Friedel Geratsch: "Mit dem
Abstand der Jahre" (Album)


geratsch2021 20210429 1401557260VÖ: 23. April 2021; Label: TIMEZONE Distribution / Yellow Snake Records; Katalognummer: 4260673691318; Musiker: Friedel Geratsch (Gesang, Koffer-Drum, Cigar-Box-Gitarre, Mundharmonika), Stephan Schott (Schlagzeug), Thomas Passmann-Engel, Pascal Cherouny (beide Bass); Bemerkung: CD im Jewel-Case, leider ohne Abdruck der Songtexte im Booklet;

Titel:
So Vergeht Die Zeit • Die Wüste In Mir • Mit Dem Abstand Der Jahre • Aus Dem Ruhrpott • Es Ist Heiss • Kein Blues • Tausend Frauen • Danke Danke Danke • Nie Ihre Grosse Liebe • Wirf'n Blick Auf Mich • Es Hält Noch An • Hör Auf Zu Weinen • Ich Fang Immer Wieder Neu An • Böser Blues • Ich Sag Nicht Gern Auf Wiedersehen • Der Letzte Ton


Rezension:
"Ja, ja, ja … jetzt wird wieder in die Hände gespuckt" … Diese Zeile dürfte vielen von Euch bekannt vorkommen. Damals, vor fast 40 Jahren, konnte jedes Kind den Text des Songs "Bruttosozialprodukt" mitsingen. GEIER STURZFLUG hieß die Kapelle, die den Song zum Hit machte, und Friedel Geratsch war ihr Frontmann. Bis 1986 war die Band damals aktiv und hinterließ mit "Besuchen Sie Europa" und "Pure Lust am Leben" Titel, die heute Volkslied-Charakter haben. Dann löste sich die Formation auf und jeder ging seinen eigenen Weg. Später - knapp 10 Jahre nach dem Aus - trat Friedel Geratsch zusammen mit einem gewissen Carlo von Steinfurt unter dem Namen GEIER STURZFLUG wieder auf, erreichte damit für meinen Geschmack aber den Charme und das in den 80ern ausgelöste Gute-Laune-Gefühl nicht mehr. Im kommenden September wird Friedel Geratsch 70 Jahre alt. Damit kann man in der Popmusik-Welt zwar kein ertragreiches Feld mehr bestellen, egal wie bunt und schrill das Sakko auch sein mag, aber in anderen Abteilungen des "Musikgroßmarktes" kann man durchaus noch eine Weile für Aufsehen sorgen. Darum wird auch 40 Jahre nach dem Nummer-1-Hit wieder einmal in die Hände gespuckt, und statt mit Band und Popmusik alterativ solo und im Blues-Bereich das Bruttosozialprodukt gesteigert. "Mit dem Abstand der Jahre" hat Geratsch sein Debüt-Album als Solist getauft, und das kommt dann doch überraschend.

Mit diesem Album ist der Musikant allerdings nicht angetreten, um den Blues neu zu erfinden. An dieser Musikrichtung dürften nur noch sehr schwer Innovationen eingeschraubt werden können. Und trotzdem schafft er es mit den 16 darauf befindlichen Liedern, dass man hängen bleibt und interessiert zuhört. In vielen Stücken geht es um "blues-typische" Themen. Gescheiterte Beziehungen, gebrochene Herzen und auch die in einen Blues gegossene Liebeserklärung an die eigene Heimat. "Ich komm' aus dem Ruhrpott - da bin ich gebor'n | Und alles was ich bin - bin ich da gewor'n", heißt es in eben dieser Heimat-Hymne mit dem Titel "Aus dem Ruhrpott". Während hier ganz im Stile großer Vorlagen aus den USA zu schweren Blues-Klängen über die eigene Herkunft und schöne Kinder- und Jugendtage Auskunft gegeben wird, sagt man nur wenige Tracks weiter musikalisch in der Tradition der Rolling Stones der Ex-Partnerin mit sarkastischem Unterton für das von ihr verschuldete Scheitern einer Beziehung artig "Danke" ("Danke Danke Danke"). Zwei Lieder eines Genres, und doch so unterschiedlich.
Bereits in dem davor zu hörenden Song "Tausend Frauen" beklagt sich das Lied-Ich zu einem schwer schnaufenden Blues darüber, dass er täglich an Tausend Frauen vorbei rennt, sich aus ihnen aber prompt die Falsche für eine Beziehung auswählt. Auch das ist so typisch für den Blues, das sowas zum Thema wird.
Eine Bewerbung als idealer Partner für eine Beziehung liefert Geratsch mit "Wirf ´n Blick auf mich". Verpackt in einem Blues im Fox Trott-Rhythmus wird hier eine Dame auf die tollen Extras hingewiesen, die man als potentieller neuer Partner mit in eine Beziehung bringen wird.
Musikalisch ist "Ich fang immer wieder neu an" ein klassischer Blues. Darin beschreibt der Musiker, dass er nicht aufgibt, egal wie bescheiden die Situation auch sein mag, und dass er immer wieder weitermachen wird. Gerade in der aktuellen Situation dürfte dieses Stück für viele Menschen im Lande ein Mutmacher sein.
Für meinen Geschmack der stärkste Titel auf dem Album ist "Böser Blues", bei dem es musikalisch ordentlich zur Sache geht. Die Nummer geht richtig steil, die Taktzahl ist im Vergleich zu den anderen Songs auf der Platte hochgeschraubt worden und die Musik gräbt sich nachhaltig ins Ohr. Inhaltlich geht es einmal mehr um eine komplizierte Beziehung mit einer ebenso komplizierten Frau, die beim Partner für einen richtig "bösen Blues" sorgt. Wo der eine leidet, hat der andere mächtig Spaß, nämlich der Hörer bei diesem verschärften Stück Musik.

Friedel Geratsch braucht nicht viel, um seine Art des Blues entstehen zu lassen. Er selbst steuert zum Gesang noch den Mundharmonika-Sound bei, spielt das Koffer-Drum und dazu eine Cigar-Box-Gitarre. Mit diesem aus einer Zigarrenkiste selbstgebauten Instrument trat er 2016 erstmals auf dem Deutschen Cigar Box Guitar Festival in Pleutersbach auf und spielt seitdem mit ihr die heißesten Klänge, die man nun auch auf dieser CD hören kann. Wenn man die CD durchgehört hat kann man kaum glauben, dass alle Gitarren-Sounds nur mit diesem Instrument erzeugt worden sind. Mit Geratsch zusammen werkeln Stephan Schott am Schlagzeug, sowie Thomas Passmann-Engel im Wechsel mit Pascal Cherouny am Bass. Das war's auch schon. Und in dieser Besetzung wurde die hier anzutreffende erfrischende Mischung aus Ruhrpott-Rock und klassischem Blues eingespielt. Pur, echt und ohne Tricks. Auf andere Instrumente und den Klang verfälschende Fisimatenten wurden hier gänzlich verzichtet. Kompositionen, Texte und Mix stammen allesamt vom Meister selbst, den man auch heute noch mit verbundenen Augen an seiner Stimme als den Sänger eingangs erwähnter Hits festmachen kann. Diese hat über all die Jahre nichts an ihrer Frische und Jugendlichkeit verloren, und macht auch im Bereich des Blues eine ausgezeichnete Figur. Das Album ist - wie schon erwähnt - eine positive Überraschung. Die Musik und die Inhalt sind auf den Punkt. Auch wenn es instrumentale Verspieltheiten zu entdecken gibt, wurde bei den Inhalten auf versteckte Botschaften verzichtet. Es ist Musik mit klaren Worten, Musik für jede Tages- und Nachtzeit, die einfach nur Spaß macht und von der jeweiligen Laune unabhängig gehört werden kann.
(Christian Reder)





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