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Autor Reinhard Baer

 

Wir lesen und hören im Moment viel von Jubiläen. Es kommt einem vor, als ob gerade in diesem Jahr besonders viele Jubiläen anfallen. Da begehen wir am 3. Oktober den 20. Jahrestag der deutschen Einheit, vor 20 Jahren bekamen wir hier im Osten auch die D-Mark. Schauen wir uns die Beiträge bei “Deutsche Mugge” an, dann lesen wir Ringo Starr wird 70, bei Peter Gabriel sind es erst schlappe 60, bei Bono von U2 erst 50, Karat besteht seit 35 Jahren usw. Über ein - wenn man so will - Jubiläum möchte auch ich hier etwas schreiben.
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Vor 20 Jahren, nämlich am 13. Und 14. August 1990 gaben The Rolling Stones im Ostteil Berlins, und somit in der damals noch existierenden DDR, zwei Konzerte. Die DDR, deren Obere am Anfang gegen diese Musik zu Felde zogen und Ihre Musik nicht spielen ließen, ließ die Stones so einfach ins Land. The Rolling Stones befanden sich damals auf der “Steel Wheel / Urban Jungle-Tour”. Diese hatte im August 1989 in den USA begonnen, und 1990 ging es dann in Europa weiter. Am 6. Juni fand auch ein Konzert im Berliner Olympiastadion statt. Für viele aus dem Osten war dies leider nicht besuchbar, da die D-Mark erst am 1. Juli kam, und das bis dahin umgetauschte Geld oftmals schon für andere Ausgaben weggegangen war. Freudig nahm man daher die Nachricht entgegen, dass in Berlin, und diesmal im Ostteil, zwei weitere Konzerte stattfinden sollten. Mit dem Auftrag, mehrere Eintrittskarten zu besorgen, fuhr ich eines Nachmittags nach der Arbeit nach Berlin. Und selbst bei diesem "Ausflug" konnte man für die damalige Zeit interessante Beobachtungen machen... “Unter den Linden” befand sich eine Theaterkasse, welche die Karten verkaufte. Somit fuhr ich mit der S-Bahn zum Alex und von dort ging ich zu Fuß weiter. Als ich in Höhe des Berliner Doms war, gingen am Palast der Republik die zum Dom hinzeigenden Türen auf, und eine Menschenmenge verließ das Haus. Die meisten gingen zu ihren auf dem damaligen Marx-Engels-Platz parkenden Autos und fuhren davon. Wieder mal ging ein Sitzungstag der DDR-Volkskammer zu Ende. Eine größere Limousine der Marke Citröen fuhr vor und zwei Männer im dunklen Anzug schauten sich das Fahrzeug genau an. Sie sahen ins Innere, in den Kofferraum und unter das Auto. Danach kam Frau Dr. Sabine Bergmann-Pohl, damals Volkskammerpräsidentin und Staatsratsvorsitzende, in einem braunen Sommerkleid und begleitet von zwei Sicherheitsleuten, die Treppe runter, nahm im Auto platz und wurde weggefahren.

Das Stones-Konzert, das ich besuchte, fand dann am Montag den 13. August 1990 auf dem Gelände der Rennbahn in Weissensee statt. Am Rande der Gustav-Adolf-Straße, welche dort hinführt, standen Getränkeverkäufer und andere Händler, die z.B. Würste grillten. Sie erhofften sich, bei der Großveranstaltung ein gutes Geschäft zu machen. Als das Tor zur Rennbahn geöffnet wurde, lief man auf Getränkedosen. Erstaunt stand man dann vor der großen Bühne. Es sah aus, als stünde dort eine stillgelegte Fabrik. Über der Bühne hingen dicke Rohre, die Lautsprechertürme waren irgendwie in dieses Gebilde integriert, ebenso die Beleuchtungstechnik, und wie ganz selbstverständlich war auch die Werbung der Sponsoren der Tour zu erkennen. So wie ich gehört hatte, waren wohl pro Konzert 50.000 Karten verkauft worden. Zunächst spielte ca. 30 Minuten eine Vorband, die aber namentlich nicht bekanntgegeben wurde. Als diese fertig war, war es auch schon etwas dunkel. Plötzlich ein Knall, und vom Bühnenrand schoss eine Pyrofontäne nach oben. Da standen sie nun auf der Bühne, die "größte Rock’n Roll-Band der Welt" (oder welche Superlativen es für sie sonst noch gibt). “Start Me Up” hieß der erste Titel, gefolgt von “Mixed Emotions” und “Sad-Sad-Sad”. Mick Jagger begrüßte das Publikum, und dafür hat er immer artig einige Sätze auf deutsch gelernt. Weiter ging es mit dem Stones-Repertoire. Die sicherlich nicht ganz billigen Mäntel, die Mick, Keith und Ron zu Anfang trugen, wurden bald abgelegt. Mick Jagger legte auf der Bühne ein immenses Laufpensum zurück, was auf eine gute Kondition schließen ließ. Als ich die Stones 2006 im Olympiastadion in Berlin ein weiteres mal erlebte, war das Laufpensum übrigens das gleiche.

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Beim Titel “Honky Tonk Woman” wurden zwei riesige Frauen mit üppiger Oberweite und kurzem Rock aufgeblasen und saßen auf der Bühne. Bei “Street Fighting Man” waren es zwei große Hunde mit gefletschten Zähnen. Mick Jagger nahm eine lange Stange, an deren Ende sich eine stachelige Kugel befand und schlug einem der Hunde damit in die Weichteile. Diese Figuren fielen nach kurzer Zeit wieder zusammen und wurden von schwarz gekleideten Bühnenleuten wieder verstaut. Bei “Sympathy For The Devil” stand Mick Jagger oben auf einem der Lautsprechertürme. Er war in einem Aufzug hochgefahren, nach dem Gitarren-Intro war er dann wieder unten. Neben den Stonesstandards “Jumpin' Jack Flash”, “Brown Suggar”, “Ruby Tuesday”, “Gimme Shelter” und “Paint It Black” wurde bei dieser Tournee erstmalig “2000 Lightyears From Home” live gespielt. Fehlen durften bei diesem Konzert auch “Midnight Rambler” und “You Can’t Always Get What You Want” nicht. Selbstverstandlich durfte Master Keith auch zwei Titel singen.

Ein kleiner Höhepunkt bei den Stoneskonzerten ist immer, wenn Mick seine Kollegen auf der Bühne vorstellt. Zu den Stones gehörten neben Mick Jagger damals Keith Richards, Ron Wood und Charlie Watts. Außerdem war der Bassist Bill Wyman noch mit dabei. Neben den eigentlichen fünf Rolling Stones-Mitgliedern agierten auf der Bühne noch weitere Musiker, so der Saxophonist Bobby Keys, der Pianist Chuck Leavell, die Backgrounndsänger Lisa Fischer und Bernard Fowler, eine weitere Sängerin, ein Bläsersatz und ein zweiter Keyboarder. Nachdem die Stones ihren letzten Titel gespielt hatten, gab es als Zugabe noch “Satisfaction”. Danach gab es noch ein tolles Feuerwerk zu sehen, und die Lichter gingen an. Anschließend gingen alle Besucher nach Hause.

Das Ereignis machte sowohl vorher als auch nachher Schlagzeilen in den Medien. Das Fernsehen berichtete darüber und die Zeitung “Junge Welt” hatte extra eine Beilage gedruckt, in der alles Wissenswerte über die Stones stand, u.a. welche Platten die Band veröffentlicht hatte und mit welchem Instrumentarium die Musiker spielten. So erfuhr man, dass Charlie Watts auf einem Gretsch-Schlagzeug von 1957 spielte. Nach Abschluss der Tour brachten die Stones eine Live-LP mit dem Titel “Flashpoint” auf den Markt. Sie enthielt im Studio nachbearbeitete Titel, welche ansonsten auf der Tour mitgeschnitten wurden, sowie zwei Studiotitel. Das Booklet der LP enthält tolle Farbfotos, u.a. ist auch solche, auf denen die Bühne gut zu sehen ist. Wer das Album noch als Platte gekauft hat, kann die tollen Fotos auch in einer annehmbaren Größe betrachten.

Dies war mein erstes Stones-Konzert, sollte aber nicht das letzte bleiben. Leider sind die Preise für Eintrittskarten von Rock- und Popveranstaltungen in den letzten 20 Jahren gewaltig gestiegen und man fragt sich, wie lange kann ein Normalsterblicher sich das noch leisten...

Erinnerungen:
 

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