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Ein Beitrag von Christian Reder. Fotos: Archiv Sieghart Schubert



001 20220401 1397579306Es war schon eine finstere Zeit damals. Auch dieser 2. April 1942 machte da keine Ausnahme. Viele Länder dieser Erde - allen voran unser Land - befanden sich mitten im 2. Weltkrieg, und gerade an diesem Tag waren deutsche Fliegerstaffeln dabei, die britische Inselfestung Malta "sturmreif" zu schießen. In unserem Land war vom Frühling in jeder Hinsicht noch nichts zu spüren. Um den kulturellen Hunger der Menschen zu stillen, waren an der Semperoper in Dresden bereits die Vorbereitungen für die Oper "Die Zauberinsel" von Heinrich Sutermeister, die Ende Oktober uraufgeführt werden sollte, in vollem Gange und genau an diesem Donnerstag lief in Wien der von Willi Forst mit Willy Fritsch und Hans Moser in den Hauptrollen inszenierte Film "Wiener Blut" im Kino an. An diesem 2. April 1942 passierte aber noch etwas, das gerade für die deutsche Musikgeschichte der Nachkriegszeit von großer Bedeutung sein sollte: Sieghart Schubert wurde geboren.

Es dauerte auch gar nicht lange, und der kleine Sieghart hatte seinen Erstkontakt mit der Kunstform, die mal sein Leben bestimmen sollte: Musik. Der eben erwähnte Weltkrieg war gerade zu Ende, da bekam er im Alter von vier Jahren auf Betreiben seines Vaters klassischen Klavierunterricht. Nicht immer voller Lust darauf habend, denn wenn andere Kinder draußen Fußball spielten, musste Sieghart am Instrument fleißig sein, verfolgte er aber hartnäckig sein Ziel, ein guter Pianist zu werden. Er übte das Spielen auf den schwarzen und weißen Tasten, und ließ sich nicht ablenken. Statt die Jungs aus der Nachbarschaft waren Busoni, Beethoven, Mozart und deren Klaviersonate seine Begleiter durch die Kinder- und Jugendzeit. "Nachdem ich die Mittelschule beendet hatte, ging ich ans Konservatorium in Halle (Saale)", erzählte er uns vor einiger Zeit in einem Interview. Er bestand die Aufnahmeprüfung und studierte dort schließlich vier Jahre im Hauptfach Klavier und Posaune. Weitere vier Jahre Studium an der Leipziger Hochschule folgten und am Ende hatte er sein Staatsexamen in der Tasche. Dazu das nötige Rüstzeug für ein Berufsleben als Berufsmusiker.
 
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Dass die Welt der Musik auch noch andere Dinge als die Klassik bereit hielt, stellte Sieghart mit 15 Jahren fest. Zu diesem Zeitpunkt spielte er bereits Posaune und er knüpfte Kontakt zur Uni-Jazzband in Halle. Auf diesem Wege kam er erstmals mit der Musik von Chris Barber, Mr. Acker Bilk und anderen Jazzern in Berührung. Ebenfalls noch in Halle verbrachte Schubert viel Zeit mit einem Club junger Leute, die heimlich im Keller verbotener Weise aus dem kapitalistischen Ausland über Umwege eingeführte Jazz-Platten hörte. "Alles, was damals angesagt war", kam ihm da zu Ohren und infizierte ihn mit dem Erreger, der ihn schließlich selbst in diese Richtung musizieren ließ. Kurz darauf lernte er Herbert Dreilich kennen, der gerade nach Halle gezogen war. Mit ihm gemeinsam verbrachte er viel Freizeit, machte mit ihm zusammen Musik und stieg in die aus Borna stammende Band DIE HOBBYS ein. Damit bewegte sich der Musiker auf dünnem Eis, denn als Student der klassischen Musik durfte man damals in der DDR nicht vom eigentlichen Weg abweichen und was anderes als Klassik spielen. Sieghart Schubert war aber voll "drin" und verstieß munter gegen diese Verbote. Unter der Woche Klassik an der Hochschule, am Wochenende setzte man sich früh morgens in den Zug, um am Abend die Tanzsäle mit zeitgenössischer Tanzmusik zum Kochen zu bringen. Für Rundfunkaufnahmen nahm Schubert sogar einen anderen Namen an, damit sein wildes Treiben abseits der Werke alter Meister an seiner Hochschule nicht auffiel. Das muss eine unglaublich spannende Zeit gewesen sein.

Nach Abschluss seines Studiums in Leipzig im Jahre 1965 begann Sieghart unter Dirigent Franz Konwitschny als Posaunist im Leipziger Gewandhaus zu musizieren. Die Wagner-Oper "Tannhäuser" war angesagt, aber die populäre Musik aus der damaligen Zeit war schon zum Greifen nahe, denn parallel zur verstaubten Klassik spielte er Bassgitarre bei den BELBOYS, der damaligen Konkurrenzband von RENFT in Leipzig. Später ging es zur KLAUS LENZ BIG BAND. Lenz wollte ihn als Posaunisten haben und Schubert folgte dem Ruf des großen Band-Leaders. War alles auf dem Gebiet vorher "nebenbei" und auf kleiner Flamme gelaufen, war Schuberts Einstieg bei Lenz der offizielle Start in die Laufbahn als Jazzer und Rockmusiker. Bis 1973 blieb er dabei, dann wurde es Zeit für etwas Eigenes und die Sieghart Schubert Formation, später Schubert Band, wurde gegründet. Der Rest ist Geschichte … und zwar eine erfolgreiche Geschichte.
 
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Die 70er und 80er gehörten ihm, seiner Band und der Sängerin und späteren Ehefrau Katrin Lindner. Mit ihr zusammen eroberte er nicht nur musikalisch die DDR und das ein oder andere Bruderland, sondern baute sich auch ein eigenes Studio auf. Das Farmlandstudio in Quadenschönfeld. Dort produzierten noch zu DDR-Zeiten viele Kollegen Songs für ihre Platten. Die Gruppe Chicorée mit Dirk Zöllner und seinem Sohn Moritz am Schlagzeug war eine dieser Bands, später auch KARAT mit seinem alten Kumpel aus Hallenser Tagen, Herbert Dreilich.

Nach der Trennung von Katrin zog er mit seinem Studio nach Neetzka bei Neubrandenburg um, wo er u.a. für Tino Eisbrenner oder die Gruppe IM BETT MIT UDO, das aktuelle Projekt seines Sohnes Moritz, produzierte. Dieses Studio gibt es immer noch und auch wenn Sieghart das Renteneintrittsalter schon seit Jahren überschritten hat, sitzt er dort noch immer hinter dem Mischpult an den Reglern und geht seiner Berufung nach. Ohne Musik leben ist möglich … für Sieghart aber wohl undenkbar.

Auch wenn nach 80 Jahren die Zeiten wieder finster sind, es ganz in der Nähe wieder Krieg gibt und viele andere Nebenschauplätze ebenfalls für Unruhe in unser aller Leben sorgen, so hat Sieghart doch auch viel Licht und Schönes erlebt. Er bereiste als Musiker die Welt und hinterließ nicht nur Spuren mit seiner Schubert Formation, sondern auch als Studiomusiker auf Produktionen von schon genanntem Klaus Lenz, Hans die Geige, Katja Maria Werker, Uschi Brüning, Jürgen Ecke, dem Jazz-Werkstatt-Orchester, dem Mama Blues Project oder Torsten Schlingelhof (Schlingelhof & Band). Wir wünschen Dir, lieber Sieghart, zu Deinem heutigen 80. Geburtstag einen von Sonne durchfluteten Tag in finsteren Zeiten und noch möglichst viele mehr davon. Bleib schön gesund und hab Dank für Deine Musik und die spannenden Geschichten drumherum.


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