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Ein Beitrag von Christian Reder



Wenn man sich seiner Sache ganz sicher ist, kann man hoch pokern. Schon IBO wollte 1992 in einer seiner Hitsingles eine Million wetten, und auch man selbst ist gelegentlich auf der Suche nach einem Wettanbieter ohne Limit, um einen möglichst hohen Betrag auf eine gefühlt sichere Sache zu setzen. Worauf man allerdings nicht unbedingt wetten sollte, ist ein mögliches Comeback von Juliane Werding. Auf ein Solches warten ihre Fans schon knapp 14 Jahre und die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Wunsch nochmal erfüllt wird, tendiert gegen Null.




Juliane Werding feierte vor knapp 50 Jahren ihren ersten großen Erfolg. Sie trat 1972 in der Sendung "Talentschuppen" des damaligen Südwestfunks (SWF) auf und stellte dort ihren Song "Am Tag, als Conny Kramer starb", eine Coverversion des THE BAND-Titels "The Night They Drove Old Dixie Down",001 20230128 1317475389 vor. Das Lied wurde ihr größter Hit und landete auf Platz 1 der Deutschen Single-Charts. Sie war damals erst 16. Trotz dieses Erfolgs ließ sich die gebürtige Essenerin nicht blenden, ging zurück in ihre Schulklasse und machte trotz großem Medieninteresse (die BRAVO berichtete mehrfach über sie) und der Verlockung, im Musikzirkus eine große Nummer zu werden, ihre Schulausbildung zu Ende. Erst danach widmete sie sich wieder der Musik und mit "Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst" (1975), "Nacht voll Schatten" (1983), "Stimmen im Wind", "Das Würfelspiel" (beide 1986), "Avalon" (1991) oder "Alles Okay?" (1996) folgten weitere Erfolge. Auch bei der 1985er All-Star-Gruppe BAND FÜR AFRIKA und dem Nr. 3-Hit "Nackt im Wind" war sie mit dabei. Nach 21 Alben (das letzte war "Ruhe vor dem Sturm" aus dem Jahre 2008), zahlreichen Auszeichnungen (darunter die Goldene Europa 1972, Goldene Stimmgabel in den Jahren 1985, 1987, 1991, 1993 und 1998, den Löwen von Radio Luxemburg 1975), zig Platin- und Gold-Awards für ihre Alben (darunter einige Klassiker) sowie unzähligen TV-Auftritten und Tourneen zog sie sich 2009 aus dem Show-Geschäft zurück. Die Glitzerwelt tauschte sie gegen ein "bürgerliches Leben", kümmerte sich fortan um ihre Tochter Charis und eröffnete als Heilpraktikerin eine Praxis in Starnberg bei München um dort Homöopathie, Akupunktur, Akupressur, Heilhypnose, Reiki und andere Naturheilbehandlungen anzubieten. Bereits Mitte der 80er hatte sie parallel zur Musikkarriere eine Ausbildung zur Heilpraktikerin begonnen. Nach dem Rückzug von der Bühne konnte die ehemalige Sängerin ihr erlerntes Wissen nun in der Praxis anwenden. Doch inzwischen ist Juliane Werding im Rentenalter, wird im Juli 67 Jahre alt und hat ihre Praxis scheinbar inzwischen wieder geschlossen. Ihre Internetseite ist jedenfalls nicht mehr erreichbar und einen Telefonbucheintrag gibt es ebenfalls nicht mehr.

002 20230128 1445066492Juliane Werding hat meines Erachtens alles richtig gemacht. Nach ihrem Album "Zeit für Engel" im Jahre 1990, das ein letztes Mal mit Gold ausgezeichnet wurde und bis auf Platz 10 der Album Charts vorstoßen konnte, waren die Verkaufszahlen und Chart-Platzierungen rückläufig. Zwar hatte sie immer noch ihren guten Namen und war immer wieder mal im TV zu sehen, aber ein großer Hit gelang ihr nicht mehr. Bevor das Publikum komplett satt war und sie möglicherweise nur noch vor wenigen Menschen aufgetreten wäre, zog sie die Reißleine, machte einen Strich unter die Musiklaufbahn und widmete sich einem Betätigungsfeld, mit dem sie sich - wie schon erwähnt - seit den 80ern intensiv beschäftigte: Der Naturheilkunde. Dass niemand mehr einen Euro auf ein Comeback von Juliane als Künstlerin wetten würde, ist meiner Meinung nach auch gut so. Es gibt genug Kolleginnen und Kollegen als abschreckende Beispiele, die ihren Namen und ihren hart erarbeiteten Mythos durch einen Comeback-Versuch kaputt gemacht haben. Die Musikszene und die Medienlandschaft ist heute eine komplett andere als damals, der Weg zurück ins Rampenlicht entsprechend mit vielen Unbekannten gepflastert. Und für eine Tingeltangel-Tour mit Flori in dessen Schlagerschießbuden sind Juliane und ihre Musik zu anspruchsvoll, als dass sie sich dort verheizen lassen sollten. Und das ist auch gut so!

Bleiben Sie gut versteckt in ihrem bürgerlichen Leben, Frau Werding. Sie haben alles erreicht, man erinnert sich gern an Sie und es ist schöner, man vermisst sie weiter, als dass man von Ihnen sagt, "Das hätten wir wirklich nicht mehr gebraucht".




   
   
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