So ging es mal los

mit KARAT

Live in Concert 1975

Erinnerungen von Reinhard Baer

 

 

Nun liegt sie in den CD-Regalen der Plattenläden (und auch in meinen CD-Regal steht sie, wenn ich sie nicht gerade höre), Karat’s neues Album „Weitergeh'n“. Es ist das erste Album mit Claudius Dreilich als Sänger. Beim ersten Reinhören muss ich sagen: nicht schlecht! Wie gut die Scheibe wirklich ist, wird letztendlich der Verkauf zeigen. Auf jeden Fall hat die Gruppe nach ziemlich langer Zeit wieder was Aktuelles, was sicherlich in den Live-Konzerten auch zu hören sein wird. KARAT wird ja in diesem Jahr 35 Jahre, und da erinnere ich mich auch gerne mal zurück wie es war, als ich KARAT 1975 erstmalig live erlebte.
 

Von den heutigen Bandmitgliedern war da noch keiner dabei (ausgenommen der heutige Gelegenheitsmitspieler Ulrich "Ed" Swillms). Ich sah die Band damals im Fernsehen. Ich glaube, damals gab es da schon die Sendung „rund“. Eine neue Band mit Namen "KARAT" wurde angesagt, und sie spielten „Leute welch ein Tag“ und noch einen weiteren Titel (ich glaube, der hieß „Und ich lauf durch die Stadt“). Ich sah natürlich als Kenner der DDR-Musikszene sofort unter den Musikern einige bekannte Gesichter. Nach Auflösung der Band Panta Rhei hatte deren Bassist Henning Protzmann die neue Band "KARAT" gegründet, und der Keyboarder Ulrich "Ed" Swillms und der Gitarrist und Sänger Herbert Dreilich waren dieser neuen Band beigetreten. Als Gitarrist war Ulrich Pexa (ehemals Uve Schikorra-Band) und der ehemalige Drummer von Lift Konrad Burkhardt mit von der Partie. Der Sänger Hans-Joachim Neumann ("Neumi") war bis dato noch unbekannt. Er kam von der Band „Neue Generation“.


Eines Tages hatte ich die Gelegenheit, Karat live im Rostocker Arena-Theater zu erleben. Das Arena-Theater, dieses Zirkuszelt-ähnliche Bauwerk war nicht mal zur Hälfte ausverkauft, aber so wie an diesem Tag habe ich noch nie eine Band vor einem halbleeren Haus spielen sehen. Die Musiker kamen auf die Bühne und von der ersten Sekunde an gab es erstklassige Rockmusik zu hören. Natürlich wurde alles gespielt, was KARAT damals schon an eigenen Titeln hatte. „Leute, welch ein Tag“ erklang und auch „Jeden Tag ein Stück“ oder „Such ein Zimmer“. Sänger Neumi stellte mit "Erna" die Lieblingswirtin der Band vor. Der Titel, den sie ihr gewidmet hatten hieß „Hey Erna, wo bleibt mein Bier?“ Dann sang auch Herbert Dreilich einen Titel „Draußen im Kornfeld“. Natürlich reichten damals die eigenen Titel noch nicht aus, ein Konzert von 1,5 bis 2 Stunden zu bestreiten, also musste auch Internationales her. Herbert sang was von Billy Preston, und der Höhepunkt war dann „Stormbringer“ von Deep Purple. Sänger "Neumi" warf sein damals noch langes Haar vor und zurück, drehte den Kopf und zeigte auch seine komödiantische Seite. Er konnte z.B. seine Stimme ganz tief stellen (wie später bei Neumi’s Rockzirkus beim "Schlapphutblues" oder bei „Das Monster“ von Karat) und auch ganz hoch wie eine Sophranistin konnte er singen. Ulrich Pexa gab alles auf der Gitarre, und die wenigen Zuschauer gingen mit. Letztendlich kam es zu einem Wechsel-Solo von Gitarre und der Stimme von "Neumi". Der Titel ging ca. 10 bis 12 Minuten. Neumi stellte irgendwann im Laufe des Programms auch seine Bandkollegen vor. Als Ed Swillms an die Reihe kam, hieß es nicht "...an den Keyboards...", sondern "...am Fender-Piano, am Hohner-Clavinett und am Synthesizer...", und dann durfte Ed dieses Instrument einmal vorführen. Er spielte auf den Piano-Tasten eine Melodie so in der Art „Mein Hut, der hat drei Ecken“ und auf dem Synthesizer den Bass, der sich wie eine Tuba anhörte. Zur damaligen Zeit waren Pyro- und Lichteffekte noch nicht so angesagt und fanden bei diesem Konzert keine Anwendung.In der Folgezeit stellte Karat in den einschlägigen Rundfunksendungen noch eine Reihe neuer Titel vor. Zum Konzept von Karat sagte Henning Protzmann einmal sinngemäß in einen Interview, die Band wolle gute und anspruchsvolle Musik für die breite Masse machen. Alle Musiker haben eine Top-Ausbildung, man könnte auch ganz andere Musik machen, wo jeder Musiker maximal gefordert wird. Das ist aber nicht das, was Karat mit seiner Musik bezweckt. Man will gegründet auf solidem handwerklichen Können Musik für ein breit gefächertes Publikum machen.


Wie schon gesagt, von den damaligen Bandmitgliedern ist bis auf (gelegentlich) Ed Swillms keiner mehr dabei. Pexa und Burkhart verließen nach knapp zwei Jahren als erstes die Band. Sie wurden durch Bernd Römer und Michael Schwandt ersetzt, die bis heute noch dabei sind. Ende der 80er Jahre ging dann Henning Protzmann und für ihn kam Christian Liebig. Die Keyboards wurden zeitweilig von Thomas Natschinski gespielt, danach von Thomas Kurzhals. Nach dessen Weggang Anfang der 90er fand man mit Martin Becker die endgültige Lösung. Vergessen habe ich noch "Neumi". Er durfte irgendwann zur Fahne. Nachdem er auch diesen Lebensabschnitt absolviert hatte, gründete er Neumi’s Rock Circus, kehrte also nicht zu Karat zurück. Nun war also Herbert Dreilich der alleinige Sänger bis zu seinem tragischen Tod 2004. Seitdem habe ich KARAT noch etliche mal erlebt sowohl zu DDR-Zeiten als auch danach. Einmal - etwa so um 1976 oder 1977 - in Putlitz (in der Prignitz) war die Band da, aber der LKW mit der Technik hatte irgendwo eine Panne, und das Konzert musste ausfallen. Inzwischen sind sicherlich auch die LKWs besser geworden, und ich hoffe auch nach 35-jähriger Bandgeschichte, daß ich KARAT noch recht oft im Konzert erleben darf. Vielleicht berichte ich ja dann das eine oder andere mal unter „Live-Berichte“ darüber, und tolle Fotos von der Band würde ich natürlich auch gerne schießen.Die Musiker waren entsprechend der damaligen Mode gekleidet, d.h. viel bunt, Schlaghosen und die Haare trug man lang. Herbert Dreilich hatte damals noch einen Vollbart. Am Ende des Konzertes waren natürlich Zugaben angesagt. Als KARAT wenige Tage oder Wochen später in Warnemünde ein Open Air-Konzert spielte, soll es Dank der Mund- zu Mund-Propaganda richtig voll gewesen sein. Das waren meine Erlebnisse zum Beginn der nun seit 35 Jahren anhaltenden Erfolgsgeschichte dieser Band.