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Interview vom 16. September 2020



Boris Blank ist bei YELLO für Sounds, Melodien und Klänge verantwortlich. Seit 43 Jahren ist das Schweizer Duo nun schon aktiv und hat es bis nach Hollywood geschafft. Diverse ihrer Songs sind in Kinofilmen als Teil des Soundtracks gelandet und haben damit ein Millionenpublikum erreicht. Manch einer ihrer Kollegen hat in dem Alter, in dem Boris und sein musikalischer Partner Dieter Meier inzwischen sind, schon die Instrumente bei Seite und die Füße hoch gelegt. Nicht so die beiden Klang- und Worttüftler, die gerade eben ihr 14. Studioalbum veröffentlicht haben. Es heißt "Point" und im Zusammenspiel mit ihrem Bandnamen eben "Point Yello", und darüber wollten wir uns etwas erzählen lassen. Unser Kollege Christian erreichte Boris Blank per E-Mail und stellte ihm auf diesem Wege ein paar Fragen zur Platte und zum aktuellen Geschehen ...




Kurz zur aktuellen Situation in der Welt. Corona legt in der Kulturlandschaft so einiges lahm und ist dabei, vieles auch dauerhaft zu zerstören. Das wird in der Schweiz ja nicht anders sein als hier in Deutschland. Nun ist YELLO ja noch nie von Einnahmen aus dem Live-Geschäft abhängig gewesen. Habt Ihr beiden trotzdem einen Blick auf das Leid der Kollegen?
Ja, ganz klar! Die Situation für die meisten Musikerinnen und Musiker ist sehr schwierig, auch hier in der Schweiz.


Was geht in Dir vor, wenn Du z.B. hörst, dass studierte Musiker wieder auf dem Bau arbeiten, damit Geld für die Familie rein kommt?
Das ist auch für uns sehr beklemmend. Ich hoffe, solche Zustände sind nur vorübergehend. Ich bin aber sicher, dass die Kultur wieder aufblühen wird.

Wie stehst Du selbst zu den Maßnahmen im Umgang mit dem Virus und würdest Du da an manchen Stellen etwas anders machen als unsere Politiker?
Es wäre von meiner Seite vermessen, etwas besser zu wissen als die Leute, die Verantwortung tragen müssen.

002 20200917 1665351041Ist das Album "Point" ein Produkt der Corona-Krise und des Shut-Downs, oder seid Ihr an der Scheibe schon vorher mit Schreiben und Aufnahmen beschäftigt gewesen?
Wir hatten unser Album schon im letzten November, also vor der Corona-Epidemie, fertiggestellt.

Unser letztes Gespräch ist ja schon eine Weile her und es hat sich bei YELLO vieles getan. U.a. seid Ihr 2016 seit vielen vielen Jahren wieder mal live aufgetreten. Schauen wir nochmal kurz darauf zurück: Wie hat sich das für Dich angefühlt, auf der Bühne zu stehen und direkt in Gesichter sehen zu können, während Deine Musik gespielt wird?
Bei den ersten Konzerten hatte ich schon etwas Lampenfieber, das hat sich aber bald gelegt. Für mich bleibt es eine starke emotionale Erfahrung, die Reaktionen des Publikums zu spüren.

Das war ja ein Riesenspektakel mit Effekten nicht nur für das Ohr, sondern auch für das Auge … Wer war denn der Mastermind hinter dem Bühnenprogramm? Hast Du das als Schöpfer der Musik auch allein auf die Beine gestellt, oder hat Dieter auch seinen Anteil am Gelingen der Tour?
Es war ein echtes Teamwork. Ich habe zusammen mit Ian Tregoning die Musik ausgewählt, bearbeitet und mit den Musikern geprobt, während Dieter sich vor allem mit den Visuals befasst hat. Die ganze musikalische Aufbereitung hat 8 Monate in Anspruch genommen.

War das nun eine einmalige Sache mit der Tour oder können die Fans - gerade die, die es aus welchen Gründen auch immer verpasst haben - irgendwann nochmal erleben?
Geplant ist im Moment nichts, aber ausschließen will ich es nicht.

Dann lass uns mal eine Blick auf "Point" werfen. Ist dieses Album das für Dich perfekteste YELLO-Album, also ist darauf alles exakt auf den Punkt gebracht, was YELLO ist, oder wo kommt der Titel für das Album her?
Wir haben immer Dutzende von Ideen für einen Albumtitel. Dieter hat mich eines Tages aus Buenos Aires angerufen und gesagt: "Boris, ich habe einen Titel für das Album: Point Yello". Und ich sagte: "That's it. Der klingt." Es gibt Brennpunkte, Mittelpunkte und Treffpunkte - und nun gibt es auch den Yello-Punkt.

Vorab kam "Waba Duba" als Videosingle raus. Das hat schon ein Fragezeichen hinterlassen … Was bitte ist "Waba Duba"?
"Waba Duba" als phonetisches. rhythmisches Wortspiel entstand mit meinem "Yellofier"-App. Den unverkennbaren Gesang und den dadaistischen Text hat Dieter beigesteuert.

Du hast in einem Interview gesagt, dass hinter Eurer Musik weder ein Hintergedanke noch eine Absicht steckt. Heißt das, Du lässt es einfach nur fließen, wenn Du ins Studio gehst und hast niemals vor dem Platznehmen an den Tasten die Idee für eine Melodie im Kopf?
Als Klangmaler stehe ich anfangs meistens vor einer leeren Leinwand. Danach lasse ich mich von einzelnen Geräuschen oder rhythmischen Klangelementen leiten, bis ein musikalischer Umriss entsteht, an dem ich mich entlang bewege, bis eine gewisse Statik entsteht, die ein Stück Musik tragen kann. Meist sind die Songs eher auf Beats als auf melodischen Elementen aufgebaut.

004 20200917 1905926003Im gleichen Interview sprichst Du von einer gewissen Überraschtheit Deinerseits, was den Output betrifft. Wie oft bist Du denn heute noch überrascht über das Ergebnis Deiner Arbeit?
Bei meiner vielleicht etwas unkonventionellen Arbeitsweise sind Überraschungen an der Tagesordnung. Das ist auch die Triebfeder meiner musikalischen Reise der letzten 40 Jahre, für den Sound von Yello.

"Point" strotzt für meinen Geschmack nur so von guten Ideen in Sachen Sounds und Melodien. Welche der Nummern auf der Platte ist Dein persönlicher Favorit oder stellst Du für Dich keine Ranglisten auf?
Wenn du einen Vater fragen würdest, welches der 12 Kinder sein liebstes ist, ist das sehr schwer, da er alle auf seine Art gleich gerne mag. So ist das jeweils auch für mich mit den Favoriten auf "Point".

Als ich "Out Of Sight" hörte, dachte ich bei der Bassfigur gleich an "No Roots" von Alice Merton. Ist diese Verwandtschaft Zufall oder hast Du Dich von diesem Song-Element inspirieren lassen?
Ich glaube da an einen Zufall. Ähnlich zwar, aber andere Tonart und andere Tonfolge.

Mein Favorit ist "Big Boy's Blues". Hier bin ich total vom Einsatz der Gitarre angetan. Jeremy Baer heißt der Mann, der sie spielt, und der auch schon auf "Toy" zu hören ist. Wo kommt der junge Mann her und wie seid Ihr auf ihn gestoßen?
Jeremy wurde mir durch unseren Mastering-Mann Ursli Weber vorgeschlagen. Und man könnte sagen, eine weitere Punkt-Landung für "Point". Jeremy ist ein Gitarren-Genie.

Anfang der 80er war die Gitarre ja nicht unüblich bei Euch. Wird dieses Instrument bei YELLO jetzt wieder dauerhaft in der Musik zu finden sein oder ist dies nur eine Momentaufnahme?
Wie ich mich erinnere, hatten wir immer schon Gitarren auf unseren Alben. Da war doch schon auf unserer Debut-Platte Chico Hablas an den Saiten. Gitarre ist ein unsterbliches Instrument, und klingt echt gespielt noch immer super.

In "Rush For Joe" ist eine Trompete zu hören. Ist das noch ein Part, den Till Brönner eingespielt hat?
Nein, das sind zusammengebastelte Flügelhorn- und Trombone-Soli.

Das ist ja eins der dichtesten Stücke auf dem Album. Shuffle, Jazz, Latino und eben der typische YELLO-Sound. Wie ist diese Nummer entstanden, was ging da in Dir vor?
Mich hat die Trilogie von "Ocean Eleven" dazu bewegt, einen imaginären Sound zu einem nicht existierenden Thriller zu kreieren. Der Song hat etwas treibendes, heißes, könnte aber auch in einen Schwarz-weiss-Film von Louis Malle aus den 60er Jahren in Paris passen.

"Siren Singing" ist auch noch ein Lied, das sofort ins Auge bzw. Ohr springt. Hier singt eine Dame namens Fifi Rong. Wer ist das, und wie hat sie zu Euch ins Studio gefunden?
Fifi Rong ist Chinesin aus Peking, lebt aber schon seit Jahren in London. Fifi kam durch Ian Tregoning, ein langjähriger Freund von Yello, zu uns.

Speziell dieser Song klingt wie eine Filmmusik. Ist es womöglich sogar eine und wenn wir bei dem Thema schon sind, gibt es noch die Beteiligung von YELLO an der Entstehung von Filmen?
Da ich oft als Klangmaler bezeichnet werde, ist es naheliegend, dass sich meine musikalisch bildhaften Stimmungen eben sehr gut eignen, um als Soundtracks für Filme verwendet zu werden.

"Point" ist in der Schweiz einmal mehr auf Platz 1 der Album-Charts gelandet, in Deutschland auf Platz 6. Sind die Charts für Euch noch Gratmesser oder schaut man wegen der Unübersichtlichkeit der ganzen Einflüsse und Voraussetzungen für eine Chart-Platzierung da gar nicht mehr hin?
Es ist für uns nach wie vor eine grosse Freude, wenn wir auf diesen Chartplätzen landen, und das nach 40 Jahren. Hätte mir das jemand damals in den späten 70er Jahren des letzten Jahrhunderts prophezeit, hätte ich das nicht geglaubt.

Ich danke Dir für die Zeit und Deine Antworten auf meine Fragen. Was liegt bei Dir und YELLO als nächstes an. Gibt es spruchreife Vorhaben oder nennenswerte Pläne für die nahe Zukunft?
Ich habe mich in die Videoproduktion verliebt, und bin dran, für die meisten Songs von "Point" Kurzvideos zu machen, die wir nach und nach auf Youtube posten. Danach geht's natürlich wieder an neue Musik.



Interview: Christian Reder
Fotos: Pressematerial YELLO, Universal








   
   
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