iv-aa 20130103 1577589838 Titel:
Label:
VÖ:

Titel:

"Alles Ansichtssache"
Palm
Juli 2009

1. Ich bin viel zu gerne Single
2. Nachts
3. Nie mehr (wieder)
4. Nur mit meinen Fehlern
5. Kennt ihr meine Nachbarn
6. Ich lieb dich mehr
7. Ich werd den Teufel tun
8. In der Rue Lamarck
9. Nanana
10. Liebes Universum II
11. Alles Ansichtssache
12. Ich würd so gern noch etwas bleiben
13. Wenn Liebe neu beginnt
14. Nachts (Remix)
15. Nachts (Remix Extended)


Was hat das soeben 51 Jahre alt gewordene Multitalent ISABEL VARELL in seinem Leben nicht schon so alles gemacht!? Die langmähnige Lady spielte im Theater ernste wie heitere Rollen, sang in diversen Musicals, fungierte als Filmschauspielerin, trat im Fernsehen häufig mit Komiker Hape Kerkeling oder in der ARD-Samstagabendshow "Verstehen Sie Spaß?" als sog. "Lockvogel" auf. Sie nahm am 29. März 1990 an der Deutschen Vorentscheidung zum "Grand Prix Eurovision de la Chanson" in München teil, moderierte nach dem Millennium zeitweise die legendäre "Aktuelle Schaubude" des NDR, arbeitete für WDR 4 und ließ sich 2004 sogar dazu herab, der zweiten Staffel der umstrittenen RTL-Realityshow "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" beizuwohnen. Vor einigen Monaten hat sie eine der Hauptrollen in der ARD-Telenovela "Rote Rosen" übernommen. Zwischendurch veröffentlichte Isabel Varell, nach 1981, immer wieder eigene Singles, von denen sich z.B. die von ihrem Entdecker Jack White produzierten Rockschlager "Baby Rock'n'Roll" (1983), "Verträumt" (1984), "Die Sonne geht auf" (1985) oder etwa "Indestructible Love" (1989) bzw. "Melodie d'Amour" (1990), die wiederum von ihrem Kurzzeit-Ehegatten Drafi Deutscher komponiert und arrangiert wurden, als gewisse Erfolge hervortaten. Obwohl sich der ganz große Durchbruch in der einheimischen Schlagerszene für Isabel Varell niemals so recht einstellen wollte, hat sie sich zumindest längst als Interpretin gern gehörter Rundfunkdauerbrenner etabliert, selbst wenn es mit dem Einstieg in die Verkaufcharts nur äußerst selten geklappt hat.
Vor einigen Wochen legte die brünette Sängerin aus dem niederrheinischen Kempen ihr aktuelles - insgesamt fünftes - Album "Alles Ansichtssache" bei ihrem neuen Vertragspartner PALM Records (Vertrieb: SONY) vor. Gemeinsam mit Produzent Willy Klüter, der zuvor z.B. für Ingrid Peters, Andreas Zaron, Michael Morgan, Gaby Albrecht oder Vivian Lindt tätig war, schrieb die jung gebliebene Allroundkünstlerin, von einer Ausnahme abgesehen, alle zwölf neuen Songs selbst, denen zwei Remixes von "Nachts", der zeitgleich mit dem Longplayer erschienenen, daraus entnommenen Handels-Single, sowie der Bonus-Track der entsprechenden Maxi-CD, die tanzbare Discofox-Nummer "Wenn Liebe neu beginnt", hinzugefügt wurden.
Es handelt sich bei "Alles Ansichtssache" um ein modernes Popschlageralbum, nicht besser und nicht schlechter, als vergleichbare Produktionen von etwa Kristina Bach, Claudia Jung, Andrea Jürgens und ähnlich ausgerichteten Kolleginnen - fröhlich, frisch, stets melodiös gehalten und trotzdem zumeist tanzbar, munter, temporeich; wobei Isabel Varell mit fast durchwegs sehr gelungenen, teils mehr als nur kessen, frechen, spritzigen, ironischen, gar provokativen, nur selten einfältigen Texten aus ihrer Feder dem ganzen noch ein spezielles Sahnehäubchen aufsetzt.
Zu den eindrucksvollsten Titeln des Albums zählen beispielsweise der latent rockende, rifflastige, mittels eines schönen, romantischen Pianos verfeinerte Gitarrenschlager "Ich bin viel zu gerne Single", die ernsthafte, hoch emotionale Ballade "Nur mit meinen Fehlern" oder der druckvolle, treibende Rockschlager "Ich werd' den Teufel tun" (übrigens der einzige Titel aus "Alles Ansichtssache", den Isabel nicht eigenständig betextet hat, sondern - auf ihren Wunsch hin - ihre Kollegin und Freundin Jovanka von Willsdorf). Einen weiteren Höhepunkt stellt die einfach nur traumhaft und liebevoll ausformulierte, nächtlich-balladeske Hommage an eine beste Freundin, "Ich würd' so gern noch etwas bleiben", dar.
Augenzwinkernd, keck, sexy, ertönt der Ohrwurm "Kennt Ihr meinen Nachbarn?", eine lockere, im mittleren Tempo inszenierte Hymnisierung eines mutmaßlich einsamen Hausgenossen; mit gekonnten, witzigen Wortspielen brilliert Isabel in der deftigen Pop'n'Roll/Boogierock-Melange "Ich lieb Dich mehr (als Spaghetti Bolognese)", ihrer "Traumstadt" (Zitat) Paris huldigt Isabel dagegen eher still, schwärmerisch, im folkloristisch-frankophil angehauchten Schlagerchanson "In der Rue Lamarck".
Der dralle 1984er-Hardrockklassiker "Run Runaway" der britischen Glamrocker "Slade" scheint es deutschen Schlagerproduzenten zuletzt sehr angetan zu haben: Nachdem Produzentengenie Jean Frankfurter vor drei, vier Jahren für seinen erfolgreichen Schützling Helenchen Fischer den Albumtrack "Am Ende sind wir stark genug" schrieb und in denselben unüberhörbar Fragmente des auch als Fankurven-Hymne in diversen Fußballstadien genutzten Rockevergreens einbaute, scheint der Refrain der ersten Single aus "Alles Ansichtssache", "Nanana", noch weitaus eindeutiger von "Run Runaway" inspiriert worden zu sein. Wo Noddy Holder und Co. seinerzeit grölten "See the Chameleon / Lying there in the Sun / All Things to everyone / Run Runaway", singt Isabel 25 Jahre später einfach nur "Na na na na na..."
Die bereits eingangs kurz erwähnte, aktuelle Singleauskoppelung "Nachts" - die dritte nach "Nanana" und der klanglich an Kristina Bach gemahnenden, rasanten, stark rhythmusorientierten Tanzsaal-Elegie "Nie wieder (mehr)" - wirbelt bereits die einheimischen Radioprogramme durcheinander: Ein fetziger, eingängiger, urbaner Discoschlager gehobener Machart, der über eine Frau berichtet, die am Tag ganz brav und bieder im Büro arbeitet und genau dies tut, was ihr Chef von ihr verlangt, nach Dienstschluss aber umgehend zur männermordenden, hedonistischen Discoqueen mutiert, die "nachts" tanzt, mit wem sie will - ohne sich an bürgerliche Gepflogenheiten halten zu müssen.
Unnötig, klischeehaft, schlicht "uncool", wirkt allerdings die "Fortsetzung" von Isabels 2008er-Radiohit "Liebes Universum". Als Vermittlerin von überzogener Zeit-, Sozial- und Gesellschaftskritik, klanglich noch dazu in hierfür gänzlich unpassendem Tanzpop-Kontext umgesetzt, eignet sich die Interpretin, die bislang nahezu ausschließlich mit klassischen Schlagerthemen hervorgetreten ist, nicht besonders. Hierfür gibt es kompetentere Kollegen v.a. aus dem Liedermacher- und Deutschrockbereich. Der Titelsong kann ebenfalls nur als purer Mainstream ohne bleibende Wirkung bezeichnet werden.
Davon abgesehen jedoch, ist "Alles Ansichtssache" eine profunde Kollektion freundlicher, poppiger Schlager höheren Niveaus geworden, die sich auch und gerade stilistisch/musikalisch als überaus vielfältig und undogmatisch erweist. Kein dauerhafter Klassiker für die Ewigkeit, aber ein ansprechendes, über weite Strecken durchaus mitreißendes Sommeralbum mit Schmiß und Charme, das einmal wieder die enorme Vielseitigkeit Isabel Varells unverkennbar an den Tag legt.
Gesamtnote: 2
(Holger Stürenburg)

 


   
   
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