Anna Loos: "Das Leben ist schön" (Album)

loos2023 20230531 1836412942VÖ: 02.06.2023; Label: BMG; Katalognummer: 4050538893168; Musiker: Anna Loos (Gesang), Jakob Nebel (Gitarren), Christian Adameit (Bass), Leo Eisenach (Bass), Conrad Oleak (Keyboard), Sönke Reich (Schlagzeug); Produzent: Mic Schroeder; Bemerkung: CD im aufklappbaren Pappcover, inkl. Booklet mit Abdruck aller Songtexte. Das Album ist außerdem als limitiertes Vinyl (Schallplatte) erschienen;

Titel:
" Das Leben ist schön", "Wenn es so nicht mehr weitergeht", "Für immer", "Schatten", "Steine auf meinem Glück", "Mauern", "Letzte Chance", "Sturmpiloten", "Regenwahrscheinlichkeit", "Hunderttausend Farben", "Felder", "Alles in uns brennt"


Rezension:


Im März 2019 veröffentlichte Anna Loos mit "Werkzeugkasten" ihr Debüt-Album als Sängerin. Als Solo-Sängerin wohlgemerkt, denn vorher hatte sie mit der Gruppe SILLY schon so manchen Erfolg feiern können. Dies war ihr mit besagtem Album nicht geglückt, kam es doch nur bis auf den 16. Platz der Album-Charts, verschwand nach drei Wochen wieder aus den Top 100 und blieb weitestgehend unbeachtet. Ich selbst hatte damals die Aufgabe, mir ihr Album anzuhören und es für dieses Portal zu rezensieren. Ich hatte es als zu leicht befunden, ihm anästhesistische Qualitäten bescheinigt und meinen Eindruck auch - so glaube ich - mit mehreren Punkten ausreichend begründet. Nun legt Anna Loos mit "Das Leben ist schön" nach und es liegt eine gewisse Spannung in der Luft, ob sich da musikalisch (und inhaltlich) was getan hat.

Ja, das hat es. Soviel sei hier schon verraten. Das neue Album macht einen deutlichen Schritt nach vorn, denn was auf "Werkzeugkasten" inhaltlich noch so ungelenk wirkte, kommt auf "Das Leben ist schön" wesentlich ausgereifter und inhaltlich glaubhafter rüber. Der Pressetext verrät dann auch, dass es sich bei den Songs ihres neuen Albums um "eine geradezu abenteuerliche Reise in ihr Innerstes" handelt, und wer sich die Lieder anhört, glaubt ihr das auch. Von Ängsten, erfahrenen Schmerzen und gemachten Enttäuschungen ist hier ebenso zu hören, wie von Zuversicht, Vertrauen und Entschlossenheit. Und natürlich darf auch hier die Liebe wieder nicht fehlen, steht aber nicht mehr so allgegenwärtig im Raum wie noch vor vier Jahren beim "Werkzeugkasten", und hier bringen die Texte insgesamt auch deutlich mehr Tiefe mit.

Sehr beeindruckend ist das Lied "Schatten" mit seinen schweren Klaviertönen und der finsteren Atmosphäre, die die Künstlerin mit ihrer Stimme und dem die Situation sehr bildlich darstellenden Text gut nachempfindbar einfängt. Es geht um Tage, an denen die Stimmung schon morgens auf einem Tiefpunkt ist und die in tiefen Grautönen liegen. "Ich weiß die Schatten gibt's nicht ohne Licht", ist die gesungene Erkenntnis, die mit dem Nachsatz, "… aber ich seh das gerade einfach nicht", umgehend wieder einkassiert wird und darum auch nur wenig tröstet. Vielmehr wird darum gebeten, allein und in Ruhe traurig sein zu dürfen. Man will den Schmerz heraus schreien, und dies tut die Sängerin dann auch am Ende ihres Liedes. Es türmt sich eine Wand von Tönen aus Synthie-, Klavier- und Schlagzeug-Klängen auf, gegen die die Sängerin wie gegen einem Sturm immer wieder mit den Worten, "… aber ich seh das einfach gerade nicht", ankämpft, sie heraus schreit. Obwohl diese Nummer einem äußerst trüben Gedanken freien Lauf lässt, so hat es auch ein Stück weit was von Befreiung in sich und liefert einem die Erlaubnis, auch mal trauern, schlecht drauf sein oder in grenzenlose Melancholie verfallen zu dürfen, denn im Song selbst steckt auch die positive Botschaft, die gefunden werden will: "Das geht schon wieder vorbei, es muss ja nicht für immer sein". Das ist ganz großes Kino, ein Hammersong!
Das komplette Kontrastprogramm ist der Album-Opener, der der CD auch seinen Namen gibt: "Das Leben ist schön". Gewidmet ihrem Mann Jan-Josef handelt es davon, dass Probleme am besten gemeinsam gelöst werden können, und sich manch "Gordischer Knoten" so viel besser lösen lässt. Am Ende ist das Leben dann eben wieder schön und zusammen lebt es sich eben auch viel angenehmer, als alleine. Eingepackt ist diese frohe Botschaft in eine optimistisch klingende Pop-Ballade mit druckvollem Schlagzeug und einem munteren Gitarren-Klavier-Gemisch. Der Song hat Ohrwurm-Charakter und gute Chancen, für längere Zeit im Gedächtnis zu bleiben.
Ein weiterer gelungener Titel ist "Mauern", der im Februar bereits als Single veröffentlicht wurde. Ein treibender Pop-Song mit der klaren Aufforderung, das Visier zu öffnen, Vertrauen zu haben und Nähe zuzulassen. Oder, wie hier gesungen wird, "Mauern einzureißen". Dabei dann auch die Erfahrung machen zu können, nicht gleich verletzt zu werden, wenn die Rüstung abgelegt und man deshalb verwundbar ist. Einmal mehr mit einem guten Text und einer sofort ins Ohr gehenden Hookline ist "Mauern" völlig zurecht als Single ausgewählt worden. Er birgt Hit-Charakter und könnte auch einer werden, wenn er denn zur richtigen Zeit am richtigen Ort von den Massen entdeckt wird.
Wenn der Himmel mal grau ist, ist die "Regenwahrscheinlichkeit" oft ziemlich groß. Auch im übertragenen Sinne, denn wir alle werden im Leben irgendwann mal bis auf die Knochen nass. Manchmal läuft es eben nicht rund, manches geht schief oder das Glück macht um uns für längere Zeit einen großen Bogen. Aber man kann das nicht ändern, das soll dann so sein und es geht eben auch wieder vorbei. Das ist die Botschaft in "Regenwahrscheinlichkeit", verbunden mit dem Hinweis, sein Hauptaugenmerk auf die positiven Dinge im Leben zu legen.
Laute Gitarren, ein straffer Beat und eine stimmlich recht aufgewühlte Anna Loos entlassen uns dann mit "Alles in uns brennt" aus ihrem zweiten Album. TON STEINE SCHERBEN lassen nicht nur in der Textzeile "Macht kaputt was Euch kaputt macht" grüßen, sondern auch musikalisch hat das Ganze hier einen gehörigen Punk-Einschlag abbekommen. Es passt zum Thema, denn hier ist man gerade wach geworden und hat bemerkt, dass das stetige Streben nach immer höher, schneller und weiter einen nicht wirklich nach vorn bringt. Darum werden wir mit den Worten, "Komm, wir verschwenden unsere Zeit", dann auch aufgefordert, den Weg nicht weiter zu verfolgen, sondern das Leben zu genießen. "Wir gehen raus auf die Straße, tanzen | Hören nur noch unseren Herzschlag", heißt es da weiter. Ja, das kann passieren, wenn alles in einem brennt … vor allem die Freude am Leben. Und mit diesem guten Gefühl wird man dann nach 12 Songs auch aus dem Programm in den Tag entlassen und der Wunsch, diese "abenteuerliche Reise in ihr Innerstes" noch ein weiteres Mal unternehmen zu dürfen, ist sofort wieder da.

Ich habe keine Ahnung, was zwischen dem "Werkzeugkasten" und dem aktuellen Album passiert ist, dass es qualitativ so unterschiedlich ausgefallen ist. Das ausführende Personal ist doch das Gleiche geblieben. Neben Anna selbst ist auch ihr Produzent und kreativer Partner Mic Schroeder wieder mit an Bord. Trotzdem ist dieses Album im Vergleich zum Vorgänger eine ganz andere Baustelle. Musikalisch, inhaltlich und auch von der stimmlichen Leistung der Hauptdarstellerin unterscheidet sich "Das Leben ist schön" deutlich vom Debüt. Es macht dieses Mal richtig Spaß, ihr zuzuhören, auch in tief-finstere Gefilde ("Schatten") mit ihr einzutauchen oder laut abzufeiern ("Alles in uns brennt"). Hat man sich vor vier Jahren schnell gelangweilt, überrascht uns Frau Loos hier mit tollen Texten, die einfach aber gut erzählt sind, und die sie einem auf eine angenehme Art und Weise so verkauft, dass man sich in ihnen wiederfinden kann. Vielleicht war das Debüt-Album ein Schnellschuss, weil man sich ruck zuck von SILLY abnabeln und dies auch unbedingt zeitnah zeigen musste. Schnellschüsse sind ja selten gut. Aber dieses Album hier ist ein gutes Beispiel dafür, dass man einem Künstler nur ausreichend Zeit geben muss, um seinen eigenen Weg zu finden. Wenn der erste Versuch in die Hose geht, kann der zweite schon voll auf den Punkt treffen. Glückwunsch, Anna Loos!
(Christian Reder)





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