zum Tod von
 
Manfred Krug
 
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Ein Nachruf von Christian Reder
 

79 Jahre Leben und 60 Jahre Karriere sind in Bezug auf die Weltgeschichte wirklich nur ein Moment. Ein Wimpernschlag. Doch wenn ein Künstler fast 60 Jahre erfolgreich im Geschäft ist, ist das für uns Menschen eine bemerkenswert lange Zeit. Mit diesem Künstler werden mehrere Generationen groß. Er ist für viele Menschen ein Teil ihres Lebens und seine "Erzeugnisse" auf Zelluloid oder Vinyl werden zu langjährigen Begleitern. Kein Wunder also, wenn in den Vorstellungen dieser Künstler - egal ob im Kino oder im Konzertsaal - dann auch alle Altersklassen vertreten sind. Manfred Krug war so einer, der die Brücke über die Altersklassen und Jahre schlagen konnte, und der als Schauspieler und Sänger sowohl junges als auch reifes Publikum anzog. Er war zu Lebzeiten schon eine Legende. Bereits am 21. Oktober 2016 hat diese Legende unsere Welt jedoch verlassen.

In Nachrufen ist es üblich, die ganzen Erfolge eines gerade verstorbenen Künstlers aufzuzählen. Aber wo soll man bei Krug anfangen? Bereits in den 50ern begann er ein Studium an der Staatlichen Schauspielschule Berlin und hatte zwischen 1955 und 1957 ein erstes Engagement bei Bertolt Brechts Berliner Ensemble. Ab 1957 trat Krug dann erstmals im Kino und Fernsehen der DDR auf, und seine Karriere als Schauspieler ging weit ins neue Jahrtausend. Zuletzt wurde Krug im Februar 2016 in Berlin-Charlottenburg mit der "Paula", einem Filmpreis des Progress Film-Verleihs für Künstler aus der ehemaligen DDR, für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Den Preis nahm er persönlich in Empfang. Aber zwischen 1955 und der Verleihung 2016 liegt noch so vieles mehr, was zu erwähnen wäre - unmöglich alles aufzuzählen oder auch nur ansatzweise zu benennen. Für die Kinder in der DDR war er z.B. der König Drosselbart im gleichnamigen Film. Für die Kinder in der BRD war er der Manfred in der deutschen Ausgabe der "Sesamstraße". 
Für die Erwachsenen in der DDR war Krug der Oleg Zalewski in "Fünf Patronenhülsen", der Hannes Balla in "Spur der Steine" und der Hatik in "Husaren in Berlin". Für die Erwachsenen in der BRD war er der Franz Meersdonk in "Auf Achse" und der Bruno Roth in "Detektivbüro Roth". Und als alle wieder zusammen waren, Ost und West, war er für die Deutschen der Robert Liebling in "Liebling Kreuzberg", der Paul Stoever im NDR-Tatort und er empfahl uns im TV-Werbefernsehen u.a. den Abschluss einer bestimmten Rechtsschutzversicherung und den Erwerb von Aktien eines Telekommunikationsunternehmens. Letzteres war dann irgendwie doch keine so gute Empfehlung, wie sich später herausstellen sollte. Krug war in seiner Karriere jedenfalls vieles ... der jugendliche Rebell, der Adelige, ein Gauner, ein Trucker, der Kreuzberger Anwalt, ein langjähriger Kommissar und - das darf man bei all den Aufzählungen nicht vergessen - ein leidenschaftlicher Sänger.

Zuletzt veröffentlichte er im Jahre 2014 zusammen mit seiner Kollegin Uschi Brüning das Album "Auserwählt", das von Andreas Bicking produziert wurde und ihm den Jazz-Award und eine Goldene Schallplatte einbrachte. Aber schon in den 60ern erschienen Single-Schallplatten beim DDR-Plattenlabel AMIGA. Eine eigene Version von Gershwins "Summertime" sang er ebenso für eine Pressung in schwarzes Vinyl ein wie das legendäre "Es steht ein Haus in New Orleans". Ab 1971 intensivierte Manfred Krug seine Arbeit als Sänger. Er veröffentlichte bis 1976 vier Langspielplatten. Das Programm darauf bestand aus anspruchsvollen und jazzig arrangierten Chansons, und auf der LP "Greens" aus bekannten Jazz-Standards wie z.B. "Que Sera" oder "The More I See You". Die Kompositionen, sowie Produktion und Arrangements im Studio, stammten von Günter Fischer, die Texte schrieb er unter dem Pseudonym Clemens Kerber selbst (übrigens auch schon in den 60ern). Was in der DDR erfolgreich war, wollte nach seiner Übersiedlung in die BRD im Sommer 1977 nicht funktionieren. Die Karriere als Sänger geriet nach Veröffentlichung einer Platte ("Da bist Du ja", Intercord 1979) ins Stocken ... sie schlief sogar für lange Jahre ein. Erst durch die im letzten Absatz bereits erwähnte Rolle des Kommissar Stoever im "Tatort" bemerkte dann auch das West-Publikum, dass Krug weit mehr auf der Pfanne hatte, als "nur" die Schauspielerei. Was eine erfolgreiche TV-und Filmkarriere alles so bewirken kann. Nach der Wende trat er auch wieder als Sänger auf, präsentierte in Ost und West seine alten Lieder aus DDR-Zeiten, Kompositionen anderer Künstler und auch neue Songs. 
Seine Musik begleitete ihn bis zuletzt. Sogar für dieses und auch nächstes Jahr standen Konzerttermine an, die er gemeinsam mit Uschi Brüning und dem aktuellen "Auserwählt"-Programm bestreiten wollte. Dieses Programm war eine Mischung aus Lesung und Liedvorträgen, das u.a. am 5. Dezember in Dresden hätte gegeben werden sollen. Auf den Schauspieler Manfred Krug hat sein Publikum schon länger verzichten müssen. Doch sein Publikum muss nun auch auf Manfred Krug den Sänger verzichten. Schlimmer noch: Die Familie, seine Frau Ottilie und die Kinder, auf den Mann, den Vater, den Menschen ... Er ist gegangen und wird statt auf einer irdischen Bühne vielleicht mit anderen vorausgegangenen Jazz-Größen an einem anderen Ort gemeinsam musizieren. Wo auch immer er hingeht, Manfred Krug hinterlässt eine weitere große Lücke in der Gilde deutscher Schauspieler, die u.a. mit Götz George und Hendrikje Fitz in diesem Jahr schon große Namen verloren hat. Und auch in den Herzen der Fans seiner Musik wird eine Leere bleiben, die sich nicht so leicht auffüllen lassen wird. Krug war eben eine Legende, und Legenden verlassen die Arena niemals ohne vermisst zu werden. Der eine mehr, und der Krug sogar noch mehr ... Dieser "Moment" wird noch lange Nachhall haben.
 
 
 

   
   
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