

Ein Beitrag von Mike Brettschneider mit Auszügen aus der
Trauerrede von Andreas Hähle & Fotos von Matthias Ziegert
Am Montag, dem 8. Mai 2017, konnten sich Familie, Freunde, Weggefährten, Kollegen und Bekannte von Norbert Jäger verabschieden, der am 7. April 2017 in seiner Heimatstadt Meißen verstarb. Viele waren der Einladung zur Abschiedsfeier gefolgt. Musikerkollegen Martin Schreier, Bernd "Benno" Fiedler, Gottfried Sieber,

Um 13.00 Uhr - in der Feierhalle des Friedhofs in der Nossener Straße 36 in Meißen war mittlerweile nahezu jeder Platz besetzt - begannen die Glocken feierlich zu schlagen. Im vorderen Bereich der Halle hatten bereits Norberts Musikerkollegen der STERN-COMBO MEISSEN ihre Plätze eingenommen und spielten im Anschluss eine Akustik-Version des Songs "Das große Tor von Kiew" aus dem Zyklus "Bilder einer Ausstellung" von Modest Mussorgski, dessen Text Norbert Jäger 2015 gemeinsam mit Sänger Manuel Schmid verfasste. Andreas Hähle ging durch die Feierhalle nach vorn, verbeugte sich vor Norberts Urne und begann mit seiner Abschiedsrede. Er tat dies souverän, einfühlsam und zuweilen auch mit einem gewissen Augenzwinkern, welches dem Menschen Norbert Jäger wohl am besten gerecht wurde.
Liebe Angehörige, liebe Bekannte, liebe Freunde von Norbert Jäger, liebe Freunde seines Wirkens und Schaffens als Künstler,
heute haben Sie sich hier versammelt, um Abschied zu nehmen. Abschied von einem für Sie ganz besonderen Menschen. Abschied von Norbert Jäger. Nach einem erfüllten Leben, welches ihm vergönnt war. Abschied heißt aber auch: Sich erinnern an die guten wie auch an die gar nicht so guten Zeiten und im Herzen fühlen,

Manchmal, wenn ein Mensch geht, schwanken die Gefühle der Menschen, die zurückbleiben, zwischen Trauer und Erleichterung. Die Erleichterung stellvertretend für den gegangenen Menschen im Sinne von Erlösung. Was schon zu Lebzeiten gefühlt werden konnte, was auch in der so nahen Trauer gefühlt wird und was darüber hinaus in den Herzen der Hinterbliebenen vorrangig erhalten bleibt, ist Dankbarkeit. Und Demut vor dem gelebten Leben und der Art, wie Norbert es bewältigte und gestaltete.
Es wird nicht möglich sein, sein immens reiches künstlerisches und persönliches Leben in all seiner Fülle hier in der dafür viel zu kurzen Abschiedsfeier Revue passieren zu lassen. Doch einige wesentliche Meilensteine und Vorlieben von ihm möchte ich heute im Gedenken an ihn und zur Würdigung seines prägenden Daseins in Erinnerung rufen. Über Norbert zu sprechen ist nicht möglich, ohne auch ein Stück der jüngsten deutschen Musikgeschichte mit zu erzählen.
Die Musiker der STERN-COMBO MEISSEN ließen den 1978 entstandenen Titel "Der weite Weg" erklingen, für den Norbert seinerzeit ebenfalls den Text verfasste.


Zunächst war es eine Amateurtanzkapelle, in der Norbert Jäger die Matador-Orgel spielte und sang. Erst Anfang der siebziger Jahre war es eine Formation aus Berufsmusikern. Norbert scherte zuvor aus der Band aus. In den Jahren 1969 und 1970 spielte er bei der Konkurrenz, dem DRESDEN-EXPRESS. 1971 kehrte er wieder zu den Meißner Sternen zurück. Von da an hauptsächlich als Percussionist, wobei er sich viele Eigenkreationen für seine Instrumentierung einfallen ließ, wie zum Beispiel: das Blech. Jetzt blieb er dort sehr lange, bis 1980, bis er von der NVA zur Reserve eingezogen wurde, ausgerechnet auch in einer Zeit, in der Stern Meißen sich stilistisch vollkommen neu orientierte, was einen massiven Besetzungswechsel nach sich zog. Norbert war - vorerst - mal wieder nicht mit dabei. Live erleben konnte man ihn dennoch bei dem weltmusikalisch orientierten Projekt BAYON. Dort war er auch bei einigen Plattenproduktionen mit beteiligt, u. a. bei den Bayon-Suiten wie auch bei deren bislang letzten Produktion "Tanz der Apsara" im Jahr 2008, dort als Gastmusiker.


Werther Lohse begab sich an das bereitstehende Standmikrofon, gab zwei Anekdoten aus früheren Jahren zum besten und es erklang der auch in der Originalversion von ihm gesungene STERN-COMBO-Klassiker "Die Sage".
"Einschlafen dürfen, wenn man müde ist, und eine Last fallen lassen, die man getragen hat, ist eine wunderbare Sache.", schrieb Hermann Hesse einst. Das Leben ist wie Wasser, ist wie ein Fluss. Nun floss es aus ihm heraus. Und Norbert ... ließ es fließen. Am 7. April schlief er zum letzten Mal ein. Sein wildes Herz war zu müde, um weiter zu kämpfen und hörte auf zu schlagen. Nicht einfach so. Nicht mit Norbert Jäger. Er wollte nicht im Bett sterben. Kurz bevor er uns verließ, verließ er sein Bett. Selbst in dem Moment, als der letzte Gong geschlagen wurde, wollte er - Norbert Jäger - es sein, der den Schlegel dabei führt.
In seiner ihm ganz eigenen Interpretation und in Erinnerung an seinen guten Freund Norbert sang H.C. Schmidt "Tom Traubert's Blues (Waltzing Matilda)".
Der heutige Tag, an dem wir Norbert aus dieser Welt in den Rockerhimmel verabschieden, trägt zwei nennenswerte historische Komponenten in sich, die ihm gefallen würden, obwohl ich glaube, den zweiten kennt er nicht.

Wir verlieren in Norbert einen großartigen kreativen Musiker und Künstler. Zwei Seelen schlugen ach in seiner Brust, die im ewigen Widerstreit miteinander standen. Das Chaos und der Hang zum Perfektionismus. Norbert nannte sich selbst lieber das "Chaoskind". Wenn er handwerklich agierte, und das machte er überaus gerne und häufig, wollte er immer alles perfekt vorbereitet haben, bevor es richtig losging. In der Musik ist es ihm wohl ebenso ergangen. Dadurch ist so manches nicht losgegangen, es war ihm eben nicht perfekt genug. Norbert war - entgegen der landläufigen Vorstellung von einem Musiker - ein Frühaufsteher. Am frühen Morgen war auch seine kreativste Zeit am Tage. Und dennoch wird er in die Geschichte der Stadt Meißen nicht nur als großartiger Sohn der Stadt, sondern auch als Nachtwächter eingehen. Als Marktmeister auf dem Meißner Weihnachtsmarkt kreierte er unter anderen den Rausschmeißer-Spruch:
Hört Ihr Leute, lasst Euch sagen!
Wir woll'n uns heute nicht länger plagen.
Und machen jetzt die Buden dicht.
Geht brav heim, fürchtet Euch nicht.
Das Leben gleicht 'ner Hühnerleiter:
Total beschissen, morgen geht's weiter.

Die Feierstunde endete mit einem musikalischen Auszug aus "Eine Nacht auf dem Kahlen Berge", die Gäste erhoben sich und begleiteten Norbert nun auf dem Weg zu seiner letzten Ruhestätte in einer der Urnenwände unmittelbar neben der Feierhalle.
Kurz nachdem sich alle Anwesenden mit einem letzten Gruß von Norbert verabschiedeten, trafen sich viele von ihnen in der Meißner Gaststätte "Luftbad Spaar", in der die STERN-COMBO MEISSEN im Jahr 1964 ihren ersten Auftritt hatte, wieder. In dieser Runde wurde sich an vieles erinnert, viel erzählt und auch gelacht. Ganz genau so, wie es meinem Freund Norbert - dessen bin ich mir sicher - auch sehr gefallen hätte ...
Vielen Dank an Karla Kotzsch, Andreas Hähle, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Friedhofs in Meißen und an das Team der Gaststätte "Luftbad Spaar", die uns allen einen würdigen und schönen Abschied von Norbert Jäger ermöglichten.