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"Piratenbräute" UNBEKANNT VERZOGEN EV 09. Dezember 2011 1. Vollmond |
Auf den ersten Blick ist sie recht schlicht ausgefallen, die Debüt CD von UNBEKANNT VERZOGEN. Schwarzes Cover und die schon bekannte Zeichnung mit dem Bandnamen in weiß vorne drauf. Spricht dieses Cover etwa für das, was man darauf hören kann?
Ich bin bei dem Album etwas unentschlossen. Natürlich sind die Songs auf "Piratenbräute" sehr gut! Das steht völlig außer Frage. Jedoch bin ich vorbelastet durch die Demo CD, die ich schon längere Zeit habe und aus der ich u.a. auch in meiner Radiosendung schon Songs gespielt habe. Lieder wie "Nachtvögelin" und "Vergrabene Träume" haben mein Interesse für UNBEKANNT VERZOGEN damals erst so richtig angefeuert. Diese Songs sind auf "Piratenbräute" jedoch in anderen Versionen enthalten. Die Band hat die Lieder, die in nunmehr 8 Jahren Bandgeschichte entstanden sind, für die CD neu eingespielt. Warum nimmt man bereits hervorragend aufgenommene Songs neu auf? Eigentlich hätte man sie gar nicht besser machen können. Doch der Reihe nach...
UNBEKANNT VERZOGEN musiziert schon seit 2003 mit verschiedenen und immer wieder wechselnden Musikern. Einzige Konstante dabei ist Frontfrau Patricia Heidrich, deren unverwechselbare Stimme der Gruppe UNBEKANNT VERZOGEN seit Gründung die besondere Note verleiht. Bis heute hat die Gruppe eine beachtliche Zahl eigener Lieder geschrieben - hat sogar von einem befreundeten Musikerkollegen einen Song geschenkt bekommen. Einige der Songs konnte man bisher schon bei Konzerten, auf eben erwähnter Demo CD oder auf der bandeigenen Myspace-Seite hören. Jetzt wurde es Zeit, diese Lieder endlich auf einem Album zu vereinen, einen Schnitt zu machen und das bisherige Wirken und Schaffen zu dokumentieren. Wenn man so will, dem Hörer eine Anthologie einer "Unbekannten" zu bieten, bevor es in einer konstanten Bandbesetzung weitergehen wird.
Das Album startet mit dem Stück "Vollmond". Einer sehr schlichten und ruhigen Nummer, die vom Gitarrenspiel Johnny Jahns und der Stimme Patti Heidrichs lebt. Dezent setzen die Percussions im Verlauf ein. Wunderbar umgesetzt. Die Komposition von Holger Jahn überzeugt und setzt den Text von Patricia Heidrich wunderbar in Szene. Eine sehr gelungene Harmonie von Text und Musik und fast möchte man meinen, die Schlichtheit des eingangs erwähnten Coverartworks setzt sich in der Musik auf dem Album fort. Dem ist aber nicht so... Mit "Vergrabene Träume" folgte ein komplett anderes Lied und gleichzeitig auch ein kleiner Tempowechsel. Zwar ist das Stück sofort wiederzuerkennen, immerhin kannte ich es ja - wie schon erwähnt - von der Demo CD, doch leider ist bei der Neuproduktion etwas verloren gegangen. Ich kann gar nicht genau sagen, was hier plötzlich fehlt, aber die neue Version ist unüberhörbar anders. Vielleicht ist es der Mut zum Experiment oder zu Ecken und Kanten, der mir hier fehlt... Auch wenn ich die andere Version dieser Neuen hier vorziehen würde, ist "Vergrabene Träume" ein sehr gelungenes Stück, das eindeutig das Zeug für einen Radiohit hat.
Mit "Lissabon" folgt eine Nummer, bei der mich Pattis Gesang und die musikalische Umsetzung irgendwie an Annette Humpe und IDEAL erinnern. Das Lied startet mit südeuropäischem Flair, versprüht durch Axel Stammbergers Gitarrenspiel. Auch der von Andreas Hähle im Telegrammstil aufgesetzte Text ist ein besonderes Merkmal. "Lissabon" lässt einen hellhörig werden, allerdings ist es für mich undenkbar, das Lied nur nebenbei zu hören. Das ist Musik für den aufmerksamen Zuhörer und nichts zum Nebenbeihören!
Mit "Balkon" folgt ein reinrassiger Blues. Eine Musikrichtung, die für die Sängerin wie gemacht scheint. "Balkon" überzeugt vom ersten Ton und hier - beim 4. Lied auf der CD - wirken die Tasteninstrumente zum ersten Mal auf mich nicht störend. Die Wahl des Orgelsounds hätte treffender nicht ausfallen können.
Natürlich ist auch die "Nachtvögelin" auf dem Album enthalten. Ein Lied, das wie auch die anderen schon vorher aufgenommenen Songs für das Album einer musikalischen Frischzellenkur unterzogen wurde. Wirklich wunderbar und sehr passend sind hier der Einsatz von Klavier und Gitarre. Musikalisch unterbricht hier eine positive Refrain-Melodie die einzelnen melancholisch in Szene gesetzen Strophen. Auch das Stück hätte gute Chancen, ein Radiosong zu werden.
Ein weiteres Lied ist "Zweiter Tag". Es hat eine bemerkenswerte Besonderheit: Patti wird hier gesanglich von keinem Geringeren als von unserem Freund Reinhard Fißler unterstützt. Sphärisch schwebt Reinhards Gesang in dem Stück und verschmilzt mit Pattis Hauptgesang. Auch bei diesem Lied ist die musikalische Umsetzung einmalig gut gelungen. Die Idee mit dem von Marcus "Basskran" Schloussen gespielten Fretless Bass ist ebenso bemerkenswert wie die, mit Reinhard Fißler eine zweite Stimme zu der von Patti dazu zu stellen. "Zweiter Tag" ist mein persönlicher Favorit auf der CD!
Als letzten Song möchte ich noch "Flos Geburtstag" erwähnen. Die hier erzählte Geschichte hat einen wahren Hintergrund. Es geht um eine Frau, deren Kind bei der Geburt tot zur Welt kam. Das Lied lief noch gar nicht lange, da hatte ich den berühmten Klos im Hals. Man muss schon schlucken, wie unbeschreiblich gut Patti das Geschehene und die Gedanken der Mutter hier in einen Text verpackt hat. Das ist ganz große Klasse! Die in "Flos Geburtstag" erzählte Geschichte berührt sofort und man würde im Traum nicht darauf kommen, dass hinter diesem doch eher Spaß und Freude suggerierenden Namen eine solch bedrückende Story steckt.
Es gibt aber noch weitere Titel auf "Piratenbräute". Der aufmerksame Leser wird sicher schon bemerkt haben, dass zu den eingangs erwähnten 13 Liedern noch ein paar fehlen. Doch ich möchte dem interessierten Leser an dieser Stelle jetzt nicht alles verraten, was sich auf der wirklich abwechslungsreichen Scheibe befindet. Findet es selbst heraus!
Alles in allem hat die Musik nichts von der Schlichtheit seiner Verpackung! Man kann sagen, dass das Programm auf der CD trotz der zu unterschiedlichen Zeiten und von unterschiedlichen Komponisten und Textern entstandenen Songs eine harmonische Einheit bildet. Da hat der Produzent ganze Arbeit geleistet! Mich persönlich hätte es zwar gefreut, wenn es die Originalversionen meiner Lieblingslieder "Nachtvögelin" und "Vergrabene Träume" auf die CD geschafft hätten, aber das ist nur meine persönliche Meinung. Meine anfängliche Unentschlossenheit verliert sich im Verlauf der CD fast vollständig, denn die Platte ist insgesamt sehr gelungen.
Wenn ich an "Piratenbräute" etwas auszusetzen habe, dann ist es der Keyboardsound in dem einen oder anderen Stück - wie bei der Beschreibung ja bereits erwähnt. Bei einigen Liedern wirkt das Keyboard leider wie ein Fremdkörper. Besonders auffallend ist das z.B. bei "Vergrabene Träume", bei dem der Sound etwas antiquiert wirkt und sich so gar nicht in das ansonsten so harmonische Ganze einfügen mag. Auch bei "Lissabon" hätte man es bei der Orgel belassen sollen, denn das Keyboard hinterlässt auch hier beim Hören den Eindruck, in ein ganz anderes Lied zu gehören. Ansonsten gibt es nicht viel auszusetzten, und die Platte dürfte viele Freunde finden. Die Stimme von Patti will sich irgendwie so gar nicht in eine Schublade packen lassen. Mal meint man, Annette Humpe zu hören, dann hat sie wieder was von Stevie Nicks (Fleetwood Mac) und doch ist sie so einzigartig, dass man sie aus vielen anderen heraushören würde. Dazu die Band, die ihrer Frontfrau den passenden Soundteppich liefert. Hier sind erstklassige Musiker am Werk und das ist deutlich zu hören. Das alles sind gute Vorzeichen für eine erfolgreiche Zukunft für die Band UNBEKANNT VERZOGEN, die nach ihrem Debüt-Album ganz sicher nicht lange auf ein neues Werk warten lassen wird. Man kann der Band nur wünschen, dass "Piratenbräute" den richtigen Leuten in die Hände fallen wird, damit die Formation auch mit einem Plattenvertrag ausgestattet weiterarbeiten kann. Von mir gibt's an dieser Stelle die absolute Kaufempfehlung!
(Christian Reder)
Das Album "Piratenbräute" ist erhältlich:
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