Zum 70. ein Portrait:
 
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Vorwort: Christian Reder | Autor des zitierten Textes: Bernhard Hönig, Bild: Ute Mahler (für Das Magazin, Ausgabe 9/1985)



Am 14. Dezember wäre Tamara Danz 70 Jahre alt geworden. Da über sie und natürlich auch SILLY auf unserer Seite schon viel geschrieben wurde und sie hier noch immer gegenwärtig ist, haben wir uns - wie schon bei Herbert Dreilich vor ein paar Tagen - dazu entschlossen, keinen weiteren eigenen Beitrag aus unserer Feder zu veröffentlichen, sondern zum Anlass hier lieber etwas "Geschichtliches" für Euch zu veröffentlichen. Darum haben wir auch für Tamara einmal mehr in unserem Archiv gekramt und zitieren aus einem Artikel von den Kollegen der Zeitschrift "Das Magazin" vom September 1985, geschrieben von Bernhard Hönig und mit einem Foto von Ute Mahler.



1985a 20150801 1081981804Sie wird heute als "Rock-Lady Nr. 1 der DDR" apostrophiert. Nicht etwa von überschwänglichen Journalisten, die ich verstehen könnte. Es waren ihre Kollegen, an die 60 Rockmusikanten, die sich Ende 1983 zusammengefunden hatten, um "Rock für den Frieden" zu beraten, und nebenbei - auf Bitten von "Stimme der DDR" - die "DDR Supergruppe 1983" nominierten, als Sängerin: Tamara Danz. Eine Entscheidung, die die Rundfunkhörer 1984/85 bekräftigen. Fachjournalisten und -redakteure wählten zur "LP des Jahres 1983" die LP "Mont Klamott" - von SILLY mit Tamara Danz. Anfang 1985 kam eine weitere, die dritte AMIGA-Langspielplatte von SILLY heraus, "Liebeswalzer". Ich kann hier viel schreiben - von diesen Schallplatten erfahren Sie mehr, begreifen Sie tiefer, wer diese Frau ist.

"Die Handvoll Jahre, die ich leb, sind so kostbar, dass ich sie vergeb'", singt sie, "... und werde nie fertig mit der Welt, solange die mich am Leben hält." Singt: "Warum häng ich am Kompromiss und hab vor meiner Meinung so'n Schiss? ... Raus aus der Spur!" Singt: "Dass ich unter meinen Füßen immer noch den Boden spür, dass ich mich in meinen Ängsten, im Alleinsein nicht verlier." Singt für ihren "großen Träumer": "Geh, wenn Du meinst, dass Deine Sehnsucht Dich wieder trägt! Schlag Dich wieder in den Tag, leg Dich an und ertrag, dass sich am Ende wenig bewegt! Nimm alle Müh'n in Kauf, aber gib bitte nie auf!" Besingt die kleine Frau mit der großen Lust, die alten Männer mit der alten Liebe zu Johann Strauß, den Mont Klamott in Berlin und die Frauen, die ihn zusammenkarrten. Singt: "Wir ziehen aus dem frischen Wind die Kräfte, die uns nötig sind fürs Nehmen und fürs Geben und überhaupt fürs Leben."

Tamara gibt sich spröde, als fürchte sie, mit dem Gefälligen ins Banale abzugleiten. Liebe artikuliert sie in aller Leidenschaft und in aller Stille, Liebe, mit der sie den einen umfängt, Liebe, in die sie die kleine Frau wie die alten Männer einschließt. Sie kommt uns direkt, mit freundlicher Ironie, mit Hintersinn. Nur für sie scheint die kaum eingängige, immer wieder berührende, vielschichtige Musik von SILLY geschaffen zu sein. Und nur für sie jedes Wort.

Alle Texte auf den beiden jüngsten, oben zitierten Langspielplatten schrieb Werner Karma, der sich auch René Volkmann nennt. Er kam von der Gruppe KARLS ENKEL zu SILLY, vom politischen Lied zum Rock, brachte einen Packen Texte mit, suchte die große Resonanz für das, was er sagen wollte, und fand - wortführend auch für ihre Musikanten - zunächst Tamara. "Da kann ich nicht ran!" sagte sie, wenn ihr anfangs mitunter Frust, Unverbindlichkeit aus seinen Worten entgegenschlugen. Ran konnte und kann sie immer dann, wenn Wirklichkeit zur Sprache kommt, so, wie sie ist, mit dem, was Nachdruck, und mit dem, was Widerspruch braucht. Das freilich will herausgefunden, bedacht und auf den Punkt gebracht sein. Und darum geht es immer wieder, wenn die Sängerin, ihre Musikanten und ihr Texter zusammensitzen - draußen in Münchehofe vor Berlin,1985b 20150801 1629572196 wo sie ihren Probenkeller haben, droben unterm Dach in einer Nebenstraße des Stadtbezirks Prenzlauer Berg, wo Tamara Zimmer und Küche bewohnt.

In ihrer Künstler-Biographie kommen ein paar Namen vor: Uwe Kropinski, heute ein bekannter Jazz-Gitarrist - mit ihm ging sie zur Schule, in seiner Amateur-Rockband stand sie zum ersten Mal auf der Bühne. Heinz-Jürgen Gottschalk, heute ein erfolgreicher Solo-Sänger und -gitarrist - "Gotte" überredete sie, weiterzumachen und schickte sie zu Horst Krüger in die Lehre. Thomas Fritsching, Mathias Schramm - mit ihnen gründete sie 1978 die FAMILIE SILLY, gewann sie 1981 beim Festival in Bratislava die "Goldene Lyra", mit ihnen und Rüdiger Barton und Herbert Junck steht sie noch heute auf der Bühne. Kurt Demmler, einer unserer profiliertesten Textautoren - er half, auch als seine Texte bei ihr nicht funktionierten. Sicherlich waren all diese Begegnungen und Erfahrungen nötig. Entscheidend aber blieb, dass Tamara immer weniger Freiräume zuließ zwischen der, die sie ist, und der, die da singt, zwischen dem, was sie fühlt, denkt, will, und dem, was sie im Munde führt.

Es gab einmal eine sehr bunte Tamara, mit Stirnband, Ringelstrümpfen, mancherlei Tüchern. Immer verriet sie damit Geschmack, auch Lust an der auffälligen Selbstdarstellung. Immer aber lag darin zugleich ein Aufruf zu Phantasie, zu Selbstbewusstsein, zu Toleranz. Der hat inzwischen andere Formen angenommen, ist tiefer eingegangen in ihre Kunst. Mit ihrem Selbstverständnis verträgt es sich durchaus, dass andere ihre Meinung sagen zu dem, was beispielsweise auf Platte gepresst werden soll - "Darüber denken wir nach". Sie verträgt es nicht, wenn oberflächlich, misstrauisch, verständnislos geurteilt und abgelehnt wird - "Das setzt keine Gedanken frei, das blockiert." Da hat sie ihre unguten Erfahrungen. Und kann die guten mit dem AMIGA-Lektorat dagegensetzen, mit Gisela Steineckert auch, deren sachkundiger Zuspruch nicht auf ein "Ihr müsst!" hinauslief, sondern die Musikanten und ihre Texter annahm als das, was sie sind: engagierte, denkende Menschen.

Lieder für die Menschen sind alle ihre Lieder, "Ein Lied für die Menschen", gespielt von SILLY, gesungen von Tamara Danz, wurde bei "Rock für den Frieden" 1984 von allen aufgenommen wie eine Hymne: "Leben, einfach nur leben! Wer leben will, steh uns bei! Leben, in Frieden leben ... Für alle Träume weit und frei!"




   
   
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