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 Autor: Christian Reder | Fotos: Guido Karp/Esser & Strauß

 

Noch bevor "Linda" der Grund für den Durchbruch der Band in Deutschland war, haben mein Schulkollege Thorsten und ich die ACE CATS in einem verhältnismäßig kleinen Rahmen in der Sporthalle des Herner Gysenberg Parks erleben dürfen. Es war ein normaler Schultag im Januar '84 als mich mein Kumpel ansprach und sagte: "Die ACE CATS kommen in die Sporthalle Gysenberg. Wollen wir da nicht hingehen?" Thorsten wohnte damals in einem Stadtteil von Herne, der in der Nähe des Gysenberg Parks lag. Er hatte aus der Zeitung erfahren, dass die Rockabilly-Band aus Dortmund in die kleine Sporthalle des Naherholungsparks kommen sollte. Mit ihrer Single "Heut Nacht" hatte die Band, die als Alley Cats gegründet wurde und um einen Rechtsstreit mit einer Amerikanischen Punkband zu vermeiden in ACE CATS umbenannt wurde, einen kleinen Radiohit, der im Ruhrgebiet natürlich bekannter war, als vielleicht anderenorts. Das Konzert sollte an einem Freitagabend in der kleineren Sporthalle, die neben der großen Gysenberghalle liegt, stattfinden. Sofort war klar, dass wir uns dieses Ereignis nicht entgehen lassen konnten.

 

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Der Gysenbergpark war auch damals schon die grüne Lunge von Herne, gelegen im Stadtteil Holthausen. Hier gab und gibt es es immer noch Bauernhöfe, Felder und Baumalleen. Die Busverbindung dorthin war - gerade in den Abendstunden - ausbaufähig, so dass wir uns weniger um die Anreise, mehr aber um die Abreise (für uns damals ein sehr weiter Weg) kümmern mussten, da der öffentliche Nahverkehr aufgrund seiner seltsamen Fahrzeiten ausfiel. Meine Mutter war es dann, die sich bereit erklärte, uns nach dem Konzert von dort abzuholen. Bereits am Nachmittag trafen sich Thorsten und ich bei mir zu Hause und feuerten uns mit der ein oder anderen Shakin' Stevens- oder Elvis-Platte und natürlich mit der Single "Heut Nacht" von den ACE CATS an. Das Konzert sollte um 20:00 Uhr losgehen, aber wir wollten recht früh da sein. Nicht, dass uns da noch etwas dazwischen kommt! Bereits um 18:00 Uhr standen Thorsten und ich am Busbahnhof in Castrop-Rauxel und warteten auf die Linie "311", die uns nach Herne bringen sollte. Die innere Spannung war heftig. Ich erinnere mich, dass es für uns beide das Größte war, die ACE CATS live erleben zu dürfen. Was hatten wir nicht alles über die Kapelle gehört und gelesen. Die Jungs würden das Lebensgefühl der 50er und 60er mitbringen, egal wohin sie kommen. Das war für Kids wie uns damals halt noch ein richtiges Happening - für die Kids von heute sicher nur Pillepalle... Um 18:30 Uhr kamen wir am Veranstaltungsort an, an dem noch nichts los war. An der Sporthalle waren die Türen noch geschlossen und ein großes Plakat wies auf das heutige Spektakel hin. Auch Konzertbesucher waren noch keine zu sehen, der Parkplatz war bis auf eine handvoll Autos leer, und wir standen erstmal da... in der Kälte eines winterlichen Januar.


Gegen 19:00 Uhr trafen die ersten Besucher ein. Es war eine regelrechte Zeitreise, denn nicht nur die Band sollte mit Tolle und Petticoats in der Sporthalle auftauchen, sondern auch ihre Konzertbesucher! Einige, die mit dem PKW angereist waren, hatten sogar richtig alte Autos. Ich erinnere mich da an einen Opel-Kapitän und einen Borgward, die beide damals schon Oldtimer und sehr selten waren. Kurz vor dem Einlass um 19:30 Uhr war vor der Sporthalle jetzt richtig was los. Ohne Ende "Teds" (Teddy Boys) und Mädels in Petticoats standen um uns herum. Ein krasser Anblick, befanden wir uns doch zeitlich inmitten der New Wave und New Romantic-Zeit, in der Jungs eher androgyn und die Mädels eher mit toupierten Haaren und Neon-Accessoires ausgestattet herumliefen.


Pünktlich um 20:00 Uhr und ohne Vorband betraten die ACE CATS die kleine Bühne in der Sporthalle des Gysenbergparks. Die Jungs steckten alle in Retro-Outfit (u.a. die klassischen Creeps an den Füßen) und trugen Tolle, auch die beiden Sängerinnen Tina Schudde und Petra Humfeld trugen typische Kleider aus den 50ern und 60ern. Das Konzert ging los. An die genaue Setlist, und wann welcher Titel gespielt wurde, kann ich mich nicht mehr erinnern, aber es waren Songs aus dem ersten, englischsprachigen Album und die neuen Titel auf deutsch, aus dem gerade erschienenen Album "Katzen tanzen durch die Nacht". Es war auf jeden Fall ein sagenhaftes Konzert, das mir bis heute nicht aus dem Gedächtnis entschwunden ist. Der Frontmann Markus Fräger sang und tanzte wie ein junger Elvis. Besonders angetan waren wir von Luitger Fräger, dem Bassisten, der mit einem großen Kontrabass die wildesten Bewegungen und Aktionen auf die Bretter legte. Mal wog er sein riesiges Instrument wie eine Tanzpartnerin beim Tango, mal drehte er es mehrmals um seine eigene Achse, um dann die Drehung abrupt zu beenden und ein weiteres Basssolo darauf zu zaubern. Der Gitarrist Thomas Szalaga gab das eine oder andere Solo zum Besten und fungierte auch als Backgroundsänger. Die erste Stunde hatte es musikalisch schon in sich, sollte aber durch die zweite noch getoppt werden. Die englischen Titel, die ich bis dahin überhaupt nicht kannte und die auf der ersten LP zu finden sind, brachten uns ebenso in Stimmung wie die geschickt eingesetzten deutschsprachigen Songs. Relativ zu Beginn des Konzerts kam die uns bekannte Single "Heut Nacht" zum Vortrag, die wir natürlich von vorne bis hinten mitsingen konnten. Und wir bekamen erstmals den Song "Linda" zu hören, der später im Jahr zum größten Hit der Band werden sollte. Schon an diesem Abend erzeugte der Titel - nicht nur bei Thorsten und mir - den Wunsch, ihn immer wieder hören zu wollen. Insgesamt zwei Stunden mit Zugaben und ohne Pause spielte die junge Rockabilly-Band aus Dortmund ihr bis dahin vorhandenes Repertoire. Die anfänglich noch korrekt sitzenden Haartollen waren am Ende des Konzerts bei allen Beteiligten zerstört, und schweißnasse Haarsträhnen hingen ihnen ins Gesicht. Insgesamt zweimal mußten die ACE CATS am Ende nochmal zurück auf die Bühne, denn wir Fans wollten sie noch nicht gehen lassen. Noch einmal kamen wir in den Genuss von "Linda" und "Heut Nacht", ehe die sichtlich ausgelaugten und müden Musiker endlich zu ihrem wohlverdienten Feierabend kamen. Das Konzert war um kurz vor 22:00 Uhr dann auch wirklich beendet. Wir gingen noch zum Verkaufsstand (heute Merchandising-Stand genannt) und kauften uns das brandneue Album "Katzen tanzen durch die Nacht" auf Kassette (CDs gab's davon damals noch nicht, und die LP wollten wir nicht). Auch ein Konzertplakat wechselte an diesem Abend den Besitzer. Kurz bevor wir die Sporthalle verlassen wollten, kamen die Musiker nach vorne in den Saal und mischten sich unter die noch anwesenden Besucher. Die Gelegenheit wollten wir uns nicht entgehen lassen und ließen die Musiker auf unseren gerade erworbenen Plakaten unterschreiben. Mit Markus Fräger unterhielten wir uns noch kurz... Er nahm sich wirklich Zeit für seine Fans und stand nicht nur uns für ein paar Worte zur Verfügung. Das war ein wirklich netter Kerl!

 

Das Jahr 1984 wurde für Thorsten und mich natürlich auch ein "ACE CATS"-Jahr. Die Band feierte Erfolge mit der Single "Linda" und ihrem Album. Sie waren Gäste in Hecks ZDF-Hitparade und in anderen Fernsehsendungen, die wir natürlich mit Spannung verfolgten. Zu einem weiteren Konzerterlebnis ist es leider nicht mehr gekommen. Die Band spielte in dem Jahr zwar noch als Vorband von Shakin' Stevens, aber aus einem Besuch dieses Konzerts in der Dortmunder Westfalenhalle wurde nichts. Ein Jahr und ein Album später löste sich die Gruppe auf. Der eine Teil machte unter dem Namen ACE CATS später weiter (allerdings hatte das nichts mehr mit der Musik zu tun, die wir von der Gruppe gewohnt waren), der andere Teil gründete eine neue Band. Leider ist auch mein Plakat nicht mehr vorhanden. Es wurde Opfer einer Umbaumaßnahme, bei der es leider zerrissen wurde. Auch das Tape, das ich damals gekauft habe, ist nicht mehr in meinem Besitz. Ich habe es einige Jahre später meinem Cousin geschenkt und mir dann die CD gekauft. Vor ein paar Jahren hörte ich von dem Unfalltot Luitger Frägers. Diese Nachricht war wie ein Faustschlag ins Gesicht. Ich habe das Bild noch heute vor Augen, wie er auf der Bühne stand, und seinen großen Kontrabass nur machen ließ, was er wollte. Für zwei Teenager war ein Freitagabend mit den ACE CATS im Januar 1984 eine Zeitreise zurück in die 50er und 60er. Schade, dass man das mit der Besetzung von damals nie wieder wird wiederholen können...

  

 

 


   
   
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