eisbrecherhoelle 20121016 1359161332
Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:
Titel:
"Die Hölle muss warten"
Eisbrecher
Columbia / SONY
3. Februar 2012
1. Tanz mit mir
2. Augen unter Null
3. Die Hölle muss warten
4. Verrückt
5. Herz aus Eis
6. Prototyp
7. Ein Leben lang unsterblich
8. Abgrund
9. In meinem Raum
10. Keine Liebe
11. Exzess Express
12. Rette mich
13. Atem
Limitierte Auflage mit Bonus:
14. Treiben
15. Böser Traum
+ DVD
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Was habe ich mich auf dieses neue EISBRECHER-Album gefreut! Schließlich gab es zwei lange Jahre kein neues Futter von Alexx und Pix. Die Vorab-Single "Verrückt" nährte auch wirklich die Hoffnung auf einen Knaller-Nachfolger von "Eiszeit", welches hier ja seinerzeit auch schon auf dem Seziertisch lag (Rezension: demnächst hier). Nachdem ich das neue Werk in der Limited Edition mit 2 Bonustracks und einem 10-Minuten-Videoteil mehrere Male durchgehört habe, fühlt sich "Die Hölle muss warten" allerdings weniger an wie heißes Fegefeuer, sondern eher wie ein lauwarmes Frühlingslüftchen mit ab und zu aufbrausenden Stürmen.
 
Das Positive vornweg: die Scheibe ist hervorragend produziert, der Sound klingt absolut fett, fast schon bombastisch, ohne dabei überproduziert zu wirken. Hier liegt also kein Grund zum Traurigsein vor. Alexx' Stimme hat wie immer einen hohen Wiedererkennungswert, und liegt wunderbar klar und deutlich über der Musik. Was also trübt den Genuss an der CD? Ganz einfach: das Songmaterial. Nachdem ihr erstes Album "Eisbrecher" noch eine Art Zielsuche war, kam 2006 mit "Antikörper" ein echter Hammer auf den Plattenteller. Für mich heute noch das eindeutig beste Werk der beiden Ex-MEGAHERZer. Der Nachfolger "Sünde" (Rezension: demnächst hier) galt dann für viele als DAS ultimative NDH-Album, ehe 2010 nach dem Erscheinen des "Eiszeit"-Albums die ersten vorsichtigen Kritiken und Kommerz-Vorwürfe aufkamen. Man durfte also gespannt sein, in welche Richtung sich das EISBRECHER-Schiff mit "Die Hölle muss warten" bewegen würde. Zumal sie diesmal bei einem Major-Label produzieren durften, was ja für Szenebands ohnehin spätestens seit der seltsamen Wandlung des UNHEILIG-Grafen einen faden Beigeschmack haben dürfte.
 
Gleich zu Beginn bitten Alexx und Pix mit einer typisch schwungvollen NDH-Nummer den Hörer zum Tanz ("Tanz mit mir"), gefolgt vom irgendwie an "Eiszeit" erinnernden, ziemlich groovig und cool scheppernden "Augen unter Null". Hier ist die Welt noch in Ordnung, man freut sich auf den Rest des Albums. Doch beim jetzt mit einem dicken Streicherintro beginnenden Titeltrack "Die Hölle muss warten" erstarre ich, allerdings nicht vor Ehrfurcht, sondern vor Grauen. Was da in den nächsten 4 Minuten auf mich einprasselt, würde zwar nicht zwangsläufig einen Startplatz in Andy Borgs nächstem Mutanten-Stadel nach sich ziehen, aber die Nummer kommt so verdammt harmonisch und kuschelweich daher, dass ich mich frage, in welcher Hitparade die Jungs damit landen wollen. Gut, EISBRECHER-Songs sind schon seit eh und je neben einer anständigen Portion Härte auch von exzellenten Melodiebögen geprägt, doch niemals glitt man, so wie hier geschehen, ins Kitschige ab. Von dieser Machart gibt es leider noch ein paar mehr, so "Ein Leben lang unsterblich", "Rette mich" und "Atem". Entsprechend belanglos sind die dazugehörigen Texte. Ist das etwa der Kompromiss an das Plattenlabel, welches natürlich nichts dagegen hätte, die eine oder andere Nummer auch mal im Tagesprogramm der Radiostationen unterbringen zu können? Doch glücklicherweise besinnen sich EISBRECHER zwischendurch auch immer mal wieder auf die Tugenden, die sie groß gemacht haben, nämlich fetten, bitterkalten, brachialen Industrialrock. Oder in deutschen Landen auch "Neue Deutsche Härte" genannt. Hier und da verbeugen sie sich vor Rammstein ("Exzess Express"), was aber überhaupt nicht stört - mich jedenfalls nicht, denn endlich hämmert mir die Gitarrenfraktion mal ordentlich die Schädeldecke weg. Auch "Prototyp", der Bonustrack "Böser Traum" und vor allem das mit einem überragenden Text ausgestattete "Abgrund" überzeugen und wecken sehnsüchtige Erinnerungen an frühere Zeiten, in denen EISBRECHER-Alben durchgehend diese Qualität aufwiesen.
 
Für die Lyrics gibt es auf "Die Hölle muss warten" zwar keinen Grimme-Preis, aber das sei der Band verziehen. Wenngleich ich schon bedauern muss, dass das Niveau in textlicher Hinsicht rapide gesunken ist. Viele Songs plätschern in ihrem Herz-Schmerz-Gesülze einfach nur so dahin, so dass sich mir schon wieder die Frage nach Eingeständnissen an den Geldgeber der Produktion stellt. Sehr schade, denn das haben wir auf den vier Vorgängeralben schon deutlich besser erlebt. Hier wird nicht provoziert, nichts hinterfragt, die Sprache ist erstaunlich zahm geworden.
 
Alles in allem haben Eisbrecher mit "Die Hölle muss warten" ein sehr zwiespältiges Werk abgeliefert. Es sei noch einmal und unbedingt die hervorragende und fernab jeder Kritik stehende Produktion erwähnt, die einen modernen, fetten und sensationellen Sound abliefert. Doch großartige Brecher, allen voran sei hier die Singleauskopplung "Verrückt" genannt, werden leider viel zu oft von triefenden Softies abgelöst, die ich weiter oben schon erwähnt habe. Es fehlt die bekannte Aggressivität in den meisten Songs, manchmal kommt regelrechte Langeweile auf. Es werden beim Hören der Texte keine Reibungen erzeugt, stellenweise droht aus dem EISBRECHER-Schiff gar ein Ausflugsdampfer mit einem Strauß bunter Melodien zu werden. Dennoch würde ich das Album nicht als Totalausfall bezeichnen, da doch einige Höhepunkte enthalten sind. Das wiederum lässt mich darauf hoffen, dass es möglicherweise beim nächsten Silberling wieder bergauf geht und EISBRECHER ihrem hart erarbeiteten Ruf als führende NDH-Band wieder gerecht werden. Liebe EISBRECHER-Jungs, lasst aus dem, was hier viel zu glatt und zahnlos klingt, was rund geschliffen wurde, bitte auf dem Nachfolger in 2 Jahren wieder die gewohnten Ecken und Kanten wachsen, damit ihr nicht dasselbe sagen müsst, was ich kürzlich mal über UNHEILIG lesen musste: "Der Graf hat zwar seine treuen, alten 2000 Fans verloren, aber dafür 10.000 neue, beliebig austauschbare gewonnen."
(Torsten Meyer)
 

 
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