Jini Meyer: "Frei sein" (Album)
VÖ: 16.08.2019; Label: Sireena/Broken Silence; Katalognummer: nnb; Musiker: Janine "Jini" Meyer (Gesang, Texte), Henrik Oberbossel (Gitarre), Freddy Hau (Gitarre), Stefan "Gudze" Hinz (Bass), Sven Zumbrock (Schlagzeug); Bemerkung: Dieses Album erscheint sowohl auf CD als auch auf Schallplatte. Ein fertiges Exemplar lag der Redaktion nicht vor, so dass die Rezension über das Abhören von MP3-Dateien erfolgen musste. Nähere Angaben zur Verpackung können daher auch nicht gemacht werden;
Titel: Frei sein • Es ist okay • Lass das Licht an • Ich lass Dich los • Herz bleibt Trumpf • Am Ende des Tages • Sommer2010 • Dein Leben lang • Ich will dass Du weisst • Schmetterlingseffekt • Ein letztes Glas |
Rezension:
Wenn es im Leben mal so richtig kacke läuft, hat man es als Künstler ein Stück weit einfacher. Während die breite Masse in Melancholie versinkt, dabei die Hausbar in regelmäßigen Abständen rauf und runter durchprobiert, wieder das Rauchen anfängt oder die Nachbarschaft mit lauter und gruselig trauriger Musik provoziert, kann ein Maler, Bildhauer oder Musiker all seinen Weltschmerz in ein neues Werk fließen lassen. Für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation, denn nicht nur der Konsument bekommt neue "Ware", auch der Künstler wird seine seelischen Altlasten los. Gerade Liebekummer kann so wunderbar vertont werden. Eine, bei der es in den letzten Jahren nicht immer so rund lief, ist Jini Meyer. Die ehemalige Frontfrau der Gruppe LUXUSLÄRM trennte sich erst von ihrem Langzeitfreund Jan, dem Schlagzeuger von LUXUSLÄRM, löste dann ihre Kapelle auf und bekam liebestechnisch dann gleich noch eins vor den Bug, als eine weitere Beziehung in die Hose ging. Grund genug, sich in Noten und Worten auszutoben, Proberäume und Studios gerade zu rücken und die Bewältigung der negativen Erlebnisse in neue Lieder fließen zu lassen. Das Ergebnis heißt "Frei sein", aber nur auf die Aufarbeitung von persönlichen Problemen und Lebenskrisen wollte sich die Künstlerin nicht beschränken ...
"Ich lass Dich los" kommt noch relativ ruhig und ohne laute Töne daher. Auf einer "Kuschelrock"-Kopplung hat die Nummer trotz ihres warmen Arrangements und der klanglich "glatten See" dennoch nix zu suchen. Es geht um die eben schon erwähnte Trennung vom Partner, den damit verbundenen Schmerz und die Einsicht, dass es zusammen nicht klappen wird, auch wenn man den Menschen eigentlich gar nicht gehen lassen will. Hier schwebt die Stimme der Jini Meyer auf einem Teppich aus Klaviertönen und diese Mischung jagt dem Hörer diverse Wechselbäder über verschiedene Körperteile.
Das Gegenteil davon ist "Herz bleibt Trumpf", in dem nicht nur trotzig das Vorhaben, weiter auf die Liebe zu setzen und sich bei Gelegenheit wieder in ein neues Abenteuer stürzen zu wollen, proklamiert wird, sondern in dem ziemlich laut und bretthart in feinstem Rock die bisher erlittenen Schmerzen raus gehauen werden. Nach hinten raus lässt sich die Meyer von ihrem Leadgitarristen ein verschärftes Solo in ihr hübsches Kleid nähen und erinnert den Rezensenten beim Hören ihrer neuen Platte nicht nur einmal an die große Doro Pesch, der sie von der Power und der Gesangsart nicht nur extrem nahe kommt, sondern auf deren Gebiet sogar neue Akzente setzt.
Ebenso ein ordentliches Pfund zwischen die Hörner gibt es mit "Am Ende des Tages", bei dem man sich vom locker-flockigen Intro nicht in die Irre führen lassen sollte. Ab Sekunde 0:50 kommt der erste Refrain und der pustet Dir ordentlich den Staub aus der Stube. Hier wechselt sich die Ruhe mit der Urgewalt des Rocks immer wieder ab. Zwischen den Refrains gibt es Gelegenheiten zum Luftholen, ehe das Tanzorchester mit seiner Sängerin wieder ansetzt, um mit ihrer Musik Kontinentalplatten zu verschieben. Fette Nummer, fetter Text, fetter Sound!
Wütender bzw. aufgewühlter und zugleich auch voller Stolz auf die neuen Möglichkeiten im Leben shoutet Jini Meyer ihre Botschaft in "Frei sein" raus, während ihr die Band auch hier wieder laut und rockig das dazu passende Gewand schneidert. Das reißt mit, das lässt Dich nicht ruhig sitzen und es hinterlässt vor allen Dingen Spuren. Der Song hat Ohrwurm-Charakter und blieb von allen Stücken der Platte als erstes hängen.
Auf "Frei sein" geht es aber auch um Freundschaften, die über Jahre halten. So wie die zu Anna, die schon lange eine gute Freundin ist, ihr gegenüber immer ehrlich und loyal war und der sie mit "Sommer 2010" ein Geschenk in Liedform gemacht hat. Es handelt von zwei verschieden verlaufende Biographien, denn während die eine in Sachen Rockmusik immer wieder unterwegs ist und ein Leben "on the road" führt, bewegt sich die andere im "normalen" Leben, ist stets geerdet und hat immer den Blick von außen auf das, was die Freundin da so treibt. Und weil diese Freundschaft und Anna so besonders sind, hätte der Text durchaus auch 38 oder mehr Strophen lang werden können, so viel Stoff habe sie gehabt, erzählt mir die Meyer im Interview. Letztlich sind es aber nur zwei geworden, die ihrer Freundin sehr nah gegangen sind und die auch den Hörer nicht unberührt lassen werden.
Der Song "Es ist okay" ist einer dieser typischen Muntermacher aus der Feder von Jini Meyer. Sie hat schon immer Aufbauhilfe für geknickte und von ihrer Umwelt oft gestrafte Menschen gemacht, die entweder irgendwelche Gebrechen oder andere vom Schönheitsideal abweichende Makel haben. Mit treibenden Beats und leckeren Riffs bläst sie dieses Mal den Menschen Wind unter die zerrupften Flügel, die Gefühle oder Vorlieben haben, die abseits der gesellschaftlichen Normen liegen. Denn das ist absolut okay, dass man nicht immer dem Bild entspricht, das die Menschen um einen herum von einem gerne hätten.
"Ein letztes Glas" ist eine Hymne an die Freunde und das Leben. Die Botschaft, immer auch mal inne zu halten und mit den Menschen, die einem wichtig sind, anzustoßen und den Tag mit ihnen ausklingen zu lassen. Nach dem Motto, "So jung wie heute kommen wir nicht wieder zusammen", hat Jini Meyer hier einen Song geschrieben, der als Ballade eher leisere Töne anschlägt, die Verbindung zwischen Freunden aber festigen möchte.
Es ist lauter geworden, wenn es um Jini Meyer geht. Nicht, weil sie altersbedingt langsam Probleme mit dem Gehör hat, sondern weil man Wut und schlechte Stimmungen genauso laut raushauen muss, wie man die Momente feiern sollte, in denen es einem gut geht. Nun hat dem Publikum die Popmusik, die sie einst bei LUXUSLÄRM machte, zwar auch gefallen, aber Jini war schon immer eine echte Rockröhre. Ihre Stimme, einmal ausgeparkt, muss auf die linke Spur und braucht dort ordentlich Gas. Das bekommt sie von den vier Pferdestärken, die sie im Rücken hat. Schon die Angabe, dass hier zwei Gitarren, ein Bass und ein Schlagzeug zugange sind, lassen der Phantasie wenig Spielraum dafür, was auf der Platte wohl zu hören sein wird und dass man eher nicht im Teich von Alexa Feser, Anna Loos oder Jeanette Biedermann fischen möchte. Mit "Frei sein" ist Jini Meyer ein ausgesprochen gutes Werk gelungen, mit dem man eigentlich gar nicht mehr rechnen durfte. Sie war raus aus der Szene, hatte in ihrer Musikschule genug zu tun und war längst in einer Coverband (HEROcks) eingestiegen. Beweisen musste sie eigentlich auch nix mehr, sich selbst am aller wenigsten, aber Gott sei Dank hat sie Freunde, die sie nicht nur gelockt, sondern sie auch wieder auf die Bühne geschubst haben. Gut so, denn die Welt ist jetzt um ein echtes, handgemachtes, ehrliches und extrem scharfes Rockalbum reicher.
(Christian Reder)
Wenn es im Leben mal so richtig kacke läuft, hat man es als Künstler ein Stück weit einfacher. Während die breite Masse in Melancholie versinkt, dabei die Hausbar in regelmäßigen Abständen rauf und runter durchprobiert, wieder das Rauchen anfängt oder die Nachbarschaft mit lauter und gruselig trauriger Musik provoziert, kann ein Maler, Bildhauer oder Musiker all seinen Weltschmerz in ein neues Werk fließen lassen. Für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation, denn nicht nur der Konsument bekommt neue "Ware", auch der Künstler wird seine seelischen Altlasten los. Gerade Liebekummer kann so wunderbar vertont werden. Eine, bei der es in den letzten Jahren nicht immer so rund lief, ist Jini Meyer. Die ehemalige Frontfrau der Gruppe LUXUSLÄRM trennte sich erst von ihrem Langzeitfreund Jan, dem Schlagzeuger von LUXUSLÄRM, löste dann ihre Kapelle auf und bekam liebestechnisch dann gleich noch eins vor den Bug, als eine weitere Beziehung in die Hose ging. Grund genug, sich in Noten und Worten auszutoben, Proberäume und Studios gerade zu rücken und die Bewältigung der negativen Erlebnisse in neue Lieder fließen zu lassen. Das Ergebnis heißt "Frei sein", aber nur auf die Aufarbeitung von persönlichen Problemen und Lebenskrisen wollte sich die Künstlerin nicht beschränken ...
"Ich lass Dich los" kommt noch relativ ruhig und ohne laute Töne daher. Auf einer "Kuschelrock"-Kopplung hat die Nummer trotz ihres warmen Arrangements und der klanglich "glatten See" dennoch nix zu suchen. Es geht um die eben schon erwähnte Trennung vom Partner, den damit verbundenen Schmerz und die Einsicht, dass es zusammen nicht klappen wird, auch wenn man den Menschen eigentlich gar nicht gehen lassen will. Hier schwebt die Stimme der Jini Meyer auf einem Teppich aus Klaviertönen und diese Mischung jagt dem Hörer diverse Wechselbäder über verschiedene Körperteile.
Das Gegenteil davon ist "Herz bleibt Trumpf", in dem nicht nur trotzig das Vorhaben, weiter auf die Liebe zu setzen und sich bei Gelegenheit wieder in ein neues Abenteuer stürzen zu wollen, proklamiert wird, sondern in dem ziemlich laut und bretthart in feinstem Rock die bisher erlittenen Schmerzen raus gehauen werden. Nach hinten raus lässt sich die Meyer von ihrem Leadgitarristen ein verschärftes Solo in ihr hübsches Kleid nähen und erinnert den Rezensenten beim Hören ihrer neuen Platte nicht nur einmal an die große Doro Pesch, der sie von der Power und der Gesangsart nicht nur extrem nahe kommt, sondern auf deren Gebiet sogar neue Akzente setzt.
Ebenso ein ordentliches Pfund zwischen die Hörner gibt es mit "Am Ende des Tages", bei dem man sich vom locker-flockigen Intro nicht in die Irre führen lassen sollte. Ab Sekunde 0:50 kommt der erste Refrain und der pustet Dir ordentlich den Staub aus der Stube. Hier wechselt sich die Ruhe mit der Urgewalt des Rocks immer wieder ab. Zwischen den Refrains gibt es Gelegenheiten zum Luftholen, ehe das Tanzorchester mit seiner Sängerin wieder ansetzt, um mit ihrer Musik Kontinentalplatten zu verschieben. Fette Nummer, fetter Text, fetter Sound!
Wütender bzw. aufgewühlter und zugleich auch voller Stolz auf die neuen Möglichkeiten im Leben shoutet Jini Meyer ihre Botschaft in "Frei sein" raus, während ihr die Band auch hier wieder laut und rockig das dazu passende Gewand schneidert. Das reißt mit, das lässt Dich nicht ruhig sitzen und es hinterlässt vor allen Dingen Spuren. Der Song hat Ohrwurm-Charakter und blieb von allen Stücken der Platte als erstes hängen.
Auf "Frei sein" geht es aber auch um Freundschaften, die über Jahre halten. So wie die zu Anna, die schon lange eine gute Freundin ist, ihr gegenüber immer ehrlich und loyal war und der sie mit "Sommer 2010" ein Geschenk in Liedform gemacht hat. Es handelt von zwei verschieden verlaufende Biographien, denn während die eine in Sachen Rockmusik immer wieder unterwegs ist und ein Leben "on the road" führt, bewegt sich die andere im "normalen" Leben, ist stets geerdet und hat immer den Blick von außen auf das, was die Freundin da so treibt. Und weil diese Freundschaft und Anna so besonders sind, hätte der Text durchaus auch 38 oder mehr Strophen lang werden können, so viel Stoff habe sie gehabt, erzählt mir die Meyer im Interview. Letztlich sind es aber nur zwei geworden, die ihrer Freundin sehr nah gegangen sind und die auch den Hörer nicht unberührt lassen werden.
Der Song "Es ist okay" ist einer dieser typischen Muntermacher aus der Feder von Jini Meyer. Sie hat schon immer Aufbauhilfe für geknickte und von ihrer Umwelt oft gestrafte Menschen gemacht, die entweder irgendwelche Gebrechen oder andere vom Schönheitsideal abweichende Makel haben. Mit treibenden Beats und leckeren Riffs bläst sie dieses Mal den Menschen Wind unter die zerrupften Flügel, die Gefühle oder Vorlieben haben, die abseits der gesellschaftlichen Normen liegen. Denn das ist absolut okay, dass man nicht immer dem Bild entspricht, das die Menschen um einen herum von einem gerne hätten.
"Ein letztes Glas" ist eine Hymne an die Freunde und das Leben. Die Botschaft, immer auch mal inne zu halten und mit den Menschen, die einem wichtig sind, anzustoßen und den Tag mit ihnen ausklingen zu lassen. Nach dem Motto, "So jung wie heute kommen wir nicht wieder zusammen", hat Jini Meyer hier einen Song geschrieben, der als Ballade eher leisere Töne anschlägt, die Verbindung zwischen Freunden aber festigen möchte.
Es ist lauter geworden, wenn es um Jini Meyer geht. Nicht, weil sie altersbedingt langsam Probleme mit dem Gehör hat, sondern weil man Wut und schlechte Stimmungen genauso laut raushauen muss, wie man die Momente feiern sollte, in denen es einem gut geht. Nun hat dem Publikum die Popmusik, die sie einst bei LUXUSLÄRM machte, zwar auch gefallen, aber Jini war schon immer eine echte Rockröhre. Ihre Stimme, einmal ausgeparkt, muss auf die linke Spur und braucht dort ordentlich Gas. Das bekommt sie von den vier Pferdestärken, die sie im Rücken hat. Schon die Angabe, dass hier zwei Gitarren, ein Bass und ein Schlagzeug zugange sind, lassen der Phantasie wenig Spielraum dafür, was auf der Platte wohl zu hören sein wird und dass man eher nicht im Teich von Alexa Feser, Anna Loos oder Jeanette Biedermann fischen möchte. Mit "Frei sein" ist Jini Meyer ein ausgesprochen gutes Werk gelungen, mit dem man eigentlich gar nicht mehr rechnen durfte. Sie war raus aus der Szene, hatte in ihrer Musikschule genug zu tun und war längst in einer Coverband (HEROcks) eingestiegen. Beweisen musste sie eigentlich auch nix mehr, sich selbst am aller wenigsten, aber Gott sei Dank hat sie Freunde, die sie nicht nur gelockt, sondern sie auch wieder auf die Bühne geschubst haben. Gut so, denn die Welt ist jetzt um ein echtes, handgemachtes, ehrliches und extrem scharfes Rockalbum reicher.
(Christian Reder)
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