duolektik 20130102 1890914897 Titel:
Label:
VÖ:

Titel:

"Duolektik"
RUM Records
April 2010

1. Nachts auf dem kühlen Hügel
2. Amok & Koma (Wer am Stock geht,
    dreht nicht am Rad)
3. Ballade von einem der Iren
4. G8 oder das Wunder von Heiligendamm
5. Mit'm Hund
6. Herbst
7. Der Grabstein
8. Singe Seele singe
9. Dick Fosbury
10. Schön Schön Schön
11. Am Ende der Welt


Es ist kein Aprilscherz, dass gerade am 1. April 2010 nach - wie man sagt - 14 Jahren die begnadeten, feinsinnigen Wort-Jongleure des preisgekrönten Duo Sonnenschirm, bekannt für gallige Satire und bitterböse Ironie, ein brandneues Studioalbum auf den sonst so seichten und vor Schlagerschmalz und Belanglosigkeit triefenden Plattenmarkt geworfen haben. Nachdem sich die Herren Beckert und Wolff, die schon zu DDR Zeiten Meriten um das Musikkabarett erwarben, und in gewisser Weise in einer Reihe mit Hazy Osterwald, Ulrich Rosky, Ingo Insterburg, der Gruppe MTS oder auch Vicky Vomit stehen, mit ihren beiden letzten Live-Alben inhaltlich je einem zentralen Thema widmeten und dafür, sicher auch wegen ihrer deutlichen, kritischen Texte, Kritikerpreise erringen konnten, haben die beiden beim vorliegenden Album einiges anders gemacht.

Zum einen haben sie sich einige sehr gute Musiker ins Studio eingeladen, so dass das Album musikalisch wohl als überaus gelungen, wenn nicht gar als perfekt bezeichnet werden kann. Obwohl vieles geradezu schräg klingt, obwohl sich das Duo Sonnenschirm oft einfacher Motive, Melodien mitunter sogar nur Melodieschnipsel aus Schlager, Volkslied und anderen Genres bedient, ist die CD auch musikalisch überaus hörenswert. Die Beiden wissen jederzeit was sie tun, wie sie ihre Geschichten musikalisch wirkungsvoll unterstützen können und ihr Können mit höchster Perfektion an. Dass sie sich dabei verschiedenster Überspitzungen bedienen, macht die CD zum einen musikalisch unglaublich abwechslungsreich und zum anderen spannend. Die Gastmusiker, die das bekannte Instrumentarium des Duos um Streicher, Bläser und Schlagzeug erweitern, sind brillant. Gleich welcher Stil - das Miniorchester funktioniert. Höchsten Respekt für die Kompositionen und Arrangements. Was sich so einfach, zum Teil dilettantisch und naiv anhört, ist aus meiner Sicht hohe Schule der Musik. Das Zusammenspiel der einzelnen Musiker funktioniert ebenso wie die Unterstützung der Gesangsstimmen durch die Instrumentalisten. Bereits im ersten Titel wird das alles deutlich. Da wird musikalisch nicht gekleckert, sondern geklotzt. Die sirenenhafte Gitarre erinnert mich an Mike Oldfield. Sie übernimmt die Melodieführung zusammen mit einem scheppernden Schlagwerks von der Quetschkomode. Hinzu kommt eine wundervolle, fast lyrische Posaunenstimme. Das alles hat etwas. Das Duo legt los, als gäbe es keinen zweiten Titel. Wenn dann noch nach wenigen Takten der Text dazukommt, wird klar: Das ist eine außergewöhnliche CD, deren Schöpfer grimmepreisverdächtig sind.

Bereits mit dem 5. Wort des Albums zeigen Beckert und Wolff, dass sie nichts von ihrer berühmten Bissigkeit und Kreativität verloren haben. Die zieht sich natürlich durch das gesamte Album, auch wenn das Duo Sonnenschirm sich zur Abwechslung mal nicht mit einem einzigen erkennbaren, politischen Thema, sondern eher mit alltäglichen Banalitäten auseinandersetzt. Natürlich fehlt es nicht an politischen Seitenhieben, da das Leben nun mal nicht unpolitisch ist. Neben den Texten bedienen sich die beiden immer wieder, je nach Bedarf, mal verschiedener Dialekte, mal des beliebten Denglish, mal besonderer Gesangsstimmen und -techniken und immer wieder, selbst in einem Titel, verschiedener Musikstile. Da ist schon mal ein Rockpart neben einer Polka zu hören, da steht ein Volkslied neben einem Rap. Die beiden lassen einfach nichts aus, wenn es die Texte nur unterstreicht und die Aufmerksamkeit wach hält. Langweilig wird die CD "Duolektik" zu keinem Zeitpunkt. Die Platte ist eine Zusammenstellung von Songs mit Hit-Charakter, denn bei der Vielfalt wird jeder einen Supersong finden. Ich kann mich nicht recht entscheiden. Die deutsch-irische Folk-Hymne "Ballade von einen der Iren", die ich wegen der unglaublich geschickten Einbindung der deutschen Sprache allgemein und der Literatur-Klassik im speziellen allen Ernstes für Grimmepreis-würdig halte, hat es mir ebenso angetan wie die Rap-Persiflage "Singe Seele singe", "Mit'm Hund" dessen Refrain mir einfach nicht mehr aus dem Gehörgang wollte oder auch der Titel in Moll "Grabstein", der mit einem famosen Klezmereinspiel brilliert.
Selbstverständlich haben auch die anderen Titel ihre hörenswerten Besonderheiten. So wird schon mal die Internationale für ein paar Takte angespielt, wird ein echtes Sonnenschirm-Palindrom zu einem Song, selbst Knut hat seinen Auftritt, "Herbst" könnte glatt zum Herbst-Hit des Jahres werden, und der Walzer in "Schön" ist klassisch schön. Wie um das Gesamtpaket abzurunden, hat das Album ein liebevoll gestaltetes und recherchiertes Booklet. Dort sind alle Texte und eine Menge köstlicherer Zusatzinformationen zu finden.

Für mich steht fest: "Duolektik" vom Duo Sonnenschirm setzt Maßstäbe im Bereich des aktuellen Musikkabarett. Man sollte gut hinhören wenn man sich die CD gönnt. Dann jedoch wird man entweder wissend süffisant lächeln oder sich vor Vergnügen die Schenkel klopfen, wegen dieser CD der Extraklasse.
(Fred Heiduk)

 


   
   
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