Paso Doble & DJKC: "Urknall" (Album)

pasodoble2021 20210204 2000451647VÖ: 05.02.2021; Label: Telamo; Katalognummer: 4053804315326; Musiker: Rale Oberpichler (Gesang), Frank Oberpichler (Gesang, Keyboard, Piano, Programming), Kai Soffel aka DJKC (Programming); Bemerkung: CD im Jewel-Case inkl. Booklet mit Abdruck aller Texte. Das Album ist auf CD und Schallplatte erhältlich;

Titel:
Computerliebe Prelude • Computerliebe (DJKC Remake) • Über's Ziel • Es ist (wie Du mich liebst) • Schicksalsgöttin • Lover • Ich hoffe Dich (DJKC Remake) • Du weinst • Gebet • Schwarzer Engel Eifersucht • Smalltalk • Solange noch • Virtuelle Zeit • Kleine Killer 2020 • Herz an Herz (Funky Version) • Fantasie (DJKC Remake) • Tanz auf dem Seil • Herz an Herz (Future Orchestra)


Rezension:
Es ist 36 Jahre her, da gab es da dieses Duo aus Hamburg, das sich PASO DOBLE nannte, und plötzlich wie aus heiterem Himmel mit ihrem Song "Computerliebe" wie kurze Zeit später ein gewisser Alf mit seinem Raumschiff ins Tanner'sche Garagendach in unsere Musiklandschaft krachte. Das Musikprojekt bestand damals aus Rale Oberpichler, die bereits Erfahrungen als Background-Sängerin bei Udo Lindenberg und Marius Müller-Westernhagen sammeln konnte, und ihrem Lebensgefährten und späteren Mann Frank Hieber (später auch Oberpichler), der zusammen mit Peter Schilling zwei Jahre zuvor als Produzent einen Mega-Erfolg feiern konnte, als sie mit "Major Tom" die Charts stürmten. Und im März 1985 standen sie dann bei Dieter-Thomas Heck gemeinsam auf der Bühne und wurden vom Publikum mit ihrem Song "Computerliebe" auf den ersten Platz gewählt. Ich saß vor der Flimmerkiste und war begeistert vom Sound, der offenbar ein wenig von Harold Faltermeyer inspiriert war, und von dem genialen Ohrwurm-Refrain, gesungen von dieser glockenhellen Stimme Rale Oberpichlers. Das hatte was, und inhaltlich bediente man dann auch noch ein Thema, das zu dieser Zeit ganz hoch im Kurs stand, nämlich "Computer". Die Mädels und vor allem die Jungs hatten damals fast alle einen Commodore 64, und hielten sich damit für die Future-Kids. Da rannten die beiden Musiker mit ihrer Nummer natürlich offene Türen ein. Diesem Hit folgten - von mir wahrgenommen - mit "Fantasie" und "Herz an Herz" noch zwei weitere, die von der Machart her ähnlich waren, und deren besonderer Klang bis heute im Ohr geblieben ist. Sowas hatte es in Deutschland bis dahin noch nicht gegeben und das machte das ganze Unternehmen auch so spannend. Warum PASO DOBLE dann aus meinem Sichtfeld verschwand und offenbar auch nichts "Zählbares" mehr veröffentlichte, kann ich gar nicht sagen, aber schon kurze Zeit später waren sie weg von meinem Radar. Umso überraschter war ich, als ich nach mehr als drei Jahrzehnten von einem neuen Album hörte. "Urknall" heißt es, und wird am 5. Februar 2021 das Licht der Welt erblicken. Ich war neugierig, was das Duo knapp 36 Jahre nach dem Erstkontakt in mir noch wachrütteln kann.

Wobei gleich vorab zu sagen wäre, dass PASO DOBLE kein Duo mehr ist, denn zusammen mit einen DJ als "Begleitband" präsentieren sie sich im Jahre 2021 als Trio. Zum neuen Werk: Ich bin hin- und hergerissen, was dieses Album betrifft. Die Momente, in denen man begeistert ist von dem, was man da hört, wechseln sich mit solchen ab, in denen einem der Schreck in die Glieder fährt. Es gibt auf der 18 Lieder umfassenden CD wirklich interessante und sehr gut gelungenen Songs, die an den Spaßfaktor der Stücke aus den 80ern heran reichen. So z.B. das Lied "Über's Ziel". Eine feine Klaviermelodie, ein tanzbarer Beat und der bis in schwindelerregende Höhen vorstoßende Gesang von Frank stehen bei dieser positiv klingenden Popnummer im Vordergrund. Nicht nur der Refrain sondern auch das "Dazwischen" gräbt sich gleich tief ins Gedächtnis und will da auch nicht wieder raus. Einziger Makel sind die künstlich erzeugten Bläser, die auch genauso klingen. Da hat man kein geschicktes Händchen bewiesen. Gut, wer ein Ohr hat, das sowas ausblenden kann, denn dann funktioniert die Nummer bestens!
Ebenso stark ist der Song "Gebet", der für diese Band ziemlich ungewöhnlich aber wunderbar warm klingt. Auf einem dezenten Synthie-Teppich macht es sich eine ruhige Klaviermelodie bequem, zu der Rale in ein Zwiegespräch mit Gott tritt. Mit Franks vokalem Einsatz kommen noch Streicher- und Oboen-Klänge dazu und runden das Stück ab. Musikalisch und inhaltlich verursacht das Lied Gänsehaut.
Als weiterer gelungener Song soll hier noch "Smalltalk" erwähnt werden. Das Spiel mit den orientalischen Klängen in Verbindung mit elektronischen Sounds und den beiden Stimmen der Protagonisten zuppelt einem sofort beim ersten Hören schon heftig am Ohrläppchen und verlangt danach definitiv nach Wiederholungen. Wieder ein Ohrwurm und wieder eine ideenreiche Umsetzung einer feinen Komposition. Davon gibt es auch noch ein paar mehr ...

Auf der anderen Seite begegnet man auf der neuen CD aber auch Stücken wie z.B. "Es ist (wie Du mich liebst)", mit dem PASO DOBLE wohl einen Song mit der Absicht produziert hat, ohne großartig aufzufallen in einer der zahlreichen kuscheligen Schlager-Shows am Samstagabend (oder Sonntagvormittag) unterzukommen. Schon nach wenigen Takten wird einem dann auch gleich die Frage beantwortet, warum da ein drittes Gesicht auf dem Cover des Albums zu sehen ist, das uns im Zusatz zu PASO DOBLE mit den Worten "& DJKC" vorgestellt wird. Der sorgt nämlich dafür, dass das mit dem Einstieg in die TV-Schlagerwelt klappen könnte. Man nehme eine schlichte Melodie, lasse den Knöpfchendreher (DJ) munteren Party-Schlager-Discofox-Bumms unter schlichte Computer-Klänge mischen, und schon kann man sich sicher sein, dass Flori Silbereisen bei der Anmoderation in seiner Schunkelparade feuchte Augen bekommen wird. Das passt prima neben die Geräusche von Kerstin Ott und Andrea Berg, erzeugt bei manch einem Alt-Fan, dem die eben beschriebene Welt völlig fremd ist, aber dann doch eher Irritationen. Dabei haben PASO DOBLE diesen Happy-Clappy-Sound bei all den von ihnen schon nachgewiesenen Qualitäten im Bereich des Songschreibens und Arrangierens gar nicht nötig.
Und trotzdem begegnet er einem dann in Stücken wie "Lover" auch wieder. Hierbei kommt dann erschwerend hinzu, dass es auch Inhaltlich in einen Bereich abrutscht, wo man sich vor Scham die Hände vor das Gesicht hält. Es geht im Text um ein Pärchen, das räumlich voneinander getrennt ist, und seine Sehnsucht mit einem "Online-Rendezvous" stillen will. Zu Bubblegum-Dancefloor-Mucke werden wir Ohrenzeuge, wie die Dame ihren "Computerlover" dann zum heißen Online-Treffen "per Joystick zuschaltet" um dann von seiner "Software" zu träumen. Lustige Wortspielereien mit Computer-Fachbegriffen, die als Metaphern für interaktive Fummeleien und Anschmachtereien stehen. Schließlich wird der "Computerlover" noch dazu aufgefordert, ihr seine "Daten" zu zeigen, die (Achtung) in ihr "System passen". Noch Fragen? Ich auch nicht. Oder doch: Warum macht man sowas?

Schließlich gibt es noch ein paar Beiträge zum Thema "Recycling", denn wahrscheinlich um den Kaufanreiz für die Unentschlossenen zu erhöhen, finden sich in der Titelliste namentlich bekannte Songs aus den guten alten 80ern wieder. Enthalten sind sie aber nicht in ihren ursprünglichen Fassungen sondern auf unterschiedlichste Weise neu produziert. Das geht gleich am Anfang mit dem Song "Computerliebe" los, der für das neue Album mit reichlich programmiertem (!) E-Gitarren-Einsatz aufgepimpt wurde. Diese E-Gitarre schreit einen an und wird zum Hauptbestandteil der Neufassung. Was 1985 so leger und cool daher kam, klingt nun rau und laut. Dadurch wir der Charakter des Songs komplett verändert. Es möge jeder selbst für sich entscheiden, ob er es mag oder nicht. Ebenso wie die am Ende des Albums platzierten neuen Versionen von "Kleine Killer 2020" (The Weeknd und "Blinding Lights" lässt grüßen), "Herz an Herz" (funky mit slappend programmiertem E-Bass und Kunstbläsern arrangiert), "Fantasie" (ein neuer futuristischer Sound trifft auf eine bekannte Melodie), "Tanz auf dem Seil" (war Vangelis im Studio zu Besuch?) und nochmals "Herz an Herz", dieses Mal im "Future Orchester Sound". Ich persönlich bin kein Freund solcher Remakes, denn nur ganz ganz selten gelingt es, ein Original besser zu machen. Hier passiert das für meinen Geschmack nicht.

Inhaltlich bedient man sich auf dem neuen Album eher der leichten Muse. Das ist erstmal nichts Schlimmes, denn man kann auch über das Thema "Liebe" ganz tolle Texte schreiben, was hier stellenweise auch gelungen ist. Etwas mehr Abwechslung würde der ganzen Sache zwar ein wenig mehr Breite geben, aber PASO DOBLE war schließlich nie für Protest- und Arbeiterlieder, dafür aber für gelungene Popsongs über zwischenmenschliche Beziehungen bekannt. Über den Sound und die Arrangements habe ich ja schon ausführlich geschrieben. Durch die Hinzunahme des "DJs" bekommt der Klang einiger Lieder eine komplett andere Farbe und - so leid es mir tut - driftet dadurch auch immer wieder in den aktuellen 08/15-Popschlager-Bereich ab, wo alles irgendwie gleichförmig und glatt klingt. Trotzdem schimmern in jedem Lied - egal, ob es mir nun gefallen hat oder nicht - der Spirit und die Handschrift von PASO DOBLE durch. Anders als bei anderen Kollegen, die sich von ihrem Sound aus früheren Tagen gänzlich entfernt haben, besitzt das Hamburger Duo eine unüberhörbare Wiedererkennbarkeit, auch wenn das Wasser unterm Kiel mal weniger als eine Hand breit Tiefe hat. Trotz Schwächen ist "Urknall" ein empfehlenswertes Album, das für eine kurzweilige Stunde sorgt. Kein "Urknall", aber ein munterer Chinaböller.
(Christian Reder)





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