Stern-Combo Meißen: "55 Jahre -
Das Jubiläumskonzert" (2 DVDs)


dvd03 20220331 1717553598VÖ: 08.04.2022; Label: POOL; EAN-Code: 4260031189242; Musiker: Manuel Schmid (Gesang, Tasteninstrumente), Martin Schreier (Gesang, Schlagzeug, Percussion), Axel Schäfer (Bassgitarre, Gesang), Sebastian Düwelt (Tasteninstrumente), Frank Schirmer (Schlagzeug); Gäste Werther Lohse, Veronika Fischer (beide Gesang), Bernd Fiedler (Bassgitarre), Lothar Kramer (Orgel), Andreas Bicking (Keyboards, Saxophon), Michael Lehrmann (Gitarre), André Jolig (Keyboards), Michael Behm (Gesang, Schlagzeug); Bemerkung: 2 DVDs im aufklappbaren Digipak, ohne Booklet;

Titel:
DVD 1: Bilder einer Ausstellung • Was bleibt • Der weite Weg • Die Sage • Der Kampf um den Südpol • Der Alte auf der Müllkippe • Kein einziges Wort • Weißes Gold
DVD 2: Der Eine und der Andere • Stundenschlag • Frei • Auf der Wiese • In jener Nacht • Nachts • Wasser und Wein • Schnee und Erde • Die Zeder von Jerusalem • Also was soll aus mir werden • Nimm die Welt in die Hand • Rabe Medley • Dein Herz • Eine Nacht • Wir sind die Sonne


Rezension:
Kaum ein graues Haar, nur wenig Falten und so aufgedreht als sei sie ein Teenager. Sie hat halt gute Gene und es ist echt kaum zu glauben, dass sie "vor Kurzem" schon ihren 55. Geburtstag mit vielen Gästen in ihrer Geburtsstadt an der Elbe gefeiert hat. Die Rede ist hier nicht von einer Frau, sondern von der Stern-Combo Meißen. Am 21. September 2019 lud das fünfköpfige Art- und ProgRock-Ensemble zu einem Konzert der Superlative ans Elbufer in Meißen ein. Der Mitschnitt dieses beeindruckenden Abends mit all seinen Höhepunkten und musikalischen Leckerbissen erscheint nun beim Label POOL als Doppel-DVD unter dem Titel "55 Jahre - Das Jubiläumskonzert".

Über diesen Abend ist schon viel erzählt und geschrieben worden, u.a. auch sehr ausführlich bei uns (siehe HIER). Gestochen scharfe Bewegtbilder mit Ton gibt es jedoch erst jetzt. Und da hat "de Gombo" einmal mehr nichts dem Zufall überlassen. Schon 2014 bei der Umsetzung des Albums "Live im Theater am Potsdamer Platz" übertrug man die Produktion einer jungen Dame namens Melanie Braun, die dieses Konzert mit viel Fingerspitzengefühl und Blick für den richtigen Moment ganz hervorragend eingefangen hat. Die Scheibe zählt inzwischen zu den beliebtesten Veröffentlichungen der Band, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie einen der letzten Auftritte Thomas Kurzhals beinhaltet. Auch für "55 Jahre - Das Jubiläumskonzert" legte man die Produktion wieder vertrauensvoll in ihre geschickten Hände und tat gut daran. Auf zwei DVDs bekommt man nun ein abendfüllendes Programm in erstklassiger Bild- und Tonqualität, das die Band und ihre Spielfreude ganz wunderbar abbildet.

Für diese Spielfreude war aber nicht Melanie verantwortlich, sondern die Herren Musikanten selbst. Und da gibt es eine Menge zu entdecken. Besonders auffällig ist, dass die teils 50 Jahre alten Lieder vom Klang her gleichberechtigt neben ganz neuen Stücken der Combo stehen. Sie wirken nicht alt oder mit Patina überzogen, sondern frisch und knackig, als kämen sie direkt vom aktuellen Album herunter. Im direkten Vergleich zu anderen Mitschnitten der Band stellt man auch fest, dass nach all den Jahren noch immer eine Wandelbarkeit in den Arrangements und der Darbietung möglich ist, so dass man nie den Eindruck hat, hier wiederhole sich etwas zum x-ten Mal oder man habe dies genauso schon auf einem anderen Mitschnitt gesehen oder gehört. Auch das zeigt, dass da noch viel Leben in der Formation steckt und nichts Routine ist. So kann man z.B. das Wachsen von Manuel Schmid an den Tasten beobachten, der die einst aus der Not heraus übernommene Aufgabe an Keyboards, Synthies und Moog inzwischen nahezu in Perfektion ausübt und beim Spielen fast schon in eine Art Rausch verfällt. Er lebt und erlebt jeden Ton. Das sorgt für Frohsinn beim Betrachter. Oder Lexa Schäfer und sein Spiel auf den vier dicken Saiten, das bei jeder Begegnung mit ihm anders und immer einen Hauch feiner zu klingen scheint. Er zeigt sehr appetitanregend, dass im Umgang mit einer Bassgitarre mehr steckt, als damit beim Zuhörer vor der Bühne nur für Vibrationen in der Magengegend zu sorgen. Überhaupt sind es die vielen einzelnen Elemente, die im Zusammenspiel dieses stimmige Bild abgeben. Hier greift ein Rädchen ins andere und das Ergebnis kann sich sehen bzw. hören lassen.

Auf dieser Doppel-DVD sind fast alle wichtigen Schöpfungen der Band enthalten. Mir persönlich fiel lediglich das Fehlen von Vivaldis "Frühling" auf, ansonsten ließen Martin Schreier und Kollegen keine Wünsche beim Publikum offen. Es wurden sämtliche Phasen und Momente der Band-Geschichte abgedeckt und es ist wirklich spannend zu beobachten, wie die 55-jährige Meißnerin ihr Publikum sowohl zum Tanzen und Mitsingen abholen, als auch zum aufmerksamen Zuhören und in andere Welten abtauchen einladen kann. Das Publikum nimmt es dankbar und oft auch hörbar an, und feiert die Artrock-Songs genauso wie die der Pop-Phase in den 80ern. Man sollte meinen, dies würde sich beißen und zusammen nicht gehen, aber das Gegenteil beweisen die Herren ja schon seit Jahren.

Nicht unerwähnt sollten die vielen Gäste bleiben, die ihr Kommen mit gemeinsamen Auftritten vor Ort verbunden haben. So kommt der Zuschauer bei "Der weite Weg" nochmal in den Genuss, die alte Nummer mit Stern-Urgesteinen an Bass (Bernd Fiedler) und Orgel (Lothar Kramer) genießen und mit dem Auftritt von Andreas Bicking ein Wiedersehen mit dem kreativen Kopf der 80er tief in sich aufsaugen zu können. Letzterer bringt mit seinem Saxophon noch eine zusätzliche Note mit ins Klangbild. Für mich persönlich sind hier aber die Auftritte von Veronika Fischer und Michael Behm die Höhepunkte bei den Gastauftritten. Der Vortrag von Vroni im Duett mit Manuel ("In jener Nacht") ist allein schon zum Niederknien schön, aber als sie zusammen mit der Combo den Panta Rhei-Klassiker "Nachts" anstimmt, will die Gänsehaut hier überhaupt kein Ende mehr nehmen. Sie ist und bleibt eine Ausnahmekünstlerin mit deutlich wiedererkennbarer Stimme, von deren Klasse es hierzulande gerade beim "Nachwuchs" nicht allzu viele gibt. Ein ähnliches Gefühl überfällt mich beim Auftritt von Micha Behm, der zuerst "Der Eine und der Andere" singt, um dann beim "Stundenschlag" an alter Wirkungsstätte an Fellen und Becken Platz zu nehmen. Das hat schon was. Das weckt nostalgische Sentiments.

So intensiv man dieses rauschende Fest zu Hause auf der Couch auch genießt und jeden Ton tief in sich aufnimmt, so schnell ist der lange DVD-Abend auch schon zu Ende. Ruck zuck sind drei Stunden vorbei und man hat es kaum bemerkt. Gern hätte man noch eine dritte oder vierte DVD eingelegt, da ist man dann ja doch irgendwie unersättlich, aber irgendwann muss ja auch mal Schluss sein. Wenn der Abspann beginnt stellt man fest, dass man gut unterhalten wurde, durch ständiges Mitzappeln den Teppich vor dem Sofa verschoben hat und tatsächlich überlegt, ob man nicht gleich nochmal von vorne anfangen soll.

Inzwischen ist die Band schon 58 Jahre alt und feiert schon bald den 60. Geburtstag. Außerdem hat sie den Doppelnamen abgelegt, dabei nach 1980 erneut das Wort "Combo" gestrichen, und mit "Freiheit ist" ein Dokument darüber abgelegt, dass alte Musikgruppen auch viele Jahre nach ihrer Gründung noch voll im Saft stehen und entsprechend geil klingen können. Wer das nicht glauben mag, möge sich diese Doppel-DVD geben und sich selbst für viele erlittene Qualen vor anderen Bühnen und im Tagesprogramm von Funk und Fernsehen entschädigen.
(Christian Reder)



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