ps-suna 20121206 1625569114 Titel:
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"So und nicht anders"
Purple Schulz
Rakete
26. Oktober 2012

1. Ich hab Feuer gemacht
2. Vorbei ist vorbei
3. Uns kann nix passieren
4. Fragezeichen
5. Auf dem Grund
6. Die dünne Wand
7. Geheimnis
8. Wir haben alle was zu sagen
9. So macht das keinen Spaß
10. Wofür?
11. In völliger Dunkelheit
12. Eine kleine Geschichte...
13. Spiegeln
14. Der letzte Koffer

 

 

Feuer machen ist das Gegenteil von 'Mit Feuer spielen' ...
... wenn man den Botschaften des neuen Albums von Purple Schulz glaubt. Und es gibt nicht den geringsten Grund, es nicht zu tun. Doch was heißt "neues Album"? Es ist ja quasi auch ein Debüt-Album. Das erste, welches Purple Schulz ohne seinen musikalischen Partner Josef Piek erarbeitete, wenn man vom Titel "Fragezeichen" absieht, für dessen Komposition Josef Piek verantwortlich zeichnet. Ansonsten ist es natürlich ein neues Purple-Schulz-Album. Moderner im Sound und dennoch unverkennbar.

Die Texte sind tiefgründig und -sinnig. Und so wandelt er wieder, einer der Meister deutschsprachiger Musik, zwischen Rock, Pop und chansonhaftem Lied. Mit seiner wohl in dieser Form nur ihm zuzuschreibenden Freundlichkeit, seinem warmen Humor. Was machen wir mit der Welt? Sollten wir sie neu erfinden? Sollten wir das Feuer neu erfinden, das Rad, uns selbst? "Ich habe Feuer gemacht", der Jubelschrei der Neuentdecker, der Neugierigen, der immer wieder auf neuen Pfaden Wandelnden. Aber: dieses Eingeengtsein in Schemen, in Dogmen, in Strukturen, die auch noch in die falsche Richtung zu weisen scheinen. Das Niederdrücken - andernorts auch -knüppeln - von Kreativität und individueller Lebensweise. Es sollte beendet werden. Ein Appell für die Phantasie und auch für die Menschenwürde. Dieses Thema findet sich nicht nur einmal auf dieser CD. Hier sollten wir umkehren, den freien Geist freie Bahn gewähren und in aller Welt. Hier, weil wir hier sind und leben und dennoch ... zuschauen. Wir sollten Feuer machen, nicht mit ihm spielen und auch keines legen. Das Video zu diesem Titel ist sehr empfehlenswert.

 

Besinnlich wird Purple Schulz in "Vorbei ist vorbei". Das Ende einer Liebe. Menschen kommen zu sich, mitunter, wenn sie auseinandergehen. Einer geht, muß gehen, um sich zu befreien von dem, was ihn hindert, er selbst zu sein. Ein anderer Mensch bleibt zurück. Beide wären frei, könnten es sein, frei und bei und für sich, jedoch: da muss ja auch noch bestraft werden (Frauen bestrafen tatsächlich gerne und haben in Jahrhunderten nicht bemerkt, dass Männer größtenteils nicht bemerken, dass sie bestraft werden sollen). So groß der Schmerz, so tief die Wunde auch ist: vorbei ist vorbei. Zum Ende wird es hymnisch fast mittels eines Riffs und des Gesangs. Ja, wenn sich der Streit nach einer Trennung so einfach mit einem Lied lösen ließe. Na, man kann es ja mal versuchen. Ansonsten ist es eine treffende Geschichte, die so erzählt/gesungen werden will. Wie viele Menschen haben denn nicht wirklich auch schon solch eine Situation erlebt und durchlebt. Mit diesem Lied kann man klüger werden, vielleicht. Es ist die Sicht nach einem Herausfinden aus dieser Situation. Aus dem Durchhalten und Aushalten und nicht Wanken in der Entscheidung für sich selbst, so schwer es auch fällt. Wer will schon der erste sein, der Schmerz bereitet?

Wie eine Slapstick-Film-Musik "Uns kann nix passieren". Und es ist ein - wenn auch sehr justizkritisch und gesellschaftskritisch gemeint - Spottlied auf die Nutznießer der Gesetzeslücken. Ob es die sind, die eine schwere Kindheit aufweisen können oder die, die ganz legal und höchst offiziös andere Menschen abzocken (was früher Raub hieß und wieder so heißen sollte). Ihnen kann nichts passieren, sie kommen davon. Heinz Rudolf Kunze mit einem sehr schönen "Gastauftritt". Und einer ganz ganz fiesen Schulz-Lache sowie einem Disney-artigen Schluss und einem schönen Ragtime-Hammer-Klavier-Sound.

"Fragezeichen". Auch hier sollte man sich unbedingt das äußerst sensible Video anschauen (siehe unten), welches Purple Schulz mit Hilfe seiner Familie drehte. Die Beschreibung, wie Demenz einen ereilen kann und wie man dann versucht, mit der Welt, den plötzlich fremden Menschen, der Zeit und sich selbst klarzukommen. Der Titel befindet sich derzeit auch in der Wertung der Sendung "Wahl-Lokal" auf www.rockradio.de. Keine moralinsaure Betroffenheitslyrik, sondern konsequentes Einfühlen und dadurch wirklich treffend. "da draußen spielt die welt verrückt / und mich hält man für dumm ..."

 

Sehr lyrisch geht es "Auf den Grund". Ein Duett mit Dania König, die diesen Titel schrieb. Wie man sich fühlt, wenn man "auf dem Grund" ist. Sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne. Und ein Mutmachlied für all die kaputten Tage, die jeden Menschen mal ereilen, ob er will oder nicht, an denen er sich wie auf dem Grund fühlt, ganz weit unten und abgeschnitten vom Rest der Welt.

Ähnliches Thema, ganz anderer Gedankengang: "Die dünne Wand", die unser eigenes Leben von dem des Restes der Welt trennt. Es beginnt mit einer spieluhrartigen Melodie und Kinderlachen. Alles ist in Ordnung, alles wie es sein soll. "und ein banaler vorgang veränderte dich" schrieb ich einmal in dem Songtext "Leeres Glas". So ist es auch in diesem Titel. Etwas, eine Kleinigkeit, stimmt nicht. Der normale Rhythmus ist durchbrochen, es macht einen verrückt, irre, es greift sich das Zerbrechen mehr Raum als es braucht und setzt sich durch. Melodramatisch, fast verfremdet, die Musik. Manchmal wie ein modernes Orchesterwerk. Die Musik will sich in unser Bewusstsein begeben, die Wahnsignale wollen sich ins Unterbewusstsein graben. Ja, wir tanzen auf sehr dünnem Eis, denn der Tag wird kommen, dass ein harmloser Riss reichen könnte, uns am Weitergehen zu hindern und wir werden vorwärts gehend uns wähnen und doch nur im Kreise schreiend tanzen.

Fröhlich perlende Klaviermusik verrät uns, dass es immer ein "Geheimnis" gibt, wenn alles nach außen hin in Ordnung zu sein scheint. Der Faden zieht sich durch, setzt sich fort, den Purple Schulz durch seine Lieder webte. Sehr interessant und spannend instrumentalisiert. Wir werden das Geheimnis nicht erfahren. Sonst wäre es ja keins.

"Wir haben alle was zu sagen" erinnert uns vom Sound her sehr an den Purple Schulz aus den 80er Jahren. Der Text ist wesentlich zeitgemäßer. Eine Aufforderung, nicht immer nur die Schnauze zu halten, sondern einfach auch mal den Mund aufzumachen. Und sei es, um Fragen zu stellen.

Musikalisch in Karibik-Flair eintauchend macht die Musik Spaß in "So macht das keinen Spaß". Hier wird fast kabarettistisch, aber mit sehr ernsthaftem Hintergrund die Kirche karikiert. Eigentlich eher porträtiert. Karikiert hat sie sich ja bereits selbst. Die Radikalisierung des Glaubens, egal welches. Da ist ein Reggae ganz sicher ein gutes, weil fröhliches Mittel dagegen. Ein bisschen wie Karneval, was der Kölner da zelebriert, aber leider kein Witz, weil es oft genug so ist, wie treffend pointiert in diesem Titel beschrieben.

"Wofür?" ist der Einblick in die verzweifelte Gedankenwelt eines Vaters, wenn er müde nach Hause kommt und in eine Party seines Kindes stolpert und sich die Frage stellt, wofür das alles davor überhaupt gut war. Mit musikalischen Beinahe-Techno-Spielereien versehen. Schönes Augenzwinkern.

"In völliger Dunkelheit". Wieder ein Lied, welches die Geschichte eines Gefühls, eines dauerhaften, ist. Über das Ende der Liebe. Diesmal davon, wie es ist, wenn man bleibt. Man könnte ja weggehen, die Welt sehen und so weiter ... Bleibt, obwohl nichts mehr geht. Der Hund hat's ja so entschieden, irgendwie ... Gefolgt von einer "kleinen Geschichte vom Ende einer großen Liebe". Und einer traurigen und doch sehr schönen Pointe darin.

"Spiegeln" - eine Idee des Nach-Vorne-Schauens. Wir schleppen so vieles mit uns herum, unsere Vorfahren, unsere Begegnungen. Aber so ganz in uns selbst sind wir wohl doch wir selbst. Und das zuzulassen kann einfach wunderschön sein.

"Der letzte Koffer" ist ein sehr kräftiges Lied über den Abschied, über den Tod.

Da hat er uns also Feuer gemacht, der Purple Schulz. Genießen wir es, ziehen dann weiter und machen uns unser eigenes. Vielen Dank für dieses sehr gelungene und die Zeit sicherlich überdauernde Werk!
(Andreas Hähle)

 


 

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