ssttgd-tb 20121216 1232952815

Label:
Info:
Datum:

Titel:

Progressive Promotion Records
www.myspace.com/ssttgd
10/2011

· Prologue (A Man And The Book)
· The Empty Room / The Realization
· The Crying Child (1st Nail)
· The Healing Wonder (2nd Nail)
· The Dividing Water (3rd Nail)
· The Last Supper (4th Nail)
· The Eternal Abstinence (5th Nail)
· The Deadly Crucifixion
· The Green Door
· Epilogue (A Bird And The Book)

 

Dass Musiker bekannter Bands mehrere, musikalisch mitunter ganz verschiedene Projekte nebeneinander verfolgen, ist gar nicht so selten. So auch Marek Arnold, einer der drei "jungen" Neuen bei der Stern-Combo Meißen. Bekannt ist, dass die drei in der Band "Toxic Smile" spielten und spielen. Weniger bekannt sein dürfte, dass Marek Arnold seit einigen Jahren zudem das ProgressivRock-Projekt "Seven steps to the green door" betreibt, mit dem er unlängst das dritte Album vorgelegt hat.
"The? Book" unterscheidet sich nicht nur in einigen Punkten sowohl von dem, was man von Arnold als Toxic Smile-Musiker erwartet, als auch ganz deutlich von dem, was er unlängst zu Stern-Combo Meißens CD "Lebensuhr" beisteuerte, es polarisiert auch und ist aus verschiedenen Gründen nicht unbedingt als massenkompatibel zu bezeichnen. Das soll es auch nicht sein. Vielmehr war es der Anspruch der Band und ihrer Gastmusiker, sich musikalisch vielfältig und zugleich tiefgründig mit einem komplexen Thema auseinanderzusetzen.
Herausgekommen ist ebenjenes Konzeptalbum "The? Book", dass sich mit einem Reizthema schlechthin auseinandersetzt, der christlichen Religion und ihrer Bedeutung für den einzelnen heute. Schon hier fragt sich der "normale" Musikfreund womöglich: Wie kommt man denn auf so ein Thema? Dazu sei gesagt, dass gerade in der Szene, die von den Seven steps angesprochen wird, das Thema Religion durchaus vieldiskutiert ist und von daher sicher auch seine Berechtigung hat. Zudem spielte bei der Themenwahl persönliches Erleben eine nicht unwesentliche Rolle.
Was die Geschichte hinter "The? Book" an sich angeht, sei soviel verraten, dass das Album die Frage nach der Bedeutung der Religion für den einzelnen und sein Handeln nicht beantwortet. Es erlaubt sich nicht einmal die offene Parteiname für oder gegen diese oder jene Position in dieser Frage. Vielmehr setzt man sich musikalisch mit der Thematik auseinander und zeigt dabei einige Gedanken der Musiker dazu auf. Waren zunächst Einzeltitel zu dem Thema geplant, entwickelte sich das Album schnell zu einem Konzept, das sich der Thematik anhand einer geschlossenen Geschichte annimmt. Diese ist fiktiv und polarisiert sicher ein weiteres Mal, da einige Aspekte geradezu surreal sind. Auch die musikalische Umsetzung der einzelnen Episoden dürfte von Titel zu Titel ganz unterschiedliche Emotionen hervorrufen. Kennt man die Rahmenhandlung, also die Geschichte an sich, nicht und lässt nur die Musik auf sich wirken, kommt man nur schwer auf den Gedanken, dass sich hier streitbar mit religiösen Themen auseinandergesetzt wird. Da die Band zudem englische Texte verwendet, sind auch diese für das Verständnis nicht für jeden wirklich hilfreich.
Folgt man jedoch der Bandempfehlung und liest zuerst die in einem sehr gelungenen, aufwändigen Booklet beigelegte Geschichte, erschließt sich einem das Album ganz anders.
Ge- oder missfallen die einzelnen Titel ganz nach persönlichem Geschmack ohne die Kenntnis des Konzepts mal mehr, mal weniger, dürfte man nach seiner Lektüre erstaunt sein, mit welchem Geschick und mit wieviel Liebe zum Detail die Geschichte letztlich umgesetzt wurde. Die Band selbst spricht von einem Konzeptalbum, das es sicher auch ist. Als Zuhörer habe ich den Eindruck, eine moderne Oper geboten zu bekommen. Zur Rockoper fehlt sicher einiges, doch trifft der Begriff zumindest hier und da den Kern dessen, was man beim Hören des Albums erleben kann.
Beeindruckend ist die Vielzahl musikalischer Ideen, die in den einzelnen Titeln Niederschlag finden und die einzelnen Episoden durchaus gut nachvollziehbar und erlebbar machen. Ganz nach darzustellender Szene werden mal Popsequenzen bemüht, mal im Metal-Genre Anleihen aufgenommen oder auch mal die religiöse Klassik adaptiert. "The? Book" hat 10 Episoden, die musikalisch konsequent unterschiedlich umgesetzt wurden. Kein Stück gleicht einem anderen. Ob das jedem Hörer gefallen wird, darf bezweifelt werden, zumal die musikalische Bandbreite so ziemlich alles umfasst, was man sich vorstellen kann. Gebunden wird diese Vielfalt von einem immer wieder auftauchenden Grundthema, das allerdings aus meiner Sicht nicht die Kraft hat, sich immer gegen die zum Teil grandiosen anderen Themen der jeweiligen Episoden durchzusetzen. So verliert das Album an der beabsichtigten Komplexität, stehen die einzelnen Titel trotz fließender Übergänge hin und wieder geradezu nebeneinander. Böswillig könnte man sagen, einzig die Geschichte an sich, einschließlich der englischen Texte, schafft einen erkennbaren Rahmen, doch ist dem nur bei oberflächlichem Hinhören so. Vielmehr schafft es Arnold nicht zuletzt mittels der diversen Gesangsstimmen, die für einzelne Charaktere stehen, die Geschichte als Gesamtwerk zu veranschaulichen. Wie er welchen Charakter in Szene setzt, ist beeindruckend. Wie er sie musikalisch miteinander in Wechselwirkung kombiniert, ist mitunter großartig. Unterstrichen wird das alles von sehr guten Instrumentalisten. So verwundert es nicht, dass "The? Book" geradezu vor musikalischen Finessen strotzt. Ob ein ins Heute geholter gregorianischer Gesang, ob Dark Metal Elemente oder glockenklare Gesangsparts - "The? Book" ist in jedweder Hinsicht keine Alltagskost, vielmehr ein Album, dass man sich erarbeiten, genauer gesagt, erhören muss. Wer radiotaugliche Kost oder den von Arnold bekannten Art Rock Marke Stern-Combo erwartet, wird enttäuscht werden. Wer sich allerdings auf "Das? Buch" einlässt und gewillt ist zuzuhören, der kann ein interessantes wie spannendes musikalisches Crossover erleben. (Fred Heiduk)