren meistens schon sehr weit entwickelt. Also mussten wir nur für die Schwachstellen Alternativen suchen, was uns nicht schwerfiel. In endlosen Bandsessions das Zeug zu erarbeiten haben wir spätestens mit Fertigstellung des Spliff-Studios aufgegeben, weil dabei eigentlich selten was Gutes herauskam. Irgendwann wussten wir einfach was der Andere so drauf hat, auch ohne dass er es einem ständig vorgespielt hat.
Könntest Du Dir vorstellen, als Abwechslung zur Frontmannrolle für andere Künstler auf Platte oder Tour als Drummer in Erscheinung zu treten?
Muss ich mal meinen Anwalt fragen :-)
Wie viele "Credits" bringt Dir Deine frühere Karriere bei der Vermarktung Deiner aktuellen Sachen?
Mein Gott! Wer will denn sowas wissen? Als ob es dafür ein Messgerät gäbe. Die Medienleute wissen alle wer ich bin, und kennen meine Vergangenheit. Manche winken deshalb ab, manche laden mich ein. Eine Strichliste führe ich darüber nicht. Meine Vergangenheit ist immer dabei, ich verstecke sie nicht. Ich lasse mich allerdings nicht gerne auf sie reduzieren.
Welche musikalischen Wünsche willst Du Dir noch erfüllen?
Ich wünsche mir ein neues Drum-Set. Eines was sich selber aufbaut, selber stimmt und immer gute Laune hat.
Gibt es einen lebenden, noch aktiven (!) Musiker, bei dem Du im Vorprogramm auftreten würdest? Umgekehrt, wen hätte er für ein eigenes Konzert gern als Opener?
Als Opener tauge ich nicht viel, da ich als Rampensau jedem die Show stehle, umgekehrt hätte ich Angst, dass mir Gleiches widerfährt. Das würde mir extrem den Tag versauen.
Das waren erstmal alle Fanfragen. Ich hab dann auch noch eine… Du hast mir im letzten Jahr das nächste Album bereits angekündigt, womit für mich eigentlich klar wurde, dass Du für einen längeren Zeitraum bereits Pläne hattest. Welche musikalischen Ziele hast Du, was möchtest Du erreichen, und welchen Wunsch möchtest Du Dir noch erfüllen? Gibt es da auch schon Gedanken oder Planungen?
Also erstmal möchte ich unbedingt auf die Bühne zurück! Das ist klar! Und ein Herzenswunsch sowieso, obwohl auch ein Kraftakt. Und wenn ich das auf die eine Art nicht hinbekomme, dann muss ich es auf die andere Art probieren. Mein Problem dabei ist, dass ich nicht mit Bongos und Wanderklampfe auf die Bühne gehen kann. Das ist ja das, was man mir jetzt so vorschlägt. Also auch Fans, die sagen: "Mach doch eine Akustik-Tour." Aber Herrschaften bitte… Was soll Mitteregger ohne Schlagzeug auf der Bühne? Das bringt's doch nicht. Und wenn ich schon ein Schlagzeug dabei habe, dann sollte auch ein zweiter Drummer-Kollege mit eigenem Set dabei sein, sonst gibt es keine Drum-Battle. Und ohne Drum-Battle ist es doch eigentlich auch langweilig. Und schon sind wir wieder bei einer größeren Bühne. Ich muss diesen Gordischen Knoten irgendwie durchschlagen, ich weiß momentan nur noch nicht wie. Das ist die Nummer Eins. Nummer Zwei ist die Frage wie es weiter geht. Es ist jetzt eine weiße Fläche vor mir nach diesen beiden Platten, und ich muss sehen, wo der Horizont beginnt. Ich probiere bereits wieder herum. Ich mag Instrumentalmusik, ich habe ein faible für moderne, zeitgenössische Musik, und empfinde nach wie vor die Songschreiberei als Herausforderung. Irgendwo in dieser Zone heftiger Turbulenzen entsteht das Neue...vielleicht ja eine Kinderplatte!
Aha, ganz bestimmt...
Ne, ne... keine Kinderplatte. Die macht Nena (lacht).
Herwig, ich Danke Dir für dieses Interview. Möchtest Du an dieser Stelle noch ein paar Worte an unsere Leser richten?
Ich freue mich, dass es so viele Hörer und Leser von Deutsche Mugge gibt und hoffe, dass Ihr dabei bleibt, weil ich es toll fände, wenn sich deutsche Popmusik besser verkaufen würde, und die Fangemeinde noch grösser werden würde. AHOI!
Interview: Christian Reder
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Pressematerial Herwig Mitteregger, Manoscrito Music, Jim Rakete, privat
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Pressematerial Herwig Mitteregger, Manoscrito Music, Jim Rakete, privat