Wie habe ich damals RENFT erlebt?

 Ein Beitrag mit Fotos von Reinhard Baer (Erstellt am 21.08.2009)

 

Anfang der 70er Jahre gab es in der DDR angeblich so etwas wie ein Lager der Puhdys-Fans uns eins der Renft-Fans. Sicherlich war das alles auch ein wenig herbeigeredet, von den beiden Gruppen war das sicherlich nicht initiiert und auch nicht gewollt. Beide Gruppen hatten damals eigene Titel produziert und waren damit in den einschlägigen Rundfunksendungen vertreten. Die Puhdys habe ich mal bei einer Tanzveranstaltung erlebt, aber wer war diese Klaus-Renft-Combo? Eines Tages sollte ich diese Band dann auch live erleben.

Als Student einer Fachrichtung, die was mit Landwirtschaft zu tun hat, gehörten Besuche der AGRA, einer jährlich stattfindenden Landwirtschaftsschau in Leipzig-Markkleeberg, zum Programm. Natürlich hatte man einen konkreten Studienauftrag zu einem Thema, dessen Ergebnisse man dann in einem Beleg darlegen durfte. Man war also nicht zum Vergnügen auf der AGRA. Irgendwie hatte ich erfahren, dass in einem Ort bei Leipzig an diesem Nachmittag ein Rockkonzert stattfinden sollte, u.a. auch mit Renft. Wo dieser Ort war, wusste ich nicht. Ich habe mich still und heimlich vom AGRA-Gelände entfernt und bin mit der Straßenbahn zum Leipziger Hauptbahnhof gefahren. Hier sah ich Scharen von Jugendlichen, etliche mit langen Haaren und mit Kutte in eine Linie der Stadtbahn steigen. Ich dachte, "Fährst' einfach mal mit und mal sehen, wo die hinwollen". Die S-Bahn fuhr aus Leipzig raus, vorbei an einem Braunkohletagebau und an einer Station, dessen Namen ich inzwischen wieder vergessen hatte, stiegen alle aus. Ich habe mal nachgeforscht und rausgefunden, dass der Ort Gaschwitz hieß. Die Leute rannten alle in eine Seitenstraße, an deren Ende das Feuerwehrhaus stand. Neben dem Feuerwehrhaus war eine kleine Bühne aufgebaut, vollgestellt mit Verstärkern, Lautsprecherboxen und Musikinstrumenten. Der Eintritt kostete 3,- Mark und war angeblich für Solizwecke bestimmt. Welch ein Erstaunen meinerseits, etliche meiner Studienkollegen müssen den gleichen Gedanken gehabt haben wie ich, denn sie waren auch dort. Der Platz hinter dem Spritzenhaus wurde begrenzt durch einen Fluß, die Pleiße. So sieht man sich wieder, die Pleiße fließt auch über das AGRA-Gelände. Überhaupt, der Ort Gaschwitz liegt dicht bei Markkleeberg, mein Weg dort anzureisen war sicherlich sehr umständlich, und es wäre bestimmt einfacher gegangen.

Das Konzert begann dann auch bald. Als erstes spielte eine Band, deren Namen ich nicht mehr weiß. Sie spielte z.B. von Uriah Heep "Look At Yourself". Ein Musiker glitt dabei über die Tastatur seiner Vermona-Orgel. Dann trat ein kleiner, untersetzter Typ mit Tirolerhut mit Feder (oder Blume) ans Mikro. Er spielte auf einer Halbresonanz-E-Gitarre (in der Art einer Gibson ES) und sang dazu "All Along The Watchtower" in der Version von Jimi Hendrix. In Sachen Jimi Hendrix setzte er noch einen drauf, indem er "Star Bangled Banner" und "Purple Haze" wie einige Jahre zuvor auf dem legendären Woodstock-Festival Ton für Ton nachspielte und -sang. Die nächste Band hieß "Die Sterne" und kam aus Leipzig. Diese Band war mir ebenfalls unbekannt, ich kann auch nicht mehr sagen, was die spielten. Die Dritte Band hieß "Praxis II", ein Vertreter des instrumentalen Jazzrock mit viel Bläsereinsatz.

Nun war Renft an der Reihe. Es wurde zunächst noch einiges an Technik aufgebaut und Soundchecks durchgeführt. Klaus Renft, der eigentlich ja Jentsch hieß, war der Mann mit dem Bass. Er hatte eine Stirnglatze, einen Bart und lange, strähnige Haare. Seinen Tragegurt für den Bass hatte er über die linke Schulter, dann über den Rücken und dann durch den Schritt gezogen, so dass er den Bass fast senkrecht vor dem Körper hielt. Kurz vor Beginn des Konzertes führte er noch einen Mikrofoncheck der besonderen Art durch, indem er laut hörbar hineinrülpste. Dann endlich war es soweit. Der erste Titel war irgendetwas internationales. Der Sänger "Monster" (Thomas Schoppe) sang sich die Seele aus dem Leib und spielte dabei teilweise auf Bongos, er war einfach großartig. Auch "Cäsar" (Peter Gläser) bewies, dass er einer der besten Gitarristen der DDR war. "Kuno" (Christian Kunert) spielte die Orgel und "Pjotr" (Peter Kschenz) war auf mehreren Instrumenten zu Hause. Das Schlagzeug bediente Jochen Hohl. Natürlich wurden alle damals produzierten eigenen Titel gespielt ("Zwischen Liebe und Zorn", "Baggerführer Willi", "Wandersmann", "Wer die Rose ehrt", "Cäsar's Blues" u.v.a.m). Irgendwann geht jedes Konzert mal zu Ende, und man ging wieder in sein Quartier.

Es sollte nicht lange dauern und Renft gastierte in Rostock. Diesmal war es mal wieder das Arena-Theater. Renft hatte in der Zwischenzeit wieder einige neue Titel produziert. Die Orgel hatte man diesmal nicht mit. "Kuno" spielte auf einem Klavier bzw. auch Gitarre. Neben bekanntem Material spielte man auch etwas Internationales. "Monster" sang von Crosby, Stills, Nash & Young "Love The One You're With" und "Kuno" von der gleichen Band "Helpless". Diese Titel wurde damals durch den Film "Blutige Erdbeeren" bekannt. Irgendwann stellten alle ihre Instrumente weg und traten ans Miko. Monster begann zu singen "Day-O" (Bananaboat-Song) von Harry Belafonte. Eine prima Idee von einer Rockband, und es kam auch gut an. "Pjotr" nahm seine Geige und spielte und sang dann "Ring Of Fire" von Johnny Cash, ein Titel aus der Contry-Ecke. Dann hängte sich "Monster" eine E-Gitarre um und sang einen Titel, dessen Text doch einige Verwunderung hervorrief. Der Titel heißt "Gänselieschen". Über den Text kann sich jeder so seine Gedanken machen. Die DDR-Kulturfunktionäre wollten doch, dass sich in den Texten unser Leben im Alltag widerspiegelt. Hier war alles drin, die LPG, der Traktorist, das Volkseigentum... was wollte man da noch aussetzen? Das Konzert endete mit Cäsar's "Besinnung". Die Band bekam viel Beifall. Ganz begeistert klatschten auch zwei NVA-Soldaten, die etwas weiter oben saßen. Sie hatten die Jacken Ihrer Ausgangsuniform aufgeknöpft und das missfiel zwei Offizieren, die direkt vor mir saßen. Sie rannten sofort die Treppe hoch und die beiden Gefreiten erhielten eine Standpauke.

Ich glaube, es war 1974, als ich dann Renft nochmals im Konzert erlebte. Die Band hatte wohl in Rostock und Umgebung mehrere Muggen. Sie waren im Studentenwohnheim untergebracht, zufällig im Gleichen Haus und gleichen Flur, wo ich auch wohnte. Nachts war es ziemlich laut in den Zimmern der Bandmitglieder. Das Konzert im Arena-Theater gefiel mir nicht so gut wie die vorherigen Konzerte. Ich hatte den Eindruck, der Sänger "Monster" hatte leicht einen in der Krone. Bei seinen Ansagen redete er mehrmals ziemlichen Unsinn. Inwieweit die anderen Bandmitglieder auch alkoholisiert waren, kann ich nicht sagen. "Kuno" hatte wieder seine Orgel reaktiviert. Es erklangen sowohl alte als auch neue Renfttitel, so z.B. "Nach der Schlacht", "Mama", "So starb auch Neruda" und "Als ich wie ein Vogel war" u.a. Bei "Zwischen Liebe und Zorn" spielte "Cäsar" ein langes Gitarrensolo, wie es zur damaligen Zeit in Mode kam. Auch sang Cäsar seinen "Blues" und Kuno sang "Helpless". Es wurden auch Titel vorgetragen, für die angeblich noch kein Text existiere. "Monster" sang in einer Art Englisch-Kauderwelsch. Diese Titel sollten dann irgendwann natürlich mit Text auf einer neuen Renft-LP sein. Möglich, dass da die Urfassung vom "Kleinen Otto" auch mit dabei war. Viele Konzertbesucher verließen vor Konzertende den Saal. Ob noch eine Zugabe erklatscht wurde, kann ich heute nicht mehr sagen. Am nächsten Morgen kam mir "Cäsar" mit einer Flasche Milch in der Hand auf der Treppe im Wohnheim entgegen. In der Folgezeit hörte man kaum noch etwas von Renft. Die angekündigte LP erschien nie und bald waren auch keine Renft-Platten mehr in den Läden zu finden. Renft war auch nicht mehr im Rundfunk zu hören. Da ich zur damaligen Zeit wenig fernsah, habe ich vom Verbot der Gruppe eher zufällig erfahren. Klaus Renft ging nach Westberlin, "Kuno" und der Texter Gerulf Pannach wurden nach einem Aufenthalt im Stasiknast durch die BRD freigekauft, "Monster" reiste ebenfalls aus. "Cäsar" und Jochen Hohl spielten ab 1977 in der Leipziger Gruppe Karussell und "Pjotr" arbeitete als LKW-Fahrer. Nach dem Ende der DDR kam es zur Wiederbelebung von Renft, allerdings nicht in der Besetzung der 70er Jahre. Inzwischen sind Klaus Renft, Pjotr, Cäsar und der Texter Gerulf Pannach verstorben. In der heutigen Renft-Band ist Monster das einzige Mitglied aus der 70er Besetzung.
 

 
Erinnerungen: 
 
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