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Ein Konzertbericht von  Dajana Prosser-Gehn & Christian Reder  mit Konzert.-
fotos von Dajana Prosser-Gehn und weiteren Fotos (Henry Kotowski privat)



Am 4. Juli 2019 hat ein Urgestein der deutschen Beat- und Rock-Szene für immer seine Augen geschlossen: Henry Kotowski. Als Musiker hat er viele Spuren hinterlassen, u.a. beim Franke Echo Quintett, seinen SPUTNIKS und dem eigenen Henry Kotowski Sextett (mit Peter Meyer und Harry Jeske, die später die PUHDYS gründeten, sowie Herbert Dreilich, der später mit PANTA RHEI und KARAT große Erfolge feierte), beim Gerd Michaelis Chor, der Theo Schumann Combo, der Modern Soul Band und auch beim Duo Peter & Cott'n. Ebenso als Solist begegnete man Cott'n, wie ihn die Kollegen und Fans nannten, immer wieder mal. Wer soviel in der Szene herum kommt, findet auch viele Freunde. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass sich diese von ihrem Kumpel Cott'n würdig verabschieden wollten. Sie nahmen nicht nur an seiner Trauerfeier vor einem Jahr teil, sondern sie stellten auch ein Gedenkkonzert auf die Beine. So geschehen am 25. September 2020 im Berliner "Neu Helgoland".

Das Haus an der Müggelspree hat schon viele tolle Veranstaltungen erlebt, u.a. mit namenhaften Musikgruppen und Solisten wie Karussell, Angelika Mann, Die Zöllner oder LIFT. Nachhaltig in Erinnerung geblieben sind die Geburtstags-, Benefiz- und Gedenkkonzerte für Holger Biege und Reinhard Fißler. Am Freitag stand nun endlich das bereits verschobene Konzert für Henry Kotowski hier im "Neu-Helgoland" an, jenem Lokal, für das Cott'n im Jahre 2017 selbst noch auf der Bühne stand, um mit einem Benefiz-Auftritt zu dessen Erhalt beizutragen. Die teilnehmenden Künstler und das Publikum atmeten am Freitag gleichermaßen auf, dass das Tribute-Konzert für Henry Kotowski nicht schon wieder nach hinten verlegt werden musste, denn in diesen Zeiten ist es ja alles andere als sicher, dass geplante und angesetzte Konzerte auch stattfinden können. Dieses konnte aber stattfinden und alle beteiligten Künstler waren sichtlich froh darüber, dass sie diesem großartigen Künstler, ihrem Kollegen und Freund Henry, endlich die Ehre mit ihrem Auftritt erweisen durften. Über eine Stunde vor Beginn füllte sich der Saal bereits rasend schnell. Man hatte das Gefühl, egal wohin man schaute, auf bekannte Gesichter zu stoßen. Viele Weggefährten, Freunde und Bekannte kamen und setzten sich ins Publikum, wie z.B. auch Jörg Stempel, der 2014 mit dafür gesorgt hatte, dass Henrys Band, die SPUTNIKS, mit "Gitarrentwist 1964 | Rock To Rock 2014" ein Doppel-Album veröffentlichen konnten.

Bereits mit 15 Jahren spielte Henry Kotowski Schlagzeug im eingangs bereits erwähnten Franke Echo Quintett. Nur fünf Jahre später gründete er seine Band, die SPUTNIKS, die bis heute noch als "Beatles des Ostens" bekannt sind und bis zu seinem Tod auch noch existent waren. Im Jahr 1966 wurde die Gruppe zwar verboten, davon ließ sich Henry Kotowski aber nicht entmutigen. Er war geduldigt, wartete auf das Ende der DDR und stellte die SPUTNIKS nach der Wende wieder auf die Beine. Bis zuletzt spielte er mit ihr immer wieder Konzerte. Auch nach seinem Tod im letzten Sommer lebt Henry in seiner Band weiter. Die SPUTNIKS betraten am Freitag auch als erstes die Bühne und eröffneten mit einigen ihrer Lieder den Abend. Sie hatten kaum den ersten Ton gespielt, da ging das Publikum gleich voll mit. Die Musik dieser Gruppe klingt einfach zeitlos und hat die Qualität, seine Zuhörer ohne lange Aufwärmphase abzuholen.

Die SPUTNIKS sind eigentlich als Instrumentalband bekannt, aber mit Henrys Tochter Simone Kotowski am Mikrofon erklang zu diesem Anlass eine zauberhafte Stimme, die den Song "Why don´t you love it" unterstützt von der Band ihres Vaters performte. Die letzten Mitglieder der SPUTNIKS hatten sich für das Tribute-Konzert extra nochmal versammelt und versprachen, dass man auch zukünftig wieder was von ihnen hören würde. Nach sieben Liedern verabschiedeten sie sich, und der Moderator des Abends, Jürgen W. Schmidt, betrat die Bühne, Er beschrieb Cott´n als einen großartigen Musiker und ein Sonntagskind, welches immer ein Lächeln auf den Lippen trug.

Danach setzte sich Simone Kotowski ans Klavier und sang das Lied "Geh nicht allein". Am Ende des Stücks kamen weitere Musiker auf die Bühne und Simone Kotowski erzählte davon, dass sie über ein Soziales Netzwerk eine Texterin kennengelernt habe und fügte scherzhaft hinzu, "Wozu Facebook doch alles gut ist." Ein Ergebnis ihrer gemeinsamen Arbeit ist das Lied "Mitternachtsengel", das an dieser Stelle erklang.

f 20200928 1853944356Der eben schon erwähnte Jürgen W. Schmidt ist Entertainer, Sänger und Moderator. Zwischen den ganzen musikalischen Beiträgen des Abends, die ohne Pause hintereinander folgten, stellte er die Künstler vor, die als nächstes die Bühne betreten sollten. An dieser Stelle des Ablaufplans war der Auftritt von jemandem vorgesehen, der eigentlich einen festen Job im Gewandhausorchester hatte, aber trotzdem lieber seinen eigenen Weg einschlug. Er erlernte drei Musikinstrumente und entschied sich doch nur für ein ganz Besonderes. Für dieses eine Instrument entwickelte er eine Leidenschaft, die ihn in diesem Bereich einzigartig werden ließ. Die Rede ist von Hans die Geige. Das Publikum begrüßte ihn mit einem lauten Applaus. Mit einem Augenzwinkern sagte Hans, "Es ist kein Scherz, es wurde mir Geld dafür geboten, dass ich singe." Und das tat er, natürlich begleitet von seiner Geige beim Song "Dust in the wind", im Original von der Gruppe Kansas. An diesem Abend sollte es nicht nur um Musik gehen. Wir wollten auch Geschichten über Henry Kotowski hören. Hans erzählte, dass er Cott´n schon seit vielen Jahrzehnten aus der Ferne beobachtete und bewunderte. Aber erst in den 1990er Jahren traf er persönlich auf ihn. Hans hatte einen Auftritt bei einer Autohauseröffnung in der Friedrichstraße. Auch Cott´n sollte da auftreten. Hans war sehr stolz, dass er gemeinsam mit ihm bei einer Veranstaltung war und ihn dadurch kennenlernen durfte. Nachdem Hans die Geschichte über seine Begegnung mit Cott'n erzählt hatte, ging es mit dem Stück "Der Mensch" weiter. Die Bühne verlassen wollte Hans die Geige mit dem Klassiker "Bohemian Rhapsody". Es klang bei ihm noch epischer als bei Queen, wenn man das sagen darf. Jedenfalls klappte es mit dem vorgesehenen Abgang von der Bühne natürlich nicht, Hans die Geige musste noch eine Zugabe geben. "Hans, der Einmalige" nannte Jürgen W. Schmidt ihn anschließend und fragte den Musiker, warum er keine Stradivari spielt. Hans spielt eine Pfretzschner, Baujahr 1926, die er von seiner Mutter geschenkt bekam. Grund genug, keine andere Geige in Betracht zu ziehen. Die Pfretzschner und der Geigen-Hans sind aber auch ein sehr gutes Team, und gute Teams sollte man bekanntlich auch nicht trennen ...

Der Regisseur der Sendung "Außenseiter, Spitzenreiter", Bernd Gerbsch, wurde dann auf die Bühne gebeten. Er, und später auch Werner Düwelt vom Gerd Michaelis Chor, erzählte kleine Anekdoten von den Begegnungen mit Cott´n. Immer wieder gab es Einspieler auf einer Videowand, z.B. von den SPUTNIKS im Jagger oder Henry beim Gerd Michaelis Chor. Werner Düwelt bestätigte, dass man mit Cott´n immer sehr gut ausgekommen ist. Er fügte hinzu, dass Henry Kotowski nicht nur schöne Musik machte, sondern dass man mit ihm auch eine schöne Zeit erleben konnte. Jürgen W. Schmidt bat im Anschluss einen weiteren Künstler auf die Bühne, der schon von allen mit Spannung erwartet wurde: Hansi Biebl.

Als Jürgen ihn fragte, was er jetzt mache, bekam er von Hansi Biebl die Antwort, dass er Rentner sei. Kurz und knapp. Das Publikum erfuhr außerdem von ihm, dass er keine Gitarre mehr spiele. Ein Raunen des Erstaunens ging durchs Publikum, ist Biebl doch eine lebende Legende und für sein fantastisches Spiel auf der Gitarre bekannt. Er sei halt jetzt Rentner und wollte als solcher sein musikalisches Spektrum erweitern. Dabei habe er die Flöte für sich entdeckt. Das kam für alle im Saal sehr überraschend. Die Klassik hat es ihm laut eigener Aussage angetan und gemeinsam mit seinem Musikerkollegen Eberhard Klunker interpretiert er jetzt klassische Musik. Wir erfuhren außerdem noch, dass Hansi Biebl von Eberhard Klunker bei der Modern Soul Band, auch einer von Henrys Stationen, abgelöst wurde und dieser wiederum von Nick Nicklisch. Da war es natürlich ein besonderes Highlight, als diese drei begnadeten Musiker - begleitet von Simone Kotowski und Band - die Bühne rockten. Grandios.

Immer wieder wurden die auftretenden Künstler von Olli Becker sowie Michael Balk unterstützt. Olli Becker ist sehr vielen Musikfreunden als Schlagzeuger bei JESSICA und MONOKEL bekannt. Heute sitzt er u.a. auch bei Tino Eisbrenner am Schlagzeug. Am Freitagabend begleitete er die Kollegen am Cajon. Michael Balk spielte den Kontrabass. Ihm kann man sonst u.a. bei Thomas Putensen und seiner Band begegnen. Die beiden, die gemeinsam die Rhythmus-Abteilung bildeten, sollten an dieser Stelle besonders erwähnt werden, denn Olli und Michael sind phantastische Musiker die im Gesamtbild zwar sehr präsent waren, sich insgesamt aber immer ein wenig im Hintergrund hielten.

Bevor die letzte Band des Abends die Bühne betrat, sahen wir erneut einen Einspieler auf der Videoleinwand. Festgehalten waren hier das Privatleben, das musikalische Schaffen und Begegnungen Kotowskis. Es war eine Collage mit Momentaufnahmen aus dem ereignisreichen Leben des großartigen Henry "Cott´n" Kotowski. Dieser war zeitweilig auch bei der Modern Soul Band aktiv, und die eroberten nach dem Einspieler mit den Fotos im Nu die Herzen des Publikums mit ihrer Musik. Man kann gar nicht alle bekannten Sängerinnen und Sänger aufzählen, die dort schon am Mikrofon standen. Darum seien hier nur einige genannt: Regine Dobberschütz, Uschi Brüning, Hansi Biebl, Angelika Weiz und natürlich Klaus Nowodworski. Dirk Lorenz, der aktuelle Sänger von MSB, war am Freitagabend leider verhindert und so trat Thommy Ellwitz ans Mikrofon. Er heizte dem Publikum von Anfang an ordentlich ein. Ein weiteres Highlight dieses Auftritts war, dass Simone Kotowski sowie Hans die Geige gemeinsam mit der MSB spielten und sangen. Hans sang u.a. "Unchain my heart", im Original von Joe Cocker. Ferry Grott an der Trompete war ein regelrechter Entertainer und brachte das sowieso bereits begeisterte Publikum immer wieder erneut zum Mitmachen. Kleiner Tipp für die Leser, die am 19. Dezember 2020 noch nichts vorhaben sollten: Die Herrschaften von der MSB geben an diesem Tag im "Neu-Helgoland" ihr Jahresabschlusskonzert. Das ist auf jeden Fall ein Garant für einen ausgelassenen Abend mit viel guter Musik.

Nach über drei Stunden endete das erste Gedenkkonzert für Henry Kotowski. Henry wäre ganz sicher nicht nur dankbar für diesen liebevoll gestalteten Abend gewesen, sondern auch stolz auf seine Freunde und die Tochter, die ihn mit diesem Abend nochmal unter uns haben sein lassen. Davor kann man wirklich nur den Hut ziehen. Wir haben viel gehört und auch viel erfahren, aber bestimmt noch nicht alles. So wäre es doch schön, wenn es noch ein weiteres Gedenkkonzert für "Cott'n" geben würde. Stoff dafür gibt es ja noch reichlich, und das Interesse der Leute ist ebenfalls vorhanden. Ein schöner Anlass wäre ja Henrys 80. Geburtstag in vier Jahren. Was meint Ihr?










   
   
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