geierzeit 20130103 1427031581 Titel:
Label:
"Die Zeit unseres Lebens"
Pucky Music


Wem das unsagbare Glück zuteil wurde, seine Adoleszenz in den 80er Jahren erlebt haben zu dürfen, der wird sich mit einiger Garantie noch an so einiges von damals erinnern: Etwa an die grellen Hawaiihemden und die ultradünnen Lederschlipse, die wir damals pflichtgemäß trugen, einfach nur, um dazu zu gehören, an bunte Sakkos und raue "Stone Washed"-Jeans, an geschniegelte Popperschnitte und geschmacklich fragwürdige "Vokuhila"-Frisuren. Abgehobener britischer Synthipop und schrille Neue Deutsche Welle beherrschten die Radiosender, unsere Plattenteller und die DJ-Pulte dieser Republik. Man diskutierte über Raketenstationierung, Waldsterben, "Geistig-Moralische Wende", Reagan-Besuch und Ökobewegung - und verlor, trotz aller Ernsthaftigkeit, aller Sorgen und Nöte zu Zeiten des Kalten Krieges, niemals seinen Humor und seine sprichwörtliche pure Lust am Leben.
Zu den bedeutendsten, geschichtsträchtigsten Protagonisten des musikalischen Zeitgeistes der frühen bis mittleren 80er Jahre zählte unzweifelhaft die aus dem Ruhrpott stammende Band "GEIER STURZFLUG", deren Nummer-Eins-Single "Bruttosozialprodukt" im Frühjahr 1983 nur allzu gern als ‚Soundtrack' zu den damaligen bundespolitischen Umwälzungen, von Schmidt/Genscher zu Kohl/Genscher, missinterpretiert wurde, während die kesse Folgescheibe "Besuchen Sie Europa (solange es noch steht)" auf bissigste Art und Weise US-Imperialismus und Nachrüstung karikierte, weshalb etwa Stationierungsbefürworter Dieter Thomas Heck den flotten Ska/Rock-Verschnitt in seiner legendären "ZDF-Hitparade" niemals namentlich erwähnte, sondern in seiner Moderation stets nur vom "neuen Titel von "Geier Sturzflug" o.ä. sprach. Ein Jahr darauf feierte die damals siebenköpfige Combo mit der sarkastischen Partyhymne "Pure Lust am Leben" (Frühjahr 1984) und dem romantisch-melancholischen Liebeslied "Einsamkeit" (Herbst 1984) nochmals zwei fulminante Hits, bevor für "Geier Sturzflug" zunächst einmal die Luft raus war.
Erst Ende der 90er Jahre, reanimierte "Geier"-Frontmann und -Hauptsongschreiber Friedel Geratsch sein einst so erfolgreiches Projekt. Dieses tritt seitdem als Duo - Friedel (voc, git) plus Carlo von Steinfurt (b, key, voc) - auf und hat seitdem zig Maxisingles und auch das eine oder andere Album veröffentlicht. Gerade erst 2008 sandte die Münchener Ariola, bei der die "Geier" vor einem Vierteljahrhundert unter Vertrag standen, aus Anlaß ihres 50jährigen Firmenjubiläums eine CD-Erstauflage der phänomenalen 1983er-Hitproduktion "Heiße Zeiten...", um vier spannende Bonustracks erweitert, ins Rennen; Anfang diesen Jahres erschien bei "Puky Music" (erhältlich über Amazon.de) eine brandneue CD namens "Hör auf zu Weinen!", die sehr sacht, philosophisch, melancholisch, nachdenklich ausgerichtet war und musikalisch mit eigentlich ja "Geier"-untypischen Swing-, Easy Listening-, Samba- und Chansonanklängen brillierte.
Als erste Single daraus koppelten Friedel und Carlo im Februar 2009 das liebenswerte Popchanson "Mein kleines Herz" aus, das - wie der gesamte Longplayer - die Kritiker sogleich hellauf begeisterte. Auch nicht wenige gewitzte, undogmatische Redakteure legten den klassischen Ohrwurm desöfteren in ihren Radiosendungen auf. Dennoch wurden die Erwartungen der Band und ihrer Freunde bislang nicht in dem Maß erfüllt, wie wir uns dies eigentlich gewünscht hatten. So gingen "Geier Sturzflug" kürzlich erneut ins Studio und spielten dort einen geradezu phantastischen Titel ein, der zum einen stilistisch wiederum genau dort ansetzt, wo die Band 1985/86 aufgehört hatte, und zum anderen in lyrischer Hinsicht eine so augenzwinkernde, wie sehnsuchtsvolle Reminiszenz an ebenjene Tage darbietet, in denen die "Geier" zu den Topthemen bundesdeutscher Popkultur gehörten. "Die Zeit unseres Lebens" beschreibt das unvorhergesehene Wiedertreffen einer alten Großen Liebe, direkt und unverblümt mitten aus den coolen 80ern - und läßt zudem viel von dem Revue passieren, was ich eingangs an schrulligen 80er-Jahre-Kultgütern aufzählte: Ein ohrwurmträchtiger, eingängiger Mid-Tempo-Poprocker, in dem wir unverbesserliche 80er-Kinder uns Eins zu Eins wieder finden und beim Hören dessen sich Gefühle/Gedanken der Sorte "Weißt Du noch…" über "Das waren noch Zeiten…" bis hin zu "Damals war eh alles besser…" keinesfalls vermeiden lassen.
Friedel und Carlo legen nun auf ihrer brandaktuellen Radiosingle gleich zwei Versionen der "Zeit unseres Lebens" vor. Mit dem Teufel müßte es zugehen, wenn der eher pop-/chansonorientierte "Radio-Mix" nicht in Bälde auf allen möglichen Kanälen bundesweit rauf und runter gespielt würde, während der lautere "NDW-Mix" die Discjockeys und Partyveranstalter dieses unseren Landes in hellste Verzückung versetzen dürfte. Letzter ist wesentlich rockiger ausgefallen, als die Rundfunkfassung, und gemahnt in wahrlich jedem Takt, jeder Textzeile, jedem Gitarrenriff, an eben "Die Zeit unseres Lebens", die zwar leider längst Vergangenheit ist, uns aber trotzdem vermutlich dauerhaft im Kopf herumschwirren und uns begeistern wird!
Generationsgenossen! Kuckt bitte nach den entsprechenden Wunschsendungen der Radiostationen Eures Vertrauens, greift zu Telephon, Postkarte oder PC-Tastatur, wünscht Euch dringlichst ein ums andere Mal "Die Zeit unseres (d.h. ja, auch Eures!) Lebens" von "Geier Sturzflug" und reist zusammen mit Friedel und Carlo zurück in diejenige Ära, in der wirklich alles nicht nur gänzlich anders, sondern gleichsam viel, viel besser war! Ach ja, wer diese wundervolle Nummer auch selbst zu Hause haben möchte, möge bitte darauf achten, daß "Die Zeit unseres Lebens" in Bälde auf diversen Download-Portalen erhältlich sein wird :-)
Gesamtnote: Bestwertung!
(Holger Stürenburg)

Weitere Infos unter:
www.geiersturzflug.de

 


   
   
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