Mit schwitzender Seele auf der Bühne:

Modern Soul Band

... live 1979

Ein Beitrag mit Fotos von Hartmut Helms

 

 

Vor ewigen Zeiten, lange bevor es Handy, GPS oder ein Notebook gab, in einem Land, das die Geschichte mitsamt seinen Pappautos, den bunten Wimpelketten und steifen Propagandasprüchen geschluckt hat und das nur noch in privaten Erinnerungen existiert - vor diesen ewigen Zeiten hatte die legendäre Melodie & Rhythmus noch A5-Format. Auf dem Titelbild lächelten in schwarz/weiß Stars wie RICA DEUS, BÄRBEL WACHOLZ oder HARTMUT EICHLER. Manchmal allerdings auch smarte junge Herren, wie die um den Dresdner THEO SCHUMANN oder die Berliner SPUTNIKS. In solch einem kleinen A5-Heftchen gab es auch mal ein Foto der Berliner MUSIC STROMERS. Die waren eine Band, so würde man heute vielleicht sagen, aus der musikalische Legenden hervorgingen, deren Namen man in Fankreisen noch heute mit Hochachtung und Kennermiene ausspricht. Einer von ihnen, der den Atem dieser Geschichte(n) mitgeformt und geprägt hat, ist GERHARD "HUGO" LAARTZ, der Gründer der STROMERS und damals noch Rhythmus-Gitarrist.
 

Als die MUSIC STROMERS im Jahre 1968 verboten wurden, entstand unter der Leitung von "HUGO" das MODERN SEPTETT, das kurz danach MODERN SOUL BAND hieß. Der Name sollte die inhaltliche Anlehnung an den Amerikanischen Soul assoziieren, so wie ihn Otis Redding oder James Brown, der "Godfather of Sould", sangen und Blood, Sweat & Tears oder Chicago spielten. Diese homogene und verschwitzte Mixtur aus Rock, Jazz, Blues & Soul der amerikanischen Großstädte, die sich auf knackige Bläser und ein jazziges Piano stützte, war es, was LAARTZ von Beginn an faszinierte und das wollte er mit seiner Band in sein Berliner Stadtgefühl übersetzen. Mit dem unvergessenen KLAUS NOWODWORSKI war ein Sänger gefunden, der dies auch in deutscher Sprache und zeitgemäßen Inhalten adäquat singen und ausrücken konnte.

Die Band war von Beginn an ein Schmelztiegel für Talente, wovon das Kommen und Gehen vieler namhafter Musikanten zeugt, nach Hugo's Aussage über 100, ohne dass dabei der Stil oder die Musizierweise gelitten hätten. Die Konstanten der Band waren Bandgründer und Keyboarder "Hugo" Laartz und Dagobert Darsow an der Posaune. Die optischen wie vocalen Fixpunkte hießen Klaus Nowodworski, Regine Dobberschütz, Gonda Streibig und später auch Christian Schmidt, der DDR-Cocker. In der Neuzeit tut das auf überzeugende Weise DIRK LORENZ am Mikrofon.

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Nachdem bereits 1973 die LP der Klaus Lenz & Modern Soul Big Band bei Amiga erschienen war, folgte 1976 als Live-Mitschnitt die eigene LP und 1979 mit "Meeting" die nächste. Es ist genau jene Zeit, in die meine Erinnerung an ein Konzert der MODERN SOUL BAND in Elsterwerda zurück schweifen.

Wieder einmal fanden an ein paar Sommertagen im Juli/August 1979 die Betriebsfestspiele des VEB Kombinat Impulsa in Elsterwerda statt. Impulsa war eine internationale Hausnummer in Sachen Melktechnik und Geld für Kulturprojekte war keine Mangelware, im Gegenteil. BGL und FDJ agierten großzügig und so orientierte man sich an Spitzenangeboten der KGD und der Künstleragentur. Irgend jemand hatte die MODERN SOUL BAND ausgesucht, vielleicht auch, um sich persönlich einen Wunsch zu erfüllen.


Der Platz vor der Freilichtbühne nahe dem Sportplatz in Elsterwerda-Biehla war rappelvoll und das Sommerwetter lockte uns dorthin, zumal wir wahrscheinlich nicht mal Eintritt bezahlt haben. Schnell noch ein leckeres Bierchen vom Faß und dann ging es bis vor an die kleine Bühne, vor der in großen Steinkästen blühende Rosen und andere Blumen als Dekoration wuchsen. Ein Fehler, wie sich noch zeigen sollte.

In die Schwüle des Abends schmetterte die MODERN SOUL BAND den heißen Soul von "Himmel und Hölle" und an uns Männern gerichtet begrüßte uns Klaus Nowodworski mit seinem "Hallo, alter Junge" und tänzelte dabei in einem damals modischen Ganzkörperanzug auf der Bühne umher. Der Mann hatte Charisma und eine Bühnenpräsenz, die damals seinesgleichen in Sachen Soul'n'Funk suchte oder anders formuliert, es gab nur diesen einen und der starb leider 2001 an einer schweren Erkrankung - verdammter Krebs!

NOWODWORSKI merkte man an, dass er Soul-Musik zu singen liebte und lebte. Das war schon eine völlig andere Art von Stimme, wenn er "Manne Mücke" aus sich heraus röhrte oder den "November Blues" in den Abend stöhnte und dies begleitet von einer straffen und schneidigen Bläsersektion förmlich zelebrierte. Von der Band ging nicht nur an diesem Abend etwas ganz besonderes aus, das zum einen in der Besetzung mit Bläsern und zum anderen in der enormen Spielfreude der Musiker zu suchen war. Soul, Funk und Blues haben auch eine Menge mit Spaß, Freude und Bewegung zu tun und das übertrug sich auch auf die Fans.


Natürlich wollten wir von der MODERN SOUL BAND auch die Klassiker des Genres hören, jene Songs, die damals stellvertretend für und in Ermangelung der Originale live gespielt wurden. Höhepunkt des Konzertes war ohne Zweifel der internationale Part, als "Hi De Ho" von Blood, Sweat & Tears und "25 Or 6 To 4" von Chicago erklangen, jene opulenten Kompositionen mit den fetten und markigen Bläsern, bei denen man entweder auf die Knie gehen oder vor Übermut tanzen möchte. Wir hatten uns für letzteres entschieden und bei der folgenden James Brown-Nummer "Sex Machine" blieb uns ohnehin nichts anderes übrig. Das waren Hitze, Schweiß und pure Lust, eine Mixtur, die man übrigens heute noch immer bei MODERN SOUL erlebt. Da brennt einfach nur die Luft!Neben den musikalischen Urgesteinen "Hugo" LAARTZ und KLAUS NOWODWORSKI stand mit WOLFGANG NICKLISCH an der Gitarre auch ein Lokalmatador auf der Bühne, denn der exzellente Gitarrenkünstler stammt aus dem benachbarten Lauchhammer. Hinter der Schießbude saß STEFAN GEUTHER und der Bass wurde von JÖRG DOBBERSCH gezupft. Diese Dreierkombination erzeugte den Funky-Rhythmus, auf dem sich die anderen Instrumentalisten austoben konnten. Das eigentliche Soul- und Bluesfeeling aber produzierte die einzigartige Bläsersektion. Allen voran Dagobert Darsow (Posaune), der einst Conny Bauer ablöste und seither an dieser Position Musik macht, sowie Joachim Schmauch (Saxophon) und Christian Höhle (Trompete). Diese Besetzung kann man bis heute durchaus legendär nennen, denn sie blieb über relativ lange Zeit konstant und festigte den Ruf der MSB in der Szene des kleinen Landes.

Mein ganz persönliches Highlight war neben "25 Or 6 To 4", soll übrigens eine "Zeitansage" sein, das im Original von Otis Redding gesungene "(Sittin' On) The Dock Of The Bay". Dieser Song transportiert das Gefühl dieser Musik wie kaum ein zweiter. Als sich unter dem nächtlichen Himmel das Konzert zum Ende neigte, kannte unsere Begeisterung keine Grenzen. Als Zugabe gab's, so glaube ich, noch von Eric Burdon "Mother Earth", und während die Musikanten vor uns die letzten Töne spielten, gab es von unten stehende Ovation und die jungen Damen in der ersten Reihe pflückten die Rosen aus den Steinkästen und warfen sie ihren Stars des Abends vor die Füße. Sie hatten es verdient, um die Blumen und die leeren Kästen war's trotzdem schade, denn deren Pflege hatte sicher auch viel Mühe gemacht.

Die MODERN SOUL BAND gibt es noch immer, welch' ein Glück! Vielleicht sehen wir uns ja bei einem der nächsten Konzerte, denn die Musik mag ich, seit ich sie das erste Mal hörte, auch wenn jetzt neben den beiden Urgesteinen auf der Bühne "junges Gemüse" mit eigenem Selbstverständnis nachwächst, das den Soul und Sound der Band auf dem "rockenden Highway" in die Zukunft tragen wird.

 


 

Foto Impressionen:
 

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