polkaface 20121217 1199113402 Titel:
Label:
VÖ:

Titel:

"PolkaFace"
Monopol (DA Music)
Mai 2010

1. VIPs
2. Hans bleib' da
3. S.C.H.E.I.D.U.N.G.
4. Polka Face
5. Ich kann Dich nicht mehr leiden
6. Weisses Boot
7. Hypothekenpolka
8. Dumm gelaufen
9. Heut' Nacht
10. Anna
11. Spare Ribs
12. Aber manchmal
13. Tritsch-Tratsch-Polka


Polka ist eine Musikrichtung, die kein Schwein mehr interessiert, die Jugend schon gar nicht, und sie ist absolut tot... Alles falsch! Es gibt eine Band aus Berlin, die dieser und anderen längst nicht mehr im Mainstream vorkommenden Musikrichtungen mit frischen und knackigen Ideen neues Leben eingehaucht hat. Und zwar so, dass sich sogar die Jugend in ihre Konzerte verirrt. Die Rede ist von den Polkaholix, die im Frühjahr 2010 ihre dritte Scheibe "Polka Face" auf den Markt gebracht haben.

Man darf nicht den Fehler machen zu denken, dass deutsche Volksmusik das ist, was uns in den samstäglichen Prime-Time-Sendungen bei den Öffentlich-Rechtlichen an akustischer Diarrhö präsentiert wird. Vergesst mal ganz schnell diese in Trachten gewandeten Pseudo-Musiker. Dass man Volksmusik auch zeitgenössisch und so präsentieren kann, dass sie den Namen auch verdient hat, hat uns der Österreicher Hubert von Goisern in den letzten 20 Jahren schon mehrfach gezeigt. Viele Länder hegen und pflegen ihre Folklore. Die Spanier haben ihren Flamenco, die Amerikaner ihre Country-Musik, die Schotten ihren Dudelsack, die Griechen ihre Bouzouki, und wir Deutschen haben norddeutsche Shanty-Chöre, Zithermusik aus Bayern und eben die Polka, diesen beschwingten Rundtanz im lebhaften Zweivierteltakt, dessen Herkunft wir uns mit den Österreichern und den Tschechen teilen. Bei all dieser Vielfalt schaffen es heute nur noch die aus Bayern stammende Musik und eben die Polka, die teilweise bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt von irgendwelchen grenzdebilen Trachtenträgern zum Vortrag gebracht werden, ins Hauptprogramm des Fernsehens. Immer hübsch so, dass auch das letzte Klischee über den Sauerkraut und Eisbein verzehrenden Deutschen im Ausland am Leben gehalten wird. Wie dem auch sei, es gibt Gott sei Dank auch andere Vertreter, die die Volksmusik der Deutschen anspruchsvoller und lebhafter präsentieren, u.a. eben die Polkaholix.
Auf der neuen Scheibe - ihrer dritten - präsentieren uns die acht berliner Musiker ihre 13 (pssst... es sind aber 14!) neuesten Streiche. Dabei geht es musikalisch über die Polka-Musik weit hinaus. Wieder einmal wird die traditionelle Musik mit Elementen anderer Spielarten, wie z.B. Klezmer und Salsa, diesmal sogar mit Klängen aus Hawaii, vermischt und appetitlich angerichtet. Dabei wird nicht nur auf die Musik höchsten Wert gelegt, sondern auch auf die Texte, die passend zu den Noten ein Gesamtkunstwerk in Liedform ergeben. Darauf sollte man auf alle Fälle besonders achten! Mit "VIPs" und Ska startet die aufregende Fahrt ins Polkaholix-Land. Die von Ferraro, Wieczorek, Meyer und Seidel kreierte Polka-Hymne geht gleich ins Bein und ist eine gute Steilvorlage für die kommenden Titel. Der zweite Song "Hans bleib da" ist eine waschechte Polkanummer mit E-Gitarre und treibendem Beat. Der Text ist eine wahre Meisterleistung, eine Weltreise in Liedform, wenn man so will. Dem Aufruf, dass Hans trotz all der schönen Dinge in der Welt doch lieber dableiben soll, folgt mit "S.C.H.E.I.D.U.N.G." eine augenzwinkernde Abrechnung mit Scheidungen und der damit verbundenen "Teilungswut" der ehemals Liebenden. Anschließend wird das "Polka Face" in englischer Sprache aufgesetzt und dem Gundermann-Song "Ich kann Dich nicht mehr leiden" neues Leben eingehaucht. Beim sechsten Titel der CD wehen uns hawaiianische Töne um die Ohren und man ist überrascht, was die Polkaholix aus dem Rote Gitarren-Song "Weisses Boot" gemacht haben. Polka mit Hawaiianischer Musik - ich erwähnte es eingangs bereits - ist mir bis dato auch noch nicht zu Ohren gekommen. Mutig und geschickt umgesetzt. Ganz große Klasse! Dies bleibt aber nicht die einzige Coverversion. Nach der "Hypothekenpolka" (einer pfiffigen Abwandlung und Weiterentwicklung von "Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen") und "Dumm gelaufen" (Achtung: Keine Polka sondern ein lupenreiner POP-Song!!!) folgt der SPLIFF-Klassiker "Heut' Nacht" vom '82er Album "85555". Da wippt neben dem Musikfreund sicher auch der Komponist Manne Praeker mit, wenn aus seiner Komposition plötzlich eine ins Bein gehende Polka gemacht wird. Nicht nur der treibende Beat sondern auch der Bläser-Einsatz hebt einen aus dem Sessel. Und weil's so schön war, gibt's Coversong-mäßig noch einen kleinen Nachschlag: Die ursprünglich recht schlicht und spartanisch interpretierte NDW-Kult Scheibe "Anna, laß mich rein, laß mich raus" von TRIO bekommt hier auch einen neuen Anstrich. Mit Bläsern und wesentlich schneller arrangiert verliebt man sich geradezu auf's Neue in diese Kult-Nummer aus den frühen 80ern. Weitere drei Polkaholix-Titel folgen, und mit der "Tritsch-Tratsch-Polka" endet die etwas über 45 Minuten dauernde Aufenthalt im akustischen Vergnügungspark "Polkaholix". Noch nicht ganz, denn es gibt noch einen "Hidden Track". Eine etwas andere Version von "Hans bleib da" entläßt den Hörer dann endgültig und es wächst der Wunsch, gleich nochmal von vorne zu beginnen...

"Polka Face" ist ein toll produziertes Album mit Gute-Laune-Garantie sowohl von der Musik als auch von den Texten her. Die Eigenkompositionen wissen allesamt zu überzeugen und auch ich, der Coverversionen nicht sonderlich offen gegenüber steht, erfreut sich an den wirklich gelungenen Interpretationen der SPLIFF- und TRIO-Klassiker auf dieser Scheibe. Wenn das Volksmusik ist, hätte ich gerne mehr davon!
(Christian Reder)

 


   
   
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