wh-rrpt 20121216 1409948911 Titel:
Interpret:
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VÖ:

Titel:

"Rock'n Roll Puppentheater"
Wohnraumhelden
Grundsound (Indigo)
20. Mai 2011

1. Geschwaderhymne Heist
2. Perle der Natur
3. Waldorflehrerin
4. Helden Nr 9
5. Riechlied
6. Wenn wir
7. Witzig
8. Hip Hop
9. Rock
10. Weltverbesserungslied
11. Fleischsalat
12. Du machts mich fühl
13. Woolworth
14. Gedanken aus dem Schlachthof
15. Der Himmel der Doofen
16. Frühstück bis 18 Uhr

MUSIKALISCH-TEXTLICHE NOTDURFT MIT DURCHKNALLDEFEKT
Wenn Profis Scheiße machen, ist es zwar immer noch Scheiße, aber auch immer noch professionell. Und dann ist da noch der kleine aber feine Unterschied, ob das Produkt ein gewolltes ist oder ob da einfach etwas in die Hose ging. Bei diesem nun vorliegenden und nur einem ausgewählten Publikum zu empfehlenden Produkt kann man von Ersterem ausgehen. Das ist in der personellen Gewichtung eine Zweimannkapelle mit vierfacher Grütze-im-Schädel-Ausstattung, derer man in verschiedenen Regionen des Landes einige kennen mag. "Philipp & Chmelli", "RemmiDemmi" und wie diese illustren "Klaus & Klaus"-Adaptionen neuerer Bauart alle gehießen haben mögen und heute noch heißen. Irgendwie weiß man, daß die entweder aus ernsthaften Baustellen in Ehren aber entlassen worden sind oder heute noch auf diesen herumtollen und sich ein zweifelhaftes Liedgut-Hobby zugelegt haben, weil ja textliche und musikalische Ideen, die man nach dem vierundachtzigsten Bier vergärte, auch irgendwie unterzubringen sein könnten. Das beste Beispiel einer solchen Karriere - vom Heavy-Metal-Supergitarristen einer Band, deren Namen man heutzutage vermutlich nicht einmal mehr weiß - zum Superstar der Bierzelte ist sicherlich der Blödelbarde und Dennoch-Gothic-Flaggenträger Vicky Vomit. Doch um den geht es heute und auf dem zu besprechenden Produkt nicht.

Es geht um den Ex-Sänger der Band "No Sex Until Marriage" und um einen der Ex-Gitarristen von "Fury In The Slaughterhouse". Die haben echte Namen, die man auch nicht einmal geheim hält, aber hier ist es günstiger sie so zu nennen, wie sie sich als "Wohnraumhelden" nennen: C-Punkt Stein Schneider und B-Mann Mayor. Und als Duo haben sie sich nun eine Platte gemacht, wobei man nicht sicher sein kann, ob sie sich das wirklich gemacht haben. Musikalisch hochwertiges Material aus der Ulk-Kanone mit Texten, deren Nachvollziehung mindestens zwei Joints spart. Bekifft auf legale Weise wird man sein, wenn man sich diese CD zu Ende angehört hat. Und Meister Stoppok hat da auch noch mit hinein musiziert. Na, das sagt doch wohl alles. Es wäre müßig, darüber nachzudenken, was sie alles können. Eher müßte man sich nochmaligst hörend auf Erkundungsreise machen, welche musikalische Stilrichtung sie in ihren Ideen nicht berücksichtigt haben und bei den Texten, welche Klischees sie ausgelassen haben könnten. Wenn man das weiß, bekommt man eine Ahnung, wovon sie uns und wie sie uns auf der 2. Scheibe singen werden.
Doch nun nicht gleich frisch heran an das schräge und äußerst witzige Werk. Zuvor muß ich warnen: Ich glaube, daß das ungebremste Nacheinanderanhören aller Titel durchaus schwerwiegende Folgen haben könnte. Ich weiß seitdem zumindest, was Psychotherapeuten kosten und aufgrund dieser Erkenntnis, daß es für mich keine Rettung mehr gibt, jedenfalls keine bezahlbare. Davon singen die "Wohnraumhelden" uns aber nichts.

Nein, sie zaubern uns mit der subtilen Saugkraft des skurrilen Humors ein sich zum katatonischen Gelächter hingestaltendes Lächeln auf die Lippen, wenn man deren Songs hört. Wenn man deren Texte, die auf dem Booklet fein säuberlich abgedruckt sind, ohne musikalische Orientierung liest, denkt man ja noch, man hätte es mit Bekloppten zu tun. Wenn man die Musik dazu hört, weiß man, daß man selbst bekloppt ist. Es ist also ein Wagnis, diese CD zu hören. Also nicht, daß jemand mich verklagt.
Trotzdem empfehle ich sie und das leichten Herzens. Die Erkenntnis, selbst vollkommen bekloppt zu sein, hat mir gut getan und erleichtert einiges. Und Spaß hatte ich ganz viel. Wenn sich die beiden wirklich über irgendetwas ernsthafte Gedanken gemacht haben sollten, dann über ihre Musik. Die ist genial gestrickt und wunderbar musiziert. Das Herz rockt mit und die Zunge bekommt automatisch Bierdurst. Weshalb ich der sicheren Ansicht bin, daß die nächste Biergartensaison, mindestens in deren Region und die ist ja groß genug da unten im Nirwana der vergessenen Massen um die Hannoveraner Ecke, ihnen gehören wird. Und ich bin mir ebenso sicher, daß sie Suchtpotential in sich tragen. Weshalb die CD ein Verkaufshit werden könnte. Wer diese Mugge hört - wenn die beiden live nur annähernd so rüberkommen wie auf der Konserve - und dann auch noch drei vier Bier getrunken hat, der wird diese Scheibe kaufen müssen, denn er wird ohne sie nicht mehr leben können. Wie die beiden das gemacht haben, ist mir ein Rätsel.

Inhaltsreicher geht es kaum, wenn ich noch ein Wort über die Texte verlieren werde. Inhaltsloser geht es auch kaum. Sie blödeln über Städtenamen, Werbeslogans, Verlierer des Lebens (also über alle), speziell Waldorflehrerinnen und Vegetarier, HipHoper und Mainstream-Radio-Hörer. Und über sich selbst.
Die Stimme des singenden Gitarren-Püppchens C-Punkt Stein Schneider ist ein bacchantischer Tiefpunkt, von der Lage her gesehen und erklärt uns oberlehrerhaft und respektheischend das irrsinnigste Zeug. Musikalisch ist es wie eine Liaison von Stefan Raab und Metallica-unplugged (Sagt euch nichts? Mir auch nix.) Sie hämmern uns mit dem herrlichsten Satzgesang die Omme voll mit Fäkalerfahrungen, Weltverbesserungsträumen, Kollegenschelte ohne Namensnennung und Fleischeslust. Nicht nur die Augen bleiben da nicht trocken.

Wer also Lust hat, sich zu sich selbst zu bekennen beim nächsten Motivationskurs, indem er ausruft: "Ja, ich bin doof und ich steh auch dazu", für den ist diese CD die allerbeste Empfehlung! Auch für diejenigen, die es witzig finden könnten, diese Musik bei der Hochzeitsfeier unter der gelallten sich fünfzehnmal wiederholenden Verheißung: "Nur noch den nächsten Titel, nur noch den nächsten Titel..." abzufeiern, ist es die beste aller Wähle. Jetzt bin ich auch schon ganz irre. Und wenn Ihr diese Rezension verstehen wollt, habt Ihr sowieso keine andere Wahl als ebendieses Produkt zu konsumieren.
(Andreas Hähle)

 


   
   
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