ss-ke 20121216 2056217681 Titel:
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"Kreuzberger Eislieder"
Salli Sallmann
DuDu Records
20. September 2011

1. Kreuzberger Eislied
2. Neue Kleider
3. Pilger-Song
4. Bettler-Song
5. Spiel nur, Musikant
6. Hilflos mein Lied
7. Berlin, du machst mich hin
8. Oma-Song
9. Fluche, Seele, Fluche
10. Liedermacher in Berlin
11. Ballade von Josef Griep
12. An einen Straßenkehrer

DuDu Records hat mit freundlicher Unterstützung des Deutschlandradio Kultur in einer Neuauflage ein kleines Juwel auf den Markt gebracht und damit ein Zeitzeugnis der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Gemeint sind Salli Sallmanns "Kreuzberger Eislieder".

Dieses Album, das in den 80er Jahren entstanden ist, und nun auf CD neu aufgelegt vorliegt, darf getrost als Meilenstein gesamtdeutscher Liedermacherkunst angesehen werden. Das ist zum einen in Sallmanns Biografie begründet. Sallmann, als kritischer Kopf bei den DDR Gewaltigen in Ungnade gefallen, inhaftiert und des Landes verwiesen, verleugnete nach seiner Ausweisung seine Liedermacherwurzeln nicht. Diese liegen stilistisch bei Dylan und vor allem bei Biermann, was auf der CD deutlich zu hören ist. Als Gitarrist und Mundharmonikaspieler ist Sallmann selten virtuos, dafür immer ehrlich. Seine handgenmachte Musik ist in ihrer Schlichtheit sehr klar. Er versteht es, musikalisch vor allem auch die kleinen Töne zu setzen, die große Wirkung erzielen. Am beeindruckendsten an seinen Liedern ist jedoch die Verbindung der Melodien mit den Liedtexten. Was immer er musikalisch macht, es unterstreicht gekonnt die Aussagen der Texte. Dies ist der andere Aspekt für die exponierte Rolle, die das Album "Kreuzberger Eislieder" spielt.

Sallmann lässt sich immer wieder von großer Literatur inspirieren um die Dinge zu benennen, die ihn bewegen. Er schafft es meist, mit wenigen Worten große Bilder zu malen. Mal formuliert er herzzerreißend berührende Sätze, mal findet er Worte, die sich erschütternd marktief dem Zuhörer einbrennen. Auf der CD "Kreuzberger Eislieder" verbindet er seine Texte zudem mit ausnehmend hörenswerten Melodien, die bis auf zwei Ausnahmen allesamt aus seiner Feder stammen. In seiner Klarheit und Harmonie unterscheidet er sich dann auch zum Beispiel von Biermann. Zudem sind bei ihm stellenweise deutlich Folkelemente zu erkennen, wie man sie bei DDR Folkbands findet.

Sallmann beleuchtet in seinen Liedern den Alltag in Deutschland, die Gefühle der Menschen, ihre Hoffnungen, Sehnsüchte und Ängste aus der Sicht eines Menschen, der beide Seiten Deutschlands erlebt hat und hier wie da Licht und Schatten gesehen und erlebt hat. Sallmanns Stücke sind auch deshalb ein Zeitdokument der besonderen Art.
Jeder der 12 Songs auf der CD wäre einen eigenen Aufsatz wert. Ob das großartige Berlin-Lied oder das sehr persönliche "Neue Kleider". Auch der "Pilger Song", ein Cover des Dylan Stücks "Love minus zero - no limit", hat in Sallmanns Interpretation Beachtung verdient. Doch ich möchte auf drei andere Titel hinweisen, die mich besonders berührten. Da ist zum einen "Hilflos mein Lied / Friedenslied". Die Thematik ist vielmals in Ost wie West besungen worden, doch niemand bringt die Schizophrenie Ost/West und Krieg/Frieden derart auf den Punkt, wie Salli Sallmann das in diesem Lied schafft, in dem er das Thema an seinem persönlichen Erleben festmacht. Für dieses in seiner Grundaussage fast hoffnungslose, zumindest sehr melancholische Lied, findet Sallmann eine wunderbare, kleine Melodie, die in krassem Gegensatz zur Aussage.
Das zweite Lied, das mich tief bewegt hat, war der "Oma-Song", weil er einer ganzen Generation ein warmherziges Denkmal setzt und zudem für mich musikalisch aus den übrigen Titeln heraussticht. Das ist sicher nur meinen persönlichen Vorlieben geschuldet, sei mir aber dennoch gestattet.
Der dritte Titel "Fluche, Seele, fluche" muss erwähnt werden, da er in der Interpretation Sallmanns auf der CD "Kreuzberger Eislieder" wohl das eigentliche Original ist. Zudem ist der Song sehr gelungen. "Fluche, Seele, fluche" ist von Christian "Kuno" Kunert recht bekannt, zählt er doch zu den wenigen Liedern, die Kuno nach seiner Taubheit gelegentlich noch öffentlich sang. Dass der Text von Gerulf Pannach stammt, war mir bekannt. Den Anteil, den Sallmann an diesem Titel hat, hingegen nicht. Den erfährt man neben vielen anderen Informationen aus dem gelungenen Booklet zur CD. Dieses Booklet enthält alle Texte sowie einige der klassischen Vorlagen, auf denen sie basieren. Ferner findet man einige Informationen zu einzelnen Liedern, zu Salli Sallmann und der Entstehungsgeschichte des Albums. Es wurde erfreulicherweise auf eine Überhöhung des Dissidenten Sallmann verzichtet, zumal Salli die Reduzierung auf diesen Teil seines Lebens und seiner Person nicht mochte und mag.

Bleibt mir ein Fazit zur CD "Kreuzberger Eislieder" zu ziehen. Sallmanns Lieder sind durchweg hochpoetische, kleine Kunstwerke in einer klaren, einfachen Sprache. Es verbietet sich die CD nebenbei zu hören. Das Album und die einzelnen Titel sind sicherlich auch nicht tauglich für das aktuelle Hitparadenradio. Wer jedoch einen authentischen Einblick in die Zerrissenheit besonders der Ostdeutschen um 1980 erhalten möchte, dem sei die CD ebenso empfohlen, wie jedem der verstehen möchte, wie nicht wenige deutsche Normalbürger in dieser Zeit tickten. Die CD sollte in keiner guten deutschen Musiksammlung fehlen und dem ein oder anderen jungen Menschen in Literatur, Musik oder Geschichte nahegebracht werden, denn sie ist ein unverfälschtes Stück Zeitgeschichte, wie es nur sehr, sehr wenige gibt.
(Fred Heiduk)

 


   
   
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