pb-wkhe 20121216 1600122988 Titel:
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"Wolkenkuckucksheimerbauer"
Paul Bartsch & Band
Bluebird Café Berlin Records
13. Juli 2011

1. Wolkenkuckucksheimerbauer
2. Abschied der Matrosen
3. E.T.
4. Zeit zu gehn
5. Fliegenschwimmengehn
6. Blues vom Schmieden des eigenen Glücks
7. Traum vom Apfelbaum
8. Weißt Du noch
9. Waidmanns Heil
10. Dickes Fell
11. Hilf mir
12. Gefunden

Paul Bartsch ist für die Leser unseres Magazins sicher kein Unbekannter mehr. Auch Dank unseres Freundes Gundolf, der in der Vergangenheit das eine oder andere Konzert des Hallenser Liedermachers besucht und in der Rubrik "LIVE-BERICHTE" darüber berichtet hat. Seit den 80ern schreibt und singt der Künstler seine eigenen Songs. Inzwischen gibt es diverse Publikationen mit seinen Liedern, angefangen von der 1990 erschienenen Langrille "Leben in der Stadt" bis zu seiner letzten Studio-Scheibe "Wer weiß schon wie" (2008). Knapp drei Jahre nach dem letzten Lebenszeichen in Tonträger-Form (sieht man mal vom 2010er Live-Album "Live im Objekt5" ab) wurde es aber auch Zeit, sich wieder einmal mit neuen Songs zu Wort zu melden. Das geschieht demnächst, nämlich am 13. Juli beim Plattenlabel "Bluebird Café Berlin Records".

Paul Bartsch nur als Liedermacher zu bezeichnen (tut er übrigens selbst) wäre mir ehrlich gesagt zu wenig und lässt ihn auch ein wenig zu kurz kommen. Hört man Liedermacher, denkt man an schwer verdauliche Kost mit Klampfen-Begleitung. Aber insbesondere dann, wenn man die neue Scheibe von Paul Bartsch & Band auflegt, entdeckt man viel mehr, so dass die Schublade "Liedermacher" für den Künstler schnell viel zu eng wird. Allein musikalisch bedient sich Bartsch bei seinen neuen Stücken verschiedener Stile. Gleich zu Beginn begeistert der Titel "Wolkenkuckucksheimerbauer" den Hörer mit Reggae-Klängen. Das folgende "Abschied der Matrosen" erinnert verschärft an die Dire Straits zu ihren besten Zeiten. "E.T." ist ein klassischer, eher ruhig gehaltener Deutschrock/-popsong mit allem was dazugehört incl. geilem Gitarrensolo gegen Ende des Stücks. Im Titel "Zeit zu geh'n" meint man Achim Reichel zu hören - es fehlt eigentlich nur der Hamburger Dialekt. Und so geht das weiter. Vielfalt und Abwechslung in jedem Stück dieser Platte. Was das betrifft, nimmt Bartsch den ignoranten Radioleuten in diesem Land, die ja immer gerne nach Ausflüchten suchen, warum sie gerade diese oder jene CD nicht spielen können, ganz gepflegt ihre platten Ausreden, denn hier ist musikalisch unheimlich viel dabei.
Zur musikalischen Vielfalt gesellt sich erfreulicherweise noch der Tiefgang in Textform dazu. Bartsch macht sich Gedanken über verschiedene Sachen. Er stellt sich z.B. die Frage, wieso viele Dinge schief laufen und in unserer Gesellschaft im Ungleichgewicht stehen ("Wolkenkuckucksheimerbauer"). Im Titel "Fliegenschwimmengehn", den er Tochter und Sohn gewidmet hat, singt er über das Erwachsenwerden der Kinder und das eigene Los- und Flüggewerdenlassen, was einem als Elternteil sicher nicht immer ganz so leicht fällt. Nicht direkt, sondern schön lyrisch verpackt - wunderschön! Ein anderes Lied ("Blues vom Schmieden des eignen Glücks") beschäftigt sich auf musikalisch und textlich beschwingte Weise mit den verschiedenen Arten, sein Glück in die eigene Hand zu nehmen. Ein Hauch von Gospel im Chor erweitert die eben schon erwähnte, breit ausgelegte Musik-Palette auf dieser CD. Mit dem "Traum vom Apfelbaum" gedenkt der Sänger auch noch des großen Meisters Cäsar. Eine herrlich erfrischende Musik und ein Text in der Tradition des "Apfeltraums". So sorgt auch Paul Bartsch dafür, dass der Gitarrist, Sänger und ehemalige RENFT- und Karussell-Musiker Cäsar Peter Gläser nicht so schnell in Vergessenheit geraten wird, baut ihm mit diesem Song sogar ein kleines Denkmal. Ein weiterer Titel, den ich erwähnen möchte, ist "Dickes Fell". Inhaltlich geht's möglicherweise um einen Streit, der hier per Lied "aufgearbeitet" wurde. Es geht um alte Wunden und um die Verletzungen, die man bei einem solchen Streit vom "Schlachtfeld" mitnimmt. Verpackt in eine bluesig angehauchte Nummer ist es schon wirklich spannend, wie Bartsch dieses Thema in Worte gekleidet hat ("Über Nacht ist Schnee gefallen auf Dein Haar / Über Nacht bin ich gealtert, Jahr für Jahr"). Man kann versuchen, sich vielleicht in diesem Song wiederzufinden. Das kann man aber auch in all den anderen Liedern der neuen CD. Bartsch schreibt den Leuten aus den Gedanken, den Gefühlen und dem Herzen. Die eben genannten Songs sollen stellvertretend für alle 12 neuen Lieder dieser CD sein, die man an dieser Stelle aber nicht alle so ausführlich wie man möchte vorstellen kann. Außerdem soll für den interessierten Hörer ja auch noch Spannung bleiben. Jedes Stück ist jedenfalls eine abgeschlossene, kleine Geschichte aus dem Leben von Dir, mir und allen anderen Menschen, die im Alltag eben Dinge erleben, die sie bewegen oder die sie beobachten. Bartsch ist ein aufmerksamer Beobachter - ob seiner selbst oder seines Umfelds.

"Wolkenkuckucksheimer" ist die umgangssprachliche Bezeichung für einen Träumer, wenn man's böse ausdrücken will, für einen Spinner. Aber wenn sich jemand darüber Gedanken macht, was alles schief läuft und warum es schief läuft, sich dazu vielleicht auch noch Gedanken über ein Ändern der Situation macht, ist er kein Träumer - geschweige denn ein Spinner. Bartsch ist ganz sicher keiner. Seine Lieder berühren und transportieren Inhalte. Seine Mischung aus Botschaft und Musik weiß zu überzeugen, beginnt schon kurz nach dem Start seiner CD zu wirken. Man ist am Ende des einen Liedes schon gespannt auf das nächste - was wird einem da begegnen? Ob er im "Chirurgen"-Deutsch die Situation des Lied-Ichs auf der Suche nach sich selbst beschreibt oder eben die eingangs schon erwähnten Sichtweisen des "Wolkenkuckucksheimerbauern" gesanglich vorträgt, es ist stets Anspruch verbunden mit populärer, handgemachter Musik. Bartschs neue CD kommt im aufklappbaren Digipak mit ausführlichem Booklet, in dem man natürlich alle Songtexte auch beim Hören nachlesen kann, die Band wird mit Studiofotos vorgestellt und illustriert wurde das kleine Büchlein mit selbstgemalten Skizzen. Also kommt zum eben beschriebenen, sehr empfehlenswerten Programm auf der kleinen Silberscheibe auch noch eine würdige Verpackung dazu. Das Gesamtpaket hat ein "sehr gut" verdient. Meine absolute Empfehlung!
(Christian Reder)

 


   
   
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