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Ein Beitrag von Lisa Walter.



002 20201002 196743565430 Jahre deutsche Einheit - man sollte denken, dies ist ein Grund zum Feiern und das am besten mit der passenden Musik.

Erst kürzlich gab es einen Beitrag eines Radiosenders aus Mecklenburg-Vorpommern, in dem es um das beste Konzert-/Musikerlebnis der letzten 30 Jahre ging. Dort waren allerdings nur Künstler aus dem westlichen Teil Deutschlands vertreten, was mal wieder bitter aufstieß. Es kommt immer wieder das Gefühl auf, dass das kulturelle Leben vor 1989 in der ehemaligen DDR nie stattgefunden hat. Dass Bands wie SILLY, Puhdys, Karat, City, Rockhaus, Stern Meissen u. a. auch nach der Wende weiter aktiv unterwegs waren und noch immer sind, und dass sie zudem neue Alben auf den Markt gebracht haben, wird in der Regel verschwiegen. Warum?

In sämtlichen Musikshows der letzten Jahre, in denen es um die 70er und 80er Jahre ging, wurde diese Kultur eher sehr selten berücksichtig und wenn, dann wurden dieser Szene lediglich 5 Minuten gewidmet. Ebenso gibt es kaum eine Chance, Radiosender auf die neueren Werke dieser Künstler aufmerksam zu machen. Als Antwort bekommt man dann oft zu hören, "Das ist nicht radiokonform", "Das wollen unsere Hörer nicht hören" oder "Das ist leider zu unbekannt". Wie soll denn etwas bekannt und erfolgreich werden, wenn nicht einmal die Radiosender bereit sind, ab und zu einen von den neuen Songs dieser Bands zu spielen?

Die Rede ist hier nicht von Songs wie "Alt wie ein Baum", "ILD", "Bataillon d'Amour" oder "Über sieben Brücken musst du geh'n", die sich wohl viele Leute schon überhört haben, da sie in der Zeit nach der Wende einfach totgespielt wurden. Es geht hier z.B. um Songs wie "Regen" von Rockhaus, "Mein Land" von City, "Vaterland" von SILLY oder "Nimm die Welt in die Hand" von Stern Meissen. Oftmals kam als Begründung der Redaktionen, warum diese Lieder nicht ins Tagesprogramm aufgenommen werden, dass der eine oder andere Song zu politisch sei - gerade wenn man an "Mein Land" oder "Vaterland" denkt. Dann kommt immer der Eindruck auf, dass Songs mit Aussagen und kritischen Äußerungen insgesamt von der Gesellschaft nicht erwünscht sind. Damit wären wir dann wohl wieder beim Thema "Zensur".

Früher war die Zensur in der DDR üblich und jeder Text unterlag ihr, so dass man lernen musste, zwischen den Zeilen zu texten und auch zu lesen. In dem Deutschland von heute gibt es diese Zensur immer noch, allerdings ist sie nunmehr eine versteckte. Es wird immer von freier Meinungsäußerung geredet und doch entsteht der Eindruck, dass es mit dem Maulkorb schlimmer ist als zu DDR Zeiten (und das ist nicht nur auf Songtexte bezogen). In der Öffentlichkeit ordnet man sich unter, teilweise aus Angst mit der eigenen Meinung anzuecken oder sich strafbar zu machen, gerade in einer Zeit in der Corona unser Leben bestimmt.

Neben den Texten haben auch der musikalische Sound und das handwerkliche Können dieser Musiker und Bands ihre Qualität. Im Gegensatz zu der heutigen Zeit mussten Musiker in der DDR eine Musikschule besucht und dort einen Abschluss gemacht haben, um als Berufsmusiker arbeiten zu dürfen. Ohne Ausbildung keine Berufserlaubnis. Das ist ein Aspekt, der in der heutigen Zeit oft fehlt, denn durch TV-Castings, YouTube, Instagram und anderen Plattformen kann sich gefühlt jeder "Musiker" nennen, ohne jemals etwas dafür getan haben zu müssen. Es zeigt sich auch hier mal wieder besonders deutlich: Es war nicht alles schlecht, was vor '89 im östlichen Teil des Landes gemacht wurde.

Es ist Zeit, all das nicht mehr hinzunehmen und der Gesellschaft zu zeigen, dass es auch im östlichen Teil Deutschlands großartige Musiker gibt, die schon vor der Wende da waren, bis heute noch aktiv sind und immer noch einiges zu sagen haben. Erst wenn diese Symbiose endgültig stattgefunden hat, sind wir eine Einheit. Es muss normal werden, neben den neusten Songs von Udo Lindenberg, Johannes Oerding oder Herbert Grönemeyer auch neue (Nachwende-)Songs ehemaliger DDR-Künstler in den Medien zu hören - egal ob im Fernsehen oder im Rundfunk. Dass Ost und West auch kulturell, und nicht nur auf der Landkarte, zusammen verschmelzen können, wurde mittlerweile des Öfteren durch Projekte, wie das von SILLY mit den Sängerinnen Julia Neigel und AnNa R. (Rosenstolz) oder dem Duett von Maschine mit Wolfgang Niedecken (BAP) bewiesen. Es liegt nicht an den Musikern, sondern an den Programm-Machern der Radio- und TV-Stationen.

In dem Sinne, einen schönen Tag der Deutschen Einheit.




   
   
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