OMEGA: "Das Deutsche Album" (Album)

lp83 20200421 2023736891VÖ: 24.04.2020; Label: Sechzehnzehn/Buschfunk; Katalognummer: BF 06972; Musiker: János "Mecki" Kóbor (Gesang), Lászlo "Laci" Benko (Tasteninstrumente), Tamás "Misi" Mihály (Bass), György "Elephant" Molnár (Gitarre), Ferenc "Ciki" Debreceni (Schlagzeug); Bemerkung: CD im Jewel-Case inkl. Booklet mit Vorwort von Wolfgang Martin. Leider ohne Abdruck der Songtexte;

Titel:
"Meine langerwartete Liebste (Régvárt kedvesem)", "Nächtliche Landstraße (Az éjszakai országúton)", "Omega Auto (Omegauto)", "Nach einem schweren Jahr (Egy nehéz év után)", "Reise auf dem grauen Fluss (Utazás a szürke folyón)", "Perlen im Haar (Gyöngyhajú lány)", "Untreue Freunde (Hutlen barátok)", "Nur ein Wort (Van egy szó)", "Zerbrechlicher Schwung (Törékeny lendület)", "Traurig schwieg ein Mädchen (Szomorú történet)", "Sie ruft alle Tage herbei (Utcán, a téren)", "Magischer weißer Stein (Varázslatos, fehér ko)", "Schreib es mir in den Sand" (Frank Schöbel), "Gyöngyhajú lány (Original)"


Rezension:
"In den 70ern haben wir ein paar Songs auf Deutsch gesungen, aber damals die Texte nicht verstanden. Das war zu der Zeit schon etwas komisch, denn für uns sind die Texte immer sehr wichtig gewesen." Dieses Zitat stammt aus dem Interview mit János Kóbor, das unsere Redaktion im November 2007 mit dem Frontmann der ungarischen Rockband OMEGA geführt hat. Trotzdem die Worte, die gesungen wurden, für die Musiker unverständlich waren, hat die Band damals knapp 12 Lieder in den Rundfunkstudios der Berliner Nalepastraße neu produziert und mit deutschen Übersetzungen bzw. Bearbeitungen ihrer ungarischen Texte eingesungen. Diese Bearbeitungen kamen von Kurt Demmler und Bernd Maywald, denen die ungarischen Musiker zum Zeitpunkt der Aufnahmen einfach mal vertrauen mussten und dies letztlich ja auch taten. Das war alles noch ziemlich neu, denn Rockmusik mit deutschen Texten war Anfang der 70er längst noch nicht überall salonfähig, und dass Bands aus dem Ausland ihre Rocksongs in deutscher Sprache präsentierten, etwas ganz Besonderes. "Es kam schon immer sehr gut beim Publikum an, wenn die internationalen Gruppen ein paar Titel auf Deutsch singen", fügte János Kóbor bei unserem Interview noch hinzu. Logisch, denn wer sprach (und spricht) hierzulande denn schon Ungarisch? Wohl die Wenigsten. Ganz viele Leute liebten aber die Band und ihre Musik, da lag es fast schon nahe, so eine Produktion auf die Beine zu stellen. Und man sollte Recht behalten, denn wie auch Wolfgang Martin im Vorwort des Booklet der hier vorliegenden CD erzählt, erfreuten sich die Songs größter Beliebtheit und belegten in den damals angesagten Wertungssendungen wie z.B. "Metronom", "Tip-Parade" und "Beatkiste" vordere Plätze. Selbst bei der von Deutsche Mugge im Jahre 2013, also knapp 40 Jahre nach den Aufnahmen dieser Songs gestarteten Umfrage unter den Lesern nach den beliebtesten deutschsprachigen Alben aller Zeiten, kam das 1997 bei BARBArossa erschienene "Deutsche Album" der Gruppe OMEGA aus Ungarn auf Platz 17 der Top 100-Liste. Dieses Album kommt nun am 24. April 2020 beim Label Sechzehnzehn in einer neuen und um zwei Bonus-Tracks erweiterten Fassung wieder in den Handel.

Die Zeit der Beat-Musik war längst zu Ende, die Phase, in der sie mit ihrem Space-Rock die Massen in ganz Europa begeistern sollten noch nicht in Sicht, da spielte die ungarische Rockband OMEGA diese 12 Lieder mit für die deutschen Fans verständlichen Texten ein. Genauer gesagt passierte dies im Jahr der Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1973 in Ostberlin, wo ja bekanntlich einiges möglich war, was sonst unmöglich erschien. Irgendwo zwischen Hardrock, Psychodelischem und Progressivem Rock pendelt sich die Musik ein, die man hier zu hören bekommt. Dabei schlug die Band eine Brücke, denn die eigenen Wurzeln aus den 60ern, als eben erwähnter Beat noch im Vordergrund stand, wurde hier nämlich nicht verleugnet, sondern fügt sich in so manchem Arrangement entspannt ein. Die Sammlung dieser Lieder wird auf dem Album mit der Nummer "Meine langerwartete Liebste", die im Original "Régvárt kedvesem" heißt und vom '72er Album "Élö Omega" stammt, eröffnet. Gute Wahl, denn schon dieses Stück haut dem Hörer gleich die geballte Ladung OMEGA um die Ohren. So klang die Band damals, das war ihr Sound, und das waren auch ihre Themen. OMEGA konnte im Vergleich mit internationalen Größen nicht nur mithalten, sondern selbst auch Akzente setzen. Der Opener ist jedenfalls eine feine Hardrock-Nummer, die in Bein und Langzeitgedächtnis gleichermaßen fährt und die Vorfreude auf die nächsten knapp 65 Minuten anfeuert. In dieser Stunde folgen mal knackig zur Sache gehende Rocksongs ("Omega Auto", "Zerbrechlicher Schwung/Törékeny lendület"), mal die ruhige Seite der Band präsentierende Balladen ("Die nächtliche Landstraße/Az éjszakai országúton", "Nur ein Wort/Van egy szó"), aber auch feine Folk-Nummern mit Beat-Einschlag ("Traurig schwieg ein Mädchen/Szomorú történet"). Besonders fällt der Sound der hier zu hörenden Lieder auf. Er lässt nicht vermuten, dass all diese Stücke fast 50 Jahre alt sind. Lediglich die sich über die Musik gelegte Patina und der Zeitgeist weisen deutlich auf die frühen 70er hin. Ebenso die Laufzeiten so mancher Nummer, wie z.B. "Untreue Freunde/Hutlen barátok", das mit seinen über 10 Minuten weit über das Ziel der heutigen 3:30-Minuten-Radiotauglichkeitsvoraussetzung hinaus schießt und beim Hörer eine gespannte Aufmerksamkeit einfordert, diese aber Dank extrem scharfer Gitarren-Soli und nicht weniger spannender Dramaturgie im Arrangement locker-leicht einfährt. Dreckig klingt die Gitarre von György Molnár zu Beginn des Stücks. Im Verlauf lässt der Gitarrist dann seine Finger über Steg und Saiten flitzen, und entlockt seiner sechssaitigen Gespielin feinere aber nicht weiniger laute Töne. Es ist ein wahres Gewitter, das der Saiten-Virtuose da erklingen lässt, und man ist am Ende des Vortrags schon vom Zuhören schweißgebadet. Allein über dieses Stück und den Reichtum an Farben darin könnte man hier einen Aufsatz verfassen, der aber den Rahmen einer Rezension sprengen würde. Immerhin muss man ja auch noch den Song "Perlen im Haar", das im Original "Gyöngyhajú lány" heißt und OMEGAs wohl bekanntesten Titel darstellt, erwähnen. Auf diesem Album ist das Lied gleich in drei verschiedenen Versionen zu hören. Zum Einen als "eingedeutschte" OMEGA-Fassung aus der '73er Rundfunkproduktion, und zum Anderen am Ende der CD in der ungarischen Original-Version und in der von Frank Schöbel gesungenen deutschen Version. Alle drei mit an Pink Floyd erinnernde Keyboard- und Gitarren-Sounds und einer Magie im Klang, die nur schwer mit Worten zu beschreiben ist. Das weiter oben schon genannte Stück "Untreue Freunde/Hutlen barátok" wird übrigens ergänzt durch den Song "Nach einem schweren Jahr/Egy nehéz év után". Beide Lieder beschäftigen sich inhaltlich mit der Trennung von den ehemaligen Kollegen Gabor Presser und Josef Laux, die OMEGA im Jahre 1971 verließen und auch gleich noch die Texterin Anna Adamis mit sich zur neuen Gruppe LOCOMOTIV GT nahmen. Inhaltlich also verwandt, klingt das eine ("Nach einem schweren Jahr/ Egy nehéz év után") ziemlich schwermütig und das andere ("Untreue Freunde/Hutlen barátok") laut und wütend.

Der Sound dieser CD wurde bereits angesprochen. Dass die Lieder aus dem Jahre 1973 so satt und gut klingen, ist Bernd Wendlandt von den Valicon Studios zu verdanken, der die alten Bänder gemastert hat. Es handelt sich hier also nicht um eine 1:1 Übernahme der vor 23 Jahren bei BARBArossa veröffentlichten Kopplung, sondern bei der Wiederauflage wurde nochmals Hand angelegt und die alten Steine poliert. Auch fürs Auge wurde was getan, denn neben dem ebenfalls schon erwähnten Vorwort von Wolfgang Martin zieren diverse Fotos das Cover-Artwork. "Das Deutsche Album" ist ein Zeitdokument, das anders als viele Geschichtsbücher keine staubtrockene Angelegenheit, sondern ein Fest für die Ohren ist. Das ist Rock'n'Roll und eine vergnügliche Stunde mit echter handgemachter Musik vom Balaton. Wem bis jetzt noch nicht klar war, warum diese Band bereits seit 58 Jahren erfolgreich Musik macht und noch immer auf der Bühne zu bestaunen ist, sollte in diese CD unbedingt ein Ohr rein halten.
(Christian Reder)





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