baplive 20130107 1269861626 Titel:
Label:
VÖ:

Titel:

"Live und in Farbe"
EMI
06.03.2009

siehe unten


Disk 1:
1. Unterwegs / Blue in Green (2:08)
2. Wat für 'e Booch! (5:06)
3. Musik, die nit stührt (4:15)
4. Begrüßung (0:58)
5. Songs sinn Dräume (5:25)
6. Nemm mich met (5:46)
7. Rövver noh Tanger (4:55)
8. Kron oder Turban (5:07)
9. Diego Paz wohr nüngzehn (8:01)
10. Amerika (7:35)
11. Frankie un er (6:23)
12. Magdalena (weil Maria hatt ich schon) (7:16)
13. Duude Bloome (4:02)
14. Rita, mir zwei (3:51)
15. Morje fröh doheim (4:18)

Disk 2
1. Frau ich freu mich (5:47)
2. Aff un zo (5:55)
3. Et ess, wie't ess (4:16)
4. Für ne Moment (4:14)
5. Bandvorstellung (1:13)
6. Wolf un Skorpion (5:48)
7. Noh Gulu (5:54)
8. Bahnhofskino (7:10)
9. (Für immer jung) Forever Young (6:35)
10. Ne schöne Jrooss (5:16)
11. Unger Krahnebäume (3:24)
12. Arsch huh - Zäng ussenander (6:21)
13. Kristallnaach (6:00)
14. Rääts un links vum Bahndamm (5:45)

Disk 3
1. Helfe kann dir keiner (5:06)
2. Nix wie bessher (5:36)
3. Ens em Vertraue (4:45)
4. Do kanns zaubere (5:24)
5. Hühr zo, Pandora (4:52)
6. Souvenirs (4:49)
7. Millionen Meilen (A Million Miles Away) (9:57)
8. Verdamp lang her (8:42)
9. Alexandra, nit nur do (6:05)
10. Wie 'ne blaue Ballon (5:18)


Rezension:
Im Spätherbst vergangenen Jahres begaben sich die legendären Kölschrocker von "BAP" auf den ersten Teil ihrer "Radio Pandora Tour", nachdem Frontmann Wolfgang Niedecken und die Seinen im Mai 2008 ihre phantastische Studioproduktion "Radio Pandora" veröffentlicht hatten. Das Album, das aus zwei CDs ("Plugged", "Unplugged") bzw. drei LPs besteht, stieg umgehend nach Erscheinen auf Rang Eins der offiziellen "Media Control"-Listen und wurde von Fans, wie Kritikern, einhellig über den grünen Klee gelobt.
Kurz nach Weihnachten 2008, zelebrierten Wolfgang (voc, git), Helmut Krumminga (git), Michael Nass (key), sowie die beiden Ex-"Deserteure", Werner Kopal (b) und Jürgen Zöller (dr), in der "Köln Arena" ein ellenlanges Extrakonzert vor ausverkauftem Hause, das die Untermauerung bietet für das soeben veröffentlichte, insgesamt __minütige Live-Drei-CD-Set "Live und in Farbe" (EMI), das nicht nur als längster Konzertmitschnitt einer einheimischen Band überhaupt in die Annalen eingehen dürfte, sondern zudem "BAP" - immerhin seit 33 Jahren "on the Road" - in kreativer Bestform zeigt.
Die meisten der insgesamt 39 Titel wurden am 26.12.2009 enn Kölle am Rhing aufgezeichnet; manche jedoch entstammen vorherigen Auftritten in anderen Städten, da die plietsche Firma "Concert Online" JEDEN Gig der derzeitigen "BAP"-Tour mitschneidet und gewillten Anhängern, nur wenige Stunden nach Konzertende, als USB-Stick bzw. zwecks "Download" anbietet.
CD-01 von "Live und in Farbe" startet mit einer rockigen Ehrerweisung an den US-amerikanischen Hippieliteraten Jack Kerouac namens "Wat für e' Booch", dicht gefolgt von einer famosen Kritik am derzeitigen Formatradio-Irrsinn ("Musik, die nit stührt") - beide sind im Original auf "Radio Pandora" vorhanden.
"Songs sind wie Träume, die man wahrzumachen versucht, sie sind wie fremde Länder, die man bereist". Diese Sentenz schrieb Wolfgangs großes Vorbild Bon Dylan in seiner Autobiographie "Chronicles" - Jene so treffliche, wie zutreffende Aussage von "His Bobness", bestimmte nicht nur das Motto vorliegender Live-Dreifach-CD, sondern inspirierte Wolfgang zugleich zu der romantischen Ballade "Songs sinn Dräume" (ebenfalls aus "Radio Pandora"), die sicherlich einen der innigsten, intensivsten und intimsten Schleicher darstellt, die der "BAP"-Chef jemals geschrieben hat.
Donoh jing et wigger mit DER "BAP"-Livehymne schlechthin "Nemm mich met", die - stilistisch irgendwo zwischen Springsteen und den "Rolling Stones" angesiedelt - seinerzeit im Zuge der ersten bundesweiten "BAP"-Tour 1982/83 entstanden ist, auf "Bess demnäxh", dem ersten Konzertmitschnitt der Kölner, erstmals verewigt wurde und seitdem bei keinem "BAP"-Auftritt ausgelassen werden darf.
Der so bedrohliche, wie melancholische Hardrocker "Rövver noh Tanger" fand sich im Original auf der 2004er-CD "Sonx"; "Krön oder Turban", ein getragener, gleichsam treibender Bluesrocker, wirbt inhaltlich auf sehr gekonnte Weise für mehr Toleranz. Gleichfalls ganz tief im Blues verwurzelt ist "Diego Paz wohr Nüngzehn", eine bittere Abrechnung mit dem 1982 von Großbritannien angezettelten sog. "Falkland-Krieg" - ganze acht Minuten lang - Spitze inszeniert!
Ebenso ausufernd erklingt "Amerika", der brodelnde Titelsong von "BAPs" 1996er-Silberscheibe. Die verständnisvolle, grazile Bluesballade "Frankie un er", die fesche, lockere Countrynummer "Duude Bloome", der enorm Springsteen-esk ausgefallene Folkrocker "Morje fröh doheim" (sämtlich aus "Radio Pandora") oder das grandiose Liebesgeständnis "Rita, mer zwei" (1999, aus "Tonfilm", dem ersten Silberling ohne Klaus "Major" Heuser an der Gitarre) beenden CD-01 von "Live und in Farbe" auf phänomenale Art und Weise.
CD-02 beginnt mit dem ultimativen "BAP"-"Roadsong" "Frau, ich freu mich", den Wolfgang und Co. aber nicht im Originalarrangement aus 1981 beließen, sondern vielmehr so interpretieren, wie er auf dem Jubiläums-Doppelalbum "Drei Mal zehn Jahre" (2005) neu, ein paar Oktaven tiefer - und fraglos extrem spannend und mitreißend - ausgestaltet wurde. Der 2001er-Reggae "Aff un zo" wurde in der Live-Version um ein heißblütiges Percussion-/Schlagzeugsolo bereichert. Rifflastig, "Stones"-orientiert dringt daraufhin "Et ess, wie't ess" aus den Boxen, die urkölsche Ballade "Für ´ne Moment", welche lyrisch an die Anfänge von "BAP", Mitte der 70er Jahre, erinnert, dagegen sehr sanft, folkloristisch, Dylanesk.
Ein besonderes Anliegen des unverbesserlichen Weltverbesserers Wolfgang N. ist der Einsatz gegen von unmenschlichen, größenwahnsinnigen Diktatoren in Afrika als Kanonenfutter missbrauchte Kindersoldaten, mit deren Schicksal er sich seit einem Besuch im bürgerkriegsgeplagten Nord-Uganda intensiver beschäftigt. Er protegiert nicht nur das Projekt "Rebound" des humanitären Vereins "World Vision", das sich für die gesellschaftliche Reintegration als Kindersoldaten gequälter Kinder und Jugendlicher in Uganda einsetzt, sondern verfaßte er auch die düstere Rockballade "Noh Gulu", in der er eben geschilderte Problematik eindringlich, originär und engagiert thematisiert. Auch diese findet sich im Repertoire von "Live und in Farbe" wieder.
Das surreale, vertrackte Opus "Bahnhofskino" (1984) fand 2008/09 erstmals seit zig Jahren wiederum Eingang ins Liverepertoire von "BAP"; über sieben Minuten lang arbeiten sich Wolfgang und seine Mitstreiter durch dieses monströse Meisterwerk, ein prickelndes Klangdrama per Excellanze. Des Großmeisters Dylan "Forever Young" hat Wolfgang - Zitat: "Ein Lied, das ein Vater für seinen Sohn geschrieben hat" - auf wunderbare Weise zu "Für immer jung" ins Kölsche transferiert.
"Ne schöne Jrooß" - ein weiterer "Pflichttitel" von "BAP" - darf auf "Live und in Farbe" ebenso wenig fehlen, wie "Arsch huh - Zäng ussenander" - jenes Lied, welches Wolfgang 1992 aus aktuellem Anlaß konzipierte. Damals brannten in Rostock die Asylbewerberheime, Spießbürger jubelten, als kahl geschorenes Pack die Bewohner von Asylunterkünften durch die Straßen jagte - und die - von mir an sich hochgeschätzte - Regierung Kohl/Genscher nicht den After hoch und die Zähne auseinander bekam, gegen diese Exzesse entsprechend vorzugehen, sondern die Straße letzten Endes kampflos dem braunen Pöbel überließ: Ein sehr unschönes Kapitel Deutscher Nachkriegsgeschichte, dem "BAP" allerdings bereits 1982 mit "Kristallnaach" ein famoses Stück Musik gewidmet hatten, das 2009 (leider) noch genauso aktuell ist, wie zu seinem Entstehungsdatum.
Ich sage immer, et jitt driss Ausländer, et jitt ävver jenauso driss "Deutsche" - dat hätt nix mit der Herkunft zu tun, sondern einfach mit deren Erziehung, Charakter und Herzensbildung. Wer sich daneben benimmt, den mag ich nicht - egal, woher er letztlich stammt. Wer sich freundlich, freundschaftlich mir gegenüber zeigt, der ist mir jederzeit willkommen. "BAP" sei an dieser Stelle für den genialen Titel "Kristallnaach" nochmals in aller Form gedankt!
"Rääts un Links vum Bahndamm", ein realer Fan-Geheimtipp aus dem 1988er-Album "Da Capo", den Wolfgang dohmols för singe zweite Frau "quasi Undercover" (Zitat aus den "Line Notes") geschrieben hat, lässt CD-02 von "Live und in Farbe" so treibend-rockig, wie liebevoll und versöhnlich ausklingen.
Nun - auf CD-03 von "Live und in Farbe" - beginnt (überwiegend) der Abschnitt "Greatest Hits". "Helfe kann Dir keiner" (1980), "Nix wie bessher" (1996) - Wolfgangs liebenswerte Erinnerungen an seine Jugend in der Kölschen Südstadt, eine hymnische Huldigung singer äätzten Liebe "Maria Lopez", einer offenbar bildhübschen, 17jährigen Spanierin… Kaum ein deutscher Musiker vermag es, so echt, ehrlich und ungekünstelt, die Höhe- und Tiefpunkte seiner eigenen Jungend Jugend so perfekt klanglich Revue passieren zu lassen, wie Wolfgang Niedecken.
Die freche, aufreizende Ragtime-Nummer "Ens em Vertraue" (1981) leitet über zur hochemotionalen Liebelegie "Do kanns zaubere", die Wolfgang im selben Jahr für seine erste Frau Carmen geschrieben hatte und die ich an dieser Stelle - ganz subjektiv und persönlich - einer dauerhaft jungen Damen namens Editha widmen möchte!!! "Do kanns zaubre / wie Ding Mamm / die Kaate läät / Irjend sujet muß et sinn"...
Wir vernehmen nun den rockigen Titelsong von "Radio Pandora", "Hühr zo, Pandora" - ausgestattet mit hervorragenden, prägnanten Riffs, auf die selbst ein Keith Richards durchaus neidisch sein darf!
Nach der fast zehnminütigen Hommage an den viel zu früh verstorbenen, irischen Ausnahmegitarristen Rory Gallagher, "Millione Meile", findet sich derjenige Titel, der den Verfasser dieser Zeilen, gerade 2009, besonders berührt. Am 27. Dezember 1984 - also, genau vor 25 Jahren - verstarb ming "Bap". Ich hatte und habe ein ähnlich gespaltenes Verhältnis zu ihm, wie Wolfgang zu seinem Herrn Papa. Er schrieb ihm zu Ehren vor övver 25 Johren den Titel "Verdamp lang her", der seitdem bei jedem "BAP"-Konzert aufgeführt wird. "Et ess paar Johr her / Doh die Erinnrong fällt nit schwer / Hück kütt mer vöör / als wenn et jestern wöör"...
Auf "Live und in Farbe" ertönt ebenjenes Lied in äußerst eindringlicher, wie druckvoller Weise… Gerade 2007/08 hätte ich meinen Vater sehr, sehr gebraucht - Eingeweihte wissen bescheid - "Häss fess jegläuv / Dat wer em Himmel op Dich waat / "ich jönn et Dir" / hann ich jesaat"...
Koot vor Schluß vun "Live und in Farbe" präsentieren "BAP" einen ähnlich gefühlsaufwiegelnden Titel. Dieser nennt sich "Alexandra - Nit nur Do", entstammt dem 1984er-Meilenstein "Zwesche Salzjebäck un Bier" und wurde für vorliegende Live-CD ungeheuer energetisch, wild und fetzig arrangiert.
Im Februar 1984 saß Wolfgang im Kölner Südpark, fuhr seinen kleinen Sohn Severin im Kinderwagen durch die Gegend, und traf dort auf ein junges Mädel, das aufgeregt herum lief, ein Fahrrad vor sich her schob und nach ihrer Freundin Alexandra rief. Diese nicht alltägliche Situation inspirierte Wolfgang zu "Alexandra - Nit nur Do", einem der atmosphärischsten, dichtesten, gerne auch chaotischsten Liebeslieder der 80er Jahre, das mich seit 1984 durchwegs begleitet.
"Live und in Farbe" ist das insgesamt vierte Live-Album der Kölschrock-Heroen aus der Südstadt. Agierten "BAP" auf Livemitschnitt Numero Eins, "Bess demnäxh" (1983) noch wild und ungestüm, so war "Affrocke" (1991) beileibe nicht schlecht, manche Arrangements wirkten aber unnötig überfrachtet und ‚aufgebauscht", während "Övverall - Live 2001" die enorme ‚Befreiung" der Band dokumentierte, nachdem der bisherige ‚musikalische Leiter' "Major" Heuser "BAP" verlassen hatte.
Hier analysierte Drei-CD-Box beweist, daß "BAP" auch und gerade in aktueller Formation hervorragend miteinander kooperieren, instrumental miteinander kommunizieren. Die "alten Hasen" Jürgen und Werner verstehen sich prächtig mit den "Jungspunden" Helmut und Michael. "BAP" haben nicht nur Musikgeschichte geschrieben, sie sind im Grunde genommen ein wichtiger Teil der teutonischen Musikhistorie. Dafür legen die 39 Titel von "Live und in Farbe" knallhart und überzeugend Zeugnis ab!
Gesamtnote: Bestwertung!
(Holger Stürenburg)

 


   
   
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