"Kloster Chorin"

Ed Swillms‘ erste Komposition wiederentdeckt

Ein Beitrag von Patrick Baumbach (29.10.2021)

 

1969 lernten sich Ulrich Swillms und Herbert Dreilich bei der Berliner Band DIE ALEXANDERS unter der Leitung von Alexander Schilling kennen. Das etwas eigenwillige Konzept der Band bestand zum einen aus der Begleitung der Schlagersängerin Karin Maria, aus dem Aufspielen zum Tanz, zum anderen aber auch aus der durchaus interessanten Interpretation von Jazzrock-Nummern.

Einige Titel konnte die Gruppe auch beim DDR-Rundfunk produzieren; so 1969 das von Reinhard Lakomy geschriebene Instrumentalstück „Honigmond“, 1970 die eingedeutschten Coverversionen von „Helplessly Hoping“ („Hoffnung“) und „Those were the days“ („An jenem Tag, mein Freund“), eine frühe Version von Herbert Dreilichs „Nachts“ und eben Ed Swillms‘ allererste Komposition „Kloster Chorin“.

2010 erinnerte sich Ulrich Swillms wie folgt an sein Debüt-Werk: „In meiner ersten Profiband schrieb ich den ersten Titel meines langen Komponistenlebens ‚Kloster Chorin‘. Das Kloster war im Laufe der Jahrhunderte in viele Einzelteile zerfallen. Das Restgebäude, die Ruinen, beherbergten die Tragik des Verlusts und Töne, die das Leben von Menschen verschönerten. […] Mich muss das zerstörte Kloster mit seiner Atmosphäre sehr beeindruckt haben, denn ich schrieb eine Orgelnummer. Sie war nicht nur komisch, sondern erinnerte auch an Procol Harum.“ (aus Christiane Dähns Buch „Über sieben Brücken musst du geh’n“, Berlin 2010, S. 196f.)

Der Titel blieb nach seiner Veröffentlichung lange verschollen. Selbst der Komponist hatte keine Kopie davon. In einem Interview zum zehnjährigen Bestehen von KARAT im Jahre 1985 äußerte sich Swillms auf die Frage, welchen eigenen Titel der Alexanders er sich gerne nochmal anhören würde: „Kloster Chorin, das würde ich mir gern mal anhören! Ich hab das nicht auf Band. Das würde mich direkt mal interessieren, wie das klingt.“

Als ich vor einigen Jahren begann, Recherchen beim Deutschen Rundfunkarchiv zur Vervollständigung meiner Sammlung zu betreiben, suchte ich auch nach dieser Komposition. Allerdings ergaben meine Recherchen kein Ergebnis, da sich der Titel leider nicht mehr im Hörfunkarchiv befindet. Auch war mir kein privater Sammler bekannt, der diesen Titel noch auf Band gehabt hätte. Eher durch Zufall stieß ich dann aber kürzlich auf eine am 04.10.1970 ausgestrahlte Fernsehsendung mit dem Titel „Rund um Berlin“. In der Archiv-Beschreibung dieses Beitrags fanden sich die Stichworte „Ulrich Swillms“ und „Schnittbilder Kloster Chorin“. Ich wurde hellhörig und hob den Beitrag aus dem Archiv. Gefunden habe ich ein waschechtes Musikvideo, das DIE ALEXANDERS beim Mimen des Titels „Kloster Chorin“ in ebenjenem Kloster zeigt.

Das Instrumentalstück wurde in der Tonart e-Moll geschrieben (wie übrigens auch „Der Albatros“) und beginnt mit einem stampfenden Drumbeat, der John Bonham von Led Zeppelin alle Ehre machen würde. Ed präsentiert uns sodann ein barockes Motiv auf dem Cembalo und der Orgel, das an die Musik Johann Sebastian Bachs und Dietrichs Buxtehudes erinnert. Die Jazzbläser setzen markante Akzente bis Herbert Dreilich (noch mit kurzem Haar) ein Gitarrensolo zelebriert, welches schon sehr an seine Gitarrensoli bei PANZA RHEI erinnert (u.a. durch die Verwendung eines Fuzz-Pedals, ein Verzerreffekt, der den meisten Hörern durch „Satisfaction“ von den Stones bekannt sein dürfte). Eine harmonische Wendung (im Video bei ca. 1:58 Min.), die zum Hauptmotiv des Stücks zurückleitet, erinnert mich übrigens sehr an eine bestimmte Harmonie-Sequenz aus dem „Albatros“!

Insgesamt merkt man dem Titel Eds großes Talent schon an, eingängige Melodien zu schreiben, die in wunderbar stimmige Arrangements gepackt werden. Dem geneigten Hörer viel Spaß beim Wiederentdecken dieser nun über 50 Jahre alten Perle!

 

 

Der Clip zu "Kloster Chorin"




   
   
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