mmw-htm 20121216 2045383061 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:

"Hottentottenmusik"
Marius Müller Westernhagen
Kunstflug / Motor Music
14. Oktober 2011

1. Jesus
2. Fertig
3. Wir haben die Schnauze voll
4. Durch Deine Liebe
5. Willenlos
6. Nur ein Traum
7. Alleine
8. Mit 18
9. Lieben werde ich Dich nie
10. Schweigen ist feige
11. Pfefferminzblues
12. Nurejev
13. Lichterloh
14. Engel

Den Begriff "Hottentottenmusik" kenne ich noch aus meiner Jugend. Der Vater eines Freundes benutzte diesen Begriff immer dann, wenn er von der über Zimmerlautstärke gelegenen Phonzahl der von uns verkonsumierten Neuerwerbungen aus dem örtlichen Plattenladen leicht erregt im Zimmer meines Kumpels auftauchte, um den Sohnemann mit einem flotten "Mach mal die Hottentottenmusik leiser!" in die Schranken zu weisen. Überhaupt scheint dieser Begriff eine Erfindung der älteren Generation zu sein, die mit den Hörgewohnheiten und der Musikauswahl des Nachwuchses so überhaupt nicht konform gehen wollte. Ein witziges Detail ist, dass der Vater meines Kumpels und ein gewisser Herr Westernhagen altersmäßig ungefähr ein Jahrgang sein dürften, und eben jener Westernhagen sein brandneues Live-Album "Hottentottenmusik" getauft hat.

"Hottentottenmusik" ist nach "Live" (1989) und "Keine Zeit" (1996) der dritte Streich, auf dem der Künstler die Essenz einer seiner Tourneen für die Nachwelt auf CD veröffentlicht hat. Ob das nun wirklich Hottentottenmusik ist, die der kratzstimmige Bluesrocker Westernhagen da mit seiner international besetzten Band live präsentiert, mag der Vater eingangs erwähnten Freundes oder mögen andere Väter und Großväter beurteilen. Warum Westernhagen seine Musik selbst als solche bezeichnet, ist mir auch nicht bekannt, aber das auf dieser CD enthaltene Programm wehte hier jedenfalls wie ein Orkan durch's Zimmer. Die Band harmoniert so hervorragend zusammen, dass es eine wahre Freude ist, ihr und ihrem Frontmann zu lauschen. Zwar steht Marius Müller Westerhagen im Zentrum des Geschehens, aber seine Musiker verschaffen ihm erst den Klangteppich, auf dem er sich großartig und wie gewohnt dreckig-kratzig entfalten kann. An den Tasten hören wir die bestens aufgelegten Kevin Bents und Alan Clark, die den lange Jahre für MMW im Studio und auf der Bühne tätigen und inzwischen ausschließlich bei Harald Schmidts TV-Late Night Show musizierenden Helmut Zerlett ersetzen. Dazu gesellen sich die hervorragenden Gitarristen Marcus Wienstroer (schon einige Jahre mit MMW unterwegs) und Brad "Buck Wild" Rice. Westernhagens Wahl, diese beiden Saitenvirtuosen mit auf die Bühne zu nehmen, war eine glückliche, keine Frage. Die Rhythmusfraktion besteht aus John Conte (Bass) und Aaron Comess (Schlagzeug), die dem ganzen Treiben die nötige Geschwindigkeit und den Takt vorgeben. Ergänzt wird das "Besteck" durch den Blasartisten Frank Maed, der an Saxophon, Mundharmonika und Flöten zu hören ist und Della Miles sowie Ron Jackson beim Background-Gesang. Handwerklich wird hier in die oberste Schublade gegriffen, der zum Vortrag gebrachte Blues- und Deutschrock haut selbst den dicksten Elefanten von den Beinen. Vom ersten Ton an wird man vom Westernhagen-Virus gepackt. Selbst wenn - wie bei mir - die Liebe zu seiner Musik schon etwas eingeschlafen war, zündet die Scheibe sofort. Etwas enttäuschend ist da lediglich die mager ausgefallene Songauswahl der Platte. Kamen die ersten zwei Live-Alben alle noch als Doppel-CD bzw. -LP in die Läden, beschränkt man sich bei "Hottentottenmusik" lediglich auf eine CD. Nur 14 Titel finden sich auf dem Silberling wieder. Ist man am Ende der CD angelangt, hat man sich gerade erst warm gehört und verlangt eigentlich nach mehr. Doch da kommt nix mehr... Und wer denkt, er bekomme bei der parallel zur Standardversion erscheinenden Deluxe-Version weitere konzertante Leckerbissen, der irrt gewaltig: Hier gibt's für etwas mehr Geld lediglich ein 40 Seiten starkes Buch mit weiteren Fotos und Infos. Dabei ist schon das Booklet der "normalen" Version sehr ausführlich und reich bebildert. Wie dem auch sei, das ist dann auch der einzige Schwachpunkt, der sich bei "Hottentottenmusik" ausfindig machen lässt. Die Veröffentlichung gibt's sogar als Schallplatte für die Liebhaber des "schwarzen Goldes". Klasse!

Um nochmal auf die Songauswahl zurück zu kommen: Bei Westernhagen ist es sowieso schwer eine gute Auswahl zu treffen, welche seiner Songs aus fast 40 Jahren Musikertätigkeit auf eine Best of- oder Live-Platte mit drauf müssen. Vollständig würde man dabei wohl nie. Da inzwischen schon zwei Live-Alben von Marius erschienen sind und dies das dritte Werk ist, läge es nahe, sich auf die Songs aus den letzten Jahren bzw. denen, die nach der letzten Live-Scheibe erschienen sind, zu konzentrieren. Aber auch hier irrt man wieder, der Künstler geht eigene Wege. Vom letzten Studioalbum "Williamsburg" gibt's lediglich den Song "Wir haben die Schnauze voll" in der Live-Version zu hören. Ich hätte mir mindestens noch die Songs "Schinderhannes" und / oder "Liebe stinkt" gewünscht. Dafür wiederholen sich dann diverse Songs, die man in Liveversionen bereits auf "Keine Zeit" schon vor 15 Jahren bzw. auf "Live" vor 21 Jahren fand. Der Song "Fertig" ist jetzt sogar auf allen drei Live-Platten zu finden. Vielleicht liegt das auch nur daran, dass diese einmalige Band aus manchen Songs völlig neue und eigene Versionen gemacht hat (insbesondere auch aus "Fertig"), und sich darum einige Songs auf "Hottentottenmusik" mit denen der anderen Live-Alben doppeln (oder eben gar zum dritten Mal ausgewählt wurden).
Unter'm Strich ist Westernhagens neuestes Live-Werk sehr empfehlenswert. Ob "Jesus", "Willenlos", "Mit 18", "Schweigen ist feige" oder "Lichterloh", die Klassiker des gebürtigen Düsseldorfers sind bretthart arrangiert und ziehen den Hörer durch ihr Arrangement automatisch mit - ob man nun will oder nicht. Musikfreunde mit einer Vorliebe für Blues bzw. Bluesrock kommen hier voll auf ihre Kosten. Westernhagen selbst klingt wie eh und je. Der Deutschrocker zählt nicht umsonst zu den großen Künstlern unseres Landes und ist - im Gegensatz zu manch anderem Kollegen aus der selbsternannten "ersten Reihe" - mit den Jahren nur besser geworden. Absolute Kaufempfehlung, auch wenn es sich hier um "Hottentottenmusik" handelt ;-)
(Christian Reder)

 


   
   
© Deutsche Mugge (2007 - 2023)

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.