Simone Kotowski: "Sister" (Album)

kotowski2022 20221201 1928574241VÖ: 21.10.2022; Label: Simone Kotowski Eigenvertrieb; Katalognummer: ohne; Musiker: Simone Kotowski (Gesang, Piano, Keyboard, Arrangements), Bernd Bangel (Gesang, Akustik-Gitarre), Eberhard Klunker (Akustik-Gitarre), Michael Bohlk (Bass), Tina Powileit (Percussion), Ferry Grott (Trompete), Nick Nicklisch (Gitarre), Axel Stammberger (Akustik-Gitarre), Michael Lehrmann (Gitarre), Andy Wieczorek (Saxophon), Waldi Weiz (Gitarre), Thomas Braun (Violine), Tobias "b-deutung" Unterberg (Cello), Melanie Schley, Chimona, Frank Ventura (alle Chor-Gesang); Produzent: Ferry Grott; Bemerkung: CD im aufklappbaren Digipak ohne Booklet und entsprechend auch ohne Abdruck der Song-Texte;

Titel:
"Sister", "Get Out Of Here", "Schau in den Fluss (Groovebusters Mix)", "Es gibt Momente", "Sag mir, wo DU stehst", "Ich und Du", "Sambamedley", "Boy von Ipanema", "Imagine", "Smoke On The Water", "Jeder Tag mit Dir", "Sail Away", "Schau in den Fluss (Unplugged)", "Trag meinen Ring"


Rezension:


Schuld war nicht nur der Bossa Nova
Manchmal dauert es eben etwas länger, bis man sein erstes Album aufnehmen und veröffentlichen kann. Im Fall von Simone Kotowski eben bis zum 59. Lebensjahr. Mit "Sister" hat sie nämlich gerade ihre erste Langrille an den Start gebracht, und sich dabei von zahlreichen namhaften Kollegen helfen lassen. Knapp ein Jahr vor ihrem runden Geburtstag beschenkt sie damit nicht nur sich selbst, sondern auch die Menschen, die Spaß an handgemachter, abwechslungsreicher und gut produzierter Musik haben.

Die eigene Schwester ist im Song "Sister", der dem Album auch seinen Namen gibt, gemeint. Doch ihre Schwester kennt Simone gar nicht. Vielmehr sucht sie diese und hat mit dem Lied quasi einen Aufruf gestartet. Dem Text des Liedes liegt nämlich das Thema Zwangsadoption zu Grunde. Etwas, das es in der DDR, in der Simone geboren wurde, gegeben hat, und von der ihre Mutter direkt betroffen war. "Wo bist Du?" und "Fühlst Du, dass da jemand auf Dich wartet?", fragt sie die verschollene Schwester in dem Lied, allerdings auf Englisch, und begleitet sich dabei selbst auf dem Klavier. Man bekommt hier allein von der filigranen Musik und der zerbrechlich wirkenden Stimme eine Gänsehaut verpasst, diese wächst aber noch um ein Vielfaches an, kennt man dann auch den eben erwähnten Hintergrund.
"Sister" ist eins von vier eigenen Kompositionen, die Simone Kotowski neben acht Interpretationen von bereits bestehenden Titeln anderer Künstler, einem Medley und einer zusätzlichen Unplugged-Version eines ihrer Lieder gestellt hat. Das an zweiter Stelle platzierte "Get Out Of Here" ist ein weiteres eigenes Stück, und es handelt sich dabei um eine tanzbare und angejazzte Nummer, bei der ebenfalls das Klavier im Vordergrund steht. Ein wenig erinnert einen das Lied an die Musik von Lisa Stansfield und es ist im House-Bereich einzuordnen. Allerdings klingt es nur auf den ersten Blick nach Musik der britischen Kollegin, denn schon beim zweiten Hinhören stellt man schnell die eigene Handschrift von Henry Kotowskis Tochter fest.
Der erste deutschsprachige Titel kommt an Position drei und heißt "Schau in den Fluss". Der lyrische Text stammt aus der Feder unseres leider schon verstorbenen Freundes Andreas Hähle und die Musik von Simone ist unüberhörbar von Ferry Grott soundtechnisch in den Club- und Ambiente-Bereich transportiert worden. Anfangs klingt das Stück noch recht chillig, wird im Verlauf dann aber treibender. Am Ende der CD befindet sich alternativ zu dieser Version noch eine weitere, diese ist allerdings in akustischer Form gefertigt.
"Ich und Du" mit einem Text von Syliva Kling gleitet ganz charmant dahin und steht nicht nur wegen des eingesetzten und von Andy Wieczorek gespielten Saxophons ein Stück in der funkig-souligen Tradition der Lieder von Sade Adu. Dabei setzt Simone Kotowski eine Menge eigene Akzente und schaut nicht etwa ab. Der schöne Klang des Stage-Pianos und das rasselnde Klopfen des von Tina Powileit geschlagenen Cajons machen das Stück insgesamt sehr smoothig.
Als Komponistin steht Simone auch beim "Sambamedley" mit in den Credits, reiht sich dabei aber in eine illustre Runde mit anderen Komponisten wie etwa Stevie Wonder und Bill Withers ein, deren Lieder sie ebenfalls für ihr Potpourri verwendet hat. Mit diesem Medley unternimmt sie - wie der Name ja schon sagt - einen Ausflug in den Latino-Bereich, versprüht damit Lebensfreude pur und liefert eine Garantie für gute Laune dazu.

Unter den weiteren Stücken befindet sich dann auch eine Bearbeitung des von Hansi Biebl komponierten Liedes "Es gibt Momente", das von ihr auf dem Klavier gespielt und mit den Klängen von Ferry Grotts Trompete sowie gut platzierten Streichern aufgewertet wird. Darüber schwebt ihre wunderbare Stimme. Das alles verleiht dem 1979 auf Biebls Blues-LP "Hansi Biebl Band" erschienen Stück eine völlig neue Farbe.
Gleiches gilt für Simones Neuinterpretation von "Sag mir wo Du stehst", aus der Feder von Hartmut König und damals vom OKTOBERKLUB gesungen, das hier im Bossa-Nova-Sound neu erstrahlt. Dazu passt dann auch das Stück "Boy von Ipanema", für das Simone Kotowski das Original "Girl von Ipanema" von Antonio Carlos Jobim hergenommen, umgetextet und eingedeutscht hat. Dieses in Brasilien "beheimatete" Lied erklingt ja schon von Natur aus im Latino-Sound, und findet sich hier in solchem auch wieder.
Erwähnen möchte ich zum Einen noch "Imagine" von John Lennon, hier von Simone im Duett mit Bernd Bangel gesungen und nur mit Akustik-Gitarre und Fingersnipping arrangiert, und zum Anderen "Smoke On The Water", im Original von DEEP PURPLE, und auf "Sister" in einer jazzigen Version von einer Frauenstimme vorgetragen und mit Stage-Piano-Klängen und akustisch arrangiert gereicht. Nach Pascal von Wroblewskys Version eine weitere starke Fassung eines Klassikers der Rockgeschichte, an die man sehr schnell sein Herz verlieren kann. Warum? Das muss man einfach selbst gehört und gefühlt haben. Ich glaube, Jon Lord hätte seine helle Freude daran.
Weitere überraschende und gut gemachte Stücke warten auf den nun hoffentlich neugierig gemachten Leser, der sie zusammen mit den eben schon kurz beschriebenen Nummern aber bitte selbst entdecken möge.

Während die Lieder in Sachen Klang, Umsetzung und Abwechslung für Glücksmomente beim Hörer sorgen, hinterlässt die spartanisch ausgefallene Verpackung des Albums dagegen leider den Wunsch nach etwas Höherwertigerem. Die CD steckt in einem einfachen Digipak, das sich insgesamt nicht gut anfasst. Haben wir ein Booklet? Nein! Und darum sucht man die Texte zu den Songs dann auch vergeblich. Der Rest der Informationen wird dann auf dem kleinen Pappdeckel untergebracht, auf dem die im Innenteil abgedruckten Fotos noch nicht einmal Briefmarkengröße erreichen. Zum Ablesen der darüber gesetzten Angaben zur Studiobesetzung muss man dann schon gute Augen oder eine gute Lupe haben. Da wäre sicher mehr möglich gewesen. Aber in Hinblick auf den Inhalt, um den es hier ja hauptsächlich geht, ist das hier nur Jammern auf hohem Niveau. Das Album lässt da nämlich keine Wünsch offen, die kleine Silberscheibe macht vom ersten bis zum letzten Ton Spaß und wird dies auch nach mehrmaligem Hören tun. Da kann man über das 08/15-Cover doch gut hinweg sehen.

Simone Kotowski scheint nur auf den richtigen Moment gewartet zu haben, bis sie ihr erstes Album auf den Markt bringen konnte. Sie ist ja schon ein paar Jahre in der Szene aktiv und bei uns in Konzertberichten auch schon oft in Erscheinung getreten. Es sind aber eben nicht nur gute Kompositionen und Texte nötig, die man für das Gelingen einer guten Albumproduktion braucht, sondern auch gute Rahmenbedingungen. Die Begleitmusiker müssen z.B. ebenso passen, und wenn man beispielsweise einen Eberhard Klunker und einen Waldi Weiz an der Gitarre, einen b-deutung am Cello und einen Ferry Grott an der Trompete und auf dem Produzentensessel haben kann, dann hat man quasi schon die halbe Miete im Sack. Der Rest der Belegschaft liest sich dann wie das Who is Who der Berliner Szene und manch ein Kollege würde sich die Finger danach lecken, hätte er nur zwei oder drei der hier beteiligten Musikanten im Studio. Simone hatte sie alle! Dann muss man selbst nur noch stimmlich gut aufgelegt sein und vorher halt die eine oder andere gelungene Komposition aufs Notenblatt transportiert haben, und schon ist alles für ein gutes Gelingen vorbereitet. Tja, was soll ich noch groß sagen, was ich nicht hier schon ausführlich gesagt habe? Außer vielleicht, dass es nicht nur der Bossa Nova war, der beim Hören der CD für Frohsinn gesorgt hat. Glückwunsch, Simone. Gut gemacht!
(Christian Reder)





Seh- und Hör-Bar:












   
   
© Deutsche Mugge (2007 - 2023)

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.