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"Forever Rock'n Roll"
Ein Beitrag von Reinhard Baer. Fotos: Pressematerial
 


Gestern Abend hörte und las man es überall: Der Entertainer Achim Mentzel ist am Montag, den 4. Januar 2016, im Alter von 69 Jahren plötzlich und unerwartet gestorben. Vielen Leuten war Mentzel durch seine in den 90ern sehr populären Volksmusik-Sendung "Achims Hitparade" im mdr bekannt. Nun wird manch einer sagen, dass das doch kaum ein Künstler und schon gar keine Musik ist, mit dem sich deutsche-mugge.de beschäftigt. Das ist eigentlich richtig, wäre Achim Mentzel aber nicht einer der Musiker im Land, die zu den Beat-Musikern der ersten Stunde gehören, und der für viele andere den Weg für Rock und Pop frei gemacht hat. Er hat mit seiner ersten Band die deutsche Rockszene maßgeblich mit beeinflusst.

Darum kann man derzeit auch auf der Homepage von Speiches Monokel-Blues-Band ein Foto aus dem letzten Jahr finden, welches Achim Mentzel zusammen mit Jörg "Speiche" Schütze zeigt. Über dem Bild steht geschrieben: "Achim Mentzel, unser Freund und Wegbegleiter, ist plötzlich und völlig unerwartet gegangen". Hierzu muss man wissen, dass Achim Mentzel in den 60er Jahren das DIANA-SHOW-QUARTETT gründete, eine Kapelle, die überwiegend westliche Beat-Songs spielte und eine der ersten Beat-Bands überhaupt war. Zu dieser Formation stieß dann auch irgendwann Jörg Schütze und seitdem kannten sich die beiden Musiker. Das DIANA-SHOW-QUINTETT spielte alles, was die Jugend damals hören wollte und was die Medien in der DDR ihnen dort vorenthielten. Sie hatten eine treue Fangemeinde und bei den Veranstaltungen gab es auch hin und wieder Tumulte und Schlägereien. Dies rief natürlich die damaligen Oberen auf den Plan und als dann Mitglieder der Band zum Wehrdienst eingezogen wurden, bedeutete dies 1966 das Ende der Band. Geblieben ist ihr guter Ruf, und eben Namen wie Achim Mentzel und Jörg Schütze.

Ich ging von 1965 bis 1969 auf die Erweiterte Oberschule in dem Städtchen Torgelow (Vorpommern), um hier das Abitur zu machen. Auf einem der sogenannten Schülerfeste - es muss so 1966 oder 67 gewesen sein - hieß das Highlight "TBA-COMBO". TBA steht für Transportbataillon. Das heißt, besagte Combo war eine Band der Nationalen Volksarmee. Ein musikbegeisterter Berufssoldat spielte dort mit Wehrdienstleistenden in einer Band. Die Soldaten für seine Unternehmung suchte er sich schon bei der Einberufung aus. Die TBA-COMBO war eine gefragte Kapelle rund um den Standort Torgelow und man spielte von BEATLES über ROLLING STONES alles, was man in diesem Tal der Ahnungslosen sonst nicht hören konnte. Übrigens haben in der Zeit ihres Bestehens auch Heinz-Jürgen "Gotte" Gottschalk (Nautics, Horst-Krüger-Band, Neue Generation) und Joachim "Neumi" Neumann (Karat, Neumis Rock Cirkus) in dieser Formation gespielt. Die Band hatte bei ihrem Auftritt auf unserem Schülerfest einen neuen Sänger, welcher alles drauf hatte, was damals so aktuell und angesagt war. Der junge Mann verausgabte sich bei dem Auftritt förmlich. Seine Stimme war gewaltig und es gefiel - wenn auch nicht unbedingt dem Lehrkörper - zumindest den Schülern ganz toll. Viele Jahre später sah ich im DDR-Fernsehen NINA HAGEN zusammen mit FRITZENS DAMPFERBAND. Mir fiel sofort der Gitarrist im Hintergrund auf. Den hatte ich schon mal gesehen und er hatte sogar die gleiche Gitarre wie seinerzeit auf dem Schülerfest. Später erfuhr ich dann mal, dass der Mann ACHIM MENTZEL heißt, und kurz darauf war er ja dann auch solistisch tätig. Allerdings war die Musikrichtung seiner Solokarriere weit weg vom Beat und Rock der 60er und 70er. Er machte vielmehr Schlager und Stimmungsmusik. Mit seiner Art des Vortrags und seiner Musik hat sich Achim Mentzel dann einen Namen gemacht, und schon vor dem Mauerfall kannte man ihn auch im Westen.

 

Doch Mentzel war viel mehr als der Beat-Musiker und Schlagersänger. All die Jahre war er immer irgendwie präsent, und wenn es auch nur durch das Abgeben von Kommentaren zu irgendwelchen Themen war, oder wenn er in Talkshows zum x-ten Mal erzählen musste, dass er im Jahre 1973 von einem Auftritt in Westberlin nicht zurück in die DDR gereist war. Der Westen brachte ihm allerdings nicht die Erfüllung seiner Träume und so kehrte er nach nur wenigen Monaten reumütig, mit einer Fender-Stratocaster nebst Gitarrenverstärker im Gepäck, wieder in die DDR zurück. Die Strafe für die begangene Republikflucht fiel dank eines vorher mit der Staatsanwaltschaft ausgehandelten Deals sehr milde aus (10 Monate Gefängnis, umgewandelt in zwei Jahre auf Bewährung). Doch zurück zu seiner Solo-Karriere ... Eine eigene Platte beim Label AMIGA und Bühnenprogramme standen in den 80ern auf dem Plan. Im Jahre 1988 moderierte er eine Ausgabe der bekannten Samstagabendshow "Ein Kessel Buntes" im Fernsehen der DDR. Ab 1989 war er Moderator der eben schon erwähnten Sendung "Achims Hitparade", die erst im DDR-Fernsehen und später beim mdr ausgestrahlt wurde. Bis zu ihrer Einstellung im Jahre 2006 war er 17 Jahre lang der Gastgeber dieser Sendung. Nicht zuletzt auch durch Oliver Kalkofe, der ihn in seiner TV-Sendung "Kalkofes Mattscheibe" immer wieder auf die Schippe nahm, erlangte das Format und sein Macher Mentzel auch überregional Bekanntheit. Er avancierte zum unfreiwilligen Dauergast in dieser Lästershow und zeigte dabei auch seinen wahren Charakter: Wo andere Moderatoren gleich den Anwalt aufgesucht haben um sich gegen den Spott des Kalkofe zu wehren, konnte Mentzel über sich selbst lachen und nahm die Sache mit sehr viel Humor. Mehr noch: Es entstand eine Freundschaft zwischen den beiden Entertainern und es gab gemeinsame Auftritte im TV, bei denen sich beide gegenseitig hochnahmen. Im November 2011 gingen Mentzel und Kalkofe mit der Show "Großes Gernsehen" noch gemeinsam auf Tournee. Nicht unerwähnt sollte sein Mitwirken im Musical "Kein Pardon" von Hape Kerkeling bleiben, in dem er 2012 die Rolle des selbstverliebten Showmasters Heinz Wäscher übernahm. Sein Mitwirken in einer von einem Millionenpublikum verfolgten Tanz-Show im Fernsehen sei der Vollständigkeit halber ebenfalls erwähnt. In seiner Vita sind also viele große Momente und Erfolge verzeichnet.

Heute Abend wird Achim Mentzel in der bereits vorproduzierten Sendung "Gottschalk, Carrell und Co. - Showmaster von Beruf" um 20:15 Uhr im NDR zu sehen sein. Zwischen Carrell und Kulenkampff, Frankenfeld und Gottschalk, hat auch Mentzel seinen Platz eingenommen. Zurecht, denn er war eben einer der Großen! Nicht nur in seinem Job, sondern auch menschlich. Dies zeigen auch die vielen Reaktionen und Kommentare zu seinem Tod in den sozialen Netzwerken und in TV-Beiträgen. Jürgen Karney schrieb auf facebook z.B. vom Verlust eines Freundes: "Achim war ein Mann mit sehr viel Herzenswärme, großem Elan und voller Lebensfreude. Als Frohnatur und Stimmungskanone gab er vielen Menschen optimistische und sehr positive Energie." Angelika Mann, die als Kind nicht nur zusammen mit Mentzel auf einer Schule war, sondern auch gemeinsam mit ihm auf der Bühne stand, schrieb auf der gleichen Plattform, "... und jetzt ist er einfach weg. Achim - einer der nettesten Kollegen, den man sich vorstellen kann und Kumpel ohne Ende." Auch andere Fans, Freunde und Kollegen, u.a. der Rockmusiker André Herzberg, meldeten sich zu Wort. Es ist schon beeindruckend, wieviele Menschen den zuletzt in Cottbus lebenden Achim Mentzel schätzen und dies auch zum Ausdruck bringen.

Mein Kollege Christian und ich hatten vor längerer Zeit mal darüber gesprochen, mit Achim Mentzel ein Interview zu führen. Gerade nach dem Gespräch mit Bernd Maywald im letzten Sommer kam die Idee wieder auf. Leider wird es dazu jetzt nicht mehr kommen, denn Achim steht nun auf einer anderen, für uns vorerst unerreichbaren Bühne. Dabei hätte uns dieser sympathische Mann mit der bunten Karriere sicherlich auch so einiges zu erzählen gehabt. Tschüss und "Forever Rock'n Roll", Achim ...






Videoclips:

Thee Flanders feat. Achim Mentzel - Enjoy The Silence (2015):


Achim Mentzel & Speiches Monokel Blues Band (2011):