Ella Endlich: "Sternschwimmer" (Album)

endlich2022 20220625 1396974256VÖ: 17.06.2022; Label: Unendlich Musik; Vertrieb: Telamo; Katalognummer: 4053804317337; Musiker: Ella Endlich (Gesang), Franziska Wiese, Mathias Grosch (Klavier bei "Träum dich groß, träum dich weit"), Alex Almeida (Akkordeon bei "Granada"), Computer (alle anderen Instrumente); Produktion: Felix Schüler, Ole Sturm, Matthias Heising; Bemerkung: CD im Jewel-Case inkl. Booklet mit Abdruck aller Texte;

Titel:
"Sternschwimmer", "Granada", "Träum dich groß, träum dich weit", "44 Tage", "Diamant", "Willst du mit mir blühen", "Tropfen", "Der große Bogen der Zeit", "Pinker Mond", "Oh, Là, Là (Wird es Liebe sein) ", "Das gönn' ich dir", "Menschen machen Bilder", "Für uns", "Fahr ans Meer", "Unbegrenzt"


Rezension:
Die Flasche Wein ist auf, die neue CD von Ella Endlich liegt im Player. Gleich kann es losgehen. Aber erst mal noch einen Schluck Roten … ach komm, noch einen. Ich stelle fest, dass Ella Endlich eine pfiffige Frau ist, die es verstanden hat, wie das Musikgeschäft funktioniert. Ein Großteil unserer Mitmenschen möchte heute geistig gar nicht mehr mit Inhalten oder musikalischen Experimenten überfordert werden. Man hat es gern einfach und wenn's geht, auch schön urlaubsmäßig und fröhlich. Viele brauchen einfach nur einen Beat, zu dem im Takt mitgeklatscht und geschunkelt werden kann, und einen Text, den man sich schön leicht merken und mitsingen kann. Im Idealfall besteht das Lied nur aus einem sich wiederholenden Refrain. Das kennen wir alle noch aus der musikalischen Früherziehung im Kindergarten und der Vorschule, und das wird im Erwachsenenalter gerne einfach nur übernommen, weil man nach dem Genuss von Rolf Zuckowski die Lust verloren hat, sich intensiver mit Musik zu beschäftigen. Wie dem auch sei ... In dieser schlichten und unbekümmerten Welt tummeln sie sich dann auch alle, die man samstags zur besten Sendezeit im ersten Programm antreffen kann. All die Ross Antonys, Kerstin Otts und Maite Kellys, die heute die Folklore für das einstige Volk der Dichter und Denker liefern, treffen stets den Geschmack der Massen, und hier reiht sich auch Ella Endlich mit ihrem 15 Lieder umfassenden neuen Album "Sternschwimmer" ein.

Der Rotwein ist übrigens sehr süffig… Prost!

Im Tagesprogramm sämtlicher privaten und öffentlich-rechtlichen Radiostationen, die sich eigentlich nur noch wegen ihrer Standorte durch unterschiedliche Werbespots voneinander unterscheiden, dürfte Ella Endlich mit dem "Sternschwimmer" ihren Platz auch sicher haben, denn in dem eben beschriebenen Wespennest stochert sie fröhlich mit einem spitzen Stock herum.

Damit ist sie Kolleginnen wie Christina Lux, Anne Haigis, Julia Neigel oder der bei uns auch schon vorgestellten Paula Linke meilenweit voraus, denn die versuchen ja immer noch krampfhaft, Inhalte zu transportieren und die auch noch mit handgemachter Musik zu verbinden. Wie oldschool ist das denn, bitteschön?

Trotzdem erhebe ich mein Glas Rotwein auf eben erwähnte Damen. Prost!

Bei Ella entdeckt man dagegen den Zeitgeist, z.B. einen aus dem Amiland hierher rüber geschwappten Hip-Hop-Style in ihrem Lied "Granada". Auch von Pietro Lombardi schon erfolgreich ins Arrangement seiner Schlager gelötet. Oder sie segelt im frischen Popschlager-Wind mit Titeln wie "Sternschwimmer" mit, bei dem Mutti beim Ausgehen mit den Mädels so richtig abfeiern kann. Herrlich! Der richtige Soundtrack für die chillige "Afterwork Party" mit Cocktails in der urbanen Strandbar. Ein Postkartenmotiv!

Apropos "Cocktail" … Der Rotwein hier ist echt gut. Halbtrocken und sehr fruchtig im Abgang!

Mit dem Stück "Träum Dich groß, träum Dich weit" hat Ella ihren Beitrag zum Sarah Connor-Listen-Alike-Contest auf das Album gebracht. Ist man noch von der zuvor gehörten "Granada"-Hymne ganz doll begeistert, trifft einem die Sängerin mit dieser Musical`esken Ballade schon wieder mitten ins Herz. Böse Zungen werden sicher behaupten, die Nummer sei 08/15 und von der Stange, aber das sehe ich ganz anders. Wenn überhaupt, dann 08/25 …

Das ist der Wein hier definitiv nicht … Ein Penfolds Carbanet. Mensch, ist der lecker!

In den folgenden Liedern wird die gute Laune beim Hörer weiter angefeuert. In "44 Tagen" bekommen wir den vertonten Aufsatz "Mein schönstes Ferienerlebnis" zu trendiger Popschlagermusik gereicht, und "Willst Du mit mir blühen" ist wohl Ellas zu Musik gewordener Wunsch, ein Teil der Bundesgartenschau zu werden. Kann aber auch sein, dass ich das missverstanden habe. Aber mit dem inzwischen vertrauten Beat und dem aus Kunststoff gewebten Sound-Kleid der Lieder bin ich inzwischen verbunden wie mit einem ständigen Begleiter … so wie mit einem Stalker z.B. Aber hey … Zu viele Wechsel würden manch ein Gemüt auch nur unnötig verwirren. Und trotzdem unterbricht die Künstlerin den "Flow" mit ihrem Song "Tropfen", in dem sich Ella Endlich dann in Thomas D.-Manier im Sprechgesang versucht. Damit kommt noch ein weiteres ganz wichtiges Element in ihrer Musik dazu, um auch den letzten Hörer in der Zielgruppe abzuholen. Dass es am Ende doch eher nach Olli P. als nach Fantastische Vier klingt, macht aber gar nix und mir die 38-jährige auch irgendwie noch sympathischer als sie es bis hierher eh schon war.

Darauf einen Schluck Roten … eine neue Flasche ist schon auf. Was für ein kostspieliger Abend …

Schnell wird in "Der große Bogen der Zeit" aus Alibi-Gründen noch ein philosophischer Ausflug unternommen und im folgenden "Pinker Mond" dann aber wieder zum Samstagabend-Show-Gute-Laune-Sound zurückgekehrt, denn von dem kann man ja nicht ausreichend genug ins Programm streuen. Das wird dann auch in der Folge ("Oh la, la", "Das gönn' ich Dir", "Für uns") fleißig weiter gemacht, damit niemand beim Hören unterversorgt ist und Mangel erleiden muss.

Prost!

Ich wiederhole mich: Ella Endlich ist eine pfiffige Frau. Sie weiß, wo man die Hebel ansetzen muss. Man nehme das Beste aus der Szene, schaue bei Kolleginnen wie Helene und Andrea vorbei, füge einen Spritzer US-Trend hinzu, bediene auch die Hip Hopper unter den Hörern und mische das ganze sommerlich ab. Der Phantasie überlasse man dann noch die schwere Rätselaufgabe, was denn wohl ein "Sternschwimmer" ist, und feddich ist das Produkt für die partywütige Masse, das für Gesprächsstoff sorgt. Fachmagazine wie "Brisant", "prominent" und - mit etwas Glück auch- "taff" werden ihr kundiges Urteil über das Produkt samt Anwendungsempfehlung ans eigene Publikum weitergeben, denn hier wird internationale Klasse geboten. Wer braucht heute schon noch Statements oder eine spannende Geschichte im Songtext? Und wer geht noch mit echten Musikern ins Studio, wenn man doch alles mit dem Computer und ohne Instrumente erzeugen kann? Ist doch alles völliger Unsinn, und das hat die Ella längst durchschaut. Und weil so viel Mut und "Anderssein" in diesem Lande kaum eine Plattform hat, hat die Künstlerin für ihre Musik ein eigenes Label gegründet, nämlich "Unendlich Musik". Klasse! Glückwunsch! "Endlich", möchte man ihr zurufen, "Endlich eine Heimat für den Popschlager." Ich bedanke mich bei der Künstlerin und vor allen Dingen beri dem französischen Winzer, der diesen wunderbaren Wein auf Flaschen gezogen hat, für eine vergnügliche Stunde. Mal sehen, wie mir die CD morgen gefällt, wenn ich wieder nüchtern bin.
(Christian Reder)





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