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Bericht: Thomas Handrick

Fotos: Volker Tonn (alle Live-Fotos)
             Pressematerial (Textillustration)

 

 


 

Im Winter in eine Kirche zu gehen ist immer ein Risiko, besonders im Hinblick auf die Innentemperaturen. Erst recht im März, wenn der Frühling noch nicht da ist und es auch noch nicht wirklich warm ist. Oder um es genau zu sagen... wenn es draußen schlichtweg kalt ist und Schnee fällt - eben wie an jenem Samstagabend, am 9. März 2013, als FÄHRMANN und UNBEKANNT VERZOGEN in der Berliner Kaiser Friedrich Gedächtniskirche konzertierten. Doch diese Kirche war eine der moderneren - nicht nur optisch - und auch gut beheizt. Mitten im Tiergarten gelegen finden neben der Kirche im KFG-Sommergarten zur warmen Jahreszeit vielfältige Musikveranstaltungen statt. Ein Besuch dort lässt sich bestimmt mal einrichten. Schaut dafür doch auf der Homepage www.kfg-projekte.de einmal vorbei.

FÄHRMANN begann den ersten Teil des musikalischen Programms. Es war das erste Konzert des Musikers in diesem Jahr. Gitarre und Mundharmonika waren die von FÄHRMANN gespielten Instrumente neben dem Gesang, unterstützt wurde er von seinen Begleitmusikern Kathrin Wemmer an der Violine und Janek Wemmer am Piano. FÄHRMANN erlebte ich zum ersten Mal am 14. Dezember 2012 - neben diversen anderen Bands - beim Geburtstagskonzert für Tamara Danz (Bericht siehe HIER). Am Samstagabend dagegen konnte ich ihn in einem eigenen Konzert erleben, bei dem wesentlich mehr von ihm zu hören war als noch im Dezember. Wie wirkte es? Sehr melodische, getragene, nachdenkliche Songs wechselten sich mit stimmungsvollen und aussagekräftigen Titeln ab. Also eine ausgeglichene Mischung, sowohl musikalisch als auch textlich. Nichts für's schnelle, oberflächliche Hören. Die Zwischenmoderationen von FÄHRMANN gefielen mir schon in der WABA beim Tamara Danz-Konzert sehr gut und schafften es am vergangenen Samstag erneut, eine gute Verbindung zum Publikum aufzubauen! Man sollte ihn schon öfter hören, oder zumindest völlig entspannt seine Konzerte besuchen - nicht unbedingt so wie ich an diesem Abend, der seit Tagen schon mit einer Erkältung zu kämpfen hatte. Nichtsdestotrotz: Persönlicher Favorit ist das Lied "Tanz auf meinem Grab" - ein gecovertes schwedisches Lied, das in der FÄHRMANN-Version dazu auffordert, die Lebensfreude nicht zu verlieren und sich dem Druck der fordernden Gesellschaft nicht ständig auszuliefern. Am Vortrag der Band begeisterte mich hier der gefühlvolle Instrumenteneinsatz, und die Stimme von Kathrin bei ihrem Gesangpart. Aber Kathrins Stimme begeisterte mich nicht nur hier, sondern auch in den anderen Songs an dem Abend, in denen sie ihre Einsätze hatte. Sie unterstreicht und bereichert die Lieder ausgezeichnet. Wirklich sehr schön zu hören und auch sehr gerne wieder zu hören.
FÄHRMANN, der wie eingangs schon erwähnt mit zwei Begleitmusikern auftritt, ist ein Liedermacher, bei dem ich einige Ähnlichkeiten zu Reinhard Mey entdecken kann. Trotzdem ist FÄHRMANN ein eigenständiger Musiker mit eigener Musik und Stilistik. Eine Empfehlung ist seine Livemusik in jedem Fall und ich denke, seine CD steht dem in nichts nach.

Bei diesem Konzert wurde übrigens kein Eintritt verlangt, was neben der Aussicht auf anspruchsvolle, ausgezeichnete und handgemachte Musik sicher mit dafür sorgte, dass sich die Kirche - zum Glück für die Künstler - sehr gut füllte. Ein Riesendank möchte ich auch an Benita von der Kirche dafür richten, dass hier den Künstlern im Warmen das Spielen ermöglicht wurde! Nachdem FÄHRMANN mit seinen beiden musikalischen Unterstützern den letzten Song seines Sets gespielt hatte, verließen die drei Musiker die Bühne, um sie für den Auftritt von UNBEKANNT VERZOGEN frei zu machen - aber erst wurde die Bühne noch umgebaut.

"Schwer wie Blei" - so der Opener von UNBEKANNT VERZOGEN. Eine volle Bandbesetzung in einer Kirche wirkt sehr besonders. Der Sound war darum eine ziemliche Herausforderung an diesem Abend, denn hoch hängende "Decken" und der Hall in Kirchen fördern den Klang der Musik nicht wirklich. Es gelang dennoch, besonders unter Beachtung des Budgets für dieses Konzert, einen sehr guten Sound zu erzeugen, der auch an allen Plätzen in der Kirche ankam und die Musik zum Genuss machte. Ich erwähne das Budget deshalb, weil hier Musik gemacht werden sollte, die bezahlbar bleibt. Dass Musik nicht nur "Gaudi" sondern ein ständiger Kampf ist, wurde beim Konzert am Samstagabend besonders deutlich. Für diesen Einsatz und die Möglichkeit, ein tolles Konzert ohne Eintrittsgeld erleben zu können, haben die beteiligten Künstler viel Respekt und Unterstützung verdienen - auch besonders deshalb, weil sie gute deutschsprachige Musik machen.

Bei der Anmoderation zum Song "Flo" - einem traurigen Lied, in dem es um ein Kind geht, das kurz vor der Entbindung starb - ging Sängerin Patti auf ihr Vorstellungsgespräch bei der Björn-Schulz-Stiftung - einem Kinderhospitz - ein. Ihr Gegenüber kannte dieses Lied schon, was eine wirkliche Überraschung für Patti in dieser Situation war. Das "unbekannt" im Bandnamen bezieht sich also allenfalls auf die Herkunft der Formation, jedoch nicht auf ihre Musik! Einen neuen Song hatten UNBEKANNT VERZOGEN auch mit im Gepäck: "Reiner Wein" heißt dieser Titel, und er fügt sich sehr gut in die Sammlung der anderen und bereits vorhandenen UNBEKANNT VERZOGEN-Songs ein, was Klang und Gehalt betrifft. Ein typischer Song der Band eben. Nach dem schon sehr guten Debüt-Album "Piratenbräute" gibt es bereits viele neue Kompositionen, die in den letzten Monaten bislang nur live (aber auch in der Sendung "Deutsche Mugge - die Radioshow") zu hören waren. Absolut hörenswerte Musik, die einfach auch ins Autoradio und ins Wohnzimmer gehört! UNBEKANNT VERZOGEN suchen dafür gerade ein Label, bei dem die neue und schon fertig eingespielte CD erscheinen kann.

"Blaue Sonne" war der nächste Titel. Während die Band vorne den Song vortrug, ging etwas durch die Zuschauerreihen... Es war nicht der Klingelbeutel, den man mit Kleingeld füllen sollte, sondern es war etwas zum Herausnehmen: Es gab selbstgebackene Kekse in Form einer Sonne, hellblau glasiert und mit einem aufgemalten Lächeln versehen. Eine schöne Geste ans Publikum und ein dickes Danke dafür an Dorina aus Greifswald! Einige Stücke aus dem Erstlingswerk von UNBEKANNT VERZOGEN rundeten den Auftritt ab. Sängerin Patti schien am Samstag etwas angeschlagen zu sein. Die Auflösung gab es kurz vor Schluss, als sie sich bei Kathrin, der Geigerin vom FÄHRMANN, für die eine oder andere Aspirin bedankte, die ihr einen Auftritt an diesem Abend überhaupt erst ermöglichten. Als vorletzten Programmteil gab es noch ein neues Stück: "Dich bei mir wissend". In diesem Song - wie auch in allen anderen Songs des Abends - harmonierten die Musiker von UNBEKANNT VERZOGEN sehr gut zusammen. Die Band besteht aus Hannes Funke an der Gitarre, Gerald „Gerry“ Zaczyk am Schlagzeug, Karsten Schützler am Bass und natürlich Patti Heidrich als ihre Stimme. Und dass sie nicht nur die leisen und getragenen Lieder perfekt drauf haben, sondern auch die flottere Gangart beherrschen, wurde uns mit dem letzten Lied des offiziellen Teils, "Lass uns", noch einmal sehr deutlich gezeigt... Letzter Song? Aber was wäre ein Konzert ohne Zugaben? Und was wäre ein UNBEKANNT VERZOGEN-Konzert ohne die "Nachtvögelin"? Heute bekam wir die Antwort auf beide Fragen von beiden Bands.

FÄHRMANN und UNBEKANNT VERZOGEN spielten die "Nachtvögelin" nämlich gemeinsam. Live setzten besonders die Pianobegleitung vom FÄHRMANN Janek und das Geigenspiel von Kathrin diesem ohnehin schon verdammt schönen Lied einen wirklichen Tupfer auf! Ein Dankeschön von UNBEKANNT VERZOGEN für die musikalische Verstärkung durch FÄHRMANN folgte sogleich: Der FÄHRMANN-Song "Soweit die Füsse tragen" wurde nämlich am Samstag von sieben statt nur drei Musikern vorgetragen. Auch hier tat die größere Besetzung dem Stück gut. Der volle Sound von so vielen Musikern verlieh diesem Stück noch eine deutlichere Aussage. Mit zwei weiteren Liedern wechselten sie sich nochmals ab. "Schwarze Beeren" von UNBEKANNT VERZOGEN und "Anna komm" von FÄHRMANN waren dann auch die definitiv letzten Stücke...

Ein Resümee des Abends lässt sich leicht formulieren: Es ist nicht immer das ganz Große und auch nicht die vollkommene Musik. Ich behaupte sogar, dass es die nicht gibt. Am Samstagabend war aber zu spüren, wie wichtig alles andere an Musik ist. Musik verbindet in vielfältigen anderen Dingen. In Gemeinsamkeit, in Unterstützung und in Willen, was mit großer Spiel- und Sangesfreude heute zu erleben war. Dass eine Wiederholung dessen wünschenswert ist, darüber war sich das Publikum einig. Der Applaus zum Schluss für die Künstler zeugte sehr deutlich davon. Seien wir gespannt!

 

 
Termine:

UNBEKANNT VERZOGEN:
06.04.2013 - Bad Saarow - Theater am See
19.04.2013 - Dresden - Club Passage
15.06.2013 - Berlin - WABE

Fährmann:
24.03.2013 - Dresden - Kunsthofgohlis
30.04.2013 - Berlin - Kino-Union Friedrichshagen
05.05.2013 - Berlin - café art-gerecht

Alle Termine ohne Gewähr. Weitere Infos und Termine auf den jeweiligen Bandseiten...


Bitte beachtet auch:
- Off. Homepage von UNBEKANNT VERZOGEN: www.unbekannt-verzogen.net
- Off. Homepage von Fährmann: www.faehrmann-lieder.de


 


   
   
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