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Ein Beitrag von Christian Reder | Fotos: Redaktion (05.01.2020)



Es gibt Dinge, von denen will man nix mehr lesen und hören. Darunter fällt z.B. der ausgelutschte Gag mit dem gemeinsamen Konzert der Puhdys und der Rolling Stones in Peking. Nicht weniger oft haben wir die Geschichte von den 150 Schülern einer Berufsschule in Gardelegen gelesen und gehört, die dafür gesorgt haben, dass die Band in den Tiefen der 70er Jahre und zu DDR-Zeiten überhaupt erstmals medial wahrgenommen wurde. Das ist ganz nett, wenn man es zum ersten Mal hört, nach der gefühlt 427. Wiederholung aber eher nervend. Ebenso möge man uns doch bitte auch mit den Schreckensmeldungen über Tumoren in Darm, Prostata und Lunge verschonen. Sowas möchten wir über unsere musikalischen Helden nicht lesen, denn wir möchten gern noch etwas länger in dem trügerischen Denken verhaftet bleiben, dass unsere Helden nicht krank werden und - so wie sie es uns ja auch selbst schon gesungen haben - ewig leben! Ach ja … und von dem Streit, der zwischen den einst unter dem Namen Puhdys auftretenden Musikanten ausgebrochen ist, wollen wir auch nix mehr wissen. Das könnt Ihr hinter verschlossenen Türen auskaspern, denn den Leuten, die viele Jahre Eure Platten gekauft und Eure Konzerte besucht haben, geht das mächtig auf den Zeiger. Dafür gibt es andere Dinge, über die man gerne liest und über die man sich richtig freuen kann. Dazu gehört z.B. die gelungene Live-Premiere von Klaus Scharfschwerdts NEULAND vor ein paar Tagen in Berlin. Und natürlich auch, dass einer der Puhdys heute 80 wird, nämlich Peter Meyer.

Ein halbes Jahrhundert hat Peter Meyer Musikgeschichte geschrieben. Das "P" seines Vornamens steht für das "P" im Bandnamen Puhdys. Noch bevor es die Band "offiziell" gab, denn die Zeitrechnung begann ja mit dem Konzert im Freiberger Tivoli im November 1969, gehörte Meyer zu den sogenannten Ur-Puhdys, die schon 1965 aus ihm (P), Udo Jakob (U) Harry Jeske (H) und Dieter "Quaster" Hertrampf (D) bestanden. Nachdem die Band durch die staatlich verordnete Teilnahme am NVA-Zirkus zerpflückt wurde, gab es nach abgeleistetem Wehrdienst verschiedene Versuche, sie wieder auf die Beine zu stellen. Damals gab es Episoden mit Helmut Schulte aus Potsdam und einem Sänger aus Berlin. Das funktionierte aber nicht und der Versuch wurde schnell wieder aufgegeben. Kurz darauf kamen Herbert Dreilich, sowie Henry Kotowski und seine Frau, die neben ihm und Harry Jeske musizierten. Zu dieser Zeit orientierte man sich dann auch mehr in Richtung Soul und hatte weniger mit dem Rock'n'Roll zu tun, für den sie später erst bekannt werden sollten. Aber schon ein halbes Jahr später war auch diese Besetzung wieder Geschichte und die "richtigen" Puhdys fanden zueinander. Nach der Entbindung im Kreißsaal des "Tivoli" in Freiberg zogen sie ihr Baby "Puhdys" gemeinsam groß, lehrten ihm Laufen und Sprechen, und trugen es über die Grenzen der DDR hinaus in viele Länder der Welt. Peter Meyer selbst ist in all den Jahren nicht nur an den Tasteninstrumenten und gelegentlich auch am Saxophon zu erleben gewesen. Mit der Musik zu Liedern wie "Vorn ist das Licht", "Vineta", "Der Außenseiter", "An den Ufern der Nacht", "He John", "Was vom Leben bleibt", "Computerträume", "Jahreszeiten", "TV-Show", "Ich will nicht vergessen" oder dem von Gerulf Pannach (RENFT) geschriebenen Text "Was bleibt", die kompositorisch entweder ganz oder in Teilen aus seiner Feder stammen, steuerte er wichtige Mosaiksteine für das Gesamtbild bei, das man sich heute von der Band gemacht hat. Nicht zuletzt feierte die Combo damit sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland - ab den 90ern auch gesamtdeutsch - große Erfolge, die am Ende völlig zurecht mit einem "Echo" für das Lebenswerk ausgezeichnet wurden. Neben den Puhdys blieb dem stillen und bescheidenen Musiker aber noch genug Zeit, auch für Kollegen Lieder zu schreiben, so komponierte er z.B. für Christin und Ralf Dohanetz das Stück "Tanzend durch die Nacht", das diese in den 80ern unter dem Namen C.D. und Ralle veröffentlichten, für Petra Zieger zusammen mit Dieter Birr den Song "Am Sonntag dieser Welt", für Thomas Lück das Stück "Kurschatten", für Dunja Rejter den Song "Immer wieder" und unter einem Decknamen das Lied "Ich hab so großes Heimweh" für die Wildecker Herzbuben. Die deutsche Musikszene hat also reichlich Fingerabdrücke von Peter Meyer, und wenn die Spurensicherung erst mal da ist, kann er das auch nicht mehr leugnen.

"Alt wie ein Baum", wolle man werden, haben er und seine Kollegen viele Jahre lang von der Bühne aus ins Land gesungen. Dies ist Peter Meyer auf jeden Fall gelungen. In einem Berufszweig, in dem "Sex, Drugs & Rock'n'Roll" bei nicht wenigen Kollegen schon sämtliche Lebensgeister weit vor dem Erreichen des 80. Lebensjahres verbraucht haben, ist eine solche Nachricht, wie die über den runden Geburtstag von Peter Meyer mehr als erfreulich. Genauso erfreulich wie die, dass es dem Jubilar gesundheitlich so gut geht. SOWAS liest man gerne. Mit Radfahren und Schwimmen, bevorzugt im heimischen Müggelsee, hält er sich nach eigener Aussage körperlich fit, und den Geist mit Konzertbesuchen auf Betriebstemperatur. Oft ist der Mann mit dem seltsamen Spitznamen "Eingehängt" (über die Herkunft ranken sich viele Geschichten) noch vor den Bühnen diverser Berliner Locations anzutreffen, z.B. wenn Kollegen dort ein neues Live-Programm vorstellen oder ihn ein Künstler mit seiner Musik neugierig gemacht hat. Aber auch er selbst tritt nach Auflösung der Puhdys im Jahre 2016 noch auf. "Ein Puhdy kommt", heißt es auf Plakaten, wenn Peter Meyer die Leute zu seinen Veranstaltungen lockt. Anders als zu Zeiten mit der Band, wo er sich gern mal in einer Ecke der Bühne hinter seinem Instrumentarium versteckt und eher unauffällig seinen Part beigesteuert hat, steht er mit dem eigenen Programm im Mittelpunkt. Er spielt Keyboard und Saxophon, verspricht dem Publikum Geschichten und Lieder aus 50 Jahren Karriere und fördert so ganz nebenbei noch den Nachwuchs, wenn er seinen Enkel Ludwig mit dabei hat und diesen zeigen lässt, was er schon alles kann. Mit ihm gemeinsam produzierte "Eingehängt" im Jahre 2017 sogar eine Single. Der junge Bursche coverte damals den Puhdys-Klassiker "TV Show" und feierte damit sein Debüt.

Das "P" im Namen Puhdys, das schon mit neun Jahren Querflöte und Akkordeon in einem Spielmannszug spielte, könnte sicher mehrere Abende lang Geschichte erzählen. Geschichten über das, was man in 80 Jahren alles erleben kann. Über die Anfänge in den 60ern, über die Zeiten in Sibirien oder an der Erdgasleitung "Freundschaft" in der damaligen UdSSR, der sogenannten "Trasse", wo viele ostdeutsche Arbeiter tätig waren und wo er mit seinen Kollegen für sie Konzerte gab, über Muggen am Hutberg in Kamenz, wo tausende von Leuten vor der Bühne standen und zwei Stunden lang seine Lieder mitsangen, über die Wendezeit, als er und seine Band sich vom Publikum schon längst verabschiedet hatten und er den Niedergang der Kultur des Heimatlandes nur von außen beobachten konnte, über das Comeback in den 90ern, wie man zusehen konnte, wie die Hallen und Plätze, die sie bespielten, immer voller und voller wurden, oder über den endgültigen Abschied im Jahre 2016, als ein Lebenswerk seinen Abschluss fand und dieses Ende sicher besondere Gefühle verursachte. Wenn die Überlieferung stimmt, feiert der Tastenmann seine Geburtstage nicht (mehr). Aber vielleicht sitzt er heute in einer netten gemütlichen Runde bei sich daheim in Berlin, ein feines Getränk vor und nette Menschen um sich und erzählt davon, was eigentlich schon längst ein Buch füllen könnte. Denn das sind die Dinge, die man lesen und hören möchte. Alles Gute zum Geburtstag, Peter "Eingehängt" Meyer. Bleib gesund und möge Dein Wunsch, nochmals mit der Band auf einer Bühne stehen und spielen zu können, in Erfüllung gehen. Das wünsche ich Dir von Herzen!






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