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... seit 44 Jahren (oder auch länger)
Ein Beitrag von Hartmut Helms
 

Eigentlich kommen sie nicht. Sie sind noch immer da. Egal, wie man sie bewertet - die PUHDYS. Was war da noch gleich? Ach ja, Jugendtanz im Kulturhaus Plessa oder im Gasthof "Zum Goldenen Löwen" von Hohenleipisch, irgendwann zwischen 1966 und 1968. Da hatten viele noch keinen blassen Schimmer, dass man PUHDYS mit "h" schreibt und die nicht etwa eine neue Hunderasse wären. 
Sie waren in der DDR zu Hause, wo man Westradio hörte, und dort, woher das Westradio kam, sangen deren deutsche Bands noch immer englisch. Wir nannten das den "Westen" und die Musik, die man dort live oder von Platte hören konnte, spielten uns hier die Puhdys, die Berolina Singers, die Klaus Renft Combo oder das Henry Kotowski Quartett, wie sich die Puhdys gelegentlich auch nannten. Eine total verrückte Zeit war das. Man konnte, wenn man schon zeitiger da war, beim Hineintragen der Anlage helfen. Im Kulturhaus Plessa, in dem ich heutzutage noch immer ab und an zugange bin, mussten die schweren Boxen, die Kabel und Instrumente, in den ersten Stock getragen werden. Wenn man da mit anpackte, hatte man ganz gute Chancen, ohne Eintritt in den Saal zu gelangen. Das ging zwar nicht immer, aber ab und an kam das vor, und so etwas wie Security hätte sich keiner vorstellen können. Dafür sorgte der Wirt.

Das waren jene Monate, als Dieter Birr, wahrscheinlich von EVGENI KANTSCHEV kommend, noch mit Fritz Puppel bei den LUNICS spielte. Von KANTSCHEV, den viele heute nur vom Hörensagen kennen, existiert ein Foto in meiner Sammlung. So etwas ist die Gnade der frühen Geburt in einem Land, in dem der "böse" Rock'n'Roll eigentlich Jugendtanzmusik heißen sollte und trotzdem zum Beat wurde. Dieter Hertrampf, der eigentlich Gitarrist der PUHDYS war, spielte aus privaten Gründen noch bei der Berliner Band TEISCO. Man darf vermuten, dass die Auftritte von TEISCO auf den Berliner Raum beschränkt blieben. Von den heutigen PUHDYS stand damals nur Tastenmann Peter Meyer, der spätere "Eingehängt", auf der Bühne. Herbert Dreilich und Udo Jacob weilen leider nicht mehr unter uns. Harry Jeske hat schon vor Jahren den Schongang eingelegt und Henry Kotowski sah ich das letzte Mal vor nunmehr vier Jahren beim 60. Geburtstag von Reinhard Fißler in Berlin.


In jener Zeit haben die PUHDYS mehrmals und in wechselnden Besetzungen bei Tanzauftritten hier, vor allem in Hohenleipisch "Zum Goldenen Löwen" und im nahen Plessa, zum Jugendtanz gespielt. An Konzerte war noch nicht zu denken. Das Gesellschaftshaus "Hoppenz" in Elsterwerda war damals, neben dem Zollhaus in Ruhland und anderen "Schuppen", so etwas wie eine heimliche lokale Beat-Hochburg. Dort habe ich sie alle erlebt: Theo Schumann, Uve Schikora, die Sputniks, Stern-Combo Meissen, die Berolina Singers, Renft, Herfter, Peter Rosenau, Virginias, das Henry Kotowski Quartett und eben auch die PUHDYS.
Man spielte, was international aktuell war und was alle anderen Gruppen und Combos auch spielten. Manchmal auch die englischen Hits mit eigenen deutschen Texten. Uve Schikora spielte z.B. von den ZOMBIES "She's Not There" in deutsch und Theo Schumann von den Stones "The Last Time" ("Das kann doch nicht wahr sein"). Doch auch erste eigene Lieder mit deutschen Texten, wie zum Beispiel "Wer war gestern bei dir?", wurden schon vorgetragen.

003 20130807 2065221359Den Chronisten der PUHDYS sei noch verraten, dass die Band auch öfter für die KGD (Konzert- und Gastspieldirektion) der DDR Verpflichtungen übernahm und als Begleitband für Schlagersänger auf den Bühnen des Landes unterwegs war. Das hat auch Siegfried Valendy zu nutzen gewusst und nahm die PUHDYS mit auf Tour in die große Sowjetunion, wo man gemeinsam sogar eine Platte einspielen durfte - oder sollte. Seltenes Teil heute.
Diese Tournee-Aktivitäten der PUHDYS kann man anhand von Original-Plakaten jener Jahre belegen, auf denen man die Namen von Hertrampf, Meyer, Jeske und Jakob, auch in dieser Abfolge, nachlesen kann. Signiert haben das Plakat Udo Jakob, Dieter Hertrampf und zwei Schlagersänger von damals. Die davon noch vorhanden Exemplare kann man sicher an einer Hand abzählen, falls überhaupt. Aus jenen Jahren der "Pre-Puhdys-Ära" mit Udo Jakob, Meyer, Hertrampf und Jeske existiert auch die (wahrscheinlich ?) allererste richtige Autogrammkarte von den PUHDYS, die man zusammen mit einer Glückwunschkarte der Band zum Jahreswechsel 1968/69 zugeschickt oder überreicht bekam. Ein paar ehemalige Kulturhausleiter kennen das noch bzw. haben solche Stücke irgendwo liegen.

Nachdem Meinungsunterschiede in der Band immer größer wurden, stieg Udo Jakob bei den PUHDYS vom Schlagzeughocker und machte diesen für Gunther Wosylus, den Dieter Hertrampf von der Fahne mitbrachte, frei. Der Weg des stets rastlosen Ex-Puhdy führte zur neu formierten Band PANTA RHEI, einem Schmelztiegel unterschiedlicher Talente. Ed Swillms, Protzmann und Dreilich kamen von den ALEXANDERS, die Sängerin Veronika Fischer kam von FRED HERFTER bzw. von der STERN-COMBO MEISSEN und Dreilich hatte auch schon bei den PUHDYS ausgeholfen. Bei PANTA RHEI saß Udo Jakob abwechselnd mit Frank Hille noch ab und an am Schlagzeug, fand aber letztlich seine Erfüllung als Manager, sprich organisatorischer Leiter. In dieser Eigenschaft trommelte er 1973 das einmalige Projekt ALL STAR BAND '73 für eine Konzertreise zusammen und schickte sie auf Tour durch die DDR, lange bevor so etwas wie die GITARREROS möglich wurden.

004 20130807 1229387228Die PUHDYS hatten im Frühjahr 1969 ihre Idealbesetzung gefunden. Hertrampf war zurück und Birr hinzu gekommen: Meyer, Jeske, Birr, Hertrampf & Wosylus. So neu formiert stand die Band am 19. November 1969 auf der Bühne des Freiberger TIVOLI. Dieser Tag gilt seither als die "Geburtsstunde" und das TIVOLI unter Fans als "Kreißsaal" der PUHDYS. Der Rest ist bekannt und auch tausend Mal beschrieben worden. Warum die PUHDYS erst dort den Beginn ihre Geschichte datieren und nicht schon ein paar Jährchen eher, so wie das RENFT beim Jahre zählen machen, wird wohl ihr Geheimnis sein und bleiben. Frühere Souvenirs belegen jedenfalls zweifelsfrei, dass sie schon vor diesem Stichtag PUHDYS genannt sein wollten.

Im Jahre 1973 kaufte ich mir meine erste Single der PUHDYS "Ikarus/Sommernacht", da war die "Tür zur Stadt" schon wieder zu und die ersten Hits im Rundfunk gelaufen. Als die erste LP 1974 kam, war sie weiter nichts, als eine Zusammenstellung all dieser Rundfunkhits, die eigentlich schon Geschichte waren.
1978 habe ich aus einer Laune heraus an der Umfrage zum Interpretenpreis der Jugendzeitschrift NEUES LEBEN teilgenommen und gewonnen. Das besondere daran war, dass die Preisverleihung am meinem 29. Geburtstag in Berlin stattfand. Es kommt nicht so oft vor, an so einem Tag persönliche Widmungen von Holger Biege, Engerling, Veronika Fischer und den PUHDYS auf ein Platten-Cover zu bekommen.

005 20130807 1586673398In den Folgejahren ab 1977 konnten wir viele Bands der DDR für unsere Konzertreihe ROCK-MIX in Elsterwerda und Plessa gewinnen und viele persönliche Wünsche, von BAYON, über LIFT bis hin zu KARUSSELL, sind dabei Wirklichkeit geworden. Ein Konzert mit den PUHDYS zu organisieren blieb uns aus Termingründen leider stets verwehrt. Eine der Postkarten mit der freundliche Absage von Harry Jeske und seiner Unterschrift steckt seitdem in meiner Sammlung. Allerdings rockten auf unserer Bühne auch PRINZIP mit dem späteren PUHDYS-Drummer Klaus Scharfschwerdt und, wie es der Kollege "Zufall" so will, davon existieren auch noch Fotos mit den Originalunterschriften.

Mein nächstes herausragendes Konzerterlebnis, nun bereits mit Klaus Scharfschwerdt von PRINZIP kommend als Drummer, erlebte ich am 21. Februar 1983 anlässlich der Werkstattwoche der Jugendtanzmusik in Suhl. Die LP "Computerkarriere" war erschienen und entsprechend war das Konzert ausgerichtet: "Computermann", "TV-Show" und das Wishful Thinking-Cover "Hiroshima". Damals natürlich auch im Programm Hits wie "Melanie" oder "Alt wie ein Baum". Auffallend war allerdings die Professionalität, mit der die Show ablief und wie die sich kreuzenden "fliegenden Gitarren" bei anwesenden Musikerkollegen Staunen hinterließen. Im Suhler Musikantenklub wurde diese Nummer spätabends von POSSENSPIEL mit Gummigitarren parodiert - "Wir spielen jetzt von der Gruppe BAUM das Lied 'Alt wie ein Puhdy'" - und nicht nur deswegen waren die Berliner Ulknudeln für mich die eigentliche Entdeckung der Suhler Werkstattwoche 1983.

Als die PUHDYS 1989 nach 20 Jahren öffentlich über ihren Rückzug nachdenken und sich "auflösen", ist die Geschichte der Band für mich in trockenen Tüchern, zumal die 1986er LP "Ohne Schminke" für meinen Geschmack eine farblose Plattenveröffentlichung war. Die Luft und die Kreativität schienen offensichtlich völlig raus! Die Wendemonate 1989/90 taten ihr übriges und die Wünsche, die man sich erfüllte, hatten bei vielen andere Inhalte. PUHDYS & Co. kamen da nicht mehr vor.

006 20130807 1067994631Inzwischen hatte ich mich damit beschäftigt, meine Vinyl-Sammlung mit fehlenden internationalen Raritäten aufzufüllen. Kein Gedanke an "Ostrock", an PUHDYS schon gar nicht. Als mir beim Stöbern irgendwann eine neue PUHDYS-LP in die Hände fiel, war ich eher verwundert als erfreut. Weil der Preis stimmte, hab' ich das Vinyl mitgenommen. Die LP "Wie ein Engel" gilt für mich im Nachhinein als die letzte wirklich gelungene und in sich geschlossene Einspielung der Band. Das mag an der Ruhepause und auch an den Zeiten gelegen haben, die voller Anregungen und Widersprüche waren. Genau das macht noch einmal den Reiz der Scheibe in Text und Musik aus und zeigt, welches Potential in der Gruppe steckte. Diese LP-Produktion ist mit "Keine Angst" von CITY durchaus vergleichbar, ebenso locker, aber auch so frech und bissig sowie ohne Modeschnörkel. Die Zwänge des Marktes allerdings machten sich schon in den folgenden neuen Produktionen bemerkbar und die waren - für meinen Geschmack - viel gravierender als das, was man davor als Zwang erleben konnte. Viele gestandene Bands und Künstler des kleines Landes vermochten diesen gewaltigen Spagat nicht mehr auszuhalten und blieben auf der Strecke bzw. fanden völlig neue Wege, sich zu verwirklichen. Damit ging leider auch der Verlust eines Teils kultureller Authentizität einher und viele Musiker verschwanden auch völlig von der Bildfläche.

In dieser Zeit erlebte ich die PUHDYS noch einmal live zum Inselfest im benachbarten Frauenhain in Sachsen. Nach dem Konzert bin ich enttäuscht nach Hause gefahren, neue PUHDYS-CDs ließ ich in den Regalen stehen. Mitte der 90er hatte ich meinen persönlichen Schlusspunkt gesetzt und alles, was mir danach von ehemaligen DDR-Bands zu Ohren kam, hat mich - von Ausnahmen mal abgesehen (die CD "Sachsendreier" von 1999, "Hurensöhne" und "Paradies" von Silly oder "Frühstück für immer" von Gundermann - viele Jahre nicht wirklich berühren können. "Aus und vorbei", hätte Herbert Dreilich singen können! Selbst Harry Jeske hatte inzwischen seinen Bass in die Ecke stellen müssen und sein zukünftiges Alters-Zelt auf den Philippinen aufgeschlagen. 
Peter "Bimbo" Rasym, ehemals STERN-COMBO MEISSEN und DATZU, hatte das Zupfen der vier Saiten bei den PUHDYS übernommen. Die "Maschine" lief wieder, aber mir persönlich sagten die Lieder nicht viel mehr, als dass die Band in der Marktwirtschaft angekommen war.

Aber wie schon Altmeister Bob Dylan sang: "The Times They Are A-Changing". Seit ein paar Jahren bin ich nicht nur dabei, sondern aufgrund einiger Zufälle wieder mittendrin. Die Musik meiner Jugend ist inzwischen D I E eigentliche Entdeckung für mich, und offensichtlich für viele andere auch. Ihr Wert liegt noch immer im hohen Identifikationspotential. Da blieb es nicht aus, auch wieder vor einer Live-Rampe der alten Herren und beim "Rufer" Dieter "Maschine" Birr zu stehen. So geschehen im Sommer des Jahres 2008 in Großkoschen nahe Senftenberg. Wenn man sich dabei nicht ständig verkrampft und irgendwelche blöden Vergleiche selbst vor die Nase hält, kann man sich auch über ein gelungenes PUHDYS-Konzert freuen. Der gemeinsame Spaß zählt, nur bin ich auch einer von denen, die das nicht fünf Mal und öfter im Jahr brauchen. Zu vieles andere würde mir da durch die Lappen und an den Ohren und Augen vorüber gehen.

Ich meine, man muss nicht zwingend PUHDYS-Fan sein, um "Alt wie ein Baum" oder "Das Buch" zu verstehen und zu mögen. Diese und andere Songs haben die Jahrzehnte überdauert und sind, wie andere Lieder aus jenem vergangenen Land auch, brandaktuell, ehrlich und von besonderem Reiz.
Wer noch immer mit seiner Musik hunderte in die Konzerte lockt, sollte Achtung und Respekt verdient haben. Die "Spielregeln" sind heute andere, sicher, dennoch kann man ein Konzertpublikum und die Käufer von Tonträgern auf Dauer nicht mit schaler Kost etwas vorgaukeln. Die ziehen sich dann eben zurück oder erfüllen nicht die Erwartungen, die man in sie hinein projiziert hatte.

Die letzte CD-Veröffentlichung "Es war schön" hat mich wieder etwas milder gestimmt, obgleich man sich über den "Vintage-Look" des Covers trefflich streiten könnte und nicht jeder Song darauf einem Vergleich mit ähnlich angelegten Veröffentlichungen anderer stand hält. Das darf jeder für sich selbst fühlen und danach entscheiden. Der Markt als alleiniges Kriterium für Qualität und Anspruch ist allerdings auch eine mehr als fragwürdige Größe, und so manchem wünschte ich die Beachtung, die sich andere mit einem enormen Werbeaufwand erkaufen lassen oder gar bewusst erschleichen. Von der Unsitte des "(Multi)Votens" via Netz mal völlig abgesehen. Qualität und Inhalte sind inzwischen zwar nicht rar geworden, werden aber oft bewusst übergangen und in den Medien gar nicht erst registriert. Noch heute ist hier "im Osten" die Szene viel lebendiger und vielfältiger, als die immer wieder genannten und auch im Radio gespielten, angeblich großen Namen - Selig oder Ewig lassen grüßen - uns glaubhaft machen sollen. Ich mache deshalb immer noch, wie damals auch schon, mein eigenes Ding, Puhdys-Fan hin oder her. Es gibt Kriterien, die greifen besser, als fanatisch zu sein.

Jeder, der inzwischen auf 60 Lebensjahre und mehr zurückblicken kann, weiß, dass davon 40 Jahre und mehr ein gutes Stück Arbeit und bewältigter Lebensleistung sind. Dorthin muss man erst einmal kommen und es fällt mir nur ein, aufrichtig und ehrlichen Herzens meinen Hut vor jedem Musiker von damals zu ziehen, der das erreicht hat - PUHDYS inbegriffen, aber nicht nur. So lange man noch Plakate mit den großen und fetten Lettern "Die Puhdys kommen" lesen kann, wird das auch im Bewusstsein vieler eine konstante Größe sein, denn sie sind noch immer da, die PUHDS mit "h", die Wurzeln fest in dieser DDR und mit dem besten Rufer derselben als Frontmann an der Bühnenkante. "Alt wie ein Baum" sollen sie, und all die anderen Musikanten, werden.