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Autor: Christian Reder

Die Welt steht erneut vor einem Super GAU - er ist wahrscheinlich schon längst im Gange. Nach Windscale/Sellafield in England (mehrfach) und Tschernobyl in der Ukraine (1986) macht die Verstrahlungs-Tournee heuer Station in Fukuschima, Japan. Dabei dachte man, die Menschheit hätte in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, speziell aber aus der Katastrophe im ukrainischen Tschernobyl, gelernt und ginge mit der Sache nun anders um. Man weiß, wie höchst sensibel und zerbrechlich diese Atomtechnik ist und wie schnell da etwas in die Hose gehen kann. Man weiß um die Bedrohung durch Naturkatastrophen oder Terrorakte - Lösungen für den Fall der Fälle hat man aber keine. Nun erleben wir live und in Farbe, wie den Menschen diverse Blöcke eines Atom-Meilers im fernen Japan, einem der technisch am höchsten entwickelten Länder der Welt, in dem man so ein Szenario am allerwenigsten erwartet hätte, förmlich um die Ohren fliegen. Die letzten zwei Tage waren wie ein Deja Vu-Erlebnis. Der weitere Ablauf des Geschehens vom 26. April 1986 bleibt uns hoffentlich erspart. Eins würde ich mir dann aber doch wünschen: Dass die Menschen wieder aufstehen, und gegen diesen ganzen Wahnsinn demonstrieren!

Wir alle, die wir die Zeit um und nach dem 26. April 1986 miterlebt haben, sind immer noch sensibilisiert. Nach dem Schock kam die Wut! Die Wut darüber, dass über die Köpfe der Menschen hinweg Dinge entschieden wurden, die uns allen nicht gut tun - außer vielleicht den Geldbeuteln einiger weniger. Das wiederum von Menschen, die wir eigentlich dafür gewählt haben, Schaden von uns abzuwenden und in unserem Sinne Entscheidungen zu treffen. Aber wie das in Deutschland (zumindest West) schon seit über 60 Jahren so ist, werden wir von der Industrie regiert. Und die entscheidet grundsätzlich in ihrem eigenen Sinne: Maximale Profite, koste es, was es wolle! Wieviel der Mensch (eigentlich der Kunde!!!) wert ist, wenn die Industrie ihre Ziele durchsetzen will, wird immer dann deutlich, wenn Privateigentum im Weg steht. Beispiel Straßenbau oder Bau neuer Industrieanlagen: Zuerst wird's mit Geld versucht, die Eigentümer von ihren Grundstücken zu vertreiben, klappt das nicht wird das Ziel mit Zwangsenteignungen erreicht. Und wenn irgendwo eine Umweltkatastrophe passiert... Erstmal wird die Wahrheit verschwiegen, vertuscht und der Bürger für dumm verkauft. Oder, wie im Falle Tschernobyl, das Ereignis für politische Propaganda und Panikmache mißbraucht. Die Dummen müssen schließlich nicht alles wissen. Demokratie und Freiheit at it's best... Es stank (und stinkt noch) in Deutschland. Die 80er waren sowieso das Jahrzehnt, in dem gegen verschiedene Missstände protestiert und demonstriert wurde! Nachhaltig in Erinnerung geblieben sind uns wohl die Proteste und Demonstrationen gegen Atom in jeglicher Form. Gegen die Atomwaffen und die maßlose Aufrüstung hatte man in den Jahren davor schon fleißig gekämpft. Gegen die industrielle Nutzung von Atomkraft sowieso.

Es wurde aber nicht nur mit gemalten Plakaten auf die Straße gegangen, es wurde auch musiziert. Wolf Maahn veröffentlichte unmittelbar nach der Katastrophe in Tschernobyl seinen bis heute wohl bekanntesten und erfolgreichsten Song "Tschernobyl (das letzte Signal)". Ein Song, der einem heute noch eisige Schauer über den Rücken jagt... Im Sommer 1986, genauer am 16. August, bündelte sich die geballte Deutschrock-Power auf einer Festival-Wiese an der Loreley. Der Anlass war ebenfalls die Tragödie von Tschernobyl und ihre Folgen. Es trafen sich in St. Goarshausen / Loreley namhafte Musiker aus der damaligen Rockszene der Bundesrepublik mit zigtausend Menschen, um ein Open Air-Rockfestival gegen Atom zu veranstalten. Mit dabei waren u.a. Peter Maffay, Anne Haigis, Udo Lindenberg, The Bots aus Holland, Klaus Lage und Heinz Rudolf Kunze. Aber auch ein Liedermacher/Chansonier wie Klaus Hoffmann ließ es sich nicht nehmen, für die Sache zu kämpfen und dort aufzutreten. Greenpeace war ebenfalls vor Ort und informierte die Menschen, versuchte, Ängste zu nehmen, aber auch ehrlich aufzuklären. In St. Goarshausen waren sie alle versammelt. Die Musiker spielten einmal mehr gegen Atom und die Menschen zeigten, wie wichtig ihnen das Thema ist. Tschernobyl war der Anlass, und das betraf uns alle, nicht nur die Ukrainer! Etwas über fünf Stunden spielte auf der dortigen Bühne alles, was in der Musikszene Rang und Namen hatte. Zwischen den einzelnen Programmteilen gab es "Talkrunden". Sogar SPD-Zugpferd Willy Brandt ließ sich dort sehen und zeigte Einsicht. Wieviel die wert war, wissen wir ja heute... Aber er war nicht allein gekommen, auch Fachleute kamen zu Wort: Peter Starlinger von der Aktion "Wissenschaftler für den Frieden" sprach ebenso ein paar Worte wie Professor Karl Bonhöffer von der "Ärztevereinigung zur Verhütung des Atomkriegs". Sie sprachen sich alle für die Abschaltung aller Atomkraftwerke aus. Die Menschen hörten aufmerksam zu - sowohl bei der Musik als auch beim gesprochenen Wort. Zu wichtig war der Anlass, zu wichtig die Botschaften und zu unsicher und voller Angst die Gedanken an die Zukunft. Es musste etwas geschehen! Mit Überzeugung und daraus resultierender Spielfreude standen die Deutschrock-, Deutschpop- und Chanson-Helden auf der Bühne und fackelten ein musikalisches Feuerwerk ab. Es hätte ein schönes Volksfest sein können, schwebte die bittere Realität und die Angst nicht über den Menschen und der Veranstaltung. Trotzdem herrschte eine friedliche Stimmung. Luftballons ließ man aufsteigen, hier und da tranken Festivalbesucher einen Schluck zusammen und stießen auf eine bessere Zukunft an, saßen gemeinsam in der Runde und diskutierten, hörten Musik und kämpften für die gemeinsame Sache.

Heute wissen wir, dass das alles leider nicht viel gebracht hat. "Rock gegen Atom" war ein Aufrütteln, ein guter Ansatz, den Herren in den Chefetagen zu zeigen, dass man nicht einverstanden ist mit dem, was man gegen unseren Willen tut. Lippenbekenntnisse der Politik gab's zuhauf. Doch es war ein Anfang. Die Bots aus Holland sangen auf der Bühne "Das weiche Wasser bricht den Stein", und allein in diesem Satz ist eine Menge Wahrheit. Man muss aufstehen, um etwas zu ändern. Wieder und immer wieder... Über 25 Jahre nach der Loreley handelt die erste Kanzlerin Deutschlands mit der Atom-Industrie einen Megadeal aus, der es den Kraftwerksbetreibern erlaubt, ihre alten Betriebsstätten weitere Jahre laufen zu lassen und damit weitere Millionen oder Milliarden zu scheffeln. So, als wäre nichts gewesen... In Windscale/Sellafield nicht und in Tschernobyl auch nicht. Es ist schon lange an der Zeit, mal wieder ein Festival und eine Massenveranstaltung GEGEN ATOM auf die Beine zu stellen. Die Bewegung von einst ist eingeschlafen... Sie muss wieder wach werden. Wo sind die Rock gegen Atom-Festivals heute? Wann stehen die Menschen wieder auf und zeigen - wie in der baden-württembergischen Landeshauptstadt gegen "Stuttgart 21" -, dass es ihnen reicht? Wo ist der unbeugsame Wille, Veränderungen zu erwirken gegen machtgeile Schlipsträger und von uns bezahlte Nichtsnutze und Lügner? Vielleicht glauben einige, Fukushima ist weit weg. Viel weiter als Tschernobyl. Auch wenn uns diese Katastrophe direkt nicht betrifft, tut sie es indirekt schon. Ich selbst habe Geschäftspartner in Japan, von denen ich seit Freitag nichts mehr gehört/gelesen habe. Bis hier hin strahlt die Katastrophe also in anderer Form. Stoppt endlich diesen Atomscheiß - in jeglicher Form!!!


 

   
   
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