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Label:
VÖ:

Titel:

"Vereinigte Staaten"
Libero
19. März 2010

1. Unter einem grossen Himmel
2. Kannst du sehen
3. Vereinigte Staaten
4. Dein Gang
5. Süßes Glück
6. Das Ding
7. Am heutigen Morgen
8. Im Lauf der Zeit
9. Was dümmer macht
10. Nonostop Superflat Popup Internetshow
11. 210
12. Flucht nach vorn


Schon im Vorfeld war ‚per Buschfunk' eindeutig zu vernehmen, daß "Vereinigte Staaten", das am 19.03.2010 erscheinende, neue Album des knapp 55-jährigen Deutschrockers WOLF MAAHN, es hinsichtlich Qualität, Intensität und Aussagekraft jederzeit mit dessen bislang unerreichtem, so herrlich in sich geschlossenen, "direkt ins Blut" treffenden 1984er-LP-Klassiker "Irgendwo in Deutschland" aufnehmen kann, diesen womöglich streckenweise sogar in der Lage sein könnte, zu übertreffen.
Seitdem der gebürtige Berliner (der seine absurde Familiengeschichte und die vieler Generationsgenossen seiner 1982 als "adoptiertes Nachkriegswunderkind" (Textzitat) in dem souligen Elektropop-Titel "Ich bin German" kongenial karikierte und aufarbeitete) 2006/07 sein eigenes Label LIBERO (Vertrieb: Rough Trade) ins Leben rief, erzielte er, auch und gerade in Sachen Verkaufszahlen, unerwartete Erfolge, geradezu Höhenflüge. Die hervorragende Doppel-CD "Direkt ins Blut (Un)plugged 2", welche thematisch an die 1993 veröffentlichte, erste (Un)Plugged-Scheibe "Direkt ins Blut" anschloß, aber natürlich überwiegend neuere Titel aus 1995 ff. und aus den 80ern nur spezifische Geheimtips beinhaltete (da die großen Knaller von damals, z.B. "Fieber", "Rosen im Asphalt", "Deserteure" etc., bereits vor 17 Jahren abgehandelt worden waren), zog 2007 anstandslos in die offiziellen Albumcharts ein; die dazugehörige, ein Jahr darauf vorgelegte DVD verfehlte nur ganz knapp die Top 20 der Musik-DVD-Charts - und zudem hatte Wolf bei UNIVERSAL die Rechte an seinem deutschsprachigen LP-Debüt "Deserteure" erworben, (aus dem o.g. ‚klingender Geschichtsunterricht' "Ich bin German" stammt), die er, ebenfalls 2008, nach langer, langer Zeit, um feine Bonustracks erweitert, wiederum auf CD, in bester Klangqualität, seinen Fans zugänglich machte.

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Nun gibt's sechs Jahre nach Wolfs ohnehin schon grandioser letzten Studioproduktion "Zauberstraßen" (die mit dem so lockeren, wie treibenden Pop/Rocker "Schlüssel" (Textzitat: "Du hast die unverschämte Kraft / Du hast den Schlüssel / Der zum Himmel passt") eines der wörtlich schönsten, gesungenen Liebesgeständnisse der "Nuller"-Jahre in sich trug), folgt nun ein betont rockiges, gitarrenlastiges, verhältnismäßig sprödes, im positivsten Sinne des Wortes trockenes und dabei stets druckvolles, von oben bis unten bluesdurchtränktes Meisterwerk erster Güteklasse! Zwölf mehrheitlich knallharte Rocker befinden sich auf "Vereinigte Staaten". Los geht's mit dem lyrisch verträumten, musikalisch reziprok dazu gehaltenen - nur auf den ersten Blick romantischen - Bluesrocker "Unter einem großen Himmel" - ein nervöses Stück Musik, das unzweifelhaft dafür Zeugnis trägt, daß Wolf Maahn weiterhin der rastlose, ruhelose Kreativling ist, den er seit - lasst mich lügen - 30 (?) Jahren in perfektester Manier an den Tag legt. Gnadenlosen, schnellen, sacht zickigen Gitarrenrock genießen wir in der "Nonstop Superflat PopUp Internetshow". Wolf würgt mittels positiv fieser Wortwahl gegen den dekadenten Zeitgeist des Heute und Hier. So fragwürdige Chat-, Twitter- oder MSN-"Freunde". Kaputte Existenten, die es 2010 bis ins Familienministerium schaffen... mit "40.000 Freunden" (Textzitat) im Netz..., aber keinem einzigen realen, lieben und liebenswerten Kumpel, mit dem man mal abends im echten Leben ein Bier trinken gehen kann.

"210" ist ein im mittleren Tempo gehaltener ‚Perfect Popsong' auf jazziger Bluesbasis. Wolf beschreibt hierin in bittersten, trefflichsten (aber niemals beleidigenden) Worten so ein Mädel aus der heutigen Zeit. Ne Süße, Liebe, keine Frage - aber eben eine der Sorte, die aus reinen "Zeitgeist-Gründen" "jeden Scheiß" (Textzitat) mitmacht...

Dagegen hilft nur noch die "Flucht nach vorn". Ein latent zurückhaltender, introvertierter - betont auf "latent" - Pop/Rocker, radiotauglich keine Frage, aber zugleich höchst anspruchsvoll. Ein Klasse Überlebenshymnus in bester Wolf-Maahn-Tradition, vermutlich geschrieben und gesungen für einen "Suchenden / einen Rufenden" (ich zitiere Wolf in diesem Fall aus 1989, von seinem ewig unterschätzen Spitzenalbum "Was?"; Titel "Suchender").

Ja, und dann ist mal wieder Party angesagt: Reggae meets Blues meets Pop, plus ein bissel Hip Hop: "Kannst Du sehen", ein legerer, munterer Tanzpopper per Excellance - "Alles wird super / oder glaubst Du's nicht"... (Textzitat). Es ist äußerst viel Ironie dabei. Aber, um diese auch zu verstehen, bedarf es eines gewissen Intellekts... Den sollte man/frau durchaus aufbringen, um dieses bitterböse Werk inhaltlich zu kapieren und die gewollte Doppeldeutigkeit nachvollziehen zu können.

Es folgt eine äußerst liebevolle Ballade an eine offenkundig real existierende Traumfrau: "Schönes Wesen / reich mir Deine Hand / Du bist das größte Rätsel / vor dem ich jemals stand"... (Textzitat). Ich nenne keine Namen an dieser Stelle (Datenschutz!). Eine regelrechte Ehrenerklärung an eine "Großgroßmeisterin" des Emotionalen (Textzitat), "Ich bin ein ganz normaler Mann / irgendwo zwischen Demut und Größenwahn..." Ja, Kleine... mehr sag ich nicht!!!! Lieber Wolf, gerade dieser Titel, "Vereinigte Staaten", ist besonders in diesen Stunden IMMENS wichtig für mich!!! Hätte ich diese Dame bloß "ausgeblendet" (Textzitat)... Ävver dat jing nit! - Sujet kann passeere : ))

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"Dein Gang" ist funky, bass-lastig, verfeinert mit psychedelisch anmutenden Gitarrenpassagen im Sinne der ausgehenden 60er. Kein schlechter Titel, aber bei weitem nicht so mitreißend und überzeugend, wie die anderen Beiträge auf "Vereinigte Staaten". Geht ein bisschen in Richtung Lenny Kravitz - und mit dessen Klängen konnte ich bisher nie besonders viel anfangen. Das mag rein subjektiv bewertet sein; aber mein persönlicher Favorit ist "Dein Gang" keinesfalls.

Rasant, radikal, frech und aufreizend wird's im voranstrebenden Gitarrenrocker "Süßes Glück / Süßes Stück... Da fehlen mir die Worte" (singt Wolf im von ihm verfassten Text). Er beschreibt darin eine Frau... einer Sorte, die ich jetzt aus eben erwähnten Gründen des Datenschutzes nicht näher erläutere, ok? Ein wunderbarer Text voller Liebe und Zuneigung, verbunden mit einer ohrwurmträchtigen Rockmelodie mit Power und Authentizität. Ein weiterer musikalischer Höhepunkt auf "Vereinigte Staaten"!

"Das Ding" ist ein klassischer Deutschrocker mit viel prickelnden Gitarrensounds, im 80er-Stil inszeniert. Einwenig Achim Reichel ist ebenso herauszuhören, wie eine gute, passende Prise "Dire Straits", dazu ein zeitkritischer Text über den schizophrenen Wahnsinn des Alltags - ein Aufruf zu einem Träumen von einer anderen Zeit, einer anderen Welt, einem anderen Denken.

Stiller, melancholischer, versöhnlicher, wird es hingegen im intimen Popreggae "Am heutigen Morgen". Diese Liebeserklärung hat etwas Frühlingsfrisches an sich. Es geht darin nur um Liebe und Zuneigung und um sonst gar nix. Ironisch zugespitzte Zeitgeist-Verhöhnung bleibt diesmal gänzlich außen vor. Ein freundliches, positives Lied zum Erholen, gerne Kuscheln - ohne jede Aufregung, ohne jeglichen Streß; einfach nur ein hochmelodiöser Aufruf, den frühen Morgen mit seiner Liebsten zu genießen!

Und "Im Lauf der Zeit" (Songtitel) verfiel Wolf Maahn nun endgültig dem Blues. Der Sänger, Komponist, Gitarrist und Produzent, wohnhaft enn Kölle am Rhing, vermochte es immer wieder, Gefühlsthemen vollkommen klischeefrei und fernab jeglicher "Schnulzenattitüde" auszuformulieren. Das war schon vor 25 Jahren bei "Ich wart' auf Dich" (aus der LP "Kleine Helden", 1986) so; und dies belegt er auch 2010 mehrfach auf "Vereinigte Staaten" - und hier in spezifischer Brillanz in dieser hochgradig gelungenen Bluesballade "Im Lauf der Zeit", einer geradezu graziösen Nummer, voll gepackt mit purer, tief greifender Liebe einer offenbar einmaligen Frau gegenüber.

Zum Schluß dieser schier umwerfenden Songkollektion, bestehend aus Gefühl und Härte, kotzt Wolf noch einmal heftig und gekonnt gegen den oberflächlichen, dekadenten Zeitgeist des Jahres 2010. In wahrhaftig sarkastischer, zynischer Art und Weise zieht der Deutschrock-Heroe, im aufmunternden Country/Rock-Arrangement, gegen personifizierte Dummheit zu Felde: Ein liebes, gutmütiges, ggf. etwas zu naives Mädchen mit natürlicher, guter Figur, hört im "Trottel-TV" (Zitat: "Erste Allgemeine Verunsicherung", 2010) von irgendeinem Möchtegern-Moderator, "kleine Brüste wären ja völlig out" (Textzitat) - und genau das, "Was dümmer macht" (Songtitel) hat das Mädchen vollkommen aus der Bahn geworfen.

Fazit:
Erst die herausragende neue Maffay, dann die monumentale "Zeitgeist-Verarschung" der "E.A.V." - und jetzt dieser prägnante Deutschrock-Hammer des Wolf Maahn. 2010 scheint ein Jahr zu werden, für traditionelle, gut gemachte deutsche Rockmusik, jenseits all der inzwischen langweilenden und anödenden "Tokio Hotels", "Julis" und "Silbermonde". Erdiger Rock auf Bluesbasis, experimentell und doch nicht zu abgefahren und modern, garniert mit zeitkritischen, punktgenauen, gerne politischen, konstruktiv polemischen und durchwegs gesellschaftskritischen Texten, gespickt mit ironischen, sarkastischen Aussagen, sind im Jahr Eins nach der Krise nötiger, denn je.
Wolf Maahn liefert mit "Vereinigte Staaten" einen bissigen, aber niemals böswilligen musikalischen Kommentar zum Denken und Fühlen der heutigen Zeit. Der undogmatische Vollblutmusiker trat 2000 im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf für den damaligen SPD-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement auf. Ebenfalls ein Querkopf mit eigenem Hirn, der immer das ausspricht, was er denkt - und damit sehr häufig Recht hat. Auch Wolf Maahn sagt, singt, formuliert, das, was er denkt - und trifft auch überaus häufig mehr als nur den Kern der Sache. So gesehen könnte man den einstigen Kunststudenten ohne Frage als "Wolfgang Clement des Deutschrock" bezeichnen, dessen neues Opus "Vereinigte Staaten" zum Besten gerechnet werden muß, was die einheimische Rockszene seit langem hervorgebracht hat!
(Christian Reder)

 


   
   
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