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Ein Beitrag von Christian Reder. Fotos: Thomas Steinborn [1], Redaktion [2. 3]



001 20230201 1483517973Martin Schreier ist ein echtes Sonntagskind. An einem solchen ist er anno 1948 nämlich geboren. Manch einer nennt ihn nur "Raben", weil er in jungen Jahren so schwarzes Haar hatte. Der "Kurze", also Thomas Kurzhals, war einst für die Spitznamen in des "Raben" Band, der Stern-Combo Meißen, zuständig und so wird auch dieser seinem Sinn für Humor entsprungen sein. Heute - in Ehren ergraut - passt er eigentlich gar nicht mehr zu ihm, und wenn man es genau nimmt, hätte "Schlosser" auch viel besser zu ihm gepasst.

Schlosser sollte er - wenn es nach den Eltern gegangen wäre - nämlich mal werden, und den Beruf hat er auch gelernt. Es war aber nicht der zu bearbeitende Werkstoff Metall, der beim Draufschlagen so ein geiles Geräusch machte, dass man davon gar nicht genug bekommen konnte, sondern eher das, was ein Schlagzeug macht, wenn man es mit zwei Trommelstöcken bearbeitet. Das war dem jungen Martin recht schnell klar und so war es auch nicht weiter verwunderlich, dass der Jugendliche im zarten Alter von knapp 16 Jahren eine Band gründete. Die Eltern unterstützten ihn dabei, was zu der damaligen Zeit nicht unbedingt selbstverständlich gewesen sein muss. Das erste Equipment für das eigene Musizierunternehmen wurde von einer Kapelle eingekauft, die gerade ihren Dienst eingestellt hatte. Den Namen übernahm man neben dem Instrumentarium gleich mit. Die Stern-Combo Meißen war (wieder)geboren.

Die Stern-Combo Meißen ist bis heute des "Raben" Betätigungsfeld. Er hat jedes Jahr, jeden Monat, jeden Tag und jede Stunde mit dieser Band erlebt, kann Geschichten en masse von ihr erzählen und hat sie alle kommen und gehen sehen: Die Fißlers, die Kurzhals', die Bickings, die Schmidts und die Arnolds, die im Laufe der Jahre vor ihm und als Bandchef auch unter ihm dort ihren Dienst verrichtet haben. Manch einer war mehrfach Mitglied der Band, und nicht immer gingen Kollegen im Frieden weg. Manchmal knartschte es auch gewaltig im Gebälk, aber zu fast allen hat er danach immer noch ein gutes Verhältnis gehabt, auch wenn es nach außen nach Krawall und Gestänk aussah. Das liegt vielleicht auch daran, dass man ihm nicht wirklich lange oder überhaupt böse sein kann. Die "Combo" ist eben des "Raben" Lebenswerk, sein Ein und Alles und überhaupt sein mit ihm in die Jahre gekommenes Baby. Da trifft man auch schon mal unpopuläre und nicht immer für jedermann nachvollziehbare Entscheidungen.


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Aber die gehen uns, die da vor der Bühne stehen und den Meißner Sternen lauschen, auch nix an. Aber die angenehmen Dinge rund um das Ensemble gehen uns was an. Hin und wieder kann man nämlich auch mal über die eine oder andere Anekdote lachen, die man sich über den "Raben" erzählt, zum Beispiel eine, die seinen besonderen Humor widerspiegelt: Da steckte er vor vielen Jahren seiner Tochter eine schwere Bohrmaschine in den Schulranzen und ließ sie damit nichts ahnend in die Schule marschieren. Dort angekommen und sich vorher schon wundernd, wieso der Tornister gerade heute so seltsam schwer ist, entdeckten sie und die Lehrerin das dort deplatzierte Werkzeug und die Kurze hatte den peinlichen Moment inkl. Erklärungsnotstand auf ihrer Seite. Oder die Anekdote über seine Zielstrebigkeit: Mitte der 80er kam ein neues Fahrzeug in den bandeigenen Fuhrpark. Der alte hellgrüne Barkas wurde von einem niegelnagelneuen blauen VW-Bus abgelöst. Am Tag der Abholung des neuen Autowagens sagte man ihm, dieser sei noch nicht fertig und schon gar nicht abholbereit. Der Wagen müsse nach der Überführung aus dem Westen erst noch vom Wachs und von den Folien befreit werden, und das ginge nicht mal eben so hoppla-hopp. Er solle sich gedulden. Am Abend war aber schon die nächste Mugge angesagt, und weder er noch die Kollegen wollten warten oder gar nochmals mit der ollen Kalesche reisen. Also zückte der "Rabe" seine Geldbörse, zauberte einen bunten Schein hervor und überredete die Mitarbeiter des Autohauses auf charmante Art und Weise, ihm den Wagen so zu übergeben, wie er gerade da stand. Ungewaschen und mit allen Folien über Sitzen und Armaturen. Gesagt - getan ... Am Abend fuhr die Combo im neuen Bandmobil zur Arbeit. Ja, der "Rabe" hat so einige Dinge erlebt und andere erleben lassen.

Wenn man sich aus dem großen Stern-Geschichtsbuch mal was erzählen lassen will, kann man ihn ja mal besuchen. Kaffee und Leitungswasser gibt es dort immer genug, anderes - wie der Autor Jürgen Balitzki am eigenen Leib erfahren musste - eher nicht. Dafür aber reichlich Geschichten vom Sachsendreier und seiner Combo. Außer ihm können nur noch ganz wenige Zeitzeugen von der allerersten Mugge seiner Combo erzählen, die im Meißner "Luftbad" im Jahre 1964 stattfand. Du wirst dann nicht hören, wie rock'n'rollig das damals war, sondern wie schlageresk die Band bei ihrem allerersten Auftritt unterwegs sein musste. Statt Beatles und Stones wurden altdeutsche Lieder wie "Wenn das Wasser im Rhein goldner Wein wär" (und das an der Elbe!!!) und Schlager wie "Rote Lippen soll man küssen" gespielt. Er kann Dir auch erzählen, wie wichtig seine Mutter damals war und wie sie mit resolutem Auftreten bei Behördenkollegen das eine oder andere Spielverbot für seine Band verhinderte, welches ihnen wegen Spielens von zu viel "feindlicher Musik" drohte. Oder, dass man für eine Mugge damals 30 oder 40 Ostmark bekam. Nicht jeder einzelne, sondern die Band insgesamt. Verrückte Zeiten, von denen nur noch Wenige erzählen können. Der "Rabe" aber kann's …





Seit dem heutigen 2. Februar gleitet Martin Schreier nun mit "75" über die Landstraßen des Lebens. Galant wie ein alter Daimler. Ein Dino der Rockszene ist mit seinem Dino, der dienstältesten Artrockband des Landes, noch immer unterwegs und das möge bitte auch noch eine Weile so bleiben. Gründe genug gibt es dafür: Es gibt neuen heißen Stoff auf CD, die Konzerte werden den Leuten nicht langweilig und er, der graue "Rabe", wirkt nicht wie 75. Da kann man also noch ein bisschen für "rabenschwarze" Nächte in den Konzertsälen des Landes sorgen. "Der weite Weg" ist noch nicht zu Ende gegangen und der heutige Tag nur eine weitere Station auf der Reise. Darum erheben wir unser Glas, die Tasse oder was auch immer für Behältnisse wir gerade greifbar haben und trinken auf Dein Wohl, lieber Martin. Mach weiter wie bisher, bleib gesund und halte Deinen Laden zusammen.






   
   
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