Andi Valandi & Band: "Der Blues ist tot" (Album)

valandi2019 20190111 1586701480VÖ: 22.11.2018 (digital) - 11.01.2019 (auf CD); Label: Eigenvertrieb; Katalognummer: ohne; Musiker: Andi Valandi (Gesang, Gitarre), Selin Hatice Wutzler (Schlagzeug), Frank Dresig (Keyboard, Mundharmonika; Texte & Kompositionen: Andi Valandi; Bemerkung: Vorab digital, zeitversetzt auch auf CD erschienen. Die CD kommt im aufklappbaren Digipak inkl. Booklet mit Abdruck aller Songtexte;

Titel:
Linksversifft • Snapchat • Der Blues ist tot • Erwachsen werden • Nackt • Messerstecher Joe • Der Polizist • Du liebst mich nicht • Immer noch so schön • Hippie • Schlaf bei mir • Das sinkende Schiff


Rezension:
Ich hatte eine Art Deja Vu. Anfang der 80er bekam ich eine Schallplatte geschenkt, auf der vier deutsche Bands vertreten waren. Neben Spliff, die ich damals total scharf fand (heute übrigens noch immer), Extrabreit und Prima Klima war darauf eine Band mit zwei Liedern vertreten, deren Sänger mich sofort faszinierte. Es war die Gruppe Interzone mit dem legendären Heiner Pudelko. Nun war der leider viel zu früh verstorbene Pudelko stimmlich ganz anders unterwegs, aber als ich Andi Valandi das erste Mal mit seiner Musik hörte, musste ich unweigerlich an den Moment in den 80ern denken, als ich Interzone für mich auf dieser gerade beschriebenen Schallplatte entdeckte. Doch sowohl Pudelko und seine Truppe als auch Andi Valandi & Band stammten bzw. stammen aus einem bestimmten Milieu, verwendeten bzw. verwenden den Blues als Teil ihrer musikalischen Handschrift und gingen bzw. gehen einen alternativen Pfad auf ihrem Weg ins Rampenlicht. Und noch eine Parallele ist zu entdecken: Der raue, teils dreckige, und authentische Sound in der Musik. Mit "Der Blues ist tot" präsentiert Andi Valandi mit seiner Formation nun sein drittes Album.

Andi Valandi (Gesang, Gitarre, Texte, Kompositionen), an dessen Seite Selin Hatice Wutzler (Schlagzeug) und Frank Dresig (Keyboard, Mundharmonika) spielen, bezeichnete den von ihm gespielten Stil mal Straßenköterblues. Straßenköter deshalb, weil Valandi einst ein Straßenmusikant war, der das harte Pflaster nun verlassen hat, um ins Tonstudio und auf richtige Bühnen zu gehen, um von dort aus seine Botschaften unter das Volk zu bringen. Bei seinem ersten Album "Liebe im Underground" (2015) war das noch anders. Dies wurde ohne Technik und auch nicht im Studio aufgenommen. Der Klang der Lieder darauf entsprechend borstig und ruppig. Die zweite Scheibe "Krautblues" wurde 2017 dann in einem Studio aufgenommen, was eine hörbare Verfeinerung im Sound mit sich brachte. Das Borstige und Ruppige jedoch blieb trotzdem erhalten. Und auch auf "Der Blues ist tot" ist dieses Erkennungsmerkmal seines Sounds weiter zu hören. Auch wenn er nun mit anderen Aufnahmemöglichkeiten arbeitet, feilt er dies nicht weg, sondern lässt es als angenehmen Grundton weiterbestehen. Allein an diesen paar Sätzen könnt Ihr aber schon herauslesen, dass Andi Valandi von ganz unten kommt und seine eigenen Ideen hat, wie man sein Talent nutzt und seine Vorstellungen über Musik zum Hörer transportiert. Kein einfacher und kuscheliger Weg auf plüschigem Untergrund, wie man ihn bei einer Casting-Show vorfindet, sondern direkt von der Straße mit all seinen heißen und kalten Erfahrungen, die einen als Musiker formen und sensibel für bestimmte Dinge machen. Eigeninitiative ist da gefordert und wird vom Künstler auch an den Tag gelegt. Ihm wird da der Arsch nicht hinterhergetragen. Kein Produktionsteam sorgt für angenehme Raumtemperaturen, ständigen Sonnenschein und gut gekühlte Getränke. Der Dresdner Musiker und seine Kollegen wuppen alles in Eigenregie, und so verbreitet sich die Mischung aus von der Straße kommendem Blues und Punk halt etwas langsamer über die heimischen Stadtgrenzen hinaus ins Land. Dafür aber nachhaltiger und bleibender. Die Kollegen aus den Casting-Shows haben ja nur eine Halbwertzeit von geschätzt 9 Monaten. "Der Blues ist tot" wird da einen weiteren Teil zu beisteuern, dass das mit Andi Valandi weiter so stetig bergauf geht.

Nicht wegen der gewagten Behauptung im Albumtitel, sondern wegen der Musik und der Texte, die man auf der CD finden kann, wird dieses Album ein weiteres Rädchen im Antrieb sein. Nicht zuletzt auch deshalb, weil man sich musikalisch breiter aufgestellt hat. Man ist längst nicht mehr nur in eben erwähnten vier Wänden mit den Namen "Blues" und "Punk" auf dem Klingelschild zu Hause, sondern schaut auch mal beim Nachbarn "Hip-Hop" oder "Swing" vorbei. So nutzt Valandi das große Haus der verschiedenen Stile, um eine WG zu eröffnen, bei der man schon nach wenigen Tönen Lust verspürt, dort für längere Zeit selbst einzuziehen. Es kracht und scheppert ordentlich, die Beats fahren einem ins Gebein und jeder einzelne Song unterhält seinen Hörer ganz ausgezeichnete. Bei all den guten Ideen, was die Verpackung betrifft, sind die Inhalte von Andis Songs immer noch das Hauptmerkmal. Und darauf richten sich auch die Blicke - bzw. die Ohren. Was hat der Mann mit der markanten Stimme so zu sagen? Zuerst bringt er seinen Hörern die eigene Welt und die dazugehörige Anschauung näher. Valandi ist ein Linker, nicht vom Charakter, sondern von der politischen Einstellung her, und diese von ihm gewählte Einstellung stellt er im Titel "Linksversifft" vor. Er macht quasi eine Hymne daraus, und was andere als Beschimpfungen verwenden ("linksversifft und vegan verschwult"), macht sich Valandi zu eigen und nutzt es für seine Lebenseinstellungslandkarte. Dafür darf auch gern mal ein Pipi-Langstrumpf-Zitat herhalten. Im Text des Songs "Snapchat" treffen zwei Welten aufeinander, die gar nicht zusammenpassen wollen, nämlich die des Punks und die des Hipsters. Während der eine von psychedelisch und halluzinogen wirksamen Zeug genascht hat, ist der andere dauernd online und stets "up to date". Da finden sich keine gemeinsamen Themen. Auf Widersprüche in der Lebensgestaltung und falsches Abbiegen vom einst so "bluesigem" Weg weist uns Valandi dann im Song "Der Blues ist tot" hin und man wird nach dem Genuss der Nummer auch gewahr, was hier eigentlich konkret mit dieser als Überschrift auf dem Cover platzierten Provokation eigentlich sagen will. Es ist weniger das Verkünden vom Ableben einer Musikrichtung, sondern mehr die pure Gesellschaftskritik. In "Erwachsen werden" singt uns der junge Musiker ein Lied über seine Weigerung, die Vorzüge des Kindseins abzulegen. Schließlich geht der ganze Spaß verloren, wenn man erstmal erwachsen ist. Außerdem hören wir die Geschichte vom "Messerstecher Joe", in "Der Polizist" eine andere skurrile Geschichte darüber, auf welch seltsame Art und Weise man sich in einen Polizisten verliebt hat, und kurz vor Schluss und dem finalen "Sinkenden Schiff" noch ein Liebeslied mit überraschender Wendung am Ende ("Schlaf bei mir").

Man könnte kurz sagen, dass es auf "Der Blues ist tot" hauptsächlich um eine romantische Welt geht, die zunehmend vom real existierenden Alltag geschluckt wird, und um die Intervention des Hauptakteurs gegen den langsam voranschreitenden Verlust der dort vorzufindenden Ideale. Valandi will diese Welt so ohne Weiteres nicht aufgeben und zeichnet sie deshalb in verschiedenen Farbtönen, um sie seinen Hörern schmackhaft zu machen und darzustellen, dass es auch ein Leben abseits des Spießbürgertums gibt. Nicht unerwähnt lässt Valandi dabei auch mehrfach seine Vorliebe für berauschende Substanzen und deren Konsum ;-) All das und viele andere Geschichten und Botschaften verpackt Valandi mit seinen Mitmusikanten in diesen besonderen Klang aus Rotz und Blut - aus Tränen und dich anschreiender Lebensfreude - aus hart erarbeitetem Handwerk und spielendleicht geborenen Hirngespinsten. Ein komplettes Abenteuer, aufgeteilt in 12 Kapitel! Danke für das Deja Vu und ebenso für die vielen neuen Blues-Momente auf dieser Scheibe. Der Blues ist noch lange nicht tot, wenn sowas wie das hier so plötzlich und überraschend zur Welt kommt.
(Christian Reder)





Songs aus der CD:












   
   
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