Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:
Titel:
"Tata"
Mathias Schüller & Band
Cactus Rock Records
Februar 2012
1. Feuerland
2. Tata
3. Barcelona
4. Who Do You Love?
5. Das Einzige was bleibt
6. Am Ende der Welt
7. Hippie & New Wave
8. Mit Engels Zungen
9. Verrückt nach Dir
10. Verliebt in eine Geste
11. Phantasmogaria
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MATHIAS SCHÜLLER ist ein niederrheinischer Songschreiber und hat inzwischen schon drei Alben veröffentlicht, und das vierte ist gerade eben erschienen. Ich weiß nicht, ob es eine Bildungslücke ist, MATHIAS SCHÜLLER bisher nicht gekannt zu haben, was ich aber mit Sicherheit sagen kann ist, dass ich mir die hier vorliegende CD "Tata" aufgrund ihres Äußeren nicht gekauft hätte. Wahrscheinlich wäre sie mir im Plattenladen (stünde sie da rum) gar nicht aufgefallen und wenn, hätte ich sie mir nicht aus ihrem Fach genommen um da hinein zu hören. Das ist kein Wunder, denn man würde über das Cover im Leben nicht darauf kommen, dass es sich hier um eine Deutschrock-Produktion handelt. Was sich die Macher beim Erstellen des Covers gedacht haben, wäre interessant zu erfahren. Zwei gekreuzte Fanfaren vor einer Trommel, das ganze eher schlicht - um nicht zu sagen "billig" - angerichtet... Das hat sehr viel von einer Geschenk-CD des örtlichen Trommlerkorps (die sich mit ihrem Cover aber wahrscheinlich wesentlich mehr Mühe gegeben hätten), aber rein gar nichts mit Rock zu tun... Wie dem auch sei, das Cover sagt ja noch lange nichts über den Inhalt aus.
 
Hat man sich gerade noch die Augen wegen des äußeren Erscheinungsbilds gerieben, kann man mit den Ohren der Musik wegen gleich weitermachen. Was einem auf "Tata" geboten wird, ist eine Achterbahnfahrt zwischen "erstklassig" und "Anfangsstadium einer Schulband", wobei die erstklassigen Momente deutlich in der Unterzahl sind. Um es vorweg zu nehmen: Gitarrist Heinz-Bernd Hövelmann sticht aus der gesamten Platte heraus. Seine Gitarrensoli, seine Spielfreude und seine beeindruckende Handarbeit sind herausragend! Ihn klammere ich bei meinem Schulband-Vergleich ausdrücklich aus! Ohne ihn hätte ich diese CD ganz sicher schon nach dem zweiten Lied ausgemacht... Hab ich aber nicht, und so kam ich in den Genuss des kompletten Programms. Dieses startet mit dem Song "Feuerland". Hier lässt uns der Pressetext der Plattenfirma wissen, dass es sich um ein Lied über "Erderwärmung zu Zeiten der Abwrackprämie" handelt. Kann ich beim besten Willen aus dem Song nicht heraushören, vielmehr verwirrt mich die Ansammlung von Phrasen, die im Text munter verbaut wurden. Wie aus einem Baukasten werden hier Sätze aneinander gereiht, die irgendwie keinen Sinn ergeben wollen. Was das Ganze dann auch noch mit Feuerland zu tun hat...?! Man müsste den Künstler fragen. Ich höre hier nur ein heilloses Durcheinander, genau wie auf dem bunten Süßigkeitenteller, der als Foto im Innenteil der CD-Hülle abgedruckt ist und bei dem sich mir der Sinn ebenfalls nicht erschließen will... Wieder frage ich mich, wer dieses Cover gemacht hat und wie alt er/sie wohl war.
Lied Nummer 2 heißt wie die CD selbst, "Tata". Das Lied behandelt ein Thema, bei dem ich bestens mitreden kann. Es geht um eine Reise von West nach Ost zu Zeiten des "Kalten Krieges". Hier macht sich also einer in den 70ern auf, um mit dem Auto von der BRD in die DDR zu reisen. "Ich wollte meine Heimat seh'n, um meine Wurzeln zu versteh'n", singt uns der Musiker da. Aha... es berichtet mal jemand aus einer anderen Perspektive. Klingt auf den ersten Blick interessant und gut, doch schon mit der Textzeile "Ich hatte mich chic gemacht und auch Geschenke mitgebracht", wird's peinlich. Das klingt eher danach, als komme da der Weihnachtsmann... Auch sonst birgt der Text einige unfreiwillig komische Einlagen, so z.B. den Refrain: "Tata, endlich bin ich da. Hurra, was für ein schöner Tag". Dann werden fleißig Klischees bedient, die ich selbst schon lange nicht mehr gehört habe. "Sie sahen mich an wie einen Außerirdischen", weiß das Lied-Ich zu berichten. Da stellte sich mir spontan die Frage, ob es möglicherweise daran lag, dass er sich "so chic" gemacht hatte oder daran, dass sich der gute Mensch vielleicht um ein paar hundert Kilometer zu weit östlich verfahren hat... Peinlich und unglaublich schlecht! Und damit dieser Satz auch ein Ende findet und sich hinten auch reimt, geht's weiter mit der großartigen Zeile "Zum Kaffee gab's Sahne mit Kirschen". Und das war's dann auch schon mit der "kuriosen Reise vom Niederrhein ins Erzgebirge". Das Lied hat überhaupt keine Aussage und der Hörer wird mit der offenen Frage, was denn nun die Erkenntnis dieser Reise gewesen ist, völlig allein zurückgelassen. Ich gehe sogar soweit und sage, der Text wirkt fast an jeder Stelle lächerlich und ich, der selbst fast 20 Jahre in die DDR gereist ist, kann sich überhaupt nicht mit dieser Nummer identifizieren. Ehrlich gesagt ärgert es mich, dass zu so einem Thema sowas abgeliefert wird.
Es folgt der Song "Barcelona", und hier bin ich das erste Mal hin und weg von der Gitarre des Eingangs schon erwähnten Heinz-Bernd Hövelmann. Ein schöner Blues. Inhaltlich geht's um das 'Els Quatre Gats', einem Lokal in Barcelona, und um ein Treffen von zwei Freunden 30 Jahre nach ihrem letzten Treffen am gleichen Ort. Text und musikalische Umsetzung überzeugen auf ganzer Linie. Die melancholische Grundstimmung des Songs passt zur Geschichte, dass der zweite Freund nicht erscheint und der andere sich während des vergeblichen Wartens langsam aber sicher betrinkt. Hier funktioniert alles, und dieser Song ist eine echte Perle auf dieser CD!
Ein weiteres Stück ist "Am Ende der Welt", das mich musikalisch ebenfalls überzeugen konnte. Die Gitarren-Figur hat wohlige und ansprechende "Rundungen". Wieder eine bluesig-angehauchte Nummer mit einer hohen Wiedererkennbarkeit. Ein Song, der sich umgehend im Gehörgang festsetzt. Das Stück hat nicht die Klasse von "Barcelona", aber gehört definitiv zu den positiven Momenten dieser Platte.
Ein weiteres Highlight ist das Stück "Hippie & New Wave". Eine progressiv-rockige Gitarre ist zu hören und nimmt den Hörer umgehend gefangen, während der Bass einen in Trance wummert. Großartig! Das ganze gleitet langsam in eine melodiöse Phase über und der Gesang setzt ein. Dieser erste, 2:30 Minuten lange Instrumental-Teil des Songs macht echt Spaß. Der gesungene Teil des Stücks nicht weniger, auch wenn wieder einmal der Text als Schwachpunkt des Liedes auszumachen ist.
Gleiches Fremdscham-Potential wie das Lied "Tata" hat dann auch das Stück "Mit Engels Zungen". Ein Lied über eine Liebe Ost/West - ebenfalls zu Zeiten des "Kalten Krieges". "Es ist unglaublich, wenn die Richtige kommt - zur Tür herein und Du spürst es", heißt es gleich zu Beginn. Das Lied-Ich sitzt in einer Leipziger Kneipe, wo er "sozialistischen Trost" findet (was auch immer uns Schüller damit sagen will). Die Tür geht auf und sie kommt rein... Weiter geht's im Refrain mit den Worten "Sie liebten sich mit Engels Zungen, sie liebten sich im Schatten des Parks. Sie sonnten sich in ihrer Liebe, zwischen Ludwig Erhard und Karl Marx". Ich weiß nicht, ob Mathias Schüller in den letzten 22 Jahren eingefroren oder nicht im Land war, aber das Thema ist komplett ausgelutscht, überholt und auch sonst schon von Udo Lindenberg in allen möglichen Facetten durchgekaut worden. Aber der Vergleich mit Lindenberg kommt sowieso nicht hin, denn der konnte so ein Thema gut in Worte und Musik verpacken.
"Verrückt nach Dir" ist der drittletzte Titel der CD und hat wieder diese umwerfende Gitarre, die einen für so manchen akustischen Schmerz auf dieser CD entschädigt. Man könnte die Leistung des Gitarristen mit einer guten Flasche Wein vergleichen, die auf dem mit Hamburgern und Pommes bestückten Tablett eines Fastfood-Restaurants steht. Mehr fällt mir dazu leider nicht mehr ein...
Damit möchte ich es mit dem Herausstellen einzelner Lieder auch bewenden lassen. Bei den anderen Liedern mag sich der interessierte Leser selbst überraschen lassen.
 
Einen Satz im Pressetext der Plattenfirma unterschreibe ich sofort: "Die Geschichten, die Mathias Schüller erzählt, erzählt sonst niemand." Wohl wahr, denn entweder traut sich an die längst überholten Stories keiner mehr ran, oder sie werden besser und mit einer Aussage erzählt. Ich hatte es am Anfang dieser Plattenbesprechung schon geschrieben, dass man nicht vom Äußeren auf den Inhalt schließen sollte. Bei "Tata" kann ich aber guten Gewissens sagen, dass der Inhalt zur Verpackung passt, denn die Ausbeute von 2 1/2 guten neben teilweise unglaublich schlechten Songs ist eine wahrlich schlechte Ausbeute. Eine Erkenntnis brachte mir "Tata" aber doch: Ich wünsche mir ein Solo-Album von Heinz-Bernd Hövelmann!
(Christian Reder)
 

 
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